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42. Jahrgang Dienstag, den 4. März. und Tag Mall. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörde» zu Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur: JuliuS Braun in Freiberg. 1/» Erscheint jeden Wochentag Nachmittag? 6 Uhr für den I »HO . andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2d Psq., zweimonatlich 1 M. 50 Pf. und einmonatlich 7d Pi. Inserate werden bis Vormittag l 1 Uhr angenom- UHFU men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile H X ZGID. oder deren Raum lb Psg. die Kaiserin Friedrich mit den Prinzessinnen Töchtern Viktoria und Margarethe erschienen war. Wie die „Köln. Ztg." berichtet, sind bereits seit dem 27. v. M. auf den Saarbrückener fiskalischen Bergwerken Arbeiterausschüsse eingeführt. — In der gestern in Essen abgehaltenen allgemeinen Bergarbeiter-Versammlung, die von etwa 700—800 Personen besucht war, erklärte sich die Mehr zahl der Redner gegen die Forderung des Verbandsvorstandes, betreffend eine allgemeine Lohnerhöhung von 50 Prozent. Der „Rheinisch-westfälischen Zeitung" zufolge wurde der bereits in der Delegirtenversammlung vom 2. Februar beschlossenen Resolution zugestimmt, wonach der Verdienst eines Häuers nicht unter 5 Mark betragen soll. Diese Forderung soll aus der nächsten Verbandsversammlung zum Beschluß erhoben werden. Am 28. v. Mts. fand in Wien in Anwesenheit des Erz ¬ herzogs Karl Ludwig von Oesterreich anläßlich des 50jähr. Bestandes des Niederösterreichischen Gewcrbevereins eine Fest- Versammlung statt, welcher sämmtliche Minister und zahlreiche Würdenträger beiwohnten. Der Protektor des Lcreines, Erzherzog Karl Ludwig, verlas dabei ein Schreiben des Kaisers Franz Joseph, welches mit den Worten schloß: „Gerne nehme ich daher die bevorstehende Feier zum Anlasse, um für dieses fortgesetzt verdienstliche Wirken dem Mcderöster- reichischcn Gewerbevereine, welchem Euer Liebden als Protektor Ihre bewährte Fürsorge in so dankenswerther Weise zuwcnden, neuerdings meine volle Anerkennung aus^usprechen. Hiervon wollen Euer Liebden den Verein in Kenntmß setzen." — In der am Sonnabend in Prag unter dem Vorsitz de^ Statthalters Krafen Thun abgeholtcnen Versammlung des Aktwns-Komit6s ür die Landesausstellung wurde das vollste Einvernehmen ictreffs des Titels der Ausstellung und der Neugestaltung des Komitäs durch Hinzutreten von deutschen Mitgliedern erzielt. Der Statthalter sprach seine hohe Befriedigung über das Zustandekommen des gegenseitigen Einverständnisses aus. — Das ungarische Abgeordnetenhaus hat am Sonnabend das Budgetgesetz pro 1890 mit überwiegender Majorität ange nommen. Mit 109 gegen 108 Stimmen nahm die italienische Kammer am 1. d. Mts. den Gesetzentwurf betreffend die Her absetzung der Zahl der Prätoren an. — Der Papst empfing gestern Mittag aus Anlaß seines 80. Geburtstages, sowie dcs Jahrestages seiner Krönung die Glückwünsche der in Rom anwesenden Kärdinäle und Prälaten. Der Kardinal und Dekan des heiligen Kollegiums Monaco La Valetta verlas als Doyen eine Adresse. Se. Heiligkeit antwortete daraus: Ter doppelte Jahrestag bilde für ihn einen Hinweis darauf, daß die Jahre gezählt seien: schon viele Jahre seien dahin gegangen mit ihren Uebeln, auch die Zukunft erscheine schmerzlich, aber er tröste sich, denn sein Leben sei dem Ruhme Gottes und der Kirche gewidmet. Er wünsche sehnlichst, Gott möge der Kirche und ihrem Oberhanpte Freiheit und Unabhängigkeit wiedergeben; das Ziel seines Pontifikats erblicke er darin, Allen die Wahrheit des Evangeliums zu lehren, darum seien auch seine Eucylliken geschrieben, denn alle Völker müsse er unterrichten. Bisher habe er die Grundzüge der Familie und des politischen Lebens gezeichnet, jetzt werde er besonders die soziale Frage behandeln. Diejenigen, in deren Händen sich die Gewalt befände, müßten eine Lösung dieser Frage mit allen Kräften fördern, namentlich durch die Schule und Presse. Daran werde er arbeiten, so lange er lebe; von diesem Ziele werde er sich nicht abschrecken lassen. Papst Leo XIII, der sich sehr wohl befand, unterhielt sich sodann noch mit denKar- dinülen und Prälaten. Heute findet in der Sixtinischen Kapelle die offizielle Zeremonie statt. Eine der Hauptstützen des jetzigen französische» Ministe riums ist gefallen und steht nun ein Zusammenbruch des ganzen Kabinets Tirard zu erwarten. Am Sonnabend Vormittag theute der Minister des Auswärtigen Spuller im Ministerrathe den Text der Note an die deutsche Regierung über Annahme der Einladung zur Konferenz mit. Infolge von persönlichen Meinungsverschiedenheiten mit dem Ministerpräsidenten Tirard, welche in dieser am Sonnabend Vormittag stattgehabten Sitzung hervorlraten, reichte der Minister des Innern Constans seine Entlassung ein. Die über diesen Zwischenfall inzwischen be kannt gewordenen Einzelheiten lassen denselben als den Aus bruch einer längst bestandenen Verstimmung zwischen Tirard und Constans erscheinen. Nach einer gereizten persönlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden Ministern in der vor gestrigen Sitzung soll Constans dem der Sitzung beiwohnen den Präsidenten Carnot erklärt haben, daß er seine Entlassung einreiche. Unmittelbar nach dieser Erklärung verließ Constans den Ministerrath, worauf die Sitzung sofort geschlossen wurde. Die übrigen Minister vereinigten sich bald darauf in einem der Bureaus der Kammer, um die Lage zu berathen. Der Konseil präsident Tirard empfahl dringend, die Krisis zu beschränken und das Portefeuille des Innern rasch neu zu besetzen. Am Sonnabend Abend 9 Uhr fand darauf eine Sitzung des MinisterratHS im Elysäe-Palaste statt und beschloß man, den Deputirten Bourgeois (Marne) an Stelle Constans' zum Minister des Innern zu machen. Dadurch verschiebt sich das Kabinet mehr nach links. Bourgeois ist kauin 40 Jahre alt, ist ein Freund Clemcnceaus und war als Radikaler, nachdem er vorher schon Polizeipräfekt gewesen, Unterstaatssckretär im Ministerium des Innern unter Floquet, zu dessen intimen Freunden er zählt. Loubot und Sarrien — Letzterer war Minister des Innern unter Ferry — lehnten das Pürtefeuille des Innern ab, Ribot ward es gar nicht angeboten, weil das Kabinet nicht weiter nach rechts gehen wollte. Alle Pariser Blätter würdigen dib Bedeutung, welche der Rücktritt deS Ministers Constans für die Lage des Kabinets Tirard hat. Die Mehrzahl der republikanischen Organe betrachtet den Rück tritt Constans' als die Einleitung des Sturzes des gesammten Kabinets. Das „Journal des Däbats" sagt, Constans habe den Fehler seiner Kollegen eingesehen und sich zurückgezogen, um nicht zu fallen. Sein Abgang sei ein übles Vorzeichen für das Kabinet. Das genannte Blatt spricht sich sodann miß billigend über die Ernennung des Radikalen Bourgeois aus. Die „Republique fran^aise" erklärt, den Verdiensten Constans' ein dankbares Andenken bewahren und die guten Eigenschaften seines Nachfolgers würdigen zu wollen, verlangt aber von dem Kabinet ein Programm. Der „Figaro" sagt, der Rücktritt Constans' bedeute den Tod des KabinetS. Der „GauloiS" bringt die Demission Constans' mit der Angelegenheit deS Herzogs von OrläanS in Zusammenhang und meint, daß eine Krisis in der Präsidentschaft bevorstehe. Auch die bonlan- gistischcn Blätter weisen auf die mögliche Mitleidenschaft Car- nots hin, wenn die Deputirtenkammer sich für ConstanS ent scheiden sollte. — Den Meldungen einiger Pariser Zeitungen zufolge sollen die diesjährigen großen Manöver unter der Oberleitung des Generals Billot zwischen Päronne und Cam- bray stattfinden. Nach der