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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 27.11.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189411279
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18941127
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18941127
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1894
-
Monat
1894-11
- Tag 1894-11-27
-
Monat
1894-11
-
Jahr
1894
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 27.11.1894
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Ze L74, die Einsegnung der Ehe und hierauf die Fürbitte, die zum ersten Male für den sehr orthodoxen Selbstherrscher Nikolaus Alexandrowitsch und seine kaiserliche Gemahlin, die sehr orthodoxe Alexandra Feodorowna, gesprochen wird. Hierauf nähern sich die Neuvermählten der Kaiserin-Wittwe zum Danke und empfangen die Glückwünsche der Souveräne und Prinzen. Anschließend an die TrauungS-Cerrmonte findet ein Tedeum statt, während besten 301 Kanonenschüsse gelöst werden. Die Majestäten, gefolgt von den Souveränen und Prinzen, begeben sich hierauf nach ihren Appartements, wo ter Kaiser urd, von ihm geführt, seine Ge mahlin die Glückwünsche deS diplomatischen CorpS, der Würden träger und ihrer Damen entgegennehmen. Die Majestäten ver- affen sodann da» PalaiS und begeben sich in einem Galawagen 1» Daumont nach der Kasankathedrale, wo sie von dem Metro, rollten und dem hohen KleruS empfangen werden. Hier wird ein Dankamt abgrbalten. Die Majestäten fahren sodann nach dem AnitschkoffpalaiS, wo sie von der Kaiserin-Wittwe erwartet werden. Auf dem ganzen Wege vom WinterPalaiS nach dem Anitschkoff- palaiS bilden Truppen Spalier. In allen Kirchen werden Dank- lottrSdienste abgehatten und während deS ganzen TageS alle Glocken geläutet. lieber die Maßregelung deS Petersburger StadthauptmannS schreibt man dem „B. T." aus Petersburg, 21. November: Der Allgewaltige von Petersburg, her Stadlhauptmann, Generallirute« oant v. Wahl, dessen Machtvollkommenheit alljährlich die Existenz von Hunderten von Familien vernichten konnte, wurde jetzt selbst in tragikomischer Weise von der rächenden Nemesis ereilt. Ihn, der so oft und gern auS dem geringfügigsten Anlaß daS »gemeine Volk- einsperrte, hat man jetzt selber aus drei Tage eingesperrt! Aber nein! „eiugesperrt" klingt sür einen Generallieutenant zu unschön. Drücken wir uns also ander» auS und erklären wir: OertUches und Sächsisches. Freiberg, den 26 November. — Ueber die Rentabilität de* sächsische« Staat»- eisenbahnlinie« ist soeben für daS Jahr 1893 die übliche Statistik erschienen. Gegen daS Vorjahr betrug die Mehrein- nähme 4,809 354 M., die Mehrausgabe 2,272 337 M., daS Mehrerträgniß demnach 2,537 017 M. An der Mehreinnahme ist der Personenverkehr mit 25 Proz., der Güterverkehr uni 75 Proz. betheiligt. Die Ausgaben find in Wechselwirkung zu den mit dem gestiegenen Verkehre stehenden erhöhten Leistungen und Anforderungen gewachsen, besonders in Bezug auf Löhne, Kosten der Züge, Transportmittelunterhaltung, Wagenmielhe rc. Der Ueberschuß verzinste daS rund 716 Mill. M., umfassende Anlagekapital mit 4,521 Proz. gegen 4,270 Proz. im Vorjahre. — Der LandeSkulturrath gtebt folgende