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Vertrauensmännern der Rcichstagsparteicn in Betreff der UnfallversicherungSnovelle, welche bekanntlich darauf gerichtet sind, das Rcichsversicherungsamt in eini gen Punkten zu entlasten, sind bisher noch zu keinem Ergebniß gelangt. Nach den Osterferien wird die Ne gierung eine schriftliche Formulirung ihrer Vorschläge für diejenigen Punkte dem Reichstage unterbreiten, für die sie eine Verständigung herbeizuführcn hofft. Ob diese überhaupt möglich sein wird, bleibt abzuwarten. Die Budgetcommission des Reichstages setzte ihre Berathungen über die Gehaltsaufbesserungen der Beamten fort und erledigte die Positionen für eine weitere Reihe von Beamtenkategorien. Von Interesse war eine Erklärung des Unterstaatssekretärs im ReichS- postamte Or. Fischer, daß es absolut nothwendig sei, in der Organisation der Post zwei verschiedene Laufbahnen der Beamten beizubehalten, und daß die Verwaltung nie mals darein willigen würde, die au« den Assistenten stellen hervorgegangnen Beamten, auch wenn sie noch so tüchtig in ihrem Dienste wären, in die höheren Stellen aufrücken zu lassen. Für den höheren Postdienst sei eben eine tüchtige Vorbildung unerläßlich. Or. Gruner hat in Begleitung der Polizcitruppe unter Lieutenant v. Massow unter hitzigen Kämpfen mit dem Kriegsvolk des Sultans von Jendi Mitte December Sansanne Mangu erreicht und die Leitung der Station (im Hinterland von Togo) übernommen. Die deutsch-sociale Reformpartei (Antisemiten) werden bei den nächsten Reichstagswahlen in allen Wahl kreisen, wo sie genügend organisirt ist, einen eigenen Candidaten aufstellen, jedwede Kartellvorschläge aber, von welcher Partei sie auch immer kommen mögen, ablehnen. Die Handwerkervorlage ist durch einen in der Commission angenommenen Antrag sehr wesentlich, und zwar nach der Richtung des ursprünglichen preußischen Entwurfes hin abgeändert worden. Es kann nach dem Anträge, der von dem freiconservativcn Abgeordneten Gamp eingebracht wurde, zur Wahrung der gemeinsamen gewerblichen Interessen der Handwerker gleicher und ver wandter Art durch eine höhere Verwaltungsbehörde auf Antrag Betheiligtcr angeordnet werden, daß innerhalb des bestimmten Bezirkes sämmtliche Gewerbetreibende, welche das gleiche Handwerk oder verwandte Handwerke ausüben, einer neu zu errichtenden Innung (Zwangs innung) anzugehören haben. Staatssekretär v. Bötticher hatte sich gegen den Antrag ausgesprochen und erklärt, derselbe könne die Vorlage gefährden. Der Inhaber der Reichstagsrestauration hat die Volksvertreter am letzten Sitzungstage vor den Oster ferien gebeten, sich bei ihm zu einem Abschiedsmahle ein zufinden. Die Restaurationsräume waren reich mit Blumen geschmückt. Herr Schulze, dessen Contract ab- gelaufen ist, verläßt bekanntlich die Rcichstagsrestauration, um einem neuen Oeconom, der trotz der bestehenden Ver hältnisse daselbst noch sein Geschäft zu machen gedenkt, Platz zu machen. Dem Or. Peters ist die Anklageschrift nunmehr zugestellt worden, der Verhandlungstermin ist auf den 24. d. M. anberaumt worden, zu dem Peters persönlich aus London erscheinen wird. Es verlautet, daß dem Feuilleton. Dorenberg. Erzählung von Adolph Streckfuß. Nachdruck »erbst««. I. Das rege, bewegte Leben der Residenz macht auf den Provinzialen, der zum ersten Male das Pflaster einer größeren Stadt betritt, meistens einen weit gewaltigeren Eindruck, als die viel gerühmten Wunderwerke, welche Wissenschaft, Kunst und Gewerbefleiß in dem geistigen Mittelpunkt de» großen Landes aufgehäuft haben. Dieser Zusammenfluß vieler Tausende, das neben einander Vorüberwogen der Massen, in dem die Indi vidualität