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das Haus schließlich die Gelder für den altkatholi- schen Bischof Reinkens. Das preußische Herrenhaus hat die Besteuerung des Wanderlagerbetriebes in der Fassung des Abgeordnetenhauses ebenfalls genehmigt. Für die ungeheuerliche Höhe der Gerichtskosten bringt die „Voss. Ztg." folgenden neuen Beitrag: Es beantragt ein Gläubiger bei dem Landgericht zu Potsdam Arrest auf das Vermögen seines Schuld ners und zwar auf Höhe von 300,000 M. gemäß den Vorschriften der Htz 796 864. der C.-P.-O. zu legen. Der Antrag wurde, ohne daß es zu irgend einer Maßregel oder Verhandlung kam, durch Ver fügung zurückgewiesen, desgleichen auch die über die sen ablehnenden Bescheid bei dem Kammergericht eingereichte Beschwerde. Die Kosten für diese bei den einfachen Verfügungen wurden von dem Gericht, ganz entsprechend den Bestimmungen des neuen Ge- richtskostentarifes, mit etwas über 700 Mark, schreibe über siebenhundert Mark, von dem Antragsteller erfordert. Vor dem I. October l879 betrugen die Gesammtkosten in diesem Falle 24 Mark.I In der würtembergischen Kammer sind bekannt lich mehrere Anträge auf Ermäßigung der Ge richtskosten eingebracht worden; der Chef des Ju stizdepartements, Faber, Hal hierzu seine Zustim mung erklärt. Die Antragsteller vereinigen sich auf den Antrag, die Regierung möge auf baldige Ab änderung hinwirken. Der Antrag wurde einstim mig angenommen. Frankreich« Hinsichtlich der Pariser Presse verdient hervorge- hoven zu werden, daß Herr Gambetta jetzt direct über vier Journale verfügt, nämlich zuvörderst die „Röpublique frantzaise" als das leitende Journal, sodann „Petite Republique frantzaise", die zu 5 Cts. verkauft und sehr stark gelesen wird, drittens seit dem 1. Februar den „Globe", den die Actiengesell- schaft der „Röpublique franhaise" angekauft hat, und viertens das militärische Wochenblatt „l'Armöe fran- yaise", welches derselben Gesellschaft gehört und durch den ehemaligen Generalstabs-Hauptmann Wachter im Auftrage Gambetta's redigirt wird. Außer diesen vier Journalen, die das Eigenthum Gambetta's und seiner näheren Freunde sind, muß noch der „Vol taire" als ein Organ des Kammerpräsidenten bezeich net werden, welches Blatt sich durch die Veröffent lichung des entsetzlichen Romans von Emilie Zola „Nana" einen großen Leserkreis verschafft hat. Außer dem sind in der Provinz zahlreiche Journale bemüht, als „Organ Gambetta's" zu erscheinen, so daß der gegenwärtige Kammerpäsident und muthmaßliche spä tere Staatschef über eine gewaltige Publicität gebie tet, durch welche er schon jetzt das Terrain vorbe reiten läßt, um sich in der großen Wahlcam agne des nächsten oder wahrscheinlich schon dieses Jahr des Sieges zu versichern. Rußland. Bei der Entdeckung der geheimen Druckerei in Petersburg tödtete sich in dem Augenblicke, als die Gendarmen durch die Fenster eindrangen, durch einen Revolverschuß der Nihilist Deutsch, worüber der „Pester Lloyd" folgende Angaben bringt: „Deutsch soll seit Monaten der oberste Leiter der gesammten nihilistischen Bewegung in Rußland und ein Mann von nahezu phänomenaler Thatkraft gewesen sein. Den unerhörten, von dieser Partei geübten Terrorismus soll Deutsch organisirt und mit drakonischen Mitteln, welche gegen unent schlossene Parteigänger angewendet wurden, er halten haben. Das Parteiorgan, die „Semlja Wolja," soll gänzlich durch seine große Arbeitskraft erhalten worden sein. Als gewesener Junker in einem Infanterieregiment hat Deutsch den Weg in viele Kasernen gefunden. Die in der Redaction des nihilistischen Blattes aufgefundenen Papiere sollen Beweise dafür liefern, daß die sensationellen Leistungen der Nihilisten in den letzten Jahren, namentlich aber der letzte Mordversuch, welcher gegen den Czar in Moskau versucht wurde,, unter unmittelbarer Leitung des verstorbenen Deutsch stattgefunden haben sollen. Der Selbstmord, den dieser verwegene Mann, der kaum etliche 20 Jahre zählte, beging, sowie die Verhaftung seiner nächsten An änger sollen die russische Regierung zu der An sicht berechtigen, daß es nunmehr gelingen werde, die nihilistische Agitation einigermaßen einzudämmen." Den polnischen Journalen telegraphirt man, daß den russischen Offizieren gegenwärtig ein längerer Urlaub nicht ertheilt wird. Asien. Die Feindseligkeiten in Afghanistan dürften bald wieder ausgenommen werden. Eine Meldung aus Calcutta vom 9. d. sagt: Der Priester der ! Moslemim, welcher gegenwärtig mit Mahanodjan in Ghazne ist, forderte die afghanischen Stämme auf, die Feindseligkeiten gegen die britischen Trup pen zu erneuern. Die Kohistanis und die Ghilzai- > stämme haben bis jetzt zugestimmt. Aus dem Mulventhale. *Waldmburg, 10. Februar. (Schlachtsteuer.) Im Laufe des vergangenen Jahres sind vom hiesi gen Steueramte an Schlachlsteuer erhoben worden: Von 24 Achsen L 18 Mk. ----- 432 Mk., von 300 Kühen st 12 Mk. ---- 3600 Mk., von 10 Kühen L 6 Mk. (der halbe Satz wegen Nothschlachten) — 60 Mk., von 17 Kühen L 6 Mk. (wegen Gewicht unter 300 Pfund) ----- 102 Mk., von 3457 Schwei nen st 3 Mk. 10,371 Mk., von 119 Schweinen st 1*/s Mk. (der halbe Satz wegen Nothschlachten) ----- 178 Mk. 50 Pf., in Summa 14743 Mk. 50 Pf. Hierzu Verbrauchsabgabe von ausländischem Fleischwerk 2462 Pfund st 4 Pf. 96 Mk. 40 Pf. (wegen Erhebung von 5 zu 5 Pf. ist diese Summe etwas geringer), 2060 Pfund L 5 Pf. 103 Mk. Jnsgesammt ist demnach vereinnahmt worden 14942 Mk. 90 Pf. *— (Theater.) Wie uns mitgetheilt wird, be absichtigt die Theatergesellschaft der Frau Haberstroh aus Glauchau nächsten Dienstag, den 17. d., im Saale des Schönburger Hofes hier wieder ein Gast spiel zu veranstalten und soll das neueste Lustspiel von Adolf LÄrronge: „Wohlthätige Frauen" zur Aufführung kommen. Das Stück ist im Wiener Hofburgtheater, Dresdner Hoflheater, Berliner Wall nertheater rc. mit größtem Beifall aufgeführt worden. — Der Peniger Gewerbeverein hielt am 5. d. seine Hauptversammlung ab. Zum Vorsitzenden wurde Herr Kaufmann Förster wiedergewählt. Der selbe hielt nach der Wahl einen kurzen Vortrag über „die Vorurtheile der deutschen Industrie", in dem derselbe nachwies, wie häufig ohne Grund und zwar aus purer Mode, die deutsche Industrie verdrängt, welche doch nach verschiedenen Erfahrungen dasselbe, vielleicht auch besseres leiste, als die Concurrenz im Auslande, und daß es häufig vorkomme, daß deut sches Fabrikat unter ausländischer Marke den wirk lich ausländischen Fabrikaten den Rang streitig mache. — Ein Zwickauer Einwohner kaufte bei einem dortigen Bäcker ein sechspfündiges Brod, fand dies aber so niedlich, daß er es polizeilich nachwiegen ließ, wobei sich nur die Kleinigkeit eines Minus von 425 Gramm vorfand. Bei einer bei diesem Bäcker hierauf vorgenommenen allgemeinen Nach wiegung seiner noch vorhandenen Brodvorrälhe wurden noch 17 Stück Brode mit zum Theil noch beträchtlicheren Fehlgewichten vorgefunden und be schlagnahmt. Aus dem Sachseulmrde. — Die Erste Kammer beschäftigte sich am 9. d. mit der Berathung der Capitel 73—75 des Etats der Zuschüsse, das Departement des Cultus und öffentlichen Unterrichts betreffend. — Die Zweite Kammer berieth den Rechen schaftsbericht auf die Jahre 1876/77 auf Grund des von ihrer 2. Deputation erstatteten Berichts. Der Negierung wurde Decharge ertheilt. — Die vierte Deputation der Ersten Kammer in Dresden führt in ihrem Berichte über die soge nannten Nothstands-Petitionen aus Mülsen, Mee rane rc. aus, daß sie bei allem warmen Mitgefühl für die Lage der Petenten und ihrer Genossen doch die sofortige Gewährung der Wünsche derselben nicht anempfehlen kann. Nach ihrer Auffassung ist das unmittelbare Eingreifen des Staates durch Un terstützungen aus Staatsmitteln nur im äußersten Falle und zwar erst dann zulässig, wenn die ver fügbaren Mittel der Gemeinden und Bezirke erschöpft sein würden, und sie beantragt, unter Ablehnung des Feuilleton. Nm eine Million. Novelle von K. Zeichner. (Fortsetzung.) „Nun" — meinte Camilla, mit ihren Schlüsseln spielend und dabei lauernd zu ihrem Bruder aufblickend — „ich denke doch, sie hat ein ganz hübsches Ver mögen von dem Krämer, ihrem Vater, hinterlassen bekommen?" So harmlos diese Bemerkung auch hingeworfen schien — so war es offenbar doch mehr als nur eine ganz unschuldige Frage gewesen — wenigstens war die Wirkung, welche sie auf den Grafen her vorbrachte, eine so aufreizende, daß sie in gar keinem Einklänge mit der einfachen Bemerkung seiner Schwester stand. Er fuhr auf und sein schon ohnehin rothes Gesicht färbte sich purpurn. „Was weist und verstehst denn Du davon?" schrie er zornig. „Wenn die Weiber doch nur bei ihren Kochtöpfen und ihrem Kleidertrödel bleiben wollten, wohin sie gehören! Es ist nicht der Rede werth, sage ich Dir — schweig mir also davon!" Und Fräulein Camilla schwieg. Sie wußte, daß es nicht wohlgethau war, ihrem Bruder, wenn er in Zorn gerieth, zu widersprech:n, und außerdem wußte sie auch bereits, was sie hatte wissen wollen. Gerads seine unmotivirte Heftigkeit hatte es ihr verrathen. Es gab da irgend einen wunden Fleck. Der Eintritt eines Dieners, welcher den Secretär Mittler meldete, unterbrach auf eine sehr willkom mene Weise das ohnehin bereits durch einen Miß- ton gestörte Gespräch der beiden Geschwister, ja, die finstere Stirn des Grafen glättete sich so fort, und er ließ sich sogar soweit herab, dem „La kaien", wie er schmeichelhafterweise in seinen Ge danken Mittler zu tituliren pflegte, mit ausgestreckser Hand einige Schritte entgegenzugehen, als dieser in's Zimmer getreten mar. Camilla huschte mit affenartigem Grinsen, das ihre Freundlichkeit ausdrücken sollte, wie ein häß licher Kobold zur Thür hinaus. „Sehr willkommen, sehr willkommen, lieber Mitt ler," versicherte leutselig der Graf, indem er auf einen Sessel wies und sich selbst vor seinem Arbeits tisch niederließ. Der Secretär hatte mit gewohnter Devotion seine Begrüßungen dargebracht und mit der ihm geläu figen Unterthänigkeit die Herablassung des Grafen zu würdigen gewußt. „Endlich lassen Sie sich auch einmal sehen, mein bester Herr Secretär," sagte der Graf. „Sie machen sich jetzt so rar, daß ich fast vermuthen möchte, es führt Sie heute etwas ganz Besonderes zu mir. Hab' ich's errathen — he?" Mittler verneigte sich auf seinem Stuhl, den er auf Einladung des Grafen angenommen. „Ich hatte wenig Zeit," sagte er bescheiden, „und außerdem fürchtete ich auch, den Herrn Grafen zu belästigen." „Dummes Zeug, Mittlerchen!" rief der Graf jo vial. „Sie wissen ja, daß Sie mir stets ange nehm sind. Sie thun ja wahrhaftig so bescheiden, als wie — als wären Sie ein Veilchen auf der Wiese, wie die dummen Kerle von Dichtern ja wohl sagen." Der Graf lachte polternd über seinen vermeint lichen Witz, und Mittler versäumte nicht, pflicht- schuldigst mit einzustimmen, durch eine Art von discretem Verziehen seiner Gesichtsmuskeln. Zu lächeln pflegte er überhaupt selten — zu lachen nie. „Auch hielt ich cs nicht für rathsam," setzte Mitt ler nach kurzer Pause etwas leiser hinzu. „Ahn — ich verstehe," machte der Graf mit ver- ständnißreicher Miene. „Gut gut — aber nun wie stehen denn meine — Angelegenheiten?" „Es ist Alles beim Alten, denke ich, Herr Graf!" „Nun, zum Teufet, nur um mir das zu sagen, werden Sie kaum eigens herübergekommen sein," brummte der Graf. „Ich kam," versetzte Mittler, „um dieses Schreiben meines gnädigen Herrn zu überbringen." Bei diesen Worten zog er einen Brief aus seiner Brusttasche. Der Grafgriff hastig danach und riß ihn auf. Nach dem er die wenigen Zrilen förmlich verschlungen hatte, durchlas er sie nochmals langsamer und sein Gesicht wurde immer verdutzter. „Mittler," sagte er „was bedeutet das? Sie bringen mir für uns Alle eine Einladung des Barons! Wie ist das zu verstehen?" Mittler lächelte respectvoll. „Der Herr Baron haben beschlossen, am Johan nistage ein großes Gartenfest auf Ebersberg zu ver anstalten, zu welchem die ganze Nachbarschaft ge laden wird." „Was!" schrie entsetzt der Graf und fuhr von seinem Stuhle auf. „Die Nachbarschaft? Also nicht blos die Familie? Ja, ist der Baron denn toll geworden, daß er, der dahinsiechende Mann, sein kostbares Leben förmlich auf's Spiel setzt?" Der Secretär sah zur Decke empor und stand ebenfalls auf. „Es ist leider so, wie der Herr Graf in seinem verwandtschaftlichen Mitgefühl soeben auszusprechen geruhten," sagte er achselzuckend. (Fortsetzung folgt.)