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M»S7 »»«Merger Gette L Brauereigesellschaft Vorm. Patzenhofer mit 170 000 Markbetheiligt erscheint. Eine andere Verbindung, welche daS Berliner Geschäft in Posen hatte, die enge Verbindung mit der Firma Hirschfeld L Wolff in Posen, au» welcher da» Berliner Geschäft einst hervor- gegangen ist, besteht, wie mau sagt, seit etwa zwei Zähren nicht mehr, vielmehr hat eine Auseinandersetzung beider Firmen stattgefunden; ob und wie weit dennoch dir Posener Unternehmung bei dem Berliner Falliment in Mitleidenschaft gezogen wird, ist noch nicht belaunt. DaS Vorkommniß hat an der Börse selbstver ständlich viel Aufregung und große Verstimmung hervorgerufen, man verhehlt sich nicht, daß der Ruf deS Berliner Platzes durch dasselbe schwer beeinträchtigt wird und daß den Berliner Privat- BanquierS großer Schaven geschieht durch dir Erschütterung deS Vertrauen- in die Solidität der Berliner Geschäftsführung. Auf die Tendenz im Allgemeinen hat die Sache nur geringen Einfluß auSgeübt, vielmehr war die Haltung im Allgemeinen ruhig und fest. Zum Kapitel vom groben Unfug läßt sich der „parla mentarische Korrespondent' der „Breslauer Zeitung-, Herr Ale xander Meyer, u. A. wie folgt auS: Unter Umständen kann ein Unfug durch die Presse verübt werden. ... Ich halte eS gerade zu für sinnwidrig, zu sagen, ein Unfug könne aus Fahrlässigkeit verübt werden. . . . Al» vor einigen Jahren ein Botaniker die Behauptung aufstellte, daß die Morcheln 'zu den Giftpilzen ge hören, wurven Tausende von Menschen in Beunruhigung versetzt; man hätte den Urheber dieser Notiz verurtheilen müssen. . . .- ES freut uuS, bemerkt die „Kons. Korr.- hierzu, Herrn Meyer versichern zu können, daß wir im Prinzip ganz seiner Ansicht find und, da die „Freisinmge Zeitung- diese Auslastung ohne mißbilligenden Zusatz abdruckt, glauben wir uns in diesem Falle auch im Einvernehmen mit dem Richter'schen Organe zu befinden. Run aber gilt es auch dir Konsequenzen aus diesem Gutachten zu ziehen. Wie erinnerlich, schrieb am 26. oder 27. Mai d. I. der erwähnte parlamentarische Korrespondent an sein freisinniges Breslauer Blatt u. A. daS Folgende: „Die Zustünde im deutschen Reiche fangen an, Aehnlichleit mit denen einer belagerten Stadt zu gewinnen; man beginnt auszurcchnen, wie lange die Vorräthe, die zur Ernährung deS Volkes dienen sollen, noch ausreichen können. Ich bin der Ansicht, daß die Roggenvorrüthe in Deutsch land etwa noch drei Wochen ausreichen werden und halte das schon für hochgegriffen. . . ." Durch diese seitens der Freihan- delSpreffe eifrig kolportirte Behauptung sind nicht Tausende, son dern Millionen in Aufregung versetzt worden, und der grobe Un fug, welcher durch diese „Korrespondenz- ausgeübt worden ist, übertrifft — daS wird man uns zugeben müssen — den durch die Morchelnotiz verübten ganz bedeutend. Man hätte, so meinen wir mit Herrn Alexander Meyer, den parlamentarischen Korre- spondenten der „Breslauer Zeitung" verurtheilen müssen .... nindestens aber sollte man derartigen Unfug künftig nicht unbe- 'traft durchgehen lassen. Wie die Blätter melden, ist nunmehr in Oesterreich der erste Fall der Entschädigung eines unschuldig Verurtheilten aus Staats mitteln vorgekommeu. Es wurden dem wegen Brandstiftung zu zweijährigem Kerker verurtheilten und nachher als unschuldig erkannte» Georg Pabst aus dem Justizbudget 3000 Gulden an- gewiesen. Bei der Berathung des Budgets deS Unterrichtsministeriums