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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 04.03.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-03-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188403043
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18840304
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18840304
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Unvollständig: S. 4 fehlt.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1884
-
Monat
1884-03
- Tag 1884-03-04
-
Monat
1884-03
-
Jahr
1884
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 04.03.1884
- Autor
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Chemnitzer Anzeiger und Tiadtbote. Rr. 5«. Dienstag, de« 4. März. Seite 2. t-«- befänden sich im Thale selbst, und diese hätten an Frachten einen Umsatz nun jährlich 2 Millionen Zentnern. Die Finanjdeputation der II. Kammer hat soeben bei der Kammer den Antrag eingebracht, diese Petiiion, gleich den übrigen 36 auf Eisenbahnanlagen bezüglichen Petitionen, der Regierung zur Kennt« iß nähme zu überweisen. —v. ES scheint leider so, als werde die beim Landtag einge reichte Puuion von Karl Robert Türk und Genossen, um Errichtung «iner Güterstation in Grüna, einen günstigen Erfolg nicht haben. Die Petenten begründen zwar ihr Gesuch damit, daß wegen deS Fehlens einer Güterstation alle größeren Handschuh- und Strumpf- fabrikationsgeschäfte der Frachtersparniß wegen ihr Geschäft von Grüna weg an einen Ort mit Güterstation verlegt hätten, sodaß zur Zeit Aur noch kleinere Fabrikanten in Grüna wohnten und, während die Lahl der Arbeiter sehr zugenommen, die Zahl der Arbeitgeber stetig abgenommen habe; allein der RegierungSkommifsar hat in der Finanz Leputaiion der II. Kammer erklärt, daß die Terrainverhältnisse dort wegen der Steigung von 1:100 schwierig und die nächsten Güter -stationen Siegmar und Wüstenbrand nicht weit entfernt seien. —v. Die sächsischen Lehrer werden wenigerfreut sein von ter Aufnahme, welche ihre Bestrebungen, hinsichtlich der Pens io nirung den Staatsdienern gleichgestellt zu werden, beim gegenwärtigen Landtage in der II. Kammer finden. Die Staatsdiener zahlen niedrigere Pensionskassenbeiträge als die Lehrer, sind aber in mancher Hinsicht bei der Pensionirung beträchtlich günstiger gestellt. Der „Allgemeine Sächsische Lehrerverein« hat nun die Ausdehnung der für die StaatSdiener geltenden günstigeren Bedingungen auch auf die Lehrer angestrebt, hat aber bei der Finanzdeputation der II. Kammer» die sich anläßlich einer Petition der Gymnasial- und Real schullehrer über die angeregte Frage zu äußern hatte, eine entschiedene abfällige Beurtheilung seiner Bestrebnngen gefunden. Es wird darauf hingewiesen, daß die Befriedigung der Wünsche der Lehrer das Budget um jährlich 500,000 Mk. mehr belasten und die Lehrer zu früherem Uebertritt in Pension veranlassen würde. Die Volksschullehrer stän> den sämmtlich, die Lehrer an den höheren Lehranstalten zum großen Theil im Gemeinde dienst, schon deshalb könne man nicht die für StaatSdiener geltenden Pensionsbestimmungen auch auf sie an wenden und zu diesem Zweck auf den Staat noch weitere Zuschüsse Wernehmen, da man ohnchin schon jährlich fast 5 Millionen zu den Pensionen der Beamten und Lehrer zuzuschießen habe. — Bei der gestrigen Ergänzungswahl für den Kirchen vorstand von St. Petri haben sich im Ganzen 965 Wahlberech tigte betheiligt. Das Resultat ist folgendes: Es erhielten: 1. Herr Stadtrath Zipper 957 Stimmen, 2. - Brandvers.