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und Tageblatt Amtsblatt für Lic königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. Bera«tworMche L«it««sr «<org Burkhardt. !»/, Erscheint jeden Wochentag Nachm. 6'/, Uhr für den I l! anderen Tag. Preis vierteljährlich 2 Mk. 25 Psg. «/>- zweimonatlich l Mk. 50 Pfg.u. einmonatlich 75 Psg. »7. Jahrgang. Donnerstag, den 3d. August. Inserate.werden bt» Vormittag» tt Uhr angenommen.^Preis für die Spaltzeile 13 Pfg. Außerhalb de» Landgerichtsbezirks 15 Pfg. 1894. ! Bekanntmachung. Nächsten Souuadeud, de« 1. Septbr. 1894, von Nachmittag S Uhr ab sollen die beim Abbruch des sogen. Kandler-Hauses im unteren Freiwalde gewonnenen Materialien, als: ca. 85V Gtbuud gute- Dachstroh, ein größerer Posten Nutz» und Breunholz, Thürer», Fettster, Ziegel u. s. w gegen sofortige vaarzahluug meistbietend versteigert werden. Freiberg, den 29. August 1894. Das Stadtbauamt. »Sruuvr. Bekanntmachung. Die Lieferung teS Bedarfs an Petroleum für daS HoSpital Tt. Johauuis, da» Hospital St.BartholomLi, das Stadtkrankenhaus, das Waisenhaus, das Armen» haus und die Arbeitsauftalt in der Beleuchtungsperiode 1894/95 soll vergeben werden. Bewerber wollen ihre Preisangebote in unserer Geschäftsstelle im Waisenhause, am GYM» uasi um 2, bis »um 5. September dieses Jahres abgeben. Die Auswahl unter den Bewerbern, eventuell die Zurückweisung sämmtlicher Angebote bleibt Vorbehalten. Freiberg, den 27. August 1894. Das Kuratorium der Arme«» und Krankenanstalten. eäottkmrelt. P Auktion tu KleinbartmamtSdorf. Freitag, de« 81. August 1894, vormittags */,1v Nhr, komme» im Otta'sche« Neftauraut in Klei«Hartmanns darf, dem jetzigen Auforwahru ngSorte, 8 Nester Hose«- gurt, 1 Valle« uud 3 Nester Jackeubarchent und 1 SophafitzdeSe gegen Baarzahlung zur Versteigerung. Bra«d, am 28. August 1894. Der Gerichtsvollzieher beim KS«igl. Amtsgericht das. 81It»«rma«i»», Wachtmeister. Hebamme-Gesuch. In dem Hebammenbezirk Großschirma - No1he«surth soll eine zweite Hebamme angestellt werden. Bewerberinnen wollen ihre Gesuche nebst Zeugnissen bei dem Unterzeichneten bis »UM 5. September d I. anbringen. Grostschirma, den 28. August 1894. Der Gemeiuderath. d. »Lmlug, Gem -Vorst. Aus alten, hohen Straßen. Von vr, G. Oertel. II. Da, wo der Mönchsweg die Landstraße schneidet, liegt ein stattliches Gehöft, ein großes, vielfenstriges, weiträumiges Wohn bars mit mächtigen Wirthschaflsgebäuden. Die Krippen an der Straße lassen es als Gasthof erkennen, und ein fast verblichenes Schild nennt seinen Namen. Die Gasthöfe der Gegend sind fast ausnahmslos groß und geräumig, altehrwürdig und stattlich; aber wohl der größte und stattlichste, der bekannteste und berühmteste ist »Die wilde Sau-. Neben der HauSthür befindet sich das Gastbossbild, das die Erlegung einer Sau mit der Saufeder dar stellt und die Aufschrift trägt: „Mein lieber Wanderer, dieser Bau ist genannt die wilde Sau.- Hier wollte ich Nachtrast halten. Hierhin hatte mich's lange schon gezogen; denn ich hatte ver- nommen, daß der Gasthof einen seltenen Schatz berge, ein Studenten- Stammbuch aus alter Zeit, in daS sich wohl auch von unseren Lesern viele eingetragen haben. Als der Student noch zu Fuß heimwärts und zur Musenstadt zog, war die alte Straße, die an der „wilden Sau- vorüber führt, von Musensöhnen reich belebt. Hier kehrten sie gern ein, wenn Sonnenbrand den Durst weckte oder Wintersturm um die schmerzenden Ohren pfiff, hier sanden sie einen billigen, guten Trunk, gute reichliche Kost und ein schlichtes Lager zur Nacht. Mit Jubel begrüßten sie „die wilde Sau-, mit stiller Wehmuth schieden sie von ihr. Und so be schlossen denn einige feuchtfröhliche akademische Bürger Leipzigs (»ligrot Llusarum et Laeobi amieis im Jahre 1836 dem Wirth zur „wilden Sau-, dem „viro sewiäoeto, eanxoni illustrissimo" ein Stammbuch zu widmen, in das jeder emkehrende domo litteratus, insbesondere jeder studiosus seine Gefühle und Grüße, Namen und Reisezweck eintragen kann. Wer die Stifter gewesen seien, läßt sich nur vermulhen. Sie bergen sich unter dem Zeichen R 6. v. Es war ja damals studentische Sitte, Freundschafts bünde und kleine Gemeinschaften mit geheimnißvollcn Anfangs buchstaben zu bezeichnen. DaS L. 0. U. auf dem Widmungsblatte des Fremdenbuches hat schon viel Kopfzerbrechen gemacht, und im Buche selbst ist kürzlich der Wunsch ausgesprochen worden, daß, wer die Buchstaben deuten könne, seine Deutung nicht zurückhalten möge. Vielleicht trägt dieser Hinweis dazu bei, den Wunsch seiner Erfüllung nahe zu bringen. Mir hat daS Stammbuch einige Stunden eigenthümlichen, wchmüthigen GenuffcS berei'et; es hat mir so manche liebe Gestalt vor die sinnenden Augen der Seele gezaubert, cS hat die alten Studenten wieder aufleben lassen, die mit dem Ziegenhainer und dem Ränzel durch die Lande wanderten Ich habe sie mit der Seele geschaut, die alten, lieben Gesellen, die hier ein» und ausgingen, mast hielten und scherzten. Wie viele Hände, die einst den Namen lustig und neckend inS Buch schrieben, find schon kalt und dürr geworden! Zu vielen Namen haben die später Kommenden ein f gesetzt. Manchem, der hier feine ungebundene Jugrndlust in übermüthigen Versen hinaus- -jauchzte, hat das Alter schon lange den greisen Reif aufs Haupt gestreut; und Mancher wird sich heute kaum in die Stimmung hinctnversetzen können, die ihn vor einem halben Jahrhundert hier „aus der wilden Sau- ergriff. Es braucht sich aber Niemand seiner Stimmungen und Verse zu schämen, denn Zote und Ge meinheit haben keinen Platz im Buche gefunden. Tie Namen im Stammbuche sind an sich schon von hohem Interesse. Wir begegnen so manchem lieben Bekannten, so manchem verehrten alten Freunde, wir finden manchen Namen, der heute in der Kirche und tn der Schule, im Staate und in der Gemeinde einen guten Klang hat. Hier stehen sie friedlich nebeneinander, die nachher innerlich und äußerlich ost sehr weit auseinander ge- rsssen wurden. Der erste Name im Buche ist I Kell, oanä tdvol., jener bekannte typisch gewordene Volksvertreter im Unverstands- landtage, der die Gründe der Regierung zwar nicht kannte, aber mißbilligte. Auch der stuä. gar. Wilhelm Adolph v. Trützschler hat sich eingetragen; neben seinem Namen steht die kurze Be merkung: Erschossen in Mannheim 1849. Die wandernden Siuden en waren fast ausschließlich Sachsen. Hier und da findet sich auch der Name eines Bayern und eines Siebenbürgers; diese F:rmden können nicht laut genug dcS Sachsenlandes Vorzüge und Lieblichkeit preisen. Das Wanderziel ist gewöhnlich die Heimath oder die Musenstadt; dem Wanderziel entspricht zumeist die Stimmung. Wie jauchzt die Jugendlust des Mulus auf, der zum ersten Male die Straße gen Leipzig zieht, und wie wehmüthig klingt daS letzte Scheidegrüßen des eben gewordenen Candidaten, der ins Philistertum wandert! Aber überall, im Jubelgruße und Abschiedsliede,. klingt daS Lob der Sau durch. Das wird ge- sungen in gebundener und ungebundener Rede, im deutschen Liede und rm klassischen Distichon, im scherzhaften Epigramm und in ausführlicher Darstellung, stuä. Baltzer nennt die Sau im An schlusse an Horaz xraosiüium vt äulos xeous moum. Ein Anderer singt im Tone der doppelsyrachi^rn Lieder : „In Dusoalo meo, — der Säue ssäoo.- Ein Dritter spitzt das Goethesche Wort etwas einseitig zu: „Alle Theorie ist grau — grün allein die wilde Sau'. Einige Hallenser, die 1838 vorbeiwandern, fassen ihre Gefühle, dem WirthshauSnamen entsprechend, zusammen: „Nobis kalt omnino eanuibalieo bono, tamguam I) suidus. Die Zuneigung des Studenten zur wilden Sau erklärt ein geistreicher Wanderer überraschend einfach durch die Nebeneinanderstellung: stnäiosus — o sus. I Leonhardi stuä. tksol. fürchtet jedenfalls, daß diese Nebeneinanderstellung Mißdeutungen erfahren könne und begegne! ihnen, indem er schreibt: „Obgleich ich keine Saue bin, — schreib ich von Herzen gern mich hin.