allgemeine Urberficht über den Eaate«sta«v und die Eimte im Königreich Sachse« auf die Zeit vom 15. Oktober bßs 15. November bekannt. Der Charakter der Witterung während der BerichtSzeit war genau in zwei entgegengesetzte Hälften getheilt. Während die zweite MonatSHLlftr deS Oktobers als Fortsetzung der vorausgegangenen Wochen zumeist noch regnerisch war, gestaltete sich daS Wetter von Beginn deS Novembers an immer besser und brachte eine Reihe schöner und zum Theil auch warmer Tage. Begünstigt von ein» für diese Jahreszeit außergewöhnlichen Witterung sind die rück ständigen Ernte- und Besteüarbeiten sehr gefördert worden. Erstere sind im Allgemeinen als beendet zu betrachten, während Letztere noch in vollem Gange find, aber in manchen Bezirken kaum voll ständig bewältigt werden können, besonders waS die Vorbereitung deS FrühjahrSackerS betrifft. Die wenigen zeitig bestellten Saaten sind zumeist schön ausgelaufen, jedoch der größere Theil derselben wurde verspätet und in vollständig durchweichten Boden gebracht, so daß derselbe theilweise noch gar nicht zum Auslaufen gekommen oder aber schwach und lückenhaft aufgegangr» ist und zu befürchten steht, daß die Saat, so wenig kräftig in den Winter gehend, die Unbilden desselben kaum überstehen wird. Außerdem verursache» Schnecken-, besonders aber Mäusesraß noch weiteren Schaden. -- Wenn auch zu guterletzt ein Theil deS Grummet» noch unter Dach gebracht werden konnte, so hat dasselbe so viel an Nährwerth ein gebüßt, daß r» in vielen Fällen kaum mehr als zur Einst«« Verwendung finden wird. Der Rest der Kartoffel-, Rüben» und Krauternte ist bestens geborgen worden, jedoch ist zu befürchte«, daß diese Früchte in Keller und Miel« sich nicht lange halte« werden, besonders da Erstere zum Theil einen beträchtlichen Prozentsatz kranke Knollen aufweisen. Der Ertrag der Kartossel-- ernte ist je nach Boden und Sorte sehr verschieden, aber besser als erwartet, besonders in Höhenlagen und in den bewährten Sorten, Llagnam donnm, Reichskanzler rc., während feinere Sorten, sowie die sächsische Zwiebel die geringsten Erträge und den größte» Prozentsatz Krank« aufweisen. Geringster Ertrag 150 Ltr-, höchster 450 Ctr., im Durchschnitt 262 Ctr. vom Hektar gegen 315 Ltr. deS Wahlschen Polizeiregiments zur Kenntniß deS Zaren zu bringen. Nikolaus II. schwieg zunächst, aber schon der nächste „Wahl-Zwischenfall" bewies, daß er nicht vergessen hatte. ES ist eine Art Naturfehler deS Herrn v. Wahl, gegen Leute, die auf der sozialen Stufenleiter unter ihm stehen, zuweilen äußerst schrosi zu sein, oder — euphemistisch auSgedrückt — „schneidig". Solo«talpoMich<». lieber d<e Ermordung der beiden Naturforscher vr. Lent und v». Kretschmer am" Kilimandscharo liegt im „N. W Tgbl." ein genauer Bericht de» provisorischen Letter» der wissenschaft lichen Station in Marangu, Hugo Steiner, vor. Wir lassen den Brief de» jungen Maune» rede«. Er schreibt: Am 25. September um 12 Uhr Mittag», nachdem die Forscher ihr Lager in den Rombobergen in der Landschaft Leikturu aufgeschlagen hatte«,, waren einige Schwarze bemerkt worden, die da» Lager umschliche«. Plötzlich tauchte ei» Schwarm von mehreren hundert UrombaS auf, der mit KriegSgeheul die Weißen umzingelte. vr.Lent schrie ihnen io ihrer Sprache zu, er sei in friedlicher Mission gekommen und wolle keinen Krieg. Da antwortete ihm ein Häuptling: „Aber wir wollen Krieg!' Ein Uranba verlangte von vr. Leut daS Taschentuch; er warf eS ihm zu. Ein Anderer verlangte seine« Hut, al» vr. Lent zögerte, traf ihn rin Steinwurf. Die Schwarzen riefen, er solle sein Gewehr wegwerfen, wenn er keinen Krieg wolle und solle ihnen die Hand reichen, vr. Lent that auch die», doch als er ihnen die Hand entgegenstrrckte, durchbohrte ei» Speer seine Brust — er sank, die Arme auSbreiiend, todt zu Bode», und zugleich schwirrte ein Hagel von Speeren auf da» Lager nieder, vr. Kretschmer gab einen Schuß ab, doch fiel er von mehrere« Speeren durchbohrt ebenfalls nieder. Schweroerwundrt, auf de« Knien liegend, feuerte Kretschmer noch einen Schuß auf die Wilden ab, doch ein Sprerstich ivS Genick streckte ihn nieder. Die Eingeborenen schrien den noch unverwundeten Begleitern der beiden Getödtrten zu: „Geht w«g! Wir wollen nur die Europäer lödtev, nicht Euch! Sechzehn Schwarze flüchteten sich auch. Bet dein Gemetzel fielen außer vr. Lent und vr. Kretschmer, Abdallah, der Bey deS vr. Lent, Muando sein Koch und elf Schwarze. Ä galt nun, Vergeltung an den Mördern zu üben. Fünf Tage »ach der Ermordung der beiden Forscher machte sich eine neue Expedition auf den Marsch. Sie bestand au» Lieutenant Eberhardt, Stabs» arzt Wideman«, dem Oberlazarethgehilsen Wülfing und mir, ferner auS 14 bewaffneten Sudanesen; in Kinado sollten sich uuS unge fähr 2000 WadschaggaS, die unS von befreundeten Häupilingen zur Verfügung gestellt wurden, anschließen. In der Thal, kaum hatten wir unS nach mehrstündigem Marsche in glühender Soane durch die Sandsteppen in der Hütte de» Häuptling» von kinado niedergelaffen, als unsere HtlsStrupprn erschienen. Lieutenant Eberhardt schätzte ihre Zahl auf 2000 bi» 3000. Sm 30. Sept, am frühen Morgen, erfolgte der Aufbruch, zwei Stunden später der Angriff auf die UrombaS. Die WadschaggaS zündeten die Hütten der UrombaS an; tausendstimmiger Kriegsgeschrei erschallte, oie Rauchsäulen schlugen zum Himmel, Speere schwirrten durch die Lust, doch bald ward es stiller und stiller. Die UrombaS hatten sich zum großen Theile in unterirdische Löcher zurückgezogen^ viele von ihnen waren getödtet worden. Wir suchten dann di« Stelle, an welcher vr. Leut und vr. Kretschmer ermordet worde» waren. Wir fanden einen Aschenhausen, geschwärzte Knochen, ver kohlte Gegenstände, die ich al» Eigenthum de» vr. Kretschmer er kannte; der blutgetränkte Rock vr. LentS wurde in einer Hütte gesunden. Der Kampf mit den in den Erdlöchern verborgene» UrombaS dauerte inzwischen fort, die ganze Nacht. Am Morgen rief Lieutenant Eberhardt: „Lam deia uleial" — Gebt eine» Strick her ! — Wir eilten ihm nach. Eben ließ er nächst der Stelle, wo unsere Forscher ermordet worden waren, drei UrombaS; darunter einen Oberbefehlshaber, an Bananen ausknüpfen. Mehr als hundert UrombaS wurden getödtet, der Verlust auf unserer Seite betrug vier todte WadschaggaS und zehn Verwundete. Dir Beute an Vieh war groß. Lieutenant Eberhvrdt bekam auf seinen. Theil 20 Rinder und 53 Ziegen. Ich trug die Asche der ver brannten Leichname vr. LentS und vr. Kretschmers nach Marangu zurück, wo sie am 30. Oktober auf dem kleine» Friedhöfe neben ven Gräbern deS Sergeant» Schubert und des Freiherrn v. Bülow bestattet wurde. Missionar Althau» vollzog die erst lutherische Beeidigung am Kilimandscharo. Der Rombohäuptling Leikturu ist entkommen. Der Stadthauptmann von Petersburg, Generallieutenant v. Wahl, ist auf Allerhöchsten Befehl einem dreitägigen Hausarrest unter worfen worden. Die Sache hat sich so zugetragen: AlS die Trauerkunde von dem Hirtscheidrn Alexanders Hl. in Petersburg anlangte, wollte die Gräfin Stroganow ihr PalaiS mit Trauer, chmuck versehen. Der Stadthauptmann ließ ihr sagen, daß die Bewohner der Residenz ihren Häusern nicht eher Trauerdekora- tionen anlegen dürsten, al» bi» der Stadthauptmann diese» ge nehmige. Die Gräfin, eine sehr unerschrockene Dame, ließ Herrn v. Wahl zurückantworten, sie nehme sich die Freiheit, ihre Trauer um den geliebten Monarchen auch ohne Polizeierlaubniß zum Ausdruck zu bringen und werde deshalb die Trauerausschmückung hreS PalaiS fortführen lassen. Ueber diese Unbotmäßtgkeit ge- rieth Herr v. Wahl in einen solchen Zorn, daß er durch seine „Gorodowois" (Schutzmänner) den Trauerschmuck zu Ehren Alexanders III. von dem Stroganowschen PalaiS herunterrrißen ieß! Die Gräfin fand natürlich Mittel und Wege, diesen Akt Mit diesem Naturfehler fiel Herr v. Wahl auch den ausländische» Korrespondenten sehr lästig, welche zur Beschreibung der Trauer feierlichkeiten nach Petersburg gekommen waren. Einige derselben waren jedoch so unbescheiden, zu denken, daß zu einem „groben Klotz auch ein grober Keil" gehört, und sie wandten sich beschwerde- sührend an die diplomatische Vertretung ihre» Landes. Diese erbat die Intervention deS Herrn v. GierS, welcher erklärte, daß er keine Machtmittel gegen Herrn o. Wahl besitze, indessen die Affaire dem Zaren unterlegen werde. Dieses Versprechen wurde von Herrn v. GierS prompt erfüllt und ebenso prompt dekretirte der Zar an den Minister des Innern, den Stadthauptmann v. Wahl auf drei Tage zu arretiren. Herr v. Wahl wurde also auf drei Tage in Hausarrest gesetzt, nur daß man davon Abstand nahm, eine Wache vor sein« Thur zu stellt«. Die Karriere deS Herrn v. Wahl ist damit hoffentnch sür immer zu Ende. Der Fall von Port Arthur wird bestätigt. Shanghaier Be richte übermitteln Einzelheiten über die Einnahme de» Platzes. Sie erfolgte am Mittwoch Abend. Dreiundzwanzig japanische Kanonenboote, die unweit der Einfahrt von Port Arthur manöv» rtrten, erzwangen sich plötzlich durch ein gemeinfamr» Vordringen die Durchfahrt zur Hafenmündung. Diese plötzlich« Bewegung verursachte Ueberraschung und Bestürzung unter den Vertbeivigern, die ihre Aufmerksamkeit seewärts in Erwartung ein«» Angriffe» der japanischen Flotte konzentrirt hatten. Während diese» Vor gänge» an der Hafenmündung war die japanische Armee nicht minder thätig. Nach heftiger Beschießung der Fort» schritt die japanische Infanterie zum Angriff; die Chinesen leisteten anfäng lich entschlossenen Widerstand, aber allmählich wurde derselbe schwächer. Die Japaner erstürmten ein Fort nach dem andern, worauf die Chinesen die Flucht ergriffen. Beide Seiten erlitten erhebliche Verluste. Wie verlautet, sandten dir Chinesen einen Sonderagenten nach Tokio (den deutschen Zolldirektor Drtrtng) mit Weisungen, Frieden zu schließen. Die Pekinger Regierung ist entschlossen, alle Bedingungen Japans anzumhmen, aber kein wirklich chinesische» Gebiet abzutreten. — China kaufte von der österreichischen Waffensabrtk vorräthtge 40 000 Gewehre. enthalt in Petersburg v«rlängern, da der Kaiser Nikolaus (nota- b«ne bei der „Abschird»audiruz" l) den Wunsch ausgesprochen hab«, daß Genrral BoiSdessr« der Hochzeit deS Kaiser» beiwohne. — Die Franzosen hatten diese Einladung geradezu provoztrt! AuS Paris, 24. November wird der „Voss. Ztg." gemeldet: Die Aufregung über die Verurtheilung d«S Hauptmann» Romani durch einen italienisch«» Gerichtshof kommt in d«r v«rschied«nsten Weis« zum Ausdruck Die Abgeordneten und Senatoren der De partement» der Südostgrenze bestürmen die Regierung, die strengste Grenzaufsicht anzuordnen und jeden Italiener, der sich dieSseitS der Grenze auf freiem Felde spüren läßt, al» Spion zu behandeln. Ler „GauloiS" und die „Autoritö" regen eine allgemeine Sammlung an, um die zwölfhundert Franken Geldbuße, zu der Hauptmann Homani nebenher verurtbeilt wurde, und seine VertheidigungS- kosten aufzubringen. Kein Beitrag soll einen Sou übersteigen dürfen. Da ivdeß die Regierung jene Kosten übernimmt, so wird die beabsichtigte Kundgebung gegenstandslos bleiben. — Der Unter- suchungSauSschuß in der Allez'chen Erpressungssache erklärt, eS seien keinerlei Beweise gegen die beschuldigten Zeitungsheraus geber beigebracht worden, er müsse eS den ordentlichen Gerichten überlassen, die Angelegenheit weiter zu verfolgen, fall» sick ein Kläger finde. PortaliS, der Herausgeber deS „XIX. Siecle" bleibt verschwunden, doch ist er schwerlich wett vom Boulevard. Die 22 Redaktionsmitglieder deS „XIX. SiLcle" werfen heute in rtn«r Gesammterklärung ihren bisherigen Chefredakteur über Bord .,uud versichern, daß sein Treiben sie nichts angehe und ihnen un- -bekannt gewesen sei. Bezüglich der Gerüchte über eine Ehescheidung der Prinzessin Waldemar von Dänemark, die in Kopenhagen kurfiren, wird au» der dänischen Hauptstadt geschrieben, daß jene Gerüchte „gewiß ganz auS der Lust gegriffen sein dürsten." Vielerlei Vorgänge au» der letzten Zeit haben allerdings Anlaß zu derartigen Gerüchten geboten. Wenn z. B. Prinzessin Waldemar seit einem Vierteljahr außer Landes ist, ohne daß sie selbst aus Anlaß deS Ablebens de» Zaren, dessen Liebling sie bei seinen Besuchen in FredenSborg doch gewesen ist, ein Lebenszeichen von sich gegeben hat, so erscheint «» eben nicht verwunderlich, daß Gerüchte von einer Ehescheidung entstehen konnten. Diese Gerüchte werden jedoch, wie gesagt, jetzt dementirt. Die Prinzessin Waldemar (Marie von Bourbon) hält sich seit vielen Wochen in einer Kuranstalt in Frankreich auf, woselbst sie, ihrem ausdrücklichen Willen gemäß, von der Außen welt ganz abgesondert ist. Dieser Tage hat nun die Prinzessin an eine Freundin in Kopenhagen geschrieben, daß sie sich auf dem Wege entschiedener Besserung befinde und mit Sicherheit hoffe, im nächsten Monat so weit hergtstellt zu sein, daß sie das WeihnachtSfest in ihrer Heimath werde verleben können. Wie verlautet, wird Prinz Waldemar nach seiner Rückkehr auS Peters burg sich zu seiner Gemahlin begeben. Dem „Standard" wird auS Petersburg gemeldet: Kaiser Nikolaus wohnte einer Sitzung deS «usfische« ReichSratheS bei. Der Eindruck, den der junge Herrscher durch seine geradezu meister, hafte Behandlung der Geschäfte hcrvorrief, sowie durch den rednerischen Fluß seiner AuSdruckSweise, die den äußersten Gegensatz zu der Wortkargheit seines VaterS bildet, war ausgezeichnet und erweckte allgemein die schönsten Hoffnungen. Nachdemnunmrhr veröffentlichten Cermoniol sürdieheuteMortog stattfindende Hochzeit wird der Tag durch 21 Kanonen chüsfi von der Festung angekündigt. Die geladenen Personen und dir Würdenträger versammeln sich Vormittags 11'/, Uhr in den ver schiedene» Sälen des Winter-PalatS. Der heilrge Synod und der Kleru» begebe« sich unmittelbar in die Kirche deS PalaiS. Die Würdenträger find in groß» Uniform, die Damen in russischem Hofkostüm, orangefarben u«d goldgerändert. Dir Ehren-Damen der Kaiserin-Wittwe wohnen der Toilette ter kaiserlichen Braut -et, welche, die Krone auf dem Haupte, einen Mantel auS Gold- -rokdi und Hermelin tragen wird. Dir Brautschlrppe wird von Brrfichrrung, daß o>e Sozialdemokratie bereit se», einen ehrlichen Frieden zu schließen. Such unter d«r Hand soll den Brauereien zu verstehen gegeben sein, daß man zu neuen Verhandlungen gern bereit sei. ES erscheint die» natürlich, weil auch dir letzte Hoff- nun- drr sozialdemokratischen Führer, die sie auf die Aktionäre drr Berliner Aktiendronereirn — die sonst so verhaßten „Coupon- obschneider" — geützt hatten, zu Nichte gewordrn ist Denn die Abimiäre haben nicht nur die entstandenen Verluste mit großer Ruhe hingenommen, sondern, wie z B in der Generalversamm lung der Schultheiß Brauerei, der Diiekcion und dem AuffichtS- rath für ihre entschiedene Haltung in diesem Kampfe vollste An- rrkrnnung gezollt — Wie kläglich dagegen die Haltung der Dresdner Waldschlößchenbrauerei und drr Zeitungen, die diese ver. Die konservative Prrsie E«gla«d» verhält sich den hoch- trabenden Redereien der Regirrungkpreffe gegenüber recht skeptisch und zeigt sich gegen die Ankündigung einer brvorstkhenden freund- fchaftlichrn Berstänt igung Englands mit Rußland sehr mißtrauisch. So schreibt die „St. JameS Gaz.": „Die englischen Zeitungen find so redselig über dir Jsolirung Deutschland». DaS ist wohl etwas verfrüht. Jetzt heißt eS, daß Lord Rosebery einen große» Coup in der internationalen Politik deabfichtigt ES ist ja ganz bezaubernd für die meisten Engländer, wenn England und Rußland sich nähern. Aber eine Annäherung ist eine Sach« und ein völliges Linverständuiß eine andere. Dazu gehören Bedingungen und wir glauben kaum, daß Lord Rosebery den nöthigen Preis zu zahlen gewillt ist. WaS will Rußland dafür, daß e- un» nicht in Afien stört? 