deS Einzelnen fast verschwindet, giebt dem Fremdling meist ein Gefühl des Alleinseins inmitten der Tausend, der Verlassenheit, welches ihn fast überwältigt und ihm stets unvergeßlich bleibt, auch wenn er sich längst eingebürgert hat in der Weltstadt. — Ein ähnliches Gefühl ergriff auch einen jungen Mann, der an einem schönen Sommerabend durch das Portal des prächtigen Säulcnthores in die Hauptstadt schritt. Er stand am Zielpunkt einer langen Wanderung, die er mit frischem, keckem Muthc angetreten hatte; als er sich aber jetzt das leichte Ränzel zurecht gerückt, die Stiefel abgestäubt und das unter dem Studentenmützchen etwas wirr hervorquellende lockige Haar ein wenig geordnet hatte und dann seinen Weg weiter sortsctzte, war ihm doch bei Weitem nicht so wohl zu Muthe, als er längst vorher gehofft. Mit welcher Sehnsucht hatte er dem Augenblick ent- gegengeschaut, der ihm die Erfüllung seiner heißesten Wünsche bringen sollte! — Der Name der Hauptstadt hatte für ihn einen zauberischen Klang gehabt; die Hoffnung, in derselben seine Studien zu vollenden, war ihm der größte Ansporn zum Fleiß auf dem Provinzial- Gymnasium gewesen. Endlich war das Abiturientcn- Examen glücklich überstanden und nach einem kurzen Beklagten ein bedeutendes Vcrtheidigungsmaterial zur Seite steht, durch das ein früheres Mitglied der Colonial- abtheilung, gemeint ist wohl vr. Kayser, stark compro- mittirt werden dürfte. Zuverlässiges kann natürlich erst der Proceß an das Tageslicht bringen. Einen Vergleich zwischen den in Greiz und in Neu strelitz herrschenden einander sehr ähnelnden antipreußi schen Gesinnungen ziehen die „Hamb. Nachr.", indem sie bemerken: Im Sommer 1870 hatten in Mecklen- burg-Strelitz vornehme Welfenlegionaire Zuflucht ge funden, um von Strelitz aus ihre hochverrätherischen Ab sichten zu verwirklichen. Um der Nothwendigkeit zu ent gehen, sie schließlich nach Kriegsrecht aburtheilen und standrechtlich erschießen zu lassen, ordnete ver damalige preußische Ministerpräsident Graf Bismarck an, daß die selben ohne Weiteres verhaftet würden. In Strelitz wurde die Verfassung durch ein Piquet Pasewalker Kürassiere auSgesührt. Darauf erfolgte Beschwerde beim Bundesrath, worauf der Bundeskanzler nach Strelitz den Bescheid ergehen ließ, daß, wenn sich derartiges wieder holen sollte, Niemand in Strelitz hoch genug stehe, um vor dem Schicksal der Welfenlegionaire sicher zu sein. Das war damals, so schließt das Hamburger Blatt viel sagend seine Mittheilung. England. Die Reibungen zwischen England resp. Kapland und Transvaal werden anscheinend ernstlicher; im Parlament der Kapcolonie wurde von Regierungsver tretern gegen Transvaal eine Sprache geführt, die einen recht kriegerischen Ton anschlug. Das Gerücht, die Delagoabai sei in englischen Besitz übergegangen, erhält sich trotz der mehrfachen Dementis. Cecil RhodeS soll bei seiner Rückkehr in Kapstadt mit großen Feierlichkeiten empfangen werden. Rußland. Die gesammte briefliche Correspondenz, welche aus dem Auslände kommt, wird auf dem Postamie in Warschau, wenn sie im Geringsten verdächtig ist, ge öffnet und gelesen. Das Oeffnen findet aus Anord nung der Centralbehörde in Petersburg statt, wo die Censur gegenwärtig strenger als früher ist. Diese Ver schärfung ist eingetreten, nachdem verschiedene großpolnische oder revolutionäre Aufrufe auf dem Postwege aus dem Auslande nach dem Königreich Polen eingeschmuggelt worden sind. Türkei. Auf ihre Noten haben die Mächte der Türkei bereits geantwortet und erklärt, daß die Türkei die gegen wärtige Lage durch ihre Reformverzögerungen selbst ver schuldet habe und daher die weitere Entwickelung der Dinge abwarten