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Schwarzweißroth, des Zeichens des großen und theueren Vaterlandes. Sie stehen darin eisern und fest besonders in diesen Tagen der allgemeinen politischen Bewegung in Europa. Wir sehen an den Ereignissen im Orient, wie auf un bedingte Friedensgewißheit und Freundschaft der Groß mächte untereinander trotz aller frommen Wünsche und schönen Versicherungen doch keine Häuser zu bauen sind, wie die Einigkeit der Regierungen mit den Jntriguen unverantwortlicher Kreise hart zu kämpfen hat, wie Frie densliebe und chauvinistische Leidenschaften oft hart mit einander ringen. Wenn eS einmal wieder zu einem Kriege kommen sollte, weiß Deutschland nicht, ob es sich auf Alle wird verlassen können, mit deren Beistand wir früher einmal gerechnet haben. Da ist es gut, unser eigen Schwert scharf zu halten, und wenn bei Zeiten die Welt die feste Zusammengehörigkeit und Einigkeit des deutschen Volkes in Waffen als eine unbedingte That- sache zu betrachten sich gewöhnt, dann kann das uns nur förderlich sein. Eigentlich sollte man schon heute mit dieser Thatsache, als einer felsenfesten, rechnen, aber wir wissen, wie kraus sich oft die Gedanken solcher Leute gestalten, in deren Charakter Neid und Mißgunst eine große Rolle spielen. Die deutsche Kokarde ist kein Alarm signal, wohl aber ein Signal deutscher Treue. Nicht blauweiß, nicht schwarzweiß, nicht grünweiß, sondern für Alle noch ein Schwarzweißroth. Auch Kokarden haben ihre Schicksale: Auch vor 60 und 50 Jahren wurde die deutsche Kokarde getragen, aber von kurzsichtigen Machthabern nicht als Signal und Zeichen für Patriotismus und deutsche Treue genommen, sondern mit Härte und Strenge als ein Zeichen des Aufruhrs verfolgt. Wie manchen Mann hat die deutsche Kokarde in jenen unruhigen und unklaren Zeiten hinter Schloß und Riegel gebracht, und in dem Kopfe hinter der Kokarde lebte als idealster Gedanke doch kein anderer, als der Traum von Deutschland's Ruhm und Größe. Freilich, die Zeiten waren unklar, noch mehr waren es die Köpfe, zu den idealen Plänen kamen auch hier und da Thaten von Schwärmern, die mit jenen Worten nicht harmoniren wollten: Und so war eine lange, trübe Zeit erforderlich, durch welche Deutschlanv's Volk hin durchschreiten mußte, bis es dahin kam, wo es heute steht, wo jeder deutsche Bürger in Wehr und in Waffen die deutsche Kokarde in Treue und in Ehre trägt. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Bei der Galatafel am Montag Nachmittag im König lichen Schlöffe brachte der Kaiser einen Trinkspruch aus, worin er bemerkte, es gehe heute ein tiefes Em pfinden durch das deutsche Volk, und die Fürsten hätten sich zusammengefunden, um das Andenken des großen verewigten Kaisers zu feiern. Er spreche den versammelten Fürsten tiefgefühlten, innigsten Dank aus, desgleichen allen Vertretern der fremden Souveräne, die theilnehmen wollten an der Feier, um dadurch zu beweisen, daß Europas Fürsten und Völker ein gemeinsames großes Familienband umschließe. Es sei nicht seines Amtes, seinen Großvater zu feiern, aber sein Geist schreite wohl heute durch sein Volk hindurch. Wir denken seiner Demuth, seiner schlichten Einfachheit und Pflichttreue, als des Sohnes der herrlichen, löblichen Königin, der gesagt, daß er mehr durch Demüthigung, als durch Erfolge ge lernt habe. Für uns aber, des hohen Fürsten Ver wandten, soll das Andenken ein erneuter Ansporn sein, für unsere Völker zu leben und zu arbeiten. Für die Ziele der fortschreitenden Kultur, zur Erhaltung des Friedens, der Freundschaft und Waffenbrüderschaft wollen wir die Gläser erheben mit dem Rufe: Das deutsche Volk, Vaterland und die Fürsten Hurrah! Aus fast allen Städten des Reichs, aus allen Himmels richtungen laufen Telegramme ein, welche über festliche Veranstaltungen von Behörden, Vereinen rc. berichten, so aus Dresden, München, Stuttgart, Hamburg, Lübeck, Straßburg rc. In Lübeck, Dortmund und Striegau fand unter großen Feierlichkeiten die Enthüllung von Kaiser Wilhelm-Denkmälern statt. Ordensverleihungen sind aus Anlaß des 100- jährigen Geburtstages Kaiser Wilhelms des Großen zahlreich verliehen worden. Großherzogin Luise erhielt das Großkreuz des Luisenordens, Ober-Hof- und Haus marschall Graf Eulenburg, Staatssekretäre v. Böttcher und v. Stephan den Wilhelm-Orden, Oberpräsident v. Achenbach die Kette zum Großkreuz des Rothen Adler ordens, der preußische Gesandte in Rom v. Bülow Kreuz und Stern der Komthure des hohenzollernschen Haus ordens, Prof. Qncken-Gießen das Kreuz der Komthure des Hausordens, Prof. v. Esmarch-Kiel den Charakter als Wirk!. Geh. Rath mit dem Prädikat Exzellenz, General z. D. v. Kaltenborn-Stachau das Großkreuz des Rothen Adlerordens, Prof. R. Begas, der Schöpfer des Nationaldenkmals, das Komthurkreuz des hohen zollernschen Hausordens. Italien. Nach den neuesten Meldungen über die Wahlen zur Deputirtenkammer besteht kein Zweifel darüber, daß das Cabinet Rudini einen glänzenden Sieg davon- getragen hat. Frankreich. Der Stadtrath von Nancy beschloß, die Befestigung der Stadt zu beantragen. Griechenland. Die Widerspänstigkeit Griechenlands besteht ungebrochen fort; ganz neuerdings hat sich der König erst wieder dahin geäußert, daß keine Macht der Erde den Krieg und den Aufstand der Armenier zurückhalten könnte, wenn die Wünsche Griechenlands betreffs Einver leibung Kretas seitens der europäischen Großmächte nicht erfüllt werden würden. Türker. Für die Haltung der Mächte werden die nächsten Tage zweifellos nicht ohne Ueberraschungen vorübergehen. Es gewinnt wirklich den Anschein, daß eine Einigung über die Griechenland gegenüber zunächst zu ergreifen den Schritte nicht erzielt werden wird. England beabsichtigt nämlich seine Betheiligung an der erforder lich werdenden Blockade griechischer Schiffe abzulehnen, dagegen einen neuen Vorschlag zur Abwendung der Ge fahr eines Zusammenstoßes zu machen, der an der griechisch-türkischen Grenze bevorsteht. Der Plan soll darauf hinauslaufen, die Mächte sollten Griechenland und die Türkei auffordern, ihre Truppen 50 Kilometer von der Grenze abzuziehen. Sollte Griechenland sich weigern, so sei England zur Blockade von Volo bereit. Bei der Türkei sollen hauptsächlich Rußland und Oesterreich ihren Einfluß geltend machen, bei ihrem Widerstreben wäre England zu allen Zwangsmaßregeln gegen die Pforte zu haben. In diplomatischen Kreisen nimmt man an, daß ein theilweiser Zerfall zwischen den Cabinetten unver meidlich geworden sei. Griechenland ist angeblich bereit, einen Vorschlag an zunehmen, daß Kreta in ein Fürstenthum unter dem Prinzen Georg von Griechenland unter Oberhoheit des Sultans verwandelt würde. Der Sultan versuchte ein freundliches Abkommen mit dem griechischen König wegen Kretas zu treffen, aber Rußland vereitelte den Vor schlag, den Graf Murawiew als Act der Perfidie kenn zeichnete. Die Meldung von einem Ueberfall österreichischer und russischer Marineoffiziere in Konstantinopel durch türkischen Pöbel ist unbegründet. Die Truppenconcentrationen nach der Grenze werden von der Pforte und von Griechenland aus mit unverminderter Eile fortgesetzt. Aus Dem MmdemhMle "Waldenburg, 23. März. Die Kaiser Wilhelmseier klang gestern Abend in einem flarkbesuchten Commers, welcher im Schönburger Hofe stattfand, in harmonischer Weise aus. Der Commers wurde nach einigen Musik stücken der hiesigen Stadtkapelle durch Herrn Bürger meister Kretschmer mit einer Begrüßungsansprache eröff net, an welche er einen Trinkspruch auf Se. Majestät den König Albert knüpfte und in welchem er die Weisheit, Gerechtigkeit und Milde oes Königs feierte. Begeistert stimmten die Anwesenden in das Hoch auf den geliebten Landessmsten ein, ebenso in den gemein schaftlichen Gesang des Liedes: „Gott sei mit dir, mein Sachsenland." Zwei Männerchöre: „Gebet" von Weber und „Wie könnt' ich Dein vergessen" von Adam, sowie ein von Herrn Stadtmusikdirector Heinrich vorgetragenes Violinsolo von Beriot, das den lebhaftesten Beifall fand, leiteten über zu der eigentlichen von Herrn Seminar oberlehrer Streubel gehaltenen Festrede auf den alten Kaiser Wilhelm. Redner verglich die deutsche Einheit mit dem Dornröschen im Märchen, die gleich der ver zauberten Jungsrau jahrhundertelang geschlafen, bis der Prinz, diesmal ein wirklicher Königssohn, gekommen, um durch das Dorngehege der deutschen Zerrissenheit und des Particularismus mit Hilse kühