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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 29.03.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-03-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189103297
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18910329
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18910329
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- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Bemerkung
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1891
-
Monat
1891-03
- Tag 1891-03-29
-
Monat
1891-03
-
Jahr
1891
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 29.03.1891
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3. Weitage zum Ireikerger Anzeiger und HagebtatL. 72. Sonntag, dm 2S. Mürz. 1891. elle, uosinne». Z. Schcrjv wantique trialionen chwestern ein russ. liolinsoli r ionen für »es Herrn aben. LI», mkuchei» j. O. tkr. W, lhr. i i W berg. 25 1'58 I» « 8 I L. itzler. cgebenst ein rschSna. enberg. rkbesetzten tVebsr. r 8Ä»rL. g, ladet zur rrmann. jteuderg. bds.7-/.UHr, rt, der 1. Klasse Mitwirkung chst einladen Ugt, Lehrer. worf. zur Tam» Die Woche. Die verflossene Woche hat unserem sächsischen Vaterlande einen schmerzlichen Verlust gebracht, an dem auch weite Kreise des veutschen Reiches aufrichtig Antheil nehmen: Im Alter von 73 Jahren ist nach kurzem schwerem Krankenlager uner wartet der Vorsitzende im sächsischen Gesammtministerium, Minister des Kriegs und des Auswärtigen, General der Kavallerie Graf Alfred von Fabrice gestorben, gleich hervor ragend in seinen Eigenschaften als Staatsmann und Diplomat wie als Soldat und militärischer Organisator. Am morgenden Sonntag wird man seine sterblichen Ueberreste unter seltenen Ehren zur Ruhe betten, das Land aber, insonderheit die sächsische Armee wird dem hochverdienten Manne ein dankbar treues Angedenken bewahren Im Uebrigen ist die stille Woche auch auf den Gang der politischen Ereignisse nicht ohne Ein fluß geblieben. Nur durch künstlich angefachte Erörterungen wurde die Ruhe der vorosterlichen Tage unterbrochen. Es waren Erörterungen nicht sonderlich erquickender Natur, die sich in erster Linie um die Frage drehten, ob der Staatssekretär des deutschen Reichsamts des Innern, von Bötticher, durch eine aus den Einnahmen des sogenannten Welfenfonds ent nommenen Summe aus einer drückenden pekuniären Lage durch Kaiser Wilhelm 1. befreit worden ist, oder ob die dem selben gewährte Summe aus den Privatmiiteln oder dem Dispositionsfond des Kaisers entnommen wurde. . An maß gebender Stelle hat man in unzweifelhafter Weise dargethan, daß Herr von Bötticher aus dieser Angelegenheit als Ehren mann hervorgegangen ist, im Uebrigen aber hat man sich nicht dazu verstehen können, eine Erklärung über den Ursprung der Summe zu geben. Man wollte sich keine Aufklärungen über Maßnahmen abpressen lassen, über die man zu keiner Rechen- schaflslegung verpflichtet war. Für die gesammte radikale Gegnerschaft des Fürsten Bismarck gilt es natürlich für aus gemacht, daß die Herrn von Bötticher überwiesene Summe dem Welfenfond entnommen wurde. Auf dieser „Thatsache" fußend deklamiren sie im Brusttöne der Entrüstung gegen die „Mißwirthschast" der Aera Bismaick, die allein an diesem, „das öffentliche Gewissen aufs Tiefste beunruhigenden» Vorgang die Schuld und die Verantwortung dafürtrage. Herr Eugen Richter geht in seinem blinden Haß gegen den Fürsten Bismarck sogar soweit, den Begründer der deutschen Einheit deshalb unter Anklage stellen zu wollen. Er wird von der ruhig urtheilenden Presse jedoch nach Gebühr abgefertigt. U. A. führt ihn die „Köln. Ztg." in folgenden Sätzen ab: „Herr Eugen Richter," schreibt das nationalliberale Blatt, „giebt in der jüngsten Zeit Proben einer juristischen Unkenntniß, die selbst für einen Partei führer, der gewohnt ist, Alles besser zu wissen, höchst bedenklich sind. Vor Kurzem schrie er Feuer und Mordio, als die Re gierung ohne Zustimmung des Reichstags eine Kamerun- Anleihe aufnehmen wollte. Er machte dabei einen solchen Lärm, daß selbst ruhig urtheilende Abgeordnete einen Augen blick stutzig wurden. Ein Blick in das bestehende Kolonialrecht ergab aber sofort, daß die Regierung in der Thot ganz auf dem Boden dieses Rechts fußte, und daß Herr Richter wieder einmal über Dinge geredet hatte, die er nicht verstand. Heute spielt er in seinem Amtsblatt eine weitere juristische Unge heuerlichkeit aus: er weist unter Zitirung der schönsten Gesetzes bestimmungen nach, daß die gegenwärtige Sequestrations-Ver waltung des Welfenfonds selbst ebenso berechtigt wie verpflichtet ist, gegen den Fürsten Bismarck auf Schadenersatz zu klagen. Nun ist es selbstredend, daß derjenige preußische Minister, welcher wider die gesetzliche Zweckbestimmung den Welfenfond zu außergesetzlichen Zwecken verwendet, für die Rückgewährung der betreffenden Summe an den Welfenfond mit seinem eigenen Vermögen verantwortlich ist. Aber das Eine könnte doch auch der gerechte Abgeordnete wissen, daß die unbedingte Grundlage eines jeden Rechtsanspruchs und damit einer jeden Klage die ist und sein muß, daß der Kläger seine Behauptungen beweisen muß. Nach unseren Mittheilungen des Sachverhalts ist es nun unbedingt ausgeschlossen, daß die Behauptung, Fürst Bis marck habe im vorliegenden Falle den Welfenfond gesetzwidrig verwendet, bewiesen werden kann. Der gegenwärtigen Regie rung liegen die Kabinets-Ordres vor, welche im Gegentheil bestätigen und beweisen, daß der Welfenfond alljährlich Zweck und Gesetz gemäß verwendet worden ist. Einen Gegenbeweis vermag Herr Richter nicht zu erbringen. Er stellt also Behauptungen und Ansichten auf, die weiter keinen Zweck haben, als der öffentlichen Agitation zu dienen." Das Nichtswürdigste bei der ganzen radikalen Preßtreiberei ist jedoch, daß sie theilweise offen, theilweise in versteckten Andeu tungen den Schein zu erwecken sucht, als seien die Gerüchte über den Fall „Bötticher-Welsenfond" auf den Fürsten Bismarck zurückzuführen, der den früheren Kollegen „zur Strafe für die ihm gegenüber, als seinem früheren Gönner bewiesene Undank barkeit" habe zu Falle bringen wollen! Mit beiden Füßen möchte man hineinspringen, um dieses niederträchtige Lügen- und Jntriguennetz zu zerreißen. Wie geringschätzig müssen überdies die Verfertiger dieser Lügengespinnste von der Urtheils- sähigkeit des deutschen Volkes denken, wenn sie es glauben machen wollen, Fürst Bismarck mache, um einen früheren Kol legen zu stürzen, Enthüllungen, die nicht diesen, sondern vor Allem ihn selbst aus's Aergste kompromitliren müßten! Die einzige Halbwegs positive Unterlage zu diesen unsinnigen Aus sprengungen hat die Annahme gegeben, daß zwischen dem Fürsten Bismarck und Herrn von Bötticher nach dem Rücktritt des Ersteren eine gewisse Spannung eingctreten sei. In diese Verhältnisse bringt jetzt zum ersten Male der „Hamb. Korresp." ei» wenig Licht. Das Blatt schreibt: „Fürst Bismarck, der das vollwichtige Zeugniß zu Gunsten des Mannes (des Herrn von Bötticher) ablegen könnte, den er einst von einer bedrücken den Last befreite, hat bis jetzt geschwiegen. Warum? Das liegt bei der Auffassung des Fürsten von der Nolle, die sein Kollege in der Kanzlerkrisis gespielt haben soll, nahe genug. Wir glauben dies berühren zu müssen, weil sich in den Kreisen, welche die Entfremdung zwischen Berlin und Friedrichsruh am aufrichtigsten beklagen, immer mehr die Ueberzeugung festsetzt, daß Manches besser wäre, wenn Fürst Bismarck von dem Groll gegen seinen früheren langjährigen und zweifellos treuen Mit arbeiter zurückkäme. Es ist nicht an oer Zeit, näher darau einzugehen, aus welchen äußeren Umständen und aus welcher Seelenstimmung heraus dieser Groll entstanden ist. Thatsäch- lich dürste er fortbestehen, obgleich alle mit den Verhältnissen und Personen Vertrauten darin übereinstimmen, daß Herr von Bötticher in der kritischen Zeit im Januar und Februar 1890 Alles aufgeboten hat, was in seinen Kräften stand, um den Kanzler über die Ansichten an höchster Stelle bester zu unter richten und zu einer Haltung zu bestimmen, welche vielleicht ein freundlicheres Ende der Krisis bewirkt hätte. Er ist mit diesen Versuchen gescheitert und schließlich so verkannt worden, daß er den Vorwurf des Undanks erfahren mußte. Was bei diesem beklagenswerthen Wandel mitgewirkt hat, mag, wie gesagt, auf sich beruhen bleiben; Herr von Bötticher hat schwer daran zu tragen gehabt, so daß man schon um seinetwillen wünsche» möchte, es ergäbe sich eine Möglichkeit, den früheren Kanzler von einem ungerechten Jrrthum zu befreien." Angenommen, die Mittheilungen des Hamburger Blattes entsprechen den That- sachen, so giebt doch diese Spannung zwischen dem früheren Reichskanzler und dem Staatssekretär des Innern der Bismarck feindlich gesinnten Presse noch lange kein Recht zu solch gemei nen Verdächtigungen des Charakters des großen Staatsmannes. Wie unendlich klein müssen vie Geister sein, die so klein von Deutschlands größtem Manne denken! — Parallel mit der Debatte über der „Fall Bötticher" gingen in der verflossenen Woche die Erörterungen über den Welfenfond. Dieser Fond, dessen Ursprung und Bedeutung wir in besonderem Artikel klar zu legen versucht haben, ist eine speziell preußische Einrichtung, und aus schließlich das preußische Abgeordnetenhaus wird über seinen Fort bestand beziehentlich über die Art der Verwendung seiner Einkünfte zu entscheiden haben. Die allgemeine Stimmung neigt sich offen bar zu einer Aenderung des jetzigen Zustandes hin, nach wel cher der Regierung weitgehende Vollmacht über die Verwendung der Einnahmen des Fonds zugcstanden wird und eine Rechen schaftlegung darüber ausgeschlossen ist. In den von der österreichischen Regierung eingeleiteten Verhandlungen mit den einflußreichsten Parteien des neugewählten Reichsrathes ist man jetzt so ziemlich wieder auf dem Stand punkt angelangt, von dem aus das Ministerium Taaffe vor zwei Monaten sich zur Auflösung des Reichsrathes veranlaßt sah. Damals, am 25. Januar, erklärte die Regierung, sie habewegender„schwanlendenundunsicherenMehrheitsverhältnisse" der Krone die Auflösung des Abgeordnetenhauses anrathen müssen. Nun sinv die Neuwahlen vollzogen und wieder ist Gras Taasse in die Zwangslage versetzt, zwischen den Parteien hin und her zu laviren und Politik „von Fall zu Fall" zu treiben. Mit Müh und Noth ist eine Art Kompromiß zu Stande gekommen, welche cs dem Grasen Taasse ermöglicht, die Zügel weiter in der Hand zu halten. In diesem zwischen den Deutschliberalen und den Polen abgeschlossenen Kompromiß ist auch der klerikal - föderalistische Hohenwartklub mit inbe griffen. Man berichtet darüber: „Die Besprechung der Führer der deutschen Linken Chlumetzly und Plencr mit dem Polensührer Jaworski im Palais des Grafen Taaffe endigte mit einer Art Waffenstillstands-Abschluß. Eine Mehrheitbildung ist nicht er folgt, aber nach eindringlicher Verhandlung erklärte sich die Linke bereit, bis auf Weiteres neben dem Polenklub und Hohen wartklub die in der demnächst bevorstehenden Session von der Regierung beabsichtigten Vorlagen: Budget, Handelsvertrag mit Deutschland, Wiener Stadtbahn und Arbeiter-Jnvaliden- ;esetz zu unterstützen, vorausgesetzt, daß der nationale und taaisrechtliche Streit ruht, alles Ucbrige, was namentlich die Festsetzung der neuen Stellung der Linken zum Kabinet be trifft, bleibt späterer Zukunft Vorbehalten. Die Linke fügte sich einem Appell an ihren Patriotismus," Die getroffene Verein barung bedeutet demnach eine Art Waffenstillstand sür die Er ledigung der nächsten parlamentarischen Arbeiten, dem sich die Deutschen nichtgut entziehen konnten. JnderThat ist „Abwarten" jetzt sür sie die beste Politik. Die Entscheidung kann nicht allzu lange mehr auf sich warten lassen. Nicht ohne Interesse für die Gestaltung der zukünftigen Gruvpirung der Parteien im Reichsrathe ist die Thatsache einer Spaltung der Jungczechen, die sich in einen gemüßigten Flügel unter der Führung von Gregr und einen radikalen unter Vaschaty geschieden haben. Ueber die Handelsvertrags Verhandlungen zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn liegt heute die zunächst noch unbe stätigte Mittheilung vor, daß der Abschluß des Vertrags am 26. d. M. erfolgt wäre. Unmittelbar nach Ostern sollten die Verhandlungen mit den anderen Staaten, zunächst mit Rumänien und der Schweiz erfolgen. Die jüngste große Finanzdcbatte in der italienischen Kammer hat mit einem entschiedenen Erfolge des Kabinels Rudini geendet. Dasselbe verlangte ein Vertrauensvotum und erhielt es mit einer viel größeren Mehrheit, als es selbst er warten konnte; denn sie betrug 256 gegen 96, während sich 46 Abgeordnete der Abstimmung enthielten. Die Regierung hat nunmehr jedenfalls für längere Zeit Ruhe, wenn nicht etwa außerordentliche Ereignisse in Afrika eintrcten sollten. Die Meldungen von dort lauten nicht tröstlich. Graf Anto nelli kommt von seiner Sendung an Menelik's Hof unver richteter Dinge zurück. Negus Mcnelik von Abessinien will den Schutzvertrag nicht halten, weil die Italiener, den varin enthaltenen Bedingungen entgegen, die Grenze bis zum Mareb vorschoben. Nun wäre die Regierung geneigt, die Mareb- Linie auszugebcn und sich nach Asmara zurückzuziehen, die Fachmänner betrachten aber jene Grenze als die einzige Ge währ für die Sicherheit der Kolonie. Es liegen außerdem noch andere Streitigkeiten zwischen der italienischen Regierung und dem Negus vor. Sie sind entstanden durch die verschiedene Aus legung des vor zwei Jahren zwischen Italien und Abessinien abgeschlossenen Freundschafts- und Schutzvertrages. Die Italiener hatten sich in demselben ausbcdungeu, daß Menelik nur durch ihre Vermittelung mit den auswärtigen Machten verkehre. Es hieß in dem Vertrage: „Se. Majestät der Kaiser von Aethiopien wird in seinen Beziehungen zu anderen Nationen sich der italienischen Regierung bedienen." So heißt es in dem italienischen Texte; in dem abessinischen Exemplar ist aber aus dem „wird" ein „kann" geworden, und demgemäß hat Menelik ruhig seine direkten Beziehungen zu anderen Nationen, insbe sondere zu den Franzosen und Engländern, fortgesetzt, ohne den Weg über Italien einzuschlagen. Ebenso enstand Zwiespalt über die Bedeutung des Wortes Schutz; für das italienische „protWiono" wurde ein abessinisches Wort gewählt, auf Grund besten sich Menelik gestattete, durchaus nicht als den Schütz ling Italiens sich zu betrachten. Auf die Vorwürfe, die ihm deshalb gemacht wurden, erwiderte er, die Italiener hätten zu erst den Vertrag gebrochen, da sie zuerst die Grenzen ihres Gebietes bis an den Mareb vorgerückt hätten. Nachdem der erste peinliche Eindruck dieser unangenehmen Posten aus Afrika überwunden ist, beurtheilt man übrigens in Rom die Lage in Massauah keineswegs mehr so pessimistisch, wie man cs anfänglich wohl geneigt war. König Menelik nimmt durchaus nicht die Stellung seines Vorgängers Theodor ein. Ist Abessinien aus dem letzten Kriege und den inneren Unruhe» an sich schon geschwächt hervorgegangen, so ist es Menelik noch gar nicht einmalgelungen, seiner unbedingten Herrschaft überall Eingang zu verschaffen. Die ganze Provinz Tigre, d. h. also gerade der an den wichtigsten Theil der italienischen Besitzungen stoßende Theil Abessiniens, hat sich nur scheinbar unterworfen, hauptsächlich aus Furcht vor den italienischen Truppen; ein offener Konflikt zwischen Menelik und Italien würde eine sofortige Empörung der mächtigen Häuptlinge der genannten Provinz zur Folge haben, die von den Italienern geschickt unterstützt, dem „König der Könige" leicht sehr unbequem werden könnte. Andererseits warten die Derwische nur auf eine günstige Gelegenheit, um ihre Raub- und EroberungS- züge in das abessinische Gebiet von Neuem aufzunehmen. König Menelik hat alle Ursache, den Bogen nicht allzu straff zu spannen, soll er ihm nicht in der Hand zerbrechen. Es läßt sich allerdings nicht übersehen, wie weit französische und russische Jntriguen auf Menelik eingcwirkt haben. Jedenfalls ist bei der Beurlheilung der Lage die Miltheilung von Jntereffe, daß eine russische Expedition nach Abessinien in drei Wochen aufbrechen, drei Jahre in Abessinien bleiben und versuchen wird, das Land der großen Seen von einer bisher von Euro päern noch nicht eingeschlagenen Richtung zu betreten. Es wird schwer halten, im Auslande die Meinung zu verwischen, daß mit dieser Forschungsreise zugleich politische Zwecke ver knüpft sind. Die Expedition dürfte gerade zur rechten Zeit kommen, um den König Menelik von Abessinien in seiner Auf lehnung gegen den mit Italien abgeschlossenen Vertrag zu bestärken. Bereits am Sonnabend der vergangenen Woche ist die französische Deputinenkammer in die Osterferien gegangen, und der Senat ist ihr bald darauf nachgefolgt. Den Schluß effekt der Session bildete das öffentliche Wiederaustreten des „Tonkinesen" Jules Ferry in Paris und der Rückzug, den Döroulede und seine Patriotenliga bei dieser Gelegenheit gegen über dem energischen Auftreten der Regierung angetreten haben. Inzwischen ist auch Präsident Carnot unter tue Russenschwärmer gegangen. Er hat das Panorama des Malers Poilpot besich tigt, das sür Rußland, zunächst sür die Ausstellung in Moskau, bestimmt ist und die Krönung des Zaren darstellt. Er be glückwünschte den Künstler und seine Mitarbeiter und sagte: „Ich bin glücklich, dieses Werk bewundern zu können, welches, wie ich hoffe, Rußland von Neuem zeigt, wie cs bei uns ver standen wird." Nach der Darstellung des „Figaro" soll er noch bcigefügt haben: „Alles, was unsere russischen Freunde berührt, ist uns besonders theuer." Die Belohnung hat nicht lange auf sich warten lassen: Der russische Botschafter Baron von Mvhrenhcim überreichte ihm am Donnerstag den höchsten russischen Orden, den Andreas-Orden. Die französische Presse thut sich natürlich nicht wenig auf die Auszeichnung zu Gute, die dem Oberhaupte der Republik von Seiten des russischen Selbstherrschers zu Theil geworden ist. Sarkastisch bemerkt zu diesen Preßergüssen die „Nvrdd. Allg. Ztg.»: „Unter Na poleon 111. waren cs wenigstens noch die Franzosen selber, welche durch den Ausbau der Verfassung des Kaiserreiches die „Krö nung des Gebäudes" liesern sollten, heute ist es in ihren Augen der Selbstherrscher aller Reußen, der „zwanzig Jahre der Re publik krönt und befestigt!" England ist ohne Königin und ohne Ministerpräsidenten — Beide weilen außer Landes — das Parlament hat sich ver tagt, nnd Alles ist ruhig wie vorher, nur daß Timothy Healy, der irische Rechtsanwalt und Abgeordnete, ein blaues Auge und eine zerschlagene Goldbrille hat. Dieser jüngste Zwischen fall ist bezeichnend für die gehässige Form, die der Kampf zwischen den Parnelliten und ihren politischen Gegnern ange nommen hat: Nach einer Meldung aus Cork griff ein An hänger Parnells den zu Parnells Gegnern gehörenden Abge ordneten Timothy Healy thätlich an und zertrümmerte dabei durch einen heftigen Schlag das von Healy getragene Augen glas. Wie es heißt, wären die Augen verletzt. Timothy Healy ist nicht zu verwechseln mit Maurice Healy, der mit Parnell zusammen Vertreter von Cork City im Unterhause ist. Diese beiden Abgeordneten für die Stadt Cork haben sich nach längeren Verhandlungen bereit erklärt, ihr Mandat niederzu legen und die Wähler darüber entscheiden zu lassen, ob ihnen von Neuem die Vertretung im Parlament anzuvertrauen sei. Beide aber sind sie gegeneinander von Mißtrauen erfüllt. Sie haben deshalb jeder für sich, den „Einpeitscher" derjenigen irischen parlamentarischen Gruppe, der sie angehören, schrist- lich beauftragt, die Niederlegung des Mandals amtlich in dem selben Augenblicke anzuzeigen, in welchem dies von der anderen Seite geschieht, nicht früher und nicht später. Eine besondere Neigung, es zu der entscheidenden Probe in Cork kommen zu lassen, ist dem Anschein nach weder auf Seite Parnells noch auf derjenigen Healy's vorhanden. Auch hat der Schatzkanzler noch ein Wort mitzuredcn. Nach einem feststehenden Grundsatz deS englischen Parlamentsrechts darf ein Abgeordneter nach ordnungs mäßiger Wahl seinen Sitz nicht ausgeben. Wenn sich daher ein Mitglied des Unterhauses zurückziehen will, so nimmt es ein Kronamt an, wodurch sein Sitz gesetzlich erledigt und das Haus genöthigt wird, eine Neuwahl zu veranlassen. Sobald der Zweck erreicht ist, wird aus die Aemter wieder verzichtet. Es ist jedoch keineswegs ausgeschlossen, daß die Regierung im vorliegenden Falle von ihrer Besugniß, diesen Ausweg zu ver sagen, Gebrauch macht und die Entscheidung der Wähler den nächsten allgemeinen Wahlen vorbehält.
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