im Abgeordnetenhaus bezeichnete der Unterrichtsminister vr. Frhr. von Gautsch, die Frauensrage besprechend, es als eine Aufgabe der Unterrichtsverwaltung, die Frauen für die Erziehung ihrer eigenen Kinder zu erziehen. Der Minister erkannte wohl die Befähigung der Frauen für die Heilkunde betreffs ihres eigenen Geschlechtes an, bemerkte indessen, die Lösung dieser Frage liege nicht haupt sächlich im Ressort der Unterrichtsverwaltung. In der vergangenen Woche ist in der italienische« Kolonie Massauah der große Prozeß gegen Lieutenant Livraghi, der bekanntlich unter dem dringenden Verdachte steht, als Haupt der erythraeischen Polizei eine ganze Reihe von meuchlerischen Morden angeordnet und ausgesührt zu haben, mit einer Klage gegen den Advokaten Cagnassi und den Lieutenant Livraghi wegen Verleumdung, Unterschlagung und Erpressung, gewissermaßen ein- wobei sich drei trichinöse Speckseiten fanden, — ein Ergebnis welches den Empfänger veranlaßte, auf die weitere Untersuchung zu verzichten und die ganze Sendung lieber nach den Bereinigten Staaten zurückgehen zu lassen; ebenso wird eS wohl mit dem «ößteu Theil von 303 Fässern Schweinezungeu gemacht werden. Als nämlich da- herausgegriffene Probesaß der ersten „Partie" untersucht wurde, stellte e» sich heraus, daß alle Zungen trichinensrri waren bis auf die letzte, so daß die ganz« „Partie" also (ausgenommen die untersuchr und gesund besundenen) brau- standet wird; Henn jede einzelne Zunge untersuchen zu lassen, würde einen Kostenaufwand verursachen, der keinen Verdienst für den Händler übrig läßt. Daß die Empfänger der übrigen Partien »ehr Glück haben, ist nicht zu erwarten. Au der gestrigen Ber.iuer Börse wurde die Insolvenz deS Bankhauses Hirschfeld L Wolff, Friedrichstraße 160, bekannt. Dis Passiven werden auf 6 bis 8 Millionen Mark ge schätzt, wobei hauptsächlich der poseosche Adel betheiligt sein soll. Die Lktienbrouerei Patzenhofer ist, wie mttgetheilt wird, mit 170000 Mark und die Weißbierbrauerei Landrä mit 350 000 Mark dabei in Mitleidenschaft gezogen. Hierzu bemerkt die „B. B. Z.". Die Firma gehört zu den älteren des Platzes und hat sich bisher eines durchaus guten Rufes erfreut, mindestens in weiteren Kreisp» und im Privatpublitum, wenn auch an der Börse selbst der Rückgang der Firma und ihrer Potenz in den letzten Jahren nicht unbemerkt geblieben ist. Die Börse selbst ist dccher auch nur in untergeordnetem Maß bei der fatalen Ange legenheit betheiligt, die Berliner Banken find ganz ohne direktes Juteresse, wohl aber wird der ausgedehnten Privatkundschaft der Firma schwerer Schaden zugefügt, zahlreichen kleineren Kapitalisten und vielen Mitgliedern der Berliner höheren Beamtenkreise, sowie der Hofgesellschaft, welche einen wesentlichen Theil der Kundschaft auSmachen und deren Depot» zu einem großen Theil verschwunden lein sollen. Der Anlaß zu dem Fall deS HauseS ist nicht auf übertriebene oder auch uur großes Spekulationen zurückzusühren wie die» bei jener Firma der Fall war, welche vor einigen Wochen, in ähnlicher Weise ausschied, vielmehr giebt man den industriellen Unternehmungen die Schuld, mit denen das Bankgeschäft Hirsch feld L Wolff in den beiden letzten Jahrzehnten sich befaßt hat. Diese Unternehmungen scheinen vielfach Schaden statt Nutzen ge bracht zu haben, sie zu protegiren, ging über die Mittel der Firma hinaus; auch di« private Lebensführung des Ehcfs wurde an der Börse mit für die Katastrophe verantwortlich gemacht. Die Angaben über die Höhe der Passiva sind noch schwankend, man sprach von 6 bis 7 Millionen Passiven, darunter 3 bis 4 Millionen Depots, während die Aktiven auf etwa 3 Millionen angegeben werden. Die Firma war Zahlstelle und Bankverbind ung für verschiedene Gesellschaften, aus welchem Grund u.A. die Weißbierbrauereigesellschaft LandrL mit etwa 350 000 Mark die Wre dringend nüthig eine genau« Untersuchung de» ameri- kch"lsch«»»chweinesleisch«- ist, ergiebt sich an-folgender der „Tägl. Rundschau- auS Hamburg zugegangenen Meldung: D,« Empfänger der zu Anfang September in Hamburg mit nicht vorschriftsmäßiger Bescheinigung eingrtrvfsenen Sendungen amen- irischen Schweinefleisches hatten sich an den Reichskanzler mit der Bitte gewandt, die Etttfuhr der Saarr in da» Zollinland unter entsprechenden Bedingungen zu gestatten, worauf der Bescheid eintraf, daß die Einfuhr freigegeben werden solle, wenn dieameri- kamscheu Schinken, Rippenstücke und Speckseiten von beeidigten Hamburger Fleischbeschauern untersucht und die trichinö- befun den«, Stücke auf der Hamburger Abdeckerei vernichtet werden würden; von den verschiedenen Partien Schweinezungeu sollte da gegen nur je ei» Faß untersucht werden und wenn dies keine trichtnenhaltige Zunge aufweise, di« betreffende Partie zugelaffen, im entgegengesetzten Falle die ganze Partie von der Einfuhr au»- aeschlosse» werd«». Die Empfänger ließe« darauf mit der vorge» schrtebenen Untersuchung beginnen. DaS Ergebniß der Unter suchung, soweit eS bi- jetzt vorliegt, ist nun folgende-: In 15 Kisten mtt im Ganzen 568 Schinken wurden acht Schinken als trichinös befunden. In 50 Kiste« mit je 42 Rippenstücken be- saaden sich 25 trichinenhaltige Stücke. Bon 220 Kisten mit je etwa 30 Mück Speckseiten wurden probeweise 6 Kisten untersucht, geleitet worden. Der, Thatbeftand „dieser Klage ist folgender: Im vorigen Jahre ward« iu Massauah ei» Brief an Ra» Alula auf- gefangen, durch den dieser, eingeladen nmrd«, gegen Massauah gu marschkren. Die Eingeborenen würden ihm Leistand leisten. Unterzeichnet war dieses Schreiben von dem- Araber Mussa El Akkad, d«r in Massauah ansässig ist. Er wurde verhaftet uud von -dem Kriegsgericht zum-Lode ver«rtheitt, SL«-per-Mtntster- präfident CriSpi verhinderte die Ausführung dieses Urtheils und ließ die Angeklagten nach Italien dringen. Hier stellte sich denn mit ziemlicher Gewißheit heraus, daß Mussa El Akkad unschuldig sei. Der Brief, den er geschrieben haben sollte, ist aller Wahr scheinlichkeit nach von dem Advokaten Cagnassi und dem Lieutenant Livraghi veranlaßt worden, die an Mussa El Akkad Geld schul deten und sich den unbequemen Gläubiger vom Halse schassen wollten. In der Verhandlung behauptete der der Verleumdung Adam AgaS angrklagte Casso, daß der Dolmetscher Freda ihn be auftragt habe, den kompromittirenden Brief an RaS Alula zu schreiben. Ihm seien ferner 500 Thaler versprochen worden, wenn er sich der Verleumdung El Akkads schuldig bekennen würde; wer ihm diese Summe zahlen sollte, wisse er nicht auzugeben. Der Vertreter der Militärbehörde, Jnvrea, habe ihn dazu gedrängt, gegen Cagnassi auszusagen. Beim Schluß der Verhandlung pro- lestirte der anwesende Vertreter der Militärbehörde auf daS Ent- schiedenste gegen die Anschuldigungen, welche Casio gegen Jnvrea vorgebracht hatt. Ebenso wiesen der die Untersuchung führende Offizier und der Dolmetscher Freda die Anschuldigungen Casia's zurück. Caffa beharrte auf seinen