-Jnsp. Fuchs 956 Stimmen, 3. - Maler Meynig 950 Stimmen, s 4. - Direktor Hunger 489 Stimmen, 5. - Schuldirektor Gesell 486 Stimmen, 6. - Klempnermeister Hahner 482 Stimmen. 7. - Regierungsrath Prof. vr. Wunder 481 Stimmen, 8. - Professor Gottschaldt 4>0 Stimmen, 9. - Dessinschläger Tippmann 480 Stimmen, 10. - Schneidermstr. Schroth 479 Stimmen, 11. - Kaufmann Steinert 478 Stimmen, 12 - Privatmann Naumann 477 Stimmen, 13. - Albrecht Zipper 466 Stimmen. Da 8 KirchenvorstandSmitglieder zu wählen waren, so hat zwischen Herrn Prof. Gottschaldt und Herrn Dessinschläger Tippmann das Loos zu entscheiden. —g. Gestern Abend fand in der hiesigen St. Jakobikirche unter Leitung des Herrn Kirchenmusikdirektor Th. Schneider und unter gefälliger Mitwirkung deS Fräulein Katharina Schneider, Konzert- sängerin aus Dessau, der Henen Simon, Lehrer aus Gablenz, Orga nist Hepworth und Prof. Kellerbauer eine geistliche Musikauf führung statt. Dieselbe war. obgleich zu derselben Zeit in der St. Paulikirche gleichfalls eine Mufikaufführung, und zwar zum Besten der Mägdeherberge stattfand, sehr stark besucht, waren doch über 1200 Personen zugegen, was wohl auch seinen Grund mit darin hatte, daß der Eintrittspreis ein sehr niedriger war. Herr Lehrer Simon zeigte sich als ein gewandter Orgelspieler, welcher zwei Nummern des ProgrammS sicher und präzis zum Vortrag brachte. Der gut ge schulte Kirchensängerchor, namentlich auch die Knaben, welche mit Gefühl und Frische sangen, brachte verschiedene Motetten von Bach, Rust, Schneider und Riedel in der gediegensten Weise zu Gehör. Die Herren Org. Hepworth und Prof. Kellerbauer trugen das Largo auS dem Bach'schen Konzert für 2 Violinen vor und bekundeten dabei ein überaus sicheres Spiel. Fräulein Katharina Schneider <Sopran) sang die Arie aus dem Oratorium Josua und zwei geistliche Lieder: Trauungsgesang und vom Mitleiden Maria. Die Genannte besitzt eine reizende und volle Sopranstimme, was von her Zuhörer schaft allgemein rühmend anerkannt wurde. — Thalia-Theater. G. v. Mosers „Veilchenfresser« hat dem harmloseren Theile deS Theater-Publikums, der den Inhalt eines Stückes nicht aus seinen künstlerischen Werth prüft, schon manche heitere Stunde bereitet. So war es auch am Sonntag im Thalia Theater, wo der „Veilchenfresser« durch die Direction Schindler erstmalig zur Ausführung gelangt. Das beinahe ausverkaufte Haus zollte dem mit wirksamer Komik überreich ausgestatteten, in Bezug - aus Wahrscheinlichkeit der Handlung allerdings große Nachsicht er- . erfordernden Lustspiel reichsten Beifall. Hierbei sei jedoch besonders hervorgehoben, daß die Darstellung der prächtig gezeichneten Charaktere meist den berufensten Vertretern anvertraut und die Aufführung selbst besten- vorbereitet war. Herr Stein, unser hochtalentirter Mime, überbot sich in Vorführung des liebenswürdigen Husarenleutnants ' Viktor v. Berndt, des „VeilchenfreflerS«, sozusagen selbst. Recht hübsch wußte auch Frau Denker der gutmüthigen Tante Frau v. Berndt geeignetste Gestalt und Färbung zu verleihen, während Frl. Krauß in Wiedergabe der Valeska