- Neben den Stirnmungscrgüssen und den Lobpreisungen der Sau finden sich nun auch allerhand Erlebnisse und Pläne verzeichnet. So freut sich Th. Kell ver hohen Loosnummer, die ihn der Akademie erhalten und von ver Montur gerettet hat. Dagegen bringt stuä. tkcol. Bennmann aus Crossen der Nr. 145, die ihn zum „stockgemeenen Schützen- gemacht hat, ein donnerndrs Pceat, und cs ist ihm jedenfalls ein leidiger Trost gewesen, daß gute Freunde ihm unmittelbar unter seiner Klage den Rath gaben, er solle nur 10 Jahre viencn, dann könne er Corporal und nachher Bahnwärter werden. Hermann Haupt verkündet den Lesern, daß er eine großartige Erfindung gemacht habe, nämlich die „unverbrennbaren Fidibusse-. Leider ist ihm, wie er selber noch constatirt, die Verwerthu g nicht voll kommen gelungen. Ein Anderer will schon im Jahre 1836 das ganze Land mit einem Eisenbahnnetze überziehen, sodaß selbst zwischen allen Liebesleuten eine Geieisanlage besteht. Ueber das Gelingen seines Planes giebt er keine Auskunft. Es mag ihm ebensowenig gelungen sein, wie die Erfüllung des Vorsatzes, „sich nimmer ins Ehejoch zu schmiegen-, dem lieben Thcologen E. ge lungen ist, der sich sogar zweimal in das verhaßte Joch geschmiegt hat. Ich könnte noch lange plaudern von dem Buch und den Ein- trägen, aber cs sei damit genug! Hoffentlich bleibt das Stamm- buch auch ferner seiner Bestimmung erhalten und wird nicht zu einem tn doppeltem Sinne „gewöhnlichen- Fremdenbuche. Es war ein sonniger, ober nebelumwallter Lenzmorgen, der unS nach kurzer Nacht begrüßte. D:e Staare auf dem Nußbaum am Fenster pfiffen uns aus dem Schlafe heraus, und das Ge schmetter der frühwachen Lerche klang mahnend und lockend vom Felde her. Wie Rauchwolken wälzten sich die Nebel auf dem Acker und flohen thalwärts; daS durchschimmcrnde Tiefblau dcs Himmel! und die Heller leuchtenden Strahlen kündeten den nahen Sieg der Sonne. Nach herzlichem Abschiede von dem biederen Alten im Sammetkäppchen, von dem gastlichen Hause, das unS gute und fabelhaft billige Rast gewährt hatte, ging cs in der muldenartigev Einsenkung, aus der die Stadt Colditz ihr Trinkwasser leiten will, nach dem stattlichen, in seiner ganzen Art erzgebirgtschen Dorfe Erlbach hinab. Es gewährt einen eigenen Reiz, an einem thau frischen Morgen durch die Dörfer zu wandern. Von der Arbeits- Hast und dem Gassenlärm der Stadt ist nichts zu spüren. Die Häuser liegen frievlich, m den Gärten spielen die Kinder, die Katze blinzelt verschlafen am Hoftbore, der Hund läßt die lange ver mißte Sonne sich auf das Fell scheinen, die Tauben girren und flattern am Firste: ein Bild lieblichen Stilllebens, dessen Zauber auf jedes empfängliche Herz wirkt. Ungefähr in des Dorfes Mitte verließen wir die Thalmulde und stiegen wieder zur Straße hinan Der Nebel war inzwischen vor der sieghaften Sonne gewichen, und das Land lag hell und heiter, blitzend und blinkend vor unseren Augen. Im „Goldnen Pfluge- zu Raschütz, der schon durch seinen Namen, aber auch durch sein stattliches und schmuckeS Aussehen zur Einkehr lud, hielten wir kurze Rast. Am Dorfcnde steht eine seltsame, bewegliche Windmühle, die in ihrer Form an die Kirchen in unseren Spiclzeugschachteln erinnert. Dort verließen wir die Straße und schritten aus einem zur Rechten abbiegenden Neben wege unserm schon sichtbaren Wanderziele, dem Colbitzer Thier» garten, zu Zwischen den Dörfern Kaltenborn und Zichirla, dessen neue Kirche freundlich und eigenartig berüberschaut, führt der Weg hindurch nach dem ThorhauS, daS zugleich Eingang uud Huthau» deS Thiergartens bildet. Ueber dem Thore ist, zum Theil er neuert, daS alte Kurwappen angebracht. Darunter befindet sich aus dem Jabre 1626 folgende Inschrift (ohne Berücksichtigung der Orthographie): Kurfürst Johann Georg hochgeboren Hat diesen Ort dazu erkoren, Daß er sollt ein Behältniß sein Der wilden Thier', dazu die Stein' So g'schwind sich eingcstellel hab'», Daß nur in wenig Sommcrtag'n Ein Mauer aufgewachsen schnell Von dreitausend sechshundert Ell. — Gott geb', daß Seine Churfürstliche Gnad'n So manche Stund', so manchen Tag, So manches Jahr fröhlich verbring' So mancher Stein in diesem Ring Der Mauer sich befinden thut. Gott halt' den Held in seiner Hut! Noch steht die Mauer, aber sie hegt keine wilden Thiere mehr. Der Thiergarten ist zum Naturparke geworden, zu einem der schönsten und eigenartigsten in unserem Heimathlande. Da fehlt nichts, das zu einem rechten Natu, parke gehört, nicht die hoch ragenden und weitschattenden Laud- und Nadelbäume, nicht der wellige Boden, der der Eintönigkeit wehrt, nicht das klare plätschernde und plaudernde Bächlein mit seinen grünen User rändern und seinen verwaschenen Steinen, nicht der jähe Felshang, vom Moose überwuchert. Wahre Prachtbäume entzücken das Auge, hier eine mächtige Eiche mit baumstarken, knorrigen Aestrn, da eine glattstämmige Buche mit herrlich gewölbter Krone, dort eine schlanke Kiefer mit dunkelgrüner, regelmäßig gebildeter Ast» Pyramide, da wieder eine Alles überragende Tanne mit reich be» naveltem, nirderhängendem Gezweige. Wie mag's hier wonnig sich ruh'n in heißer Mittsommerzeit, wenn draußen die Gluth über dem Acker zittert und die Saat gilbt! Wie weitet sich jetzt schon die Brust, die den frischen Odem des Waldes spürt! Die Kiefern hauchen würzigen Duft uno um die Buchen, in denen der neue Saft treibt, schwebt der eigenthümliche Lenzgeruch. Am Bache schimmert daS schüchterne Weiß des echten Lenzkindes, der Anemone und grüne Gräser zucken mit den scheuen Spitzen hier und da hervor. Hier nach Herzenslust zu streifen und zu schweifen, gewährt dem sonnenmüven Wanderer süße Erholung und zauberischen Reiz. Erst die Glocke, die den Mittag kündete, rief unS aus dem Frühlingswalde nach der sonnigen Stadt am anderen Hange des BergeS Auch Colditz mit seinem trutzigen Felsenschloffe ist oft genug geschildert worden; ich mag Gesagtes nicht wiederholen. Daß die alte, trauliche Muldenstadt erfreulich wächst und gedeiht, lehrte der Augenschein. Im Muldenthale flußabwärts, nur wenig von der Stadt entfernt, sind Menschen- und Dampskiäfte thäiig, um einem großen, industriellen Unternehmen die Stätte zu bereiten und Zugänge zu schaffen. Die Straße von Colditz nach Großbothen, der letzte Theil unserer Wanderung, ist zwar nicht von besonderem landschaftlichem Reize, gewährt aber viele wechselnde und malerische Blicke in das Flußthal hinab mit seinem wasserreichen sröhlich lauschenden Flusse, nach dem Schlosse hinüber mit seinem waldigen Hintergründe, dann nach dem neuen Kötteritzschen Schloßbau mit seinen fast spielenden Thürmchen und Zinnen, an dessen Fuße die beiden Mulden sich vereinen, endlich tn das niedrige Thal der vereinigten Mulde und auf den alten Rittersitz Kössern, dessen ernstes und schmuckloses Schloßgebäude jetzt einem anderen Platz machen zu sollen scheint. Dem nebeligen Morgen war ein wunder- klarer Nachmittag gefolgt. DaS lenzliche Land schien sich zu sonnen, über der Saat zitterte die Lust, wie im hohen Sommer. Die Wellen des Flusses warfen glitzernde Lichter zurück und sie fernen Dächer funkelten. Alle Umrisse zeichneten sich scharf und plastisch vom Horizonte ab und der Timmlitzwald drüben lag so freundlich und friedlich da, als berge er nur süße Lenzgeheimniffe. O, Wie ist die FrühliugSsonne so mächtig unü prächtig l Sie