1) Wir sollen e» unterstützen, daß Japan sein Gebiet nicht auf Kosten Chinas erweitert; 2) wir sollen die Dardanellen sür russische Kriegsschiffe öffnen. WaS den ersten Punkt betrrfft, so muß man sich doch fragen, ob wir viel dabei zu gewinnen haben. Rußland würde r» natürlich nicht paffen, wen» Japan zu stark im fernen Osten würde. WaS verlieren wir denn, wenn Japan Formosa annekttrt oder nur Korea be schützt? Unsere Interessen stoßen nickt mit denen deS Jnselreiche» zusammen. Natürlich, falls China in Stücke geht, müssen die europäischen Mächte einschreiten. Die Gefahr droht noch nicht. Da» größte Argument für die Eröffnung der Dardanellen ist, daß wir sie in KrirgSzeitrn doch nicht schließen können. ES hat aber dock seine Folgen in FriedenSzriten. Dürfen die russischen Panzerschiffe in da» Mittelmeer einfahren, so dürfen natürlich auch die britischen Panzerschiffe in daS schwarze Meer segeln. Wir haben gar nicht so viele Panzerschiffe. Wir können nicht einmal da» Mittelmeer beherrschen. Ja, wenn unsere Flotte eine überlegeue Stärke hätte, so könnten wir da» schwane Meer einen russischen Binnensee und da» Mittelmeer ein französisch-russische» Manöverfeld werden lassen. Erst heißt eS, da» Mittelmeer-Ge schwader., verdoppeln. Bi» da» nicht geschieht, ist eS mehr al» zweifelhaft, ob e» sich verlohnt, nicht allein Deutschland, sondern auch Oesterreich und Italien Anstoß zu geben, um von Rußland Wettes nicht», al» die bloße Versicherung zu erhalten, daß e» unS an «ilserer indische« Grenze nicht stören will." In dem ftea»tzSAsche« Ministerrathe theilte der Minister de» Auswärtigen hanotaux mit, der Führer der außerordentlichen Petersburger Gesandtschaft, General Boisdeffre, werd« seinen Auf. vier Hofchargrn unv da» End» vom Großkamwerrr getragen. 51 KanonenIchüffe kündigen an, daß drr Zug von den Gemächern der Braut sich nack der Kapelle in Bewegung setzt voran schreiten die Großwürdenttäger, alSdaun die Kaiserin-Wittwe mit der Brant, hieraus der Kaiser, gefolgt von dem Hoswinister Grasen Woronzow-Daschkow und drei Geueraladjutantrn, sodann der König von Dänemark, der König und die Königin von Griechenland, der Großherzog von Hessen, der Herzog und die Herzogin von Koburg, der Prinz und die Prinzesfiu von Wales, drr Prinz-Thronfolger von Rumänien, die Prinze» Waldemar von Dänemark und Georg von Griechenland, der Herzog von Aork, Prinz Heinrich von Preußen, Prinzessin Iren», die Groß- sürsten und Großfürstinnen und die anderen fürstlichen Gäste. Den Zug schließen Senatoren, Staatssekretäre und Würdenträger. Nicht im Zuge befinden sich die Minister, die Mitglieder deS ReichSrach S und da» diplomatische CorpS mit den Damen. Dieselben werden direkt vom Georgsaal nach der Kirche geführt. Der Kaiser, die Kaiserin und die kaiserliche Braut, sowie die Souveräne und Prinzen werden an der Thür der Kapelle von dem Metropoliten, dem heiligen Synod nnd dem HofklrruS em pfangen. Sobald der Kaiser die inmitten der Kirche errichtete Estrade betreten hat, führt ihm die Kaiserin die Braut zu. Darauf beginnt der Gottesdienst. Die Erzhofpriester überreichen auf goldener Schüssel die Eheringe, die der Beichtvater dem Kaiser und seiner Braut an die Finger steckt. Nach beendigter TrauungS-Trremonte treten die hierzu bestimmten Souveräne und Prinzen an die Estrade heran, um die Kronen über die Häupter >e» Kaisers und der kaiserlichen Braut zu halten. Sodann erfolgt
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