v. Rcmbach wie immer ein köstliches Kabinets- stückchen naiver Liebhaberinnen bot. Auch die Sophie v. Wildenham des Frl Winkler athmete Zug um Zug den dieser Dame eigenen Zauber in Vertretung edel und vornehm angelegter Naturen. Mit Vergnügen ist ferner zu konstatiren, daß Herr Hartmann als ' Reinhold v. Feld diesmal einer Aufgabe gegenüberstand, die ebenso wohl seiner Neigung, als der eigentlichen Befähigung dieses jungen Künstlers trefflich zu entsprechen schien. Einen Offiziersburschen, wie wir ihn in jedem Husarenleutnant, aber auch jedem Theaterdirektor für diese Partie wünschen möchten, schuf Herr Huhn. Eine Figur, so ungesucht und ungezwungen, so naiv-drollig, verschmitzt-komisch, keck-militärisch, wie sich dieser Schwerenöther Peter gab, kommt hier und da nur iui Leben, seltener aber noch auf der Bühne vor. Eire echt soldatische Erscheinung bot auch Herr Brüggemann als Oberst Rcmbach, leider blieb sein Vortrag hier und da wieder unverständlich. Daß Herr Otto seinem Golewsky die erforderliche charakteristische Färbung verlieh, bedarf wohl kaum der Erwähnung; nicht übel fand sich ferner Herr Zeißler mit seiner Unteroffizicrswürde ab und das Kammermädchen des Frl. Kuhse durfte gleichfalls als ein Musterbild dieser Speckes gelten. So stellte sich das Gesammt- resultat dieser Aufführung als recht befriedigend heraus. —* Die am Sonnabend Abend im Saale des Elysium hier abgehaltene öffentliche Versammlung des Vereins zur Belehrung über Volks- und Weltwirthschaft war äußerst schwach besucht. Auf der Tagesordnung standen die folgenden Punkte: 1. Die wahren Ziele und Aufgaben der gegenwärtigen Arbeiterbeweg ung. 2. DaS Verhalten des Vereins zu den öffentlichen Wahlen. Der Referent zu Punkt 1, Herr Kühn, gab zunächst einen geschichtlichen Ueberblick über die Bewegung der unteren Klassen von alterSher, gedachte des Sklavenaufstandes in Rom, der Bauernkriege im Mittel- alter und der 48er Bewegung als derjenigen, die für die gegenwär tige Bewegung bahnbrechend gewesen sei. Er kam hierauf aus die Verdienste LasalleS für die Arbeiterpartei zu sprechen und bemerkte, daß Lasalle erst die Arbeiterpartei geschaffen, den Arbeitern die Augen geöffnet habe und von da ab die geistige» Fähigkeiten der Arbeiter geweckt und ausgebildet worden seien. Die Lag« der Arbeiter sei eine günstigere geworden dadurch, daß das allgemeine gleiche Wahl recht ihnen zugestanden worden sei, die« sei ihre beste Waffe zur Er reichung ihrer Ziele. Die letzteren seien aber die Lage der Arbeiter zu verbessern. Der Arbeiter liefere die Arbeit, das Fundamentum des Staatslebens, es müsse ihm deshalb auch ein größerer Einfluß auf letzteres zugebilligt werden. Zunächst müsse er sich aber ökonomische Macht verschaffen, daraus resultire die Politische Macht von selbst. — Redner verbreitet sich dann des Längeren Wer den Normalarbeitstag in eingehender Weise und erinnerte dabei an die Organisation der eng lischen Arbeiter mit dem Hinzusügen, daß die deutschen Arbeiter bei gleicher Organisation infolge ihres besseren politischen Verständnisses mehr erreichen würden, als die Engländer. Er kam hierauf auf die verschiedenen Richtungen der Arbeiterbewegung zu sprechen, insbeson dere auf die der Hirsch - Dunkerschen Gewerkvereine und auf die der von dem russischen Agitator Bakunin in