Behauptungen. Die interparlamentarische Konferenz wurde gestern unter Theilnahme von Mitgliedern fast aller europäischen Parla mente im großen Saale des Kapitols eröffnet. Der Eröffnung wohnten außerdem bei der Justizminister, der Bürgermeister von Rom, mehrere Diplomaten mit ihren Gemahlinnen, zahlreich: italienische und andere Parlamentsmitglieder, Vertreter der Presse und verschiedene Gäste. Nach der RamenSverlesung der Mitglieder begrüßten der Vorsitzende Biancheri und der Bürgermeister die Versammlung. Hieraus folgte eine deutsche Anrede deS Reichs- tagsabgeordneten Baumbach, welche lebhaft applaudirt wurde, und sodann Reden einer Reihe von Mitgliedern der verschiedenen Parlamente. — Der französische Abgeordnete Deloncle schrieb an Bongbi: Da ein ehrlicher Friede unmöglich, so lange die Frage bezüglich Elsaß-LothringenS ungelöst sei und da außerdem Bonghi das Präsidium niedergelegt habe, so würden die Franzosen darauf verzichten, den Friedenskongreß zu besuchen (vergl. Artikel!). Eine verhängnißvolle Schießübung fand am Freitag auf der Höhe von Plymouth statt. Trotz der dort schwärmenden Fischer flottille dampfte das englische Kanonenboot „Plucky- hinaus »ad schoß über und zwischen 200 vor Anker liegenden, mit je zwei Mann besetzten kleinen Fischerbooten durch nach einer weit drauheu verankerten Tonne, die allerdings mit der rothen Warnungsslagze versehen war, von den Fischerbooten aus aber nicht gesehen werd» konnte. Die zwei ersten Schüsse verfehlten die Fischerboote ebenso wie das Ziel, an welches nun das Kanonenboot näher heransuhr. Auf etwa 1500 Meter Entfernung wurde wieder Feuer gegeben, und gleich der erste Schuß traf — allerdings nicht die Scheibe, aber ein Fischerboot, das sofort sank. Vom „Plucky" aus bewerbe man offenbar nicht, was vorgrsallen war, denn ein zweiter Schuß krachte, und ein zweites Boot ging unter. Die Kugel traf mit diesem zugleich einen der Fischer, der mit in den Wellen versank. Zum Glück wurde da die Schießübung eingestellt, und die drei anderen Fischer der verunglückten Boote wurden durch ihre Kame raden gerettet. Das Kanonenboot manövrirte inzwischen weiter, und einige Fischerboote segelten nun auf dasselbe zu und hielten es an. Der befehlhabende Offizier fragte grimmig, was los sei, und mochte nicht glauben, daß er ein solches Unheil angerichtet. Ehe er jedoch nach Plymouth zurückkehrte, hatten die Fischer dort schon Anzeige erstattet, und er wurde sofort vom Dienste suSpen- dirt. Die Bevölkerung der Hafenstadt selbst ist über den Vorfall sehr erregt, da über die geringe Vorsicht bei den Schießübungen der Flotte schon lange und immer vergeblich Klage geführt, und ein Unfall beständig als bevorstehend bezeichnet wurde. Die Todten- beschauer-Jury sollte alsbald über den gewaltsamen Tod des 6. Fortsetzung! sNachdruck verboten.) Im Laune geheimer Machte. Original-Roman von Avolph« Belbt. „Wie verhielt sich Ihr Gast, nachdem er diesen Bescheid er- > halt««?" ! „Er blieb »och etwa eine halbe Stunde in meinem Lokal und schien sehr zornig zu sein. Er schlug mit der Faust aus den Tisch u»d fluchte, als ihm der Kellner die Worte des Grafen wieder holte. Dann blieb er auf seinem Platze allein und schien, seinen Bewegungen nach, heftig mit sich selbftjzu sprechen. Es mußte das wohl eine Angewohnheit von ihm sein." Diese Eigenthümlichkeit hatte der Omnibus-Kondukteur auch von seinem Verdächtigen loustatirt, und daher sprach die größte Wahrscheinlichkeit dafür, daß der von dem Kondukteur Beobachtete »nd der Gast des CasäS in der Rue de Monceau ei» und dieselbe Person gewesen. „Wissen Sie, wrlcheu Weg der Mann einschlug, als er Ihr Lokal verließ?