müsse. Die Befestigungsarbeiten der türkischen Truppen in Epirus sind abgeschlossen; auch die griechischen Truppen sind in festen Positionen untcr- gebracht. Die Blockade des Golfes von Athen soll nach einer Meldung aus Konstantinopel bereits am 7. d. M. ins Werk gesetzt worden sein. Dem Ausbruche eines Landkriege« stände demnach nichts im Wege. Die griechische Regierung erfährt, daß die Botschafter in Konstantinopel beschlossen haben, als organisches Statut für Kreta daS für Ostrumelien angenommene vorzuschlagen. Ferienaufenthalt beim Vater, der als Prediger in einem entlegenen Dorfe wohnte, kam Karl Heldreich jetzt nach der Residenz, um auf der berühmten Universität zu studiren und zugleich während der Studienzeit sich die Mittel für dieselbe zu erwerben. Sein liebster, seit Jahren gehegter Wunsch war erfüllt und dennoch konnte er der Erfüllung nicht recht froh werden. Die rosigen Hoffnungen, mit denen er noch vor wenigen Stunden an den Augenblick des Einwanderns in die Hauptstadt gedacht hatte, versanken in dem Ge fühl deS Alleinseins unter den Tausenden, die unbekümmert um den Fremden vorüberzogen, ohne ihn im geringsten zu beachten; — jetzt fühlte er zum ersten Male einen Zweifel an seiner Jugendkraft, eine Sorge darüber, ob es ihm, dem Unbekannten, der ohne irgend eine Empfeh lung cintrat in das Chaos der Weltstadt, möglich sein werde, sich in derselben Weise eine Existenz zu schaffen. Ein Frösteln, eine Beängstigung überkam ihn, wie er dieselbe nie gefühlt; aber nicht lange ließ er sich durch so ungewohnte Empfindungen beirren, er lächelte selbst über seine Kleinmüthigkeit, — und wanderte schnellen Schrittes in die Stadt hinein. Vor ihm lag die im glänzenden Lichte vieler tausend Gasflammen strahlende Hauptstraße, durch deren Baum reihen sich ein Strom von Spaziergängern drängte. — Je weiter Hcldreich vorwärts schritt, je mehr befreite er sich von dem Druck, den der erste Augenblick auf ihn ausgeübt hatte. — Sein frischer, kecker Sinn hob ihn schnell über die beängstigenden Zweifel und bald genug schaute er forschend und neugierig um sich, alle die neuen Eindrücke begierig in sich aufnehmend. — Er hatte die um ihn her wogende Menschenmenge vergessen und kümmerte sich um dieselbe so wenig, als diese sich um ihn. Er war schon einige hundert Schritte vorwärts gegangen, als sich ihm ein elegant gekleidetet Herr, der ihn einige Augenblicke prüfend betrachtet hatte, zugesellte. „Sie sind zum ersten Male in der Hauptstadt, mein Griechenland. Vom Nationalfest in Athen wird noch berichtet, daß sich abends die Massen vor dem Schlosse sammelten und einige Schüsse abgegeben wurden. Bei dem Ge dränge wurden neun Personen verwundet, darunter einige schwer; auch zwei Polizeibeamtc erlitten erhebliche Ver letzungen. Auch in Larissa und Arta ist das Fest mit großer Begeisterung gefeiert wvrden, ohne daß ein Zwischen fall vorkam. Afrika. Die Sklaverei im Sultanat Zanzibar ist soeben durch ein Decret des Sultans abgeschafft worden. Für bisher rechtmäßig gehaltene Sklaven wird seiten- der Regierung von Zanzibar eine Entschädigung gezahlt; -S heißt, daß, wenn die Regierung von Zanzibar dir erforderlichen Ausgaben nicht bestreiten kann, die britische Regierung aushelfen werde. Die Verfügung erstreckt sich nicht auf das Halten von Harems. Mmerika Die Revolution in Uruguay bedroht die Haupt stadt Montevideo bereits. Wie von dort berichtet wird, hat die Regierung die sofortige Mobilifirung von 6000 in der Hauptstadt garnisonircnden Nationalgardistcn ver fügt; die revolutionäre Bewegung unter den „Blancos" bleibt lebhaft im Gange. Die Gemeindewahlen in Ohio (Nordamerika) ergaben einen bedeutenden Stimmenzuwachs für die Demo kraten; besonders erzielten die Anhänger BryanS große Erfolge. Dieser Umschwung ist eine Wirkung der Schutz- zollpolrtik, zu der die Republikaner den bei der Präsi- dentschaftSwahl errungenen Sieg mißbrauchen. Aus dem Mmdenttzule ^Waldenburg, 8. April. Es sind hie und da Zweifel darüber entstanden, ob die Verlängerung der Gültigkeit der Rückfahrkarten zur r^sterzeit wirklich schon vom 7. d. an datirt. Wir können dem gegenüber die bereit« von uns gebrachte Notiz über diese Verlängerung auf Grund einer uns heute zugegangenen Zuschrift vom Haupt bureau dec kgl. Generaldirection der sächsischen Staats eisenbahnen nur bestätigen. Die am 7. d. und an den fol genden Tagen gelösten gewöhnlichen Rückfahrkarten von tarifmäßig kürzerer Geldungsdauer gelten bis einschließlich zum 27. d., die Rückreise ist spätestens an diesem Tage anzutreten. Das Gleiche gilt für die preußischen Staats bahnen. Die drei- und zehntägigen Rundreisekarten im sächsischen Binnenverkehre genießen die gleiche Gültig keitsverlängerung. Inwieweit die Vergünstigung auf die Rückfahrkarten im directen Verkehre mit Stationen auch noch anderer als der preußischen Slaatsbahnen ausge dehnt wird, ist aus der demnächst auf den Stationen zum Anschläge kommenden Bekanntmachung zu entnehmen. *— Im hiesigen Bürgerschulgebäude haben die bau lichen Veränderungen bereits begonnen, die sich durch die Neuorganisation der Schule und die Errichtung einer Selekta als nothwendig herausgestellt haben. Mit Be ginn des neuen Schuljahres wird die veränderte Ein richtung bereits ins Leben treten. — Den Segen der Jnvaliditätsversicherung empfindet jetzt eine 22jährige Appreturarbeiterin in Glauchau. Herr?" fragte der Fremde verbindlich, indem er leicht den Hut lüftete und dann neben Hcldreich herging, als verstehe sich das von selbst. Heldreich schaute den Frager überrascht an; — er musterte denselben mit scharfen Blicken, aber er wurde keineswegs besonders befriedigt durch daS Resultat seiner Prüfung. — Der Fremde war noch ein ziemlich junger Mann mit einem blassen verlebten Gesicht. Er trug sich zwar mit ausgesuchter Eleganz, aber in seinem ganzen Wesen, in jeder seiner Bewegungen lag ein gewisse- Etwas, welches sagte, daß die Kleidung eine geborgte sei, daß sie nicht zu dem wirklichen Stande de» ManneS passe; selbst die Manier, mit der er den an einer goldenen Kette herunterhängenden Augcnkneifer bald in's rechte Auge klemmte, bald affektirt fallen ließ, war ungeschickt und gemacht. — So unbehaglich sich Heldreich auch noch vor wenigen Minuten in seiner Einsamkeit befunden hatte, dieser Gesellschafter paßte ihm dennoch nicht, er erwiderte daher nur ein kurzes scharfe«, „Ja!" und schritt weiter, ohne sich um seinen Begleiter zu kümmern. Durch die kurze Antwort hoffte er sich von einer weiteren Zudringlichkeit befreit zu haben. — Er täuschte sich, denn der Fremde war über jede zu zarte Empfindlichkeit erhaben, er ließ sich durch eine einfache Zurückweisung nicht abschrecken, sondern setzte seinen Weg neben dem jungen Wanderer fort, indem er zugleich mit unglaublicher Zungenfertigkeit ein Ge spräch begann. „Es ist merkwürdig," sagte er, „daß man einen Fremden sofort von einem Großstädter unterscheidet, höchst merkwürdig! Ich habe ein Interesse an jedem Fremden! Verkennen Sie mich nicht, mein Herr, kein selbstsüchtiges Interesse, im Gegentheil, Gefühle der reinsten Humani tät! — Ich erinnere mich dann stets noch der Zeit, in der ich selbst noch fremd nach Berlin kam. — Ja mein Herr, Sie schauen mich verwundert an, Sieglauben, ich müßte ein geborener Großstädter sein. Nicht wahr, da» meinen Sie?" (Fortsetzung folgt.)