der Schweiz gegründeten Anarchistenpartei, deren Gewaltstreiche die Nationen in Schrecken setze. Als er sich weiter über diesen Gegenstand verbreiten wollte, wurde ihm dies von dem überwachenden Polizeibeamten untersagt. Redner bemerkte hierauf, daß er nur habe beweisen wollen, daß er und seine Genossen keineswegs zu den Anarchisten gehörten. Nach kurzer Pause wurde die Diskussion eröffnet und Herrn vr. Fränkel aus Leipzig zuerst das Wort erthcilt. In klarer, sachlicher Weise entgeg- nete er seinem Vorredner damit, daß er diejenigen Thatsachen vorführt, die der Vorredner absichtlich, als nicht für seine Zwecke passend, ver schwiegen habe. Er wurde aber aus der Mitte der Versammlung in fortwährend provozirender Weise unterbrochen und angegriffen, sodaß er nicht unterlassen konnte zu bemerken, daß er in so ungezogener Weise, wie heute, in noch keiner sozialistischen Versammlung unter brochen worden sei. Der Vorsitzende Riemann entzog ihm hierauf wegen Beleidigung der Versammlung das Wort. vr. Fränkel verließ hierauf den Saal mit dem Bemerken, daß man allerdings nur mit so planmäßiger Mundtodtmacherei, wie heute hier geschehen, die Wahr heit unterdrücken könne. Heber den weiteren Verlauf der Versamm lung ist nur noch bemerkenswerth, daß sich Herr Riemann in persön lichen Bemerkungen über Herrn vr. Fränkel erging und die Ansicht aussprach, Herr vr. Fränkel solle wahrscheinlich von der Fortschritts partei als Kandidat für den Reichstag aufgestellt werden und wolle deshalb jetzt schon hier bekannt werden und festen Fuß fassen. Man werde ihm zu begegnen wissen. ^Il Uhr wurde die Versammlung ge schloffen. —* Während der letzten Monate vergangenen Jahres hatte sich hier ein Unbekannter in 8 verschiedenen Wohnungen nach einander einlogirt und war jedesmal am andem Tage unter Ent wendung verschiedener Kleidungsstücke und Werthsachen heimlich ver schwunden. Vorgestern ereignete es sich nun, daß eine der bestohlenen Vermietherinnen den Unbekannten auf hiesigem Markte sah und sofort seine Festnahme veranlaßte. Man erkannte in demselben einen schon wegen Diebstahls bestraften Handarbeiter aus Hilmersdorf. Derselbe leugnete Anfangs, die Diebereien auSgeführt zu haben, nachdem er aber von sämmtlichen Vermiethern und Bestohlenen wieder erkannt worden war, war er geständig. Einen Theil der gestohlenen Sachen hatte er noch im Besitz. —* Gestern Nachmittag veranlaßte auf der Gartenstraße ein Mann, der wegen ungebührlichen Betragens aus einer dortigen Wirthschaft cxunttirt worden war, durch lautes Schreien und Schimpfen großes Aussehen und einen Auflauf. Ein dazu kommender Schutzmann nahm sich des Mannes an und führte ihn nach der Polizeiwache, woselbst er sich zwar beruhigte aber auch geständig war, das bei ihm Vorgefundene Geld hier erbettelt zu haben. Letzteres veranlaßte seine vorläufige Festnahme. —Der Inhaber einer hiesigen Materialwaarenhandlung hatte am vergangenen Sonnabend den Verlust von 7 M. zu beklagen. Er hatte sich aus wenige Minuten in den Hof begeben und als er wieder den Laden betrat, in welchem noch kein Licht angezündet war, bemerkte er zwei Personen — anscheinend Fuhrleute — die eine Kleinigkeit verlangten und sich dann eiligst entfernten. Nachdem er Licht gemacht und nach der Ladenkasse gesehen, gewahrte er den Verlust. Kurze Zeit darauf wurde ihm auch noch eine Fenstertafel im Laden eingcschlagen, doch gelang es diesmal mit Hilfe eines Schutzmannes, den Thäter noch rechtzeitig zu erwischen und festzu hallen. —n. Vergangenen Sonnabend Vormittag hat der Amtsdiener einer hiesigen Steuereinnahme sein Geldtäschchen, in welchem sich ein Tausendmarkschein befand, verloren. —n. Ehrlich währt am längsten, dachte sicherlich jene brave Frau, welche gestern früh im Laden eines hiesigen Fleischer meisters ohne ihr Wissen und Willen einen Fünfzigmarkschein „zu bekam". In dem betreffenden Laden wollte nämlich gleichzeitig auch ein Handelsmann von hier Verschiedenes kaufen und legte besagten Schein auf den Ladentisch. Als nun die Frau, welche zuerst abgefertigt wurde, den Laden verlassen hatte, fehlte der Fünfziger und konnte trotz allen Suchens nicht wieder aufgefundcn werden. Nicht lange dauerte cs jedoch, da erschien die Frau wieder, den Schein hoch in der Hand haltend. Derselbe hatte nämlich an dem von ihr gekauften Fleische geklebt, welches seitens deS Fleischers achtlos auf den Schein gelegt worden war. —x. Tausende von armen Familien durchziehen von Böhmen aus beim Beginne des Frühjahres Sachsen, Thüringen und einen Theil Preußens, um dort in der schönen Jahreszeit Arbeit an Neubauten rc. zu erlangen; ist dieselbe infolge ungünstigen Wetters mangelhaft, so sind die von Ort zu Ort Reisenden oft der größten Noth und Entbehrung ausgesetzt. Der Anblick tiefen Elends und Jammers bot sich am vergangenen Sonnabend den Passanten der äußeren Dresdnerstraße. Mit stumpfem, theilnahikislosem Gesichte schritt ein böhmischer Arbeiter dahin, auf dem Rücken in einem Trag korb die wenigen dürftigen Habseligkeiten der Familie wagend. Das Weib an seiner Seite hatte das jüngste, anscheinend kranke, weinende Kind auf dem Arme in eine Schürze gehüllt und ein ungefähr zehn jähriges, nothdürftig in Lumpen gehülltes Mädchen, dessen bleiche Wangen das Elend und die lÄitbehrung der letzten Tage deutlicher als Worte bekundeten, lief neben Beiden einher. Von Chemnitz aus wollte sich die Familie über Döbeln nach dem Norden Sachsens wenden, um vielleicht dort Arbeit zu finden und dann den Kampf mit dem Dasein erfolgreicher aufzunehmen. — x. In ein hiesiges Pfandgeschäft kam am vergangenen Sonnabend Abend ein Handarbeiter, der infolge der hier herrschenden Wohnungsnoth nach Frankenberg verziehen wollte, und verlangte ein Darlehn gegen Hingabe eines Rockes. Als er wegen anderer Kunden etwas warten mußte, mahnte er die Pfandleiherin mit den Worten: „He, gute Frau, mochense ä Bischen fix, ich will Hinte noch nach Frankcnberg, ich will mein Hauswärt ausbrenn', drum brauch'ch die Pfenge. Der Kerl is gar ze miserabel, drum kriegt er ooch keen Heller Miethe." Als er erhalten, was er gewünscht, entfernteer sich, nachdem er sich zuvor noch durch einen kräftigen Schluck aus der mitgeführten Flasche gestärkt, unter den heiteren Bemerkungen der Anwesenden und munter stampfte der Guie durch den Schlamm dev Straße, vergnügt den Karren ziehend, seinem Ziele entgegen. —s. Daß der „Sympathiedoktor« bei gar Vielen in großem Ansehen steht und in Krankheitsfällen eine höchst wichtige Rolle spielt, ist eine nicht wegzuleugnende Thatsache. Der geheim- nißvolle Schein, welcher die Mittel des „Sympathiseurs" umgiebt» übt eben einen größeren Reiz auS, als es die seitens eines ArzteS verschriebenen Medikamente zu thun vermöchten. Der nachstehende Fall liefert hierfür abermals den Beweis. Das Kind eines Ein wohners in der F.-Straße litt schon seit längerer Zeit an Ausschlag, der sich namentlich in sogenannten Gerstenkörnern zeigte und dem Kinde große Schmerzen verursachte. Anstatt nun vernünftigerweise einen Arzt zu Rathe zu ziehen, wandte sich der Vater des Kindes an einen „Sympathiedoktor", der denn auch gegen ein Entgelt von 3 M. dem Kinde ein Mittel gewährte, welches dasselbe am Halse, an einer rothen Schnur befestigt, wagen sollte. Und worin bestand dieses Mittel? Man höre und staune; es war ein verpackter Zettel, auf welchem sich die Worte b:fanden: „Da der Herr Jesus an die Sonne trat, da er vor die sieben und siebenzigerlei Blattem bat, vor lie Heißblattern, vor die Schweißblättern, vor die Augenblattern, vor die Fleischblattern, vor die schwarzen Blattern, vor die rothen Blatter», vor die sieben und siebenzigerlei Blattern; das geht dir zu gute in nomine ?. -f f et 8p. 8.« Wer ist hier mehr zu bedauern, der Quaksalber, der vielleicht selbst an die Unfehlbarkeit seiner Mittel glaubt, oder der Dupirte, der sich für solchen Unsinn noch Geld ab locken läßt? — x. Billig und schön zu wohnen glückt nicht Jedem, viel eher kann man dazu kommen, theuer und recht schlecht zu wohnen. Ausnahmen hat natürlich jede Regel und einer dieser Glücklichen war in unserem Falle Herr X., seines Zeichens ein ... ja das dürfen wir leider nicht verrathen, genug daß er ein Kind unserer Stadt ist. Also Herr L. wandelt eines Morgens recht einsame Pfade und geht gebückten Hauptes und langsamen Schrittes, völlig in Gedanken versunken, dahin. Grund genug zum Nachdenken hatte der Gute, denn zwei der Hauptübel im menschlichen Leben: Schlechte Geschäfte und Wohnungswechsel bei kolossalem Wohnungsmangel waren ihm fürchterlich nahe getreten. Er war zwar schon seinem Gewerbe nach ein äußerst erfinderischer Kopf und im vorliegenden Falle suchte er außerdem aus seiner geistigen Vorrathskammer alleK nur Mögliche hervor, um aus diesem Dilemma zu kommen, doch fand er, trotz entsetzlichen Grübelns, diesmal keinen Ausweg. Mit einem „Guten Morgen« Herr X.I« weckte Herr Rentier Schnuppe unseren beklagenswerthen X. aus seiner geistigen Thäligkeit. Der Wohnungssuchende (unsere Leser mögen erfahren, daß Herrn X. seine bisherige Wohnung aus dem ganz einfachen Grunde gekündigt worden war, weil er unterlassen, die Miethe zu berichtigen) dankt in ver bindlicher Weise und Herr Schnuppe fährt äußerst freundlich fort: „Apropos, Herr X, Sie könnten zu mir ziehen, suche eben Je mand zum Bewohnen der ersten Etage meines Hauses, notabene anständige Leute, deshalb mache ich Ihnen den Vorschlag«. Herr X. verbirgt seine Freude im Innersten seines Herzens und antwortet kaltblütig: „Ja, lieber Herr Schnuppe, das könnte angehen, wahr haftig, ich ziehe gleich morgen ein!« Man trennt sich, Herr X. in seiner bisherigen Wohnung angelangt, packt sofort seine fahrende Habe zusammen und sagt am anderen Morgen den düstern Räumen Lebewohl. — Die X.'sche Familie fühlt sich äußerst behaglich in den neuen komfortabel eingerichteten Räumen, ein Jahr sinkt ins Meer der Ewigkeit und ein anderes folgt ihm in raschein Fluge nach, da erscheint eines schönen Tages mit geschäftsmäßigem Gesichte Herr Schnuppe und bittet um — den Miethzins für die letzten zwei Jahre. „Miethzins?« schreit Herr X. „Na, gewiß, MiethzinS!« antwortete erregt Herr Schnuppe, „ich glaubte Sie würden mich der Mühe überheben, Sie daran erinnern zu. müssen, leider« .... „Ich bin Ihnen keine Miethe schuldig!« bemerk Herr X. mit be- wundernswerther Seelenruhe, „ich bekomme 200 Thaler, pro Jahr 100 Thaler kostet die Wohnung," antwortet mit steigender Hitze Rentier Schnuppe. „Davon haben Sie mir kein Wort gesagt,« ent gegnet Herr L., „Miethe bezahle ich überhaupt nicht, wenn Sie solche verlangen, da ziehe ich aus". Das Ende vom Liede? Schnuppe mußte ruhig warten, bis sein schlauer Miethsmann die Wohnung geräumt, er quittirte die Miethe, ohne sie erhalten zu haben, und X., der geriebene X., hatte mit seiner Familie 2 Jahre gratis und recht anständig gewohnt. — Bermisckles — Dem Reichskanzler, Fürst Bismarck, ist seitens des ober- badischen Weinbau-Vereins das nachfolgende, von dem allemannischen Volksdichter Muser verfaßte Gedicht übersandt worden: Die Reben Deutschlands an des Reiches Kanzler. Großmächt'ger Fürst! Der Du in treuem Streben Schon Vieles für Produkienschutz gethan, O hör' den Nothschrei auch von Deutschlands Reben Und nimm Dich gnädig uns'rer Bitte an. Was nützt es viel, wenn Dichter froh besingen Die süße Frucht an unser'm schwachen Reis; Wen» beim Gelag' die Gläser hell erklingen Dem Göttertrank, dem edel» Wein zum Preis. Das kann uns ninimerniehr so sehr begeistern, So lange unter des Gesetzes Schutz Die Fabrikanten Gott in's Handwerk kleistern Und künstlich Weine machen, uns z»m Trutz. Im kühlen Raum, am Wassermischmaschfasse Der falsche Bacchusjünger pröbelnd sitzt, Dieweil der Bauer in der Nebengasse Das bitt're Naß bei herber Arbeit schwitzt- Naht dann der Herbst, mit oft nur kleiner Gabe Hat er den Wein im Keller eingelegt, Wo ist die Freud', an der er sich erlabe? Des Rebmann's Hoffnung, die er still gehegt? Da kann er Monden lang sein Faß oft hüten, Statt „Käufer" kommt der „Mahner" wohl in's Haus; Es fehlt an Geld, die Fabrikanten bieten Den Wein der Kunst zu nieder'm Preise aus. Wohl bist Du, gnäd'ger Fürst, der Kunst Verehrer, Und willst zeitebens ihr Beschützer sein. Doch liebst Du nicht des Traubenblut's Entehr», Das Fabrikat, die Wasserkunst im Wein. O, diese Kunst bringt unser'm Rebbau Schaden Mehr noch, als ihn die böse Reblaus schafft; D'rum bitten wir Dich, hoher Fürst, in Gnaden, Um Deinen Schutz für echten Traubensaft. Wir Reben Deutschlands alle protestiren, Erkennen Kunstwcin neben uns nicht an, Nicht länger sollt' die Leute er verführen, Mit unser'm echten Kleide angethan. Laß' ihm, o Fürst, nach strengen Rechtes Regeln Im Handel weisen seine richt'ge Statt, Laß' ihn fortan mit „blauer Flagge" segeln, Der Farbe, die der echte Wein nicht hat. Mög' sich das Volk dann seinen blauen nehmen. Wer Lust und Lieb' zu dem Gemische hegt; Mög' auch die Folg' den Kunstweinhandel lähmen, Zum Glück' des Weinban'S, dem es Früchte trägt. O, prüf' die Bitt', die wir Dir unterbreiten, Hilf ihm zum Recht, dem edeln Göttertrank, Und Deutschlands Reben bringe» dann mit Freuden In Winzers Namen: „seinem Kanzler Dank!"
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