- fragte der Kommissar. „Nein. Ich war in den Keller hinabgestiegen uud der Kellner in der Küche beschäftigt; als wir zurückkchrten, war der Fremde sott, wir hotte» ihn nicht gehe» sehen." „Haben Sie, während er sich bei Ihnen befand, sonst nichs Ausfallendes an ihm bemerkt?- „Ich wüßte oichtS." „Zum Beispiel, daß er einen Gegenstand mit einer gewissen Sorgfalt bei sich trug — eiugewickelt oder vielleicht auch in einer Rocktasche, die davon aufgebauscht war?" „Rmktasche aufgebauscht? DaS ja, Herr Kommissar — in der That, ich erinnere mich: in der einen Tasche seines Ueberrocks schien er einen großen Gegenstand zu bergen, der dieselbe auf blähte und er faßte oft mit der Hand darnach hin." „Täuscht Sie Ihre Erinnerung nicht?" „Keineswegs, ich weiß eS ganz genau. Anfangs glaubte ich, er hab« Eßwaare darin und wolle dieselbe zu seinem Liqueur ver- »ehreu, deshalb fiel «S mir auf, später beachtete ich es nicht weiter, orShalb war eS mir hier anfangs entfallen. Jetzt aber durch Ihre Frage erinnert, kam e» mir deutlich wieder inS Gedüchtniß zurück." »Sonnte« Sie an der Außenseite der Tasche annähernd erkennen, «elche Form der Gegenstand in derselben hatte: rund, viereckig —?' „Rein, Herr Kommissar." Der Beamte entließ den Zeugen und durchlief aufmerksam die Notizen, die über die verschiedenen Aussagen der Vernommenen H« Papier gebracht waren. G- ließ sich gar nicht bezweifeln, daß dies« vtrfchiedenen Zeug- Me -iS jetzt thetts genau überemstimmtrn, theil» sich durchaus «üei«aaber in Einklang bringen ließen oder einander ergänzten. Nur in zwei an sich jedoch unwesentlichen Punkten herrschte noch eine Unsicherheit oder ein Zwiespalt vor: hinsichtlich des auf- oder niedergeschlagenen Rockkragens und hinsichtlich der Größe des Verdächtigen Die Einen hatten ihn als sehr groß, die Anderen nur als ziemlich groß oder mittelgroß bezeichnet — eine un wesentliche Differenz, bei der Alles von persönlicher Anschauung und Schätzung abhing; nach den Einen trug er den Rockkragen emporgeschlagen, nach den Anderen nicht: ein noch weniger wich tiger Umstand, da ein Rockkragen im Moment empor-oder nieder geschlagen rst und der Unbekannte jeden Augenblick eine solche Veränderung vorgenommen haben konnte. Alles Uebrige deckte und ergänzte sich so vollkommen, daß man durch die erhaltenen Aussagen dem verdächtigen Individuum von seinem Erscheinen in dem Quartier an bis zu seinem eiligen Verlassen desselben fast Schritt für Schritt folgen konnte. Jetzt aber entstand die Frage: Wer war dieser Unbekannte? Sein Brief an den Grafen gab vermuthlich Auskunft darüber — war dieser Brief noch vorhanden? 8. Kapitel. „Hat man Ihnen heute Abend gegen 6 Uhr ein Schreiben an : Ihren Herrn überbracht, auf das man sofort Antwort ver langte?" fragte der Kommissar den Portier des Hauses, den er > hatte rufen lassen. „Jawohl, mein Herr. Ein Kellner eines benachbarten Restau rants brachte den Brief." : „Was thateu Sie damit?" „Ich gab ihn dem Kammerdiener des Herrn Grafen mit dem Vermerk, daß der Bote auf Antwort warte." „Rufen Sie den Kammerdiener zu mir her." Es geschah. Der Kommissar fragte ihn, ob er den Brief übergeben. „Dem Herrn Grafen selbst, sofort, nachdem ich ihn empfangen," lautete die Antwort. „Wo befand sich Ihr Herr zu dieser Zeit?" „In seinem ArbeitSgemach." , „LaS er den Brief in Ihrer Gegenwart?" i „Er warf nur einen Blick auf die Unterschrift, nachdem er ; diese gelesen, zerknitterte er daS Blatt ärgerlich mit der Hand und warf es in einen Papierkorb neben dem Aroeitstische, indem > er mir unwirsch zurief: „Ich will nichts von der Sache wissen; , Antwort giebts nicht, man soll mich in Ruhe lassen!"" „Man sehe nach dem Papierkorbe," rief der Kommissar seine» Leuten zu, „er muß hier sein!" Das Gerüth fand sich nach einigem Suchen in einer Ecke des Gemachs, zerknickt von der Gewalt, mit der eS gegen dir Wand geschleudert, seines Inhalts beraubt, der muthmaßlich unter den Papieren umher verstreut lag. Corbin machte sich eifrig und geduldig an daS Untersuchen der Papierstücke am Boden; nach einigen Minuten glaubte er daS rechte gefunden zu haben; er überreichte dem Kommissar hastig ein zusammengeknittertes Blatt, das er vom Boden ausgerafft. Der Kommissar öffnete es, warf einen Blick darauf und hielt eS dem Kammerdiener vor die Augen. „Könnte dies der Brief sein, den Sie dem Grafen überbracht?" fragte er. „Er ist es, ich kann es beschwören!" rief der Diener aus. „Ich erkenne ihn an dem dicken, bläulichen Briefpapier, das mir auffiel, während ich das Schreiben zu dem Grafen trug und an der Oblate, mit der es geschloffen ist, während sonst ein Brief in gummirtem Kouvert steckt." Der Kommissar nahm das Schreiben zurück und laS es. Dasselbe lautete: „Herr Graf! Ich komme von Ihrem Sachwalter. Ich Hobe ihn vergeblich um Aufschub gebeten. Er sagt, Ihre Ordres, die er ein für alle mal erhalten und wegen deren er Sie nicht weiter behellig« dürfe, lauteten bestimmt — er könne mir keine weitere Frist geben. Morgen früh müsse er mich exmittiren, mich auS Ihre« Hause auf die Straße werfen, meine Möbel einbehalten und ver kaufen, wenn ich nicht zahle. Ich wende mich noch einmal a» Sie selbst, flehe Sie um einen nochmaligen, wenn auch nur kurzen Aufschub an! Es ist nicht meine Schuld, daß ich mit ver Miethe so lange im Rückstände geblieben — ich vermochte keine Arbeit, keinen Verdienst zu finden .... und ich durfte mich ja auch nicht anderer Arbeit widmen als meinem Werke, von dem mein Glück, meine Zukunft, der Reichthum abhängt, den eS mir cinbringen muß! Ich habe eine Erfindung gemacht, die für die Wissenschaft von unabsehbarem Werthe ist und die, sobald ich sie verwerthet, was sicherlich in Kurzem der Fall sein wird, «ir Reichthümer zuströmen lassen muß! Wa» aber soll aus mir werde», wenn Sie mich existenzlos, mittellos, obdachlos als Bettler aus die Straße werfen! Ich bitte nicht um meinetwillen, ich bitte um meiner Tochter, meines einzigen KindeS willen, daS ich diesem Elende nicht preisgeben kann. Was find für Sie die wenigen hundert Franks, um die es sich handelt! Aber freilich, eS ist nicht Das — Sie sind erbittert gegen mich, weil ich mich einst Hinreißen ließ, iu meiner Verzweiflung gegen den Respekt zu ver stoßen, dem hochgeborenen reichen Grafen zu drohen! Ich drohe heute nicht mehr, Herr Graf; ich bitte um Verzeihung — ich bi» ein Mann von unglückselig hitzigem Temperament, das mich m einem Augenblick der Thorheit mißgeleitrt. Ich trete als demüthig Bittender vor Sie, ick beschwör« Sie um meines einzigen Kindes willen; treiben Sie mich nicht zur Verzweiflung, nicht zumAeußer- sten — gewähren Sie mir Nachsicht, nur noch die» eine Mal eine kurz« Nachsicht! In Angst harrt Ihrer Antwort BSrard, 40 Boulevard de Couroelle»." (Kortsetzun» iolgt.)