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Urevtzer-er «Zeiger mrd raqeblatt. «We «. U»l. -in einer demnächst abzuhaktende» Versammlung darüber ver handeln. E» bandelt sich für tue Altczechen darum, nicht mehr an den Ausgleichsverhandlungen theilnehmen zu müffen, obwohl -sie sich dem ursprünglichen Wiener Konferenzprotokolle mit ihren Unterschriften für die Durchführung des Ausgleiches verpflichteten. Daß der Regierung der Schritt der Altczechen sehr ungelegen kommt, ist begreiflich und eS werden Versuche gemacht, die Dinge wieder in andere Bahnen zu lenken. So wird gemeldet: Der Statthalter-Graf Thun ist neuerlich in Wien eingetroffen, nm den Grafen Taaffe zu Schritten zu dewegrn, damit die Alt. czechen ihre LandtagSwandate behalten. Auch die Führer deS böhmischen Feudaladels wirken auf vr. Rieger in demselben Sinne ein. Deutscherseits erwartet man von einer etwaigen Beibe haltung der Landtagsmandate durch die Altczechen keine Besserung der Verhältnisse in Böhmen, da auch die Altczechen auS Furcht vor den Jungczrchen keiner weiteren Ausgleichsvorlage mehr zu- ftimmrn würden. DaS Programm der in der it»tte«ische« Hauptstadt tagenden interparlamentarischen Konferenz ist, wie folgt, festgesetzt worden: Heute findet die Eröffnung der Konferenz auf dem Kapirol statt; am Abend ist Galavorstellung im Theater; am 4. dS. und 7. ds. ist Empfang der Theilnehmer an der Konferenz in der De- vutirtenkammrr: am 5. d. veranstaltet der Fürst Odescalchi, am 6. dS. der Bürgermeister eine Soiree zu Ehren der Konferenz; am 8. ds. werden die Wahlen vorgenommen und findet Empfang auf dem Kapitol statt. An jedem Tage tritt dir Konferenz zu einer Sitzung zusammen. Außer den angeführten Festlichkeiten ist die Beleuchtung des Forums und ein Ausflug nach Neapel und Pompeji in Aussicht genommen. In franzüftschen Deputirtenkrrisen wird die Haltuny der Radikalen in der letzten Sitzung der Kammer, in welcher sie für die Amnestieforderungen der Sozialisten mit stark regierungs feindlichen Ausdrücken Partei nahmen, als der Beginn einer ent schiedenen Oposition gegen die Regierung angesehen. Man glaubt indeß, daß die durch die Erfolge in ihrer auswärtigen Politik sehr gefestigte Stellung der Regierung dadurch kaum beeinträchtigt werden dürfte. Der „Jntransigeant", die „France" und einige boulangistischr Großen verlangen, daß die Kammern einen Kredit bewilligen, da mit die russischen Seeleute, welche gegenwärtig die Gäste von Brest sind, nach Paris eingeladen und dort Namens deS ganzen Frank reich geehrt werden können. Nur so könnten die Tage von Kron stadt und Petersburg vergolten werden. Der Boulangist Lesenne wollte deshalb am Sonnabend in der Kammer die Bewilligung von 50 00V Franks zum Empfang der russi schen Seeleute in Paris beantragen. JmSinne der Kammer satzungen mußte er hierzu die Zustimmung der Regierung haben. Ministerpräsident Freycinet, an den er sich deshalb wandte, fuhr ihn heftig mit den Worten an: „Werden Sie mit Ihren Kund gebungen bald aufhören, ich will von Ihren 50 000 Franks nichts wissen." Lesenne unterließ es hierauf, seinen Antrag einzubringen, um, wie er sagt, seine russischen Freunde nickt der Demüthigung einer Ablehnung auszusetzen. „Jntransigeant" wüthet nun gegen das Ministerium, das er nur noch das deutsche Kabine! nennt, und schildert dessen großen Verrath an dem russischen Verbündeten in beweglichen Worten. Wenn .Jntransigeant" seinen Feldzug eine Weile fortsetzt, könnte vielleicht eine Heilung des französischen Russensanatismus die Folge sein. Ter kaiserlich russische Ukas, wonach unter Aufrechthaltung des Verbots der Ausfuhr von Roggen und Roggenmehl sowie aller Gctreideabfälle, dieses Ausfuhrverbot auch auf alles andere Getreive (ausgenommen Weizen) und auf Kartoffeln, sowie auf Produkte aus Getreide, dessen Ausfuhr verboten ist, und aus Kartoffeln, wie Mchl, Malz, Grütze, Teig, gebackenes Brot ausge dehnt wird, ist nunmehr veröffentlicht worden. Das Verbot trat bereits am Montag in Kraft. Für Deutschland ist dieses Aus fuhrverbot ohne wesentliche Bedeutung, da wir in Hafer, Gerste, Buchweizen und Hirse eines nennenswerthen Imports aus Ruß land nicht bedürfen. Daß schließlich auch noch für Weizen ein Ausfuhrverbot zu erwarten stände, muß als vollständig ausge schloffen betrachtet werden. Nicht nur, daß die Ernte von Weizen durchaus nicht schlecht ist, sondern auch die Thatsache, daß das russische Volk fast keinen Weizen konsumirt und daß unzählige Existenzen ruinirt sein würden — zeugt für die Unmöglichkeit eines Ausfuhrverbotes. Schon die bisherigen Ausfuhrverbote sind für Rußland wahrlich nicht von Segen gewesen. So wird der Münchener „Allgem. Zeitung" vom 25. Oktober aus Odessa geschrieben: „Der Roggen, dessen Ausfuhr verboten ist, kostet hier heute trotzdem fast 1 M. für das Pud (16,38 Kgr.) mehr als in Deutschand, wohin so große Mengen übereifrig verschifft wurden, die sonst nie hingegangen wären und die uns hier nur sehr fehlen. Oelkuchen verfüttert der südrussische Land mann gar nicht und wird es auch trotz alles Nothstandes nicht thun. Er, der noch mit demselben Pfluge pflügt wie -vielleicht die alten Skythen Hierl So unbedeutend auch der Export von Oelkuchen von Südrußland aus war, so reichte er doch hin, die Oelmüller hier über Wasser zu halten und dem Volke billiges Oel zu verschaffen. Das ist nach dem Ausfuhr verbote nicht mehr möglich. Diese Ausfuhrverbote würden wohl am besten wieder aufgehoben und dafür die Bevölkerung in den nothleidenden Gouvernements durch öffentliche Arbeiten, billige Zufuhrfrachten für Getreide und milde Gaben kaufkräftiger ge macht." In Rußland beginnt sich dank den für die Bevölkerung der RothstandSrayons um 80 v. H. herabgesetzten Eisenbahnfahrpreisen ein starker Zustrom der bäuerlichen Bevölkerung aus dem Innern des Reiches nach Petersburg zu entwickeln. Viele der Bauern aus dem Saratowschen, Samaraschen u. s. w. sehen ihr „Piter" zum ersten Mal im Leben und sind gewöhnlich von den dort empfangenen Eindrücken geradezu wie vor den Kopf ge schlagen. Nach den unklaren Vorstellungen der guten Leute leben in Petersburg nur Millionäre, und nun begegnen ihnen hier aus Schritt und Tritt Gestalten, ebenso abgerissen wie sie, ebenso nothleidend wie sie, wenn nicht in einem noch höheren Grade. Das drückt dieAnzügler zuerst nieder, aber die Erwartungen, mit denen sie gekommen sind, geben sie keineswegs auf. Sie sind überzeugt, daß auf Grund der Mißernte Alle verpflichtet sind, ihnen zu helfen, und wenn sie einwilligen, für das empfangene Geld auch etwas zu arbeiten, so bringen sie das als größte Liebens würdigkeit ihrerseits in Anrechnung. Natürlich sind sie träge bei der ihnen übertragenen Arbeit und kommen, wenn sie Vorschuß erhalten haben, meistens nicht wieder. Der Emir von Afghanistan hat, wie schon gemeldet wurde, den Wunsch ausgesprochen, England zu besuchen. Zunächst wurde von der indischen Regierung dieser Wunsch ausweichend behandelt, allein neuerdings hält man eS in Regierungskreisen in Kalkutta für sehr wahrscheinlich, daß ein solcher Besuch doch zur Ausfüh- rung gelangen wird. Der Emir dürfte die Engländer gerade so in Erstaunen setzen, wie sie ihn. Er ist kein Barbar mit wider lichen barbarischen Neigungen und Gewohnheiten, sondern ein Many, der die größte Einfachheit in der Lebensführung liebt und r und sozialdemokratischer Zeitungen nach ? sowie die lügenhaften Berichte, wet l herdorriefen, als ob Deutschla unmittelbar vor dem Ausbruch einer HoagerSnoth stehe, d GetreidevreiS auf dieser Höhe erhielten, während in Wahrheit große Massen von Getreide m Deutschland lagerten und sogar, um eine weitere künstliche Steigerung der Preise zu erziele», von der Börse große Massen von Getreide zu billigeren Preisen sl im Inland noch dem Ausland verkauft wurden. Weiter Deutschland mit Oesterreich wegen Abschluß eines Handelsvertrag» in Unterhandlung stand, als durchaus Vaterlands- und Volv- eindlich, da ein für Deutschland günstiger Abschluß dieses Handelsvertrags dadurch aufS Schlimmste gefährdet würde und gab auch als Ursache des russischen Getreideausfuhrverbots das Treiben dieser Zeitungen an. Der Herr Redner geißelte dann noch daS Hazard- spielartige Termingeschäft an der Börse, welche- fast ausschließlich die jetzigen hohen Getreidepreise verschuldete und bezeichnete die Börse als den wahren AuSsauger deS Volkes. Er machte hierbei besonders die Firma Ritter L Blumenfeld namhaft, eine vor dem letzten Getreideschwindel ziemlich unbedeutende Firma, die sich jetzt mit einem „Verdienst" von ca. 8—10 Mill. M. vom Geschäft zurückzieht, eine Summe, die dem deutschen BolKwohlstand entzogen oorden ist. Nachdem drrHr. Redner nochmals betont, daßer auch ferner ür einen mäßigen Getreidesoll einstehen würde, schloß er seine in narkigen, überzeugenden Worten gegebenen Ausführungen mit , der erfreulichen Zusage, daß er an einem späteren BrreinSabend einen Vortrag über die neue Gewerdeschutznovelle halten wolle. Rauschender Beifall folgte diesem ausgezeichneten ost von lauten Beifalls- und ZustimmungSrufen begleiteten Bortrage. Der Bor« itzende Herr Bürgermeister vr. Böhme dankte dem Herrn Redner ür seine inhaltsreichen Ausführungen. Die Versammlung schloß ich diesem Dante durch Erheben von den Sitzen an. Der nächste Berrinsabend wird deS Jahrmarktes wegen auSsallen. — Am vergangenen Reformation-fest hielt der Iü«gtt«g»veren» im Saale der Herberge zur Heimath einen Familienabend ab, der sich einer großen Theilnahme sowohl von Seiten des JünglingSvereinS als auch deS MännervereinS und deren Angehörigen erfreute. Der Vorsitzende, Herr Obersteiger Schulz«, begrüßte die Anwesenden auf Herzlickste. Mit dem alten Luther liede .Ein' feste Burg ist unser Gott" wurde der Abend eröffnet; demselben reihten sich Deklamationen, alle Bezug auf daS Refor- mationssest habend, an. Ferner führten Mitglieder deSJüuglinP- vereinS zwei Züge auS LutherS Leben vor, ihn zuerst im Kresse seiner Sangesbrüder vor den Häusern Eisenachs und dann al- „Junker Jörg" im „Schwarzen Bären" zu Jena darstellend. Auch der Posaunenchor leistete unter Leitung des Herrn MusikuS Eulitz Anerkennenswerthes. Gesänge wechselten mit Deklamationen und Musikstücken ab und nach 10 Uhr wurde, nachdem vom Herrn Vorsitzenden für freundlichen Zuspruch herzlich gedankt, sowie mit einem nochmaligen kurzen Hinweis auf den großen Tag der Gnade, den Gott einst durch Luther anbrechen ließ, mit den letzten beiden Strophen des „Schutz- und TrutzliedeS" der schöne Abend be schlossen. — Seit gestern scheint daS Schlagwerk der Dom«hr wieder einmal außer Rand und Band gerathen zu sein. ES wäre dringend zu wünschen, daß bei derartigen Störungen der Glockenschlag i gänzlich unterbliebe, denn durch eine falsche Zeitangabe können : viel unangenehmere Jrrthümer entstehen als wenn überhaupt keine Zeit angegeben wird. — Jahrmarkt-annoncen. Unsere geehrten Inserenten, welche für den bevorstehenden Jahrmarkt in der Sonnabend Abend i erscheinenden Nummer zu annonciren gedenken, bitten wir im Interesse der rechtzeitigen Fertigstellung der voraussichtlich sehr starken Nummer, die Inserate, so weit es möglich ist, schon Donnerstag oder Freitag ausgeben zu wollen. Diese Bitte bezieht sich namentlich auf größere GeschäftSanuoncen. — Eine Versuchsfahrt zur Erprobung der Westinghouse bremse fand heute auf der Gefällstrecke Klingenberg—Tharandt statt. Der 60 Achsen starke, von der großen Maschine „Athen" gezogene Zug langte hier gegen '/,9 Uhr Vormittags in Beglei tung des Herrn Baurath Puschmann und mehrerer Maschinen« inspekloren an. Aus beiden Seiten des Zuges waren elektrische Leitungen angebracht, die von der Maschine bis zu den am Schluffe des Zuges laufenden 2 Wagen, in denen umfängliche Apparate zur Messung der Geschwindigkeiten, Bremswirkungen u. s. w. untergebracht waren, führten. Dem Vernehmen nach zeichnet sich die Westinghousebremse vor der jetzt auf sächsischen Bahnen in Gebrauch befindlicken Luftdruckbremse „System Schleifer" dadurch aus, daß erstere schneller und mit größerem Druck (6 Atmo sphären) wirkt, während die Schleiferbremse nur einen Druck von 4 Atmosphären zuließ. Die Versuchsfahrten waren gegen 1 Uhr beendet; der mächtige Zug traf auf der Rückfahrt nach Chemnitz in Freiberg 2 Uhr Nachm. wieder ein. — Mit der Spitzmarke Die Eo-taldemokratie «»d der BuchvtMckera«sfta»d schreibt die „Leipziger Zeitung": „Der sozialdemokratische „Wähler" in Leipzig hat in Folge der Bewilli gung der Forderungen der Setzer seine JnsertionSgebühren von 15 aus 20 Pfennig pro Petitzeile gesteigert, auch be kannt gemacht, daß er in Folge deS NeunstundentageS den Schluß für Annahme von Inseraten um eine Stunde eher an setzen müsse. Wenn daS sozialdemokratische Blatt die Folgen der ausgestellten und von ihm angenommenen Forderungen in solcher Weise schon jetzt illustrirt, so kann sich das Publikum ein Bild von den weiteren Wirkungen derselben leicht selbst machen." — Die Hofbuchdruckerei zu Weimar, in welcher zwei von Th. Mommsen herausgegebene Bände der .Monument» Oermsoine" im Druck befindlich sind, hatte den Herrn Herausgeber benach richtigt, daß voraussichtlich der Druck durch den Streik unterbrochen werden müsse. Der Gelehrte antwortete: „In der Krisis, die das deutsche Verlagsgeschäft und folgeweise die gesummte literarische Thätigkeit unserer Nation bedroht, können wir leider weiter nichts thun, als den zunächst Betroffenen Muth und Erfolg wünschen. Die von den Setzern angestrebte Vertheuerung des Druckes wurde ohne Zweifel eine so wesentliche Beschränkung der Druckarbeiten herbeifübren, daß alle Betbeiligten, von dem Schriftsteller ab wärts blS zum letzten Laufburschen, dadurch auf daS Schwerste geschädigt werden würden. Aber man kann es Niemand weyren, den Ast abzusägen, auf dem er sitzt, wenn eS ihm beliebt." — Der Königlich sächsische Kommissar bei dem amtlichen „Dresdner Journal" soll nach dem „ReichSanzeiaer" in dem Druckereilokale erklärt haben, daß an höchster Stelle be schlossen sei, diejenigen bei dem Satz und Druck der genannten Zeitung und bei staatlichen Arbeiten beschäftigten Gehilfen der Teubner'schen Buchdruckerei, die sich an dem angekündigten AuS- stände „auch nur eine Stunde" betheiligen würden, nie wieder bei der Herstellung dieser Zeitung oder staatlicher Ar- belten zu beschäftigen. — Vorgestern am I.Novbr. fand in der Kapelle der Vr»««- Vorser Besser«»«- ««» «ine grss-re OertNches und Sächsisches. Freiberg, den 3. November. — Verein für Volk-Wohl „Feierabend." Schon lange war mit einer gewissen Spannung einem Vortrag entgegen gesehen worden, den das Vereinsmitglied Herr Reichstagsabgcord- neter Oberbergrath Merbach zu halten versprochen hatte, be handelte derselbe doch eine Frage, welche jetzt ganz besonders im Vordergrund des Interesses steht und die weitesten Kreise, die sonst nicht immer geneigt sind, sich um öffentliche Angelegenheiten zu kümmern, lebhaft beschäftigt, die Brotsrage. Wohl ui keiner anderen Angelegenheit ist die öffentliche Meinung von der sreihänd- lcrischen Presse so getäuscht worden, als in der Frage der Getreide zölle. Durch Entstellungen und Verdrehungen der Thatsachen ist die wahre Ursache der jetzigen Brotvertheuerung stets ver schleiert und alle Schuld auf die Getreidezölle geschoben worden. ES ist deshalb im höchsten Grade erfreulich, daß durch den Herrn Vortragenden, welcher als Reichstagsabgeordneter hervorragend be rufen ist, die wahren Ursachen der Brotvertheuerung richtig zu beurtheilen, dies Gewebe von Lügen zerrissen wurde. Der Herr Vortragende betonte zunächst, daß er der Ein ladung des „Feierabend" gern nachgekommen sei und die Gelegenheit mit Freuden ergreife, um gewissermaßen Rechenschaft über seine Thätigkeit im Reichstag abzulegen. Er sei auch wiederholt von anderer Seile aufgefordert worden, dies zu thun, habe dies Ersuchen aber abgelehnt. Er ging dann zu nächst auf die Geschichte der Zölle überhaupt ein und betonte, daß alle Staaten, mit Ausnahme von England, welches sich durch seine reichen Kolonien und seine hochentwickelte Industrie den Luxus deS Freihandels gestatten könne, Zölle von theilweise, wie z. B. in Rußland und Amerika, schreckenerregender Höhe eingeführt hätten, um die heimische Produktion zu schützen. Nach den sog. Gründer- und Schwindeftahren, in den Jahren des Krachs, als in Deutschland zehntausende von Arbeitern arbeitslos waren und die Industrie furchtbar darnieder lag, erkannte Bismarck, der bis da hin Freihändler vom Scheitel bis zur Zehe gewesen war, daß bei der Freihandelspolitik Deutschlands Industrie ihrem Untergang entgegenging; es wurde deshalb ein Schutzzoll auf Jndustrie- erzeugnisse eingesührt, unter dessen Wirkung sich die Industrie wieder hob und die bis dahin beschäftigungslosen Arbeiter wieder lohnende Beschäftigung fanden. Dieser günstige Umschwung findet in der Statistik seine Bestätigung, und zwar weist dieselbe nach, daß in den Jahren des Schutzzolles das gesammte Einkommen um ca. 60 Proz. gestiegen ist, während die Einwohnerzahl Deutschlands nur um 10 Proz. zugenommen hat. Zu dieser Steigerung des gesammten Ein kommens hat in erster Linie eine ganz bedeutende Steigerung des Einkommens aus Löhnen und Gehältern beigetragen, während die Steigerung des Einkommens aus Handel und Gewerbe un- verhältnißmäßig geringer ist. Während nun die Industrie aus diese Weise geschützt war, machte sich jedoch beim Ackerbau immer mehr und mehr ein Rothstand bemerkbar, welcher entstand durch die Konkurrenz der mit unermeßlichen Ernten gesegneten Staaten, wie Ungarn, Rußland und Amerika, welche vermittelst der billigen Frachten, Getreide nach Deutschland billiger liefern konnten als es die deutsche Landwirthschaft zu erzeugen vermochte. Da sich auch die Börse des gesammten Getreidehandels bemächtigte, so war nicht mehr eine gute oder schlechte Ernte in Deutschland für den Preis des Getreides ausschlaggebend, sondern einfach der von der Börse vielfach willkürlich lediglich zu Spekulationszwecken fest gesetzte Kours, so daß der Landwirth nicht mehr nach dem Stand seiner Saaten, sondern nur nach dem Kours der Börse zu sehen brauchte. Es stellte sich die eigenthümliche Thatsache ein, daß mit- unter bei reichen Ernten der Getreidepreis hoch, bei mißlichen Ernten jedoch tief stand; hierzu kamen noch die Währungsver- HLltnisse, die bei niedrigem Kours z. B. des Rubels oder Guldens, den Getreide ausführenden Länder geradezu eine Prämie auf die Ausfuhr setzten. Alles dies wirkte zusammen, um den Betrieb der Landwirthschaft immer unrentabler zu machen und dieselbe dem Untergange entgegen zu führen. Welche verheerende Wirkung dieser Niedergang für die deutsche Industrie hatte, wissen alle Diejenigen, welche aus die Kauffähigkeit der Landwirthe ange- wiesen sind Es wurde nunmehr ein Getreidezoll von ursprünglich 1 Mark eingeführt, der später auf 2 Mark, dann 3 Mark erhöht wurde. Dieser Erhöhung hat der Herr Vortragende zum Schutz der deutschen Landwirthschaft beigestlmmt, während er einer noch weiteren Erhöhung der Getreidezölle auf 5 Mark seine Zu stimmung versagen mußte. Wie wenig überhaupt die Höhe des Zolles die Getreidepreise beeinflußt, geht daraus hervor, daß nach Einführung desselben die Getreidepreise niedriger waren als vorher. Der Herr Redner behandelte nun weiter die Ursachen der gegen wärtigen hohen Getreidepreise und kam zu dem Schluß, daß lediglich daS wüste Treiben an der Börse, die daS Getreide zu einem Spielball der tollsten Spekulationen macht, die Ursache der hohen Getreidepreise sei und daß besonders auch der fortwährende zugleich würdig und höflich oufzutrrten versteht. Sein schlauer Mus freisinniger und sozial! und beobachtender Charakter ist bekannt. Aeußerlick ist der Emir seitigung der Getreide zolle, so Vielleicht keine imponirende Persönlichkeit, er soll i-doch ein sehr im Auslande den Eindruck ansprechendes Wesen besitzen. Zu seiner Reise nach England ver anlaßt ihn besonders der Wunsch, die Wunder der Industrie kennen zu lernen, von denen ihm die wenigen in Kabul wohnen den Engländer erzählt haben. Etwas Industrie will der Emir in Afghanistan einführen. Er weiß freilich, daß er in dieser Be ziehung nicht zu weit gehen darf. «sI-«U»WslMsch<». Wie der heutige.Reichsanzeiger" mittheilt, wurde sofort nach Eintreffen der telegraphischen Meldung deS Kaiserl. Gouverneur» für Oftasrika, daß Emin Pascha Anfangs Juli von dem Albert. Eduard-See nach dem Albert-See aufgebrochen sei, der Kaiserl. Botschafter in London beauftragt, Lord Salisbury hiervon in Kenntniß zu setzen und ihm bei diesem Anlaß mitzutheilcn, daß Emin Pascha bei diesem Zuge in die englische Interessensphäre zegen di« ihm ausdrücklich ertheiltrn Instruktionen handele, und )aß die Kaiserl. Regierung unter diesen Umständen die Verant wortlichkeit für sein Unternehmen ablehnen müßte. Nach Meldung deS Botschafters hat der Premierminister für diese Mittheilung seinen Dank ausgesprochen. — Diese Veröffentlichung soll offenbar die Antwort auf die Unverschämtheiten der englischen „Morning- Post" sein, (vergl. Artikel!) Von dem Privatdozenten für Völkerkunde in Marburg und Herausgeber des „Auslands", Herrn vr. Karl von den Steinen, erhält die „Nat.-Ztg." eine Zuschrift, in welcher eine vertrauliche Mittheilung Emin Paschas vom 4. Frbr. bekannt gegeben wiro, nach welcher Emin von Kigeri, dem König von Ruhanda, die Einladung erhalten habe, dieses bisher weder von Europäern, noch von Arabern, auch nicht von Stanley betretene Land zu besuchen. Emin Pascha beabsichtigte, dieser Einladung zu folgen. Auch nicht eine Silbe des Schreibens deute auf die Absicht eines Zuges nach Wadelai und eines Uebergriffes in das englische Gebiet hin. Da hingegen möchte Emin von Ruhanda nach Kamerun.