Mittheilung englischer Blätter hat bei dem gegen den Berliner Korrespondenten der „St. James Gazette" Steinkopf angestrengten Verleumdungsprozeß Sir Mackenzie beschworen,. der Krebs sei bei Kaiser Friedrich erst acht Tage vor der Thronbesteigung definitiv erkannt worden. Die erste Kammer des schwedischen Reichstages hat die Vorlage des Stcuerausschusses betreffend 20 Prozent Ab schreibung von der Grundsteuer mit 106 gegen 29 Stimmen abgelehnt, die zweite Kammer dieselbe mit 186 gegen 75 Stimmen angenommen. Daß der schwedische Reichstag darauf auch die Regierungsvorlage betreffend die Vermehrung der Wehrpflicht ablchnte, gilt allgemein als eine Folge der sich entgegenstehcnden Beschlüsse der beiden Kammern des Reichs tages über die Abschreibung von der Grundsteuer. Jn dem russischen Militärblatt „Invalide" wird das vom Zaren genehmigte Reglement für die Bildung von Cadres der Reichswehr (Landsturm) veröffentlicht. Darnach werden die genannten Cadres durch zwei Untermilitärs für die dereinst zu formirende Kompagnie, Batterie oder Ssotnie gebildet, und ressortiren zu den Kreis-Militärchefs. Die Cadrc-Mannschaften beaufsichtigen in Friedenszeiten das Eigen thum der Reichswehr-Abtheilungen und üben die zu Lehr versammlungen einzuberufenden Landwehrleute erster Kategorie ein. — Der Zar hat die in Paris lebende morganatische Gemahlin Kaiser Alexanders II., Fürstin Dolgorucka, benach richtigt, daß, da weder sie noch ihre Familie nach Rußland zurückkehren dürfen, sie auch keine» Landbesitz dort haben dürfe. Die Fürstin war daher gezwungen, ihre Ländereien an den russischen Staat gegen 15 Millionen Rubel zu ver kaufen. Die Söhne der Fürstin werden in Frankreich naturalisirt. — Das in Brüssel erscheinende Nussenblatt „Nord" bekrittelt, daß der deutsche Kaiser auf Verlangen Englands die achtstündige Arbeitszeit aus dem Programme der Berliner Arbeiterschutz-Konferenz gestrichen habe, räumt aber ein, daß manches Gute durch die Konferenz erzielt werden könne. Wie aus Sofia berichtigt wird, unternimmt die bulga rische Regierung zunächst bei der Pforte Schritte in Bezug auf die Frage der Anerkennung Bulgariens. Den übrigen Mächten ist davon Mittheilung gemacht worden. Zum Präsidenten dcs südamerikanischen Freistaates Uruguay ist nach einer Meldung aus Montevideo vr. Julia Herrera gewählt worden. Kot-ntalpolitischeS. Wie die „Allg. Evang.-Luth. Kirchenzeitung" meldet: ist ' der Mnrinepfarrer Wangemann aus Cölln bei Meißen voln Kaiser als erster deutscher evangelischer Pfarrer von Zanzibar berufen worden. — Emin Pascha ist gestern auf dem Dampfer Wißmanns in Zanzibar cingetroffen. — Wie das „Msmori^ diplomatiquö" erfährt, veranlaßt die Haltung des Königs va- Dahome die Entsendung von französischen Truppende, stärkungen vom Senegal nach Kotonu. noch am Sonnabend Abend auf das ausführlichste über den Ausgang dcs Wahlkampfes unterrichtet zu werden. Beauftragte des städtischen Wahlbureaus hatten sich in Folge dessen nach dcn Zentralstellen der Parteien begeben und fertigten dort eine genaue Liste über die in den einzelnen Wahlbezirken des Wahlkreises abgegebenen Stimmen an. In Berlin ist es den Dculschfreisiunigen in der Stichwahl gelungen, die vier Mandate, welche sie bisher besaßen, zu behaupten; es wurden gewählt: im I. Wahlkreis Träger, im II. Virchow, im III. Munckel, im V. Baumbach. Die Vertretung der Reichshauptstadt bleibt somit wie sie war: 4 Deutsch-Freisinnige, 2 Sozialdemokraten. Nach den bis gestern bekannt gewordenen 93 Stichwahlen sind gewählt: 9 Konservative, 3 Reichspartei, 17 Nationalliberale, 9 vom Zentrum, 33 Freisinnige, 13 Sozialisten, 3 Welfen und 6 Demokraten. Dem „B. T." zufolge stellte sich einschließlich der Ergebnisse der Hauptwahl am 20. Februar die vorläufige Stärke rer Parteien wie folgt: 61 Deutschfreisinnige, 10 Temokraten, 34 Nationalliberale, 20 Reichspartei, 63 Konser vative, 99 vom Zentrum, 35 Sozialdemokraten, 5 Welsen, 2 Antisemiten, 14 Polen, 13 Elsässer, 1 Däne, 2 Wildliberale. — Der Reichskanzler steht angeblich diesem Wahlaussall mit größter Gemüthsruhe gegenüber. Em Berliner Korrespondent der „Rhein. Wests. Ztg." schreibt ihm die Aeußerung zu: „Man muß den neuen Reichstag zunächst in seinem eigenen Fett schmoren lassen." Das de u ts ch e,Ka is er p a ar wohnte gestern Vormittag dem Gottesdienste in der Berliner Garnisonkirche bei. Nach dem Schlosse zurückgekehrt, nahm dann der Kaiser Vorträge entgegen und empfing später den neuernannten Königlich wiirttembcrgischen Gesandten v. Moser, um aus seinen Händen dessen Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen. Um 1^ Uhr sand bei den Kaiserlichen Majestäten im Schlosse eine Frühstückstafel von etwa 20 Gedecken statt. Gestern Abend um halb 8 Uhr wurde beim Kaiscrpaare im königlichen Schlöffe eine größere Familientafel abgehalten, an welcher die zur Zeit in Berlin und in Potsdam anwesenden Mitglieder der König lichen Familie theilgenommen haben, und zu welcher auch Tagesschau. Freiberg, den 3. März. Bei dimAbschluß der Abtheilungs-Verhandlungendes Staats- rathes über den Arbeiterschutz äußerte der deutsche Kaiser am Freitag in einer Schlußrede sich hoch erfreut über das er zielte günstige Ergebniß der Verhandlung. Es handle sich «bei keineswegs um Bekämpfung der Sozialdemokratie, son dern um die Ermittelung thunlichster Befriedigung berechtigter Ansprüche und Wünsche der Arbeiter. Die Beschlüsse wurden aroßentheils einstimmig gefaßt, die übrigen mit überwiegender Mhrheit. Der Kaiser führte persönlich die Rednerliste, sor- mulirte die Fragestellung und leitete die Abstimmung. Die betreffenden Gesetzentwürfe werden dem Reichstage zugehen. Nachdem der Kaiser auch den zugezogenen Sachverständigen, namentlich aber den Berichterstattern, für ihre Thätigkeit unv Leistungen gedankt hatte, fügte er (noch der „Post") etwa fol gende Worte hinzu: „Treten Sie, meine Herren, der in der Oesfcntlichkcit verbreiteten Meinung entgegen, als wären wir hier zusam- mcngekommen, um etwa ein Gcheimniß zur Heilung aller sozialen Schäden und Leiden zu entdecken. Wir haben uns redlich bemüht, die Mittel zu finden, um Manches zu bessern und die Grenzen der Möglichkeit zu bestimmen, bis zu welchen die Maßregeln für den Schutz der Arbeiter gehen können und dürfen. Ich hoffe, daß Gutes aus Ihren Rath- fchlägen hervorgehen wird." Hieran knüpfte der Kaiser eine huldvolle Einladung an alle Anwesenden zu dem Esten, welches Sonnabend Abend 6 Uhr Ler Monarch in der Bildergalerie des Königlichen Schlosses den Mitgliedern des Staatsrathes gab. Die Zahl der Couverts war 84, die Mehrzahl der Gäste setzte sich aus den sämml- lichen Mitgliedern des Staatsrathes zusammen und aus dem Bureau desselben, Unlerstaatssekretär vr. Bosse, Geheimer Le- gationsrath vr. Kayser und Regicrungsraih Wilhelmy. An der Spitze der geladenen Gäste befand sich der Reichskanzler Fürst Bismarck, ferner waren sämmtliche Staatsministcr geladen. Ter Kaiser begrüßte dabei seine Gäste aufs Leutseligste. Nach der Tafel war von 7^/z bis 8'/z Uhr Cercle. Bei Beginn desselben wurden der Kaiserin die Mitglieder der Staatsraths- abtheilungen und die Sachverständigen vorgestellt. Während dcs Cercles unterhielt sich der Monarch mit vielen Gästen und zeichnete durch größere Unterredungen den Fabrikbesitzer Freese, den Freiherrn von Stumm und den Kommerzienrath Schwartz kopf aus. Auch der Reichskanzler Fürst Bismarck betheiligte sich lebhaft an der Unterhaltung. Ten Hauptgegenstand der Unterhaltung bildeten die Rcichstagswahlen. Ter Kaiser hatte dem Berliner Magistrat gegenüber den Wunsch ausgesprochen,