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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 02.10.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189210029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18921002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18921002
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Fehlende Seiten in der Vorlage.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-10
- Tag 1892-10-02
-
Monat
1892-10
-
Jahr
1892
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 02.10.1892
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SSO. Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Teile " I80S Der russische' General Dragomirow, der schon so oft in Kriegs- wie Friedenszeiten genannt wurde, ist wieder einmal m aller Munde. Doch diesmal war es nicht einer seiner origi- ellen Tagesbefehle L la Suworow, der die redelustigen Zungen Zetersburgs in Bewegung setzte, sondern . . .! Nun, die Emen wollen wissen, ihm sei plötzlich von oben her ein Wink ertheilt worden, seinen Abschied einzureichen; oie Anderen dagegen be- haupten so ungefähr das gerade Gegentheil: daß nämlich Drago mirows Verhalten gegen einen ihm untergeb nen hohen Offizier an allerhöchster Stelle ganz korrekt befunden, während ein ent schieden nicht korrekter, weil grober Brief Dragomirows an den Kriegsminister dem Verfasser nicht weiter besonders nachgetragen würde. Man sei dergleichen Kern-Briefe des Kommandeurs des Kiew'schen Militärbezirks in Petersburg bereits gewohnt. Nach unsern Nachrichten dürfte die Wahrheit ungefähr in der Mitte liegen, und von dem Vielen, was jetzt darüber an der Newa zu- sammenerzählt wird, geben wir nachstehend das wieder, was aus dem Munde eines hervorragenden Militärs stammt und auch am wahrscheinlichsten klingt. Darnach brachte General Dragomirow , in Erfahrung, daß die Frau jenes erwähnten, ihm unterstellten > hohen Offiziers die Adjutanten ihres Gemahls zu allen möglichen i .besonderen Aufträgen", besonders — die Dame ist schöngeistig i angehaucht — zum Abschreiben ihrer Gedichte, Novellen, Erzäh- ! lungen u. s. w. auSnutze, kurzum, die Herren mehr als ihreAdju- i tanten betrachte und dementsprechend in Anspruch nehme. Aerger- : lich hierüber stellte deshalb General Dragomirow den Gemahl der . Dame zur Rede und legte ihm schließlich, als es dabei zu scharfen : Erörterungen kam, nahe, das Veste wäre, wenn er seinen Abschied - einreiche. Der Jnterpellirte befolgte auch sofort diesen Rath, setzte , aber in s einem Abschiedsgesuch die Gründe auseinander, durch die er fügt hätte. Der Parteitag der Sozialdemokraten wird sicherem Ver nehmen des .Reichsboten" nach entweder unmittelbar vor der Eröffnung des Reichstages oder zwischen Weihnachten und Neujahr abgehalten werden. ich den pomphaften Titel: „8on uUesso la prineosss cböriüenno ä'OusWau" (Ihre Hoheit die scherifische Prinzessin von Uössan) beilegte. Da es damals hieß, der Großscherif trinke auch Wein und rauche, trat große Erbitterung gegen ihn am Hofe des Sultans ein. Er trotzte aber allen Anfeindungen, erschien auf direkten Befehl auch nicht vor dem Sultan und stellte ich unter französische Schutzherrschaft. Auf französische Kosten be uchte er Algier und Paris, leistete Frankreich vielfache Dienste bei Beruhigung aufständischer Stämme und empfing das Kreuz der Ehrenlegion. In der Tuatsroge arbeitete er wieder für die Republik, doch scheiterte diesmal sein Glück, und die Feindschaft mit dem marokkanischen Hofe wuchs, während er beim Volke, trotz aller Abweichungen von den mohammedanischen Gebräuchen den alten Einfluß behauptete, da ein .Heiliger" und Nachkomme des Propheten nicht sündigen kann. Er hinterläßt eine Anzahl Kinder und großen Reichthum. Sein ältester Sohn Sidi el Arbi lebt am Hofe des Sultans, der zweite, Sidi Mohammed, hält Hof in Uössan. Einem anderen seiner Söhne, der aus der Ehe mit der Engländerin stammt, bot vor wenigen Wochen eine britische Ge sellschaft, die am Kap Juby in Südwestmarokko Ländereien be sitzt, einen höheren Posten an. Sidi Hadj Abd el Ssalem er reichte ein Alter von ungefähr 60 Jahren. «olouialpoMischeS. Vor längerer Zeit verlautete bereits, daß Herr von Soden, der Gouverneur von Ostafrika, seine Entlastung eingereicht habe, doch wurde diese Nachricht mit dem Hinzufügen dementirt, daß Herr von Soden einen längeren Urlaub zu nehmen beabsichtige und es dann von seinem Gesundheitszustand abhängen würde, ob er wieder nach Ostasrika zurückkehre. Wie die .Post" aus sonst zuverlässiger Quelle erfährt, dürfte dieser Plan aufgegeben sein, beim Morgenkaffee die Zeitung aus der Hand, greift zu einem .Dampfbrötchen", knickt es heiter entzwei und sagt: .Gott sei Dank, nun sällt der Weizen immer mehr; er ist jetzt so billig, wie seit vier Jahren nicht. Die Brötchen werden nun auch wohl nicht mehr lange so klein bleiben." Freude erglänzt in den Augen der Frau; sie denkt in zarter Mutterliebe auch sogleich an ihre mehr Schwarzbrot als Semmel verzehrenden Kinder und fragt: .Und der Roggen ?" .Der Roggen ist um 50 M. für den Doppelzentner billiger als im vorigen Jahre, berichtet der Hausherr nach raschem Blick in die Markttabelle. — .Ja aber das Brot ist doch noch gar nicht größer geworden?" — .Nun, laß nur gut sein, das wird Alles schon kommen, daS Mehl sinkt im Preise langsamer als das Ge treide und die Backwaaren richten sich nach den Mehlpreisen; in einigen Wochen, wenn die Bäcker erst das Mehl billiger eingekauft haben, wird die Konkurrenz schon dafür sorgen, daß die Backwaare größer wird." Das erscheint der guten Frau plausibel; sie sieht gespannt jeden Morgen den Frühstückskorb an, wiegt jedes Brot und denkt immer: Jetzt wird sich Alles, Alles wenden, aber sie mag die Backwaare drehen und wenden, mustern und wiegen, sie bleibt klein; ja es scheint ihren scharfen und mißtrauischen Augen, als schrumpften sie immer mehr zusammen. In Hoffen und Harren vergehen die Wochen und cs bleibt Alles beim Alten. Eines Morgens sängt auch der gestrenge Eheherr an, seinem Erstaunen über das Liliputformat der Semmeln Ausdruck zu geben; als ihn aber die Hausfrau ironisch an seine neulichen Vertröstungen zu erinnern wagt, wird er sehr empfindlich und empfiehlt ihr energisch, einen anderen Bäcker mit ihrer Kundschaft zu beehren. Aber die Sache ist hier dieselbe, nur daß der Geschmack der Die Choleragefahr. Dem Kaiserlichen Gesundheitsamt sind vom 29. September bis 30. September, Mittags, folgende Choleraerkrankungs- und Todesfälle gemeldet worden. Hamburg: 33 Erkr. und 24 Todessälle; Altona: 9 Erkr. und 9 Todesfälle; Wilhemsburg (Lüneburg): 1 Erkr. und 2 Todesfälle; Mittelnkirchen (Stade): 2 Erkr. und 1 Todesfall. Vereinzelte Erkr.: Regierungsbezirk Stettin: in einem Ort des Kreises Ueckermünde 1 Erkr., in einem anderen Ort desselben Kreises und in der Stadt Stettin je 1 Todesfall, in einem Ort des Kreises Greifenhagen 2 Todesfälle; Regierungsbezirk Schleswig: in der Stadt Rendsburg 1 Todes fall; Regierungsbezirk Potsdam: in je einem Orte der Kreise Westhavelland und Oberbarnim 1 Todesfall. Laut der bis zum 17. Sept, reichenden Statistik des Medizinal amts starben in Hamburg seit Mitte August genau neun tausendfünfhundert Menschen an Cholera, Cholerine, Durchfall und Brechdurchfall; daS würde für Hamburg-Altona zusammen bis zum 30. Sept, rund zehntausend Gestorbene ergeben. In Hamburg sind die Schulen noch immer geschlossen, doch ist jetzt die Einrichtung getroffen worden, daß die Lehrer täglich von 9—12 Uhr Vormittags in den Schulgebäuden anwesend sind und denjenigen Schülern, welche sich freiwillig dort einfinden, häus liche Arbeiten ausgeben und sie durchsehen. Im Berliner Krankenhause Moabit ist gestern ein neuer Fall asiatischer Cholera festgestellt worden. Er betrifft den früheren Kutscher Meincke, der in Hamburg längere Zeit als Badewärter thätig war. Bei seiner Ankunft in Berlin am Mittwoch wurde er, obwohl er damals noch gesund war, als verdächtig angehalten und nach dem Krankenhause Moabit geschickt. Dort kam die Krankheit vorgestern bei ihm zum Ausbruch und gestern wurde durch die bakteriologische Untersuchung das Vorhandensein von Kommabacillen konstatirt. Der an asiatischer Cholera erkrankt gewesene Kellner Lange ist gestern geheilt entlassen worden, wäh rend für heute die Enllassung der beiden Brüder Woylkowski und einer Anzahl unverdächtiger Patienten in Aussicht genommen ist. Bei dem Postschaffner Möwes scheint nur Brechdurchfall vor- zuliegen, indessen ist die Untersuchung noch nicht abgeschloffen. — Ueber die Einrichtungen des Choleralazarethcs Moabit wird geschrieben: Gegenwärtig sind 9 Baracken zur Benutzung über geben. In zweien derselben sind Männer und Frauen, die von der (Malers. ssistlos befallen, untergebracht und die Pflege, die diese Kranken genießen, ist wohl die vorzüglichste, die je Patienten in einem Krankenhause zu Theil wurde. Abgesehen davon, daß der Chefarzt vr. Guttmann fast den ganzen Tag an den Betten der Leidenden weilt, sind in diesen beiden Baracken fortgesetzt Tag und Nacht mehrere Assistenzärzte anwesend, denen pro Baracke vier Krankenwärter resp. Wärterinnen unterstellt sind. In je weiteren zwei Baracken sind die Choleraverdächtigen untergebracht; in an deren zwei befinden sich die Stationen für die zur ärztlichen Observirung eingelieferten Personen, die, so bald sie als gesund wieder entlassen sind, mit Wchmuth an die vorzügliche Pflege, die opulente diätetische Kost zurückdenken. Für die an Brechdurchfall und Odolers uostrss Erkrankten sind weitere zwei Barocken ein gerichtet. Die Kranken erhalten täglich mehrere Male die denkbar kräftigste Bouillon, sowie schweren reinen Rothwein. Es ist wohl nicht zu hoch veranschlagt, wenn behauptet wird, daß die Pflege eines solchen Cholerakranken der Stadt Berlin täglich 10—15Mk. kostet. Daß in Moabit Alles, was irgendwie mit den Kranken in Berührung kommt, auf das Gründlichste desinfizirt wird, dürfte bekannt sein. Die täglichen Listen über die im russischen Reiche an der Cholera erkrankten beziehungsweise verstorbenen Personen werden eher länger als kürzer und füllen häufig in dem „Regierungsanz." ganze Spalten. Nunmehr ist der Norden, Osten, Süden und das Innere Rußlands von der Seuche mehr oder minder ergriffen und täglich sind in den Listen neue Städtenamen zu lesen. Nur der Westen zeigt einige bisher noch verschont gebliebene Theile, vor allem den an Deutschland angrenzenden Nordwestdistrikten. Es ist das Land des ehemaligen Samogitien und Littauen, welches von dem Niemen und der Wilija sowie deren Nebenflüssen durch strömt wird. In dem heutigen Rußland heißt dieses ganze Ge biet das Generalgouvernement Wilna, welches außer dem gleich namigen Gouvernement auch noch die Gouvernements Kowno, Grodno, Minsk, Witebsk und Mohilew umfaßt. Aus diesem umfangreichen und stark bevölkerten Landestheil ist bisher noch kein einziger Cholerasall gemeldet worden, was um so mehr be« achtenswerth erscheint, als dieses Gebiet von der Petersburg-War schauer Eisenbahn befahren wird und in stetem Verkehr mit dem verseuchten Petersburg steht. — Der Herr Gouverneur wird die Cholera wahrscheinlich einfach „verboten" haben. Der in Eberswalde als unter verdächtigen Anzeichen erkrankte, aus Berlin gekommene Böttchergcselle Kuhnert ist am Dienstag Abend an der Cholera gestorben, nachdem noch ein Lungenleiden hinzugetreten war. In Oderberg, wo am 25. ds. Mts. eine 75jährige Frau Arndt an der Cholera gestorben ist, sind noch mehrere Personen unter verdächtigen Anzeichen erkrankt. In Stettin ist, laut amtlicher Meldung, eine Kahnschiffersfrau an der asiatischen Cholera gestorben. Waare noch hinter dem der früheren zurückbleibt. Arme Haus frau I Dabei wird die Butter theurer: es ist kein Futter da, sagt der Lieferant mit der goldenen Kugel. Das Fleisch wird theurer: die Cholera verhindert den Zuzug des holsteinischen Viehes, sagt der Schlächter, der offenbar den Shakespeare studirt und sich die Redensart von den wie Brombeeren wohlfeilen Gründen eingeprägt hat. Der Kaffee, der Reis, der Pfeffer schlagen auf, weil der Hamburger Hafen gesperrt ist, sagt der Kaufmann, der die „Konjunkturen" benutzt. Jeden Tag bringt die Köchin vom „Einholen" eine neue Schreckensnachricht von Theuerungen, die da sind und die da unfehlbar kommen werden. Die Hausfrau vergeht vor Sorgen. Um eine Erhöhung des Wirtschaftsgeldes darf sie nicht bitten, denn der Mann spricht fortwährend von den neuen Steuern, von dem Bevorstehen des Tabakmonopols, der Erhöhung der Biersteuer und anderen traurigen Dingen. Arme Hausfrau, sagen wir zum dritten Male. Würden wenigstens die Semmeln bald größer, das wäre doch ein Lichtblick in ihrem traurigen Leben!" zu diesemSchritt gezwungen worden war. Der Kriegsminister General Wannowski kannte den betreffenden als einen vorzüglichen Offizier und wollte ihn gern der Armee erhalten. Er schrieb daraufhin privatim in diesem Sinne an General Dragomirow. Die Ant wort des Letzter» fiel aber dermaßen ablehnend d. h. so schroff aus, daß General Wannowski nunmehr dem Kaiser von der ganzen Angelegenheit Meldung machte. Wie sehr getheilt die Meinungen über das Nachspiel der Geschichte sind, wurde bereits Eingangs gesagt. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Sache durch einen Machtspruch des Kaisers beigelegt werden, vielleicht auch schon jetzt beigelegt sein. Russischen Blättern entnehmen wir folgenden Bericht: Die asiatische Cholera und die Pest sind ein Nichts gegenüber der furchtbaren Epidemie, die seit einigen Tagen die Bevölkerung von Turkestan geißelt Ein am 23. September in Petersburg ein getroffener Bericht des Generalgouverneurs von Turkestan mel dete, daß der „schwarze Tod", wie die Tartaren die verhee rende Epidemie nennen, am 10. September den Bezirk Askabad heimgesucht und in sechs Tagen 1303 Ofer gefordert habe, der Bezirk hat eine Bevölkerung von 30 600 Einwohnern. Gegen den „schwarzen Tod", der in Westasien schon seit langer Zeit bekannt ist, giebt es kein Heilmittel. Wie ein todtbringender giftiger Wüstenwind überfällt er Plötzlich ganze Landstriche, ver nichtet Menschen und Thiere und verschwindet dann eben so rasch wie er gekommen, ohne daß es der Wissenschaft gelänge, sein in nerstes Wesen zu ergründen. So ist der „schwarze Tod" auch diesmal im Bezirk Askabad schon nach sechs Tagen verschwunden und ließ nichts zurück als verpestete Leichen, deren Autopsie nicht vorgenommen werden konnte, weil die Körper zu rasch in das Stadium der Auflösung und Verwesung eintreten. Der Bericht des Gouverneurs enthält dann noch folgende Einzelheiten über d^ Begleiterscheinungen d:r schrecklichen Krankheit: sie beginnt m ' heftigen Fieberschauern, die den Kranken vom Kopf bis zu den Füßen rütteln und schütteln und etwa eine Stunde lang von sün zu fünf Minuten eintreten. Nach Verlauf dieser Zeit befällt den ' Kranken eine unerträgliche Fieberhitze; die Pulsadern schwellen an, der Puls geht immer schneller und die Körperwärme wächst beständig. Der Kranke wird von Krämpfen und Ohnmacht er griffen und von furchtbaren