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ZchönlmMr Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 5V Pf. Alle Postanstaltsn, die Expedition und die Colporteurs dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 59. Freitag, den 12. Mürz 1880. "Waldenburg, 11. März 1880. Der Schluß des sächsischen Landtages. Gestern am 10. März ist in Dresden der sächs. Landtages durch Se. Maj. den König feierlich ge schlossen worden. Der König, welcher ans dein Thron Platz genommen und sein Haupt mit dem Helm bedeckt hatte, verlas hierbei folgende Thron rede: „Meine Herren Stände! Es gereicht Mir zu besonderer Genugthuung, Sie vor Schluß des Landtags nochmals nm Mich zu versammeln. Vor Allem drängt es Mich, Ihnen Meine Aner kennung dafür auszusprechen, daß Sie Meine Re gierung in dem Bestreben unterstützt haben, in schwieriger Zeit die Rücksichten der Sparsamkeit mit den durch die Interessen des Landes gebotenen Ansprüchen zu vereinbaren. Zu Meinem Bedauern hat sich eine Erhöhung der Erbschaftssteuer und der Gerichtsgebühren zur Deckung des finanziellen Bedarfs nicht umgehen lassen. Mit dankenswerther Fürsorge haben Sie in Anerkennung der Nothwendigkeit zugestimmt. Ich gebe Mich der Hoffnung hin, daß es nunmehr ge lingen werde, das Gleichgewicht im Staatshaushalte dauernd herzustellen. Durch die Bewilligung der Mittel zu Erbauung einiger Secundärbahnen haben Sie den Weg er öffnet, einer größeren Anzahl von Gegenden des Landes die Wohlthaten einer langersehnten Ver kehrserleichterung mit verhältnißmäßig geringen Opfern zuzuführen, und damit Ihre Fürsorge für die Hebung des allgemeinen Wohlstandes des Lan des von Neuem bethätigt. Das mit Ihnen vereinbarte Gesetz in Betreff der gewerblichen Schulen wird, ohne die freie Entwicke lung dieser Anstalten zu beeinträchtigen, die Füg lichkeit gewähren, Uebelständen entgegenzutreten, welche im öffentlichen Interesse nicht geduldet werden können. Dem. Gesetze wegen Besteuerung der Wanderla ger für die Gemeinden habe Ich in der von Ihnen beschlossenen Fassung Meine Zustimmung ertheilt. Ich hoffe, daß damit den Beschwerden der seßhaften Gewerbetreibenden über die in der bisherigen Gesetz gebung begründete unbillige Bevorzugung jenes Gewerbebetriebs Abhülfe verschafft wird. In einem verbreiteten Zweige der Hausindustrie ist leider der Verdienst noch ein so geringer, daß in mehreren Orten für den nothleidenden Theil der Bevölkerung die öffentliche Unterstützung in umfäng lichem Maße hat in Anspruch genommen werden müssen. Ich danke Ihnen, daß Sie Meine Regie rung in die Lage gesetzt haben, falls bei längerer Dauer dieses Zustandes die Leistungsfähigkeit der Gemeinden und Bezirke den an sie zu stellenden Anforderungen nicht mehr genügen sollte, die erfor derlichen Unterstützungen durch Beihülfen aus der Staatskasse zu gewähren. Andererseits haben sich zu Meiner großen Be friedigung in den letzten Monaten die Anzeichen vermehrt, daß das geschäftliche Leben sich wieder hebt, auf manchen gewerblichen Gebieten die Er- werbsverhältnisse sich allmählich zu bessern beginnen. Die Erfahrungen der letzten Jahre werden dazu beitragen, die Ueberzeugung zu befestigen, daß einem Gewerbe nur die Güte der Leistungen dauerndes Gedeihen sichern und allein der auf tüchtiges Schaffen gegründete Erfolg, nicht aber müheloser Gewinn, das Ziel des Strebens sein kann. Schon heute kann Ich nach den bisherigen Er fahrungen aussprechen, daß Unsere Gerichte in Be treff der Handhabung der im vergangenen Jahre in's Leben getretenen Prozeßordnungen die Erwar tungen, welche Ich hegen durfte, erfüllen. So entlasse Ich Sie mit dem lebhaften Wunsche, daß auch die Arbeit dieses Landtags dazu beitragen möge, das wirthschaftliche Gedeihen wie die geistige Cultur Unseres geliebten Vaterlandes zu fördern und es zur Erfüllung aller seiner Aufgaben, insbe sondere auch derjenigen zu kräftigen, zu welchen es als Glied des deutschen Reichs berufen ist." Im Banketsaale des kgl. Residenzschlosses fand nachmittags 5 Uhr das Abschiedsdiner statt, an dem der König, die Königin, Prinz und Prinzessin Georg, sowie Prinzessin Mathilde, die Staatsminister und die Mitglieder der beiden Kammern theilnahmen. "Waldenburg, 11. März 1880. Politische Runvschau. Deutsches Reich. Der Ausschuß für Justizwesen hat zu dem Wu chergesetz beantragt, den Artikel 1 des Entwurfs in einigen Punkten abzuändern, während Artikel 2 und 3 in der Fassung der Vorlage unverändert bleiben. Der Artikel 1 enthält im Entwurf vier in das Straf gesetzbuch neu einzuführende Paragraphen. Die vom Ausschüsse beantragten Abänderungen gehen auf eine Verschärfung dieser Paragraphen aus; es werden u. A. für einzelne Fälle des Wuchers nicht Gefäng- niß- oder Geldstrafen, sondern Gefängniß- und Geld strafen gefordert und in den letzten Paragraphen, wo für gewerbs- oder gewohnheitsmäßigen Wucher der Entwurf als Möglichkeit den Verlust der bürger lichen Ehrenrechte hinstellt, fordert der Antrag des Justizausschusses diesen Verlust unbedingt. Die „Prov.-Correspondenz", die erste Berathung der Heeresvorlagen besprechend, hebt vor Allem den patriotischen Eindruck der ersten Berathung hervor, der zwar nicht bedeutungsvoll sei, aber durchaus einen friedlichen Eindruck gemacht habe. Aus den Reden des Kriegsministers und des Feld marschalls Moltke habe das Ausland entnehmen können und sich auch, wie allseitig wahrzunehmen, der Erkenntniß nicht verschlossen, daß Deutschland nicht auf einen Angriff ausgehe und lediglich für den Zweck der Selbsterhaltung die Streitmittel in dem Maße mehre, welche von den anderen Mächten bei Weitem überschritten sind. Gestern Mittwoch, 10. März, ward im Thier garten zu Berlin auf der Louiseninsel unfern dem Stai dbilde Friedrich Wilhelm III. das von Erd mann Encke geschaffene Denkmal der Königin Louise, der Mutter unseres Kaisers, feierlich ent hüllt. Der Plan zur Errichtung dieses Denkmals tauchte gleich nach dem französischen Kriege auf; reichlich flossen die freiwilligen Gaben für dasselbe aus den Kreisen der Bürgerschaft, und auch die städüschen Behörden betheiligten sich in hervorragen der Weise bei der Beschaffung der nothwendigen Mittel. Am 22. März 1877, zum achtzigsten Ge burtstag unseres Kaisers, wurde derselbe durch die vollendete Modellstatue überrascht, welche zu jenem Tage in der Schloßcapclle Aufstellung gefunden hatte. Dann schritt der Bildner rüstig an die Aus führung seines Werkes, und dem Wunsche des Kaisers entsprechend, fand die Enthüllungsfeier des nunmehr vollendeten Werkes am Geburtstage seiner verewigten Mutter, am 10. März, statt. Die Fest rede zur Feier hielt der Wirkl. Geh. Nath Hobrecht. Der Kaiser sprach Hobrecht und dem Bildhauer Encke seinen Dank aus, richtete auch an die Ver treter der akademischen Jugend das Wort und er mahnte sie, dem Vorbilde der deutschen Jugend aus den Tagen der Königin Louise nachzueifern. Zu Ehren des Tages trugen alle öffentlichen und viele Privatgebäude Flaggensch.nuck. In Baiern hat ganz im Stillen ein Minister wechsel stattgefunden. Der Ministerpräsident v. Pretzschner ist zurückgetreten. Doch liegt ein poli tisches Motiv durchaus nicht vor, sondern der Rück tritt erfolgte lediglich aus Gesundheitsrücksichten. Sein Nachfolger ist Freiherr v. Crailsheim, ein Mann von 39 Jahren und protestantischer Con- fession. Der baierische Kriegsminister soll neuerdings den Befehl erlassen haben, gegen Soldaten miß Hand lungen energisch einzuschceiten und solchen ener gisch vorzubeugen. Hoffentlich verfehlt diese Mah nung ihre Wirkung nicht. Die Zweite Kammer in Baden befindet sich im Zwiespalt mit dem badischen Minister Stoeßer. Die Kammer hat ein Mißtrauensvotum gegen ge nannten Minister mit 29 gegen 19 Stimmen an genommen. Minister Stoeßer vertheidigte sich gegen den Vorwurf, daß er Anlaß zur Lösung der Har monie zwischen Negierung und Kammer gegeben habe. Frankreich» Sämmtliche Blätter besprechen das Votum des Senats über tz 7 des Ferry'schen Unterrichts gesetzes. In der „Nepublique frantzaise" äußert sich Gambetla's Ingrimm: Das Votum betrübt uns zunächst um des Senates willen. Man weiß, wie schwer es dem Lande fällt, die Nothwendigkeit eines Oberhaufes und einer Control- und Revisionskammer einzusehen. Das gestrige Votum wird die Anhänger des Einkammersystems an Zahl verdoppeln. Wenn eine Körperschaft so wenig Selbstachtung besitzt, Herrn Jules Simon zu ihrem anerkannten Ver treter zu machen, so begeht sie gewissermaßen einen Selbstmord. Artikel VII war selbst nur ein Com- promiß; man weist ihn zurück? Desto besser! Man will nicht, daß die Jesuiten vom Unterricht ausge schlossen seien, so wird man sie kurz und bündig aus Frankreich ausschließen, dazu bedarf es keiner legislativen Maßregel. Ein administrativer Befehl genügt. Die Administration aber hängt vom Ca- binet und das Cabinet hängt von der Deputirten- kammer ab. Was auch komme, der Nationalwille wird triumphiren. Das „Journal des Debats" fordert das Cabinet auf, das Terrain für eine Transaction zu suchen. Die radikalen Journale verlangen die Anwendung der bestehenden Gesetze gegen gewisse Congregationen. Die Journale der Rechten beglückwünschen den Senat und erklären des sen Votum sür einen Sieg der liberalen Politik über die jacobinische. Rußland. Das jetzt zur Durchführung seilens des Grafen Loris-Melikow in Aussicht genommene Pro gramm soll in folgenden Hauptprincipien bestehen: Die Gewährung einer „faclischen" Freiheit der ge summten russischen Presse; die Heranziehung der Zemstwas und Dumas (Stadtvertretungen) zur Theilnahme an dem Fliedensroerke; die Beschrän kung der Herrschaft der Polizei; die Erweiterung der Rechte der Landschaftsversammlungen, die Frei heit der Meinungsäußerung. (???) Diesen Grund sätzen entsprechend, sollen in 26 Gouvernements des europäischen Rußlands „Volks-Ueberwachungs- Commissioneu" gebildet werden, die nur der Con trols des Staatsgewalt unterstehen würden. Die Stadtvertretungen entsenden aus ihrer Mitte ge wählte Mitglieder in diese Comissionen, welche in den Gouvernementsstädten ihren Sitz haben sollen. Nm aber auch die Einheit im Lager