Schmerzen gepeinigt; plötzlich werden die Glieder starr und kalt, der Kranke kann sich nicht bewegen und läßt nur hin und wider ein grauenerregendes Gewimmer hören. Diese zweite Krankheitsperwde dauert nicht länger als 15 bis 20 Minuten. Erbrechungen und Diarrhöen wie bei der Cho lera waren nicht wahrnehmbar. Nach dem eben geschilderten Zustande der Agonie offenbart sich in dem starren Körper das Leben nur noch durch ein schweres Athmen des Patienten, bis endlich nach kurzer Zeit der Tod eintritt. Dann bedeckt sich der Körper mit großen schwarzen Pestbeulen, die sich rasch ausdehnen und den Leichnam in wenigen Minuten zersetzen. In Venezuela hat nun seit sechs Monaten Revolution und Bürgerkrieg geherrscht Rach dem Sturze des Präsidenten Palacio kam es nämlich zwischen den Generalen, welche diesen mit be waffneter Hand durchgesührt, und unter welchen General Crespo obenan stand, zu „Diadoqcnkämpfen", indem, abgesehen von ver- - schiedenen anderen Präsidenten, jeder derselben sich zum Diktator aufwerfen wollte. In der ersten Woche des September erst ist ' es dem General Crespo gelungen, sich der Hauptstadt Caracas zu ' bemächtigen und seiner Nebenbuhler Herr zu werden — bis auf ' einen. In den westlichen Staaten Venezuela's hält sich nämlich ' immer noch General Urdaneta als Diktator. Ob es nun zu einer ' Trennung des Bundesstaates kommen wird, oder ob die beiden ' übrig gebliebenen Diktatoren um das Ganze miteinander erst noch ! einen Wafsengang machen werden, bleibt abzuwarten. Der " „Diktator des Westens" tritt auch gegen Europäer gewaltthätig ' auf und hat kürzlich drei Pasiagiere an Bord eines englischen ' Schiffs festnehmen lassen. Der elektrische Draht verübte gestern eine arge Verwechslung. Er meldete den Tod Sr. scherifischen Majestät des Sultans von Marokko, während in Wirklichkeit der Großscherif von Wezzan (richtiger: Uössan) das Zeitliche segnete. Sidi el Hadj Äbd el Ssalem ben el Arbi den Hammed, wie sein voller Name lautete, war ein direkter Abkömmling von Muley Edris, dem Gründer und Stifter von Fez und der Edrisen - Dynastie, während der jetzige Sultan einer späteren Dynastie, der von Muley Ali, dem Scherif von Tafilet gegründeten, angehört, die sich erst später des marokkanischen Thrones bemächtigte. Er war ein di- rekter Nachkomme des Propheten und daher schrieb sich neben seiner geistlichen Würde als Oberhaupt des Mohammedanismus im Maghreb auch sein bedeutender politischer Einfluß, den selbst kulturelle und europäische Anwandlungen nicht zu erschüttern ver mochten. Nachdem er bis zu seinem 30. Lebensjahr in Uössan gelebt, wo ihn auch Gerhard Rohlfs 1861 besuchte, machte er eine Pilgerreise nach Mekka auf einem französischen Schiffe. Von diesem Augenblicke an europäisirte er sich und legte sogar die marokkanische Kleidung ab. Ende der sechziger Jahre übersiedelte er nach Tanger, richtete sich ganz aus europäischem Fuße ein, und obwohl er bereits vier rechtmäßige Frauen und mehrere Kinder besaß, heirathete er doch die englische Gouvernante des iritischen Generalkonsuls Sir Drummond Hay, die Der langjährige Vorsitzende der deutschen Turnerschast, Herr Rechtsanwalt vr. Theodor Georgii - Eßlingen ist zu Wilmers dorf gestorben. > Das Sozialistengesetz ist am heutigen 1. Oktober zwei Jahre ausgehoben. Einzelne Blätter benutzen diese Gelegenheit, um nachweisen zu wollen, daß mit dieser Aushebung Erfolge zu Gunsten der jetzigen Staats- und Gesellschaftsordnung erzielt seien. Der Nachweis gelingt ihnen jedoch nicht. Aus die Erschei nungen, welche sich bei einzelnen Nachwahlen zum Reichstage ab gespielt haben, und wonach die Stimmen für die Sozialdemokratie hier und dort eine kleine Verminderung erfahren haben, wird wenig Gewicht zu legen sein. Es wird sich erst bei den nächsten Reichstagswahlen zeigen, ob die Sozialdemokratie an Anhänger zahl abgenommen hat, bezw. ob sie auf dem früheren Stan geblieben ist. Wir glauben kaum, baß einer dieser beiden M eintritt, aber selbst wenn, dann wäre doch noch sehr fraglich, ob hierfür die Aufhebung des Sozialistengesetzes den Grund abg geben hat oder nicht vielmehr diejenige sozialpolitische Gese gebung, welche neben dem Sozialistengesetz während des Bestehens des letzteren durchgeführt wurde und deren Segnungen, wenn auch langsam, so doch sicherlich bei allen verständigen Arbeitern Aner kennung finden werden. Eine weit größere Beachtung würde der Hinweis darauf, daß in der sozialdemokratischen Partei sich seil der Aufhebung des Sozialistengesetzes Spaltungen vollzogen haben, beanspruchen können, wenn diese Spaltungen von irgendwie beträchtlicher Art wären und erhoffen ließen, daß sie den Bestand der Sozialdemokratie als solchen in Frage zu stellen geeignet wären. Das ist jedoch auch nicht der Fall. Es ist ja nicht zu leugnen, daß auf der rechten und linken Seite im sozialdemokra tischen Lager sich Parieisplitter gebildet haben, welche, wie die „Jungen", bereits von der Partei losgelöst sind oder wie „die um Vollmar" auf Loslösung unwiderstehlich Hingetrieben zu werden scheinen. Indessen die geschlossene Masse, welche sich um Bebel und Liebknecht schaart, wird dadurch nicht berührt. Sie ist nach wie vor von einer ansehnlichen Stärke. Ist es demnach höchst zweifelhaft, ob die Aushebung des Sozialistengesetzes für die heu tige Staats- und Gesellschaftsordnung in der Gestaltung der sozialdemokratischen Partei irgend welche Vortheile gebracht hat, so ist es andererseits sicher, daß sie Nachtheile im Gc folge gehabt hat. Es ist doch eine merkwürdige Erscheinung, daß unter dem Sozialistengesetz die Sozialdemokratie sich nicht auf das Land gewagt hat. Bis zum 1. Oktober 1890 war die Land agitation gleich Null. Man hatte nirgends davon etwas gehört, daß eine organisirte Bearbeitung des platten Landes im Sinne der umstürzlerischen Ideen seitens der Demagogen in An griff genommen war. Kaum aber war die Frist zur Erneuerung des Sozialistengesetzes unbenutzt verstrichen, so wurde der Plan einer solchen Bearbeitung an der Zentralstelle erörtert und bald ergoß sich sonntäglich eine Menge von Agitatoren auf das platte Land, welche durch eine möglichst einnehmende Form der Dar stellung der sozialdemokratischen Ideen Propaganda machten. Nach Allem, was man bisher vom platten Lande über diese Wühlereien gehört hat, ist der Erfolg derselben ein sehr geringer geblieben. Den Agitatoren persönlich ist cs häufig sehr schlecht ergangen, so schlecht, daß sie nach Inempfangnahme einer tüchtigen Tracht Prügel das Weite zu suchen gezwungen waren. Wer aber bürgt dafür, daß das in Zukunft eben so bleibt? Jedenfalls ist die Agitation auf dem platten Lande erst nach dem Fallen des So zialistengesetzes möglich geworden. Den besten Maßstab für die Beurtheilung der Frage nach dem Werth der Aushebung des So zialistengesetzes wird man aber an dem eigenen Verhalten der Sozialdemokratie gegenüber dieser Thatsache gewinnen. Und da spricht der Umstand, daß die Partei in diesem Jahre wiederum in Berlin ein großes Fest am 1. Oktober aus Freude über Auf hebung des Sozialistengesetzes feiern will, mehr, als es lange Ausführungen vermöchten. Die sozialdemokratische Partei selbst hätte doch wahrhaftig keine Veranlassung, an dem 1. Oktober alljährlich Feste zu feiern, wenn ihr die Aufhebung des Sozialistengesetzes Schaden zuge- , dagegen Herr v. Soden nach Beendigung seines Ämtstermines am 31. März nicht wieder nach Ostafrika zurückkehren. Als sein Nachfolger wird allgemein Kapitän v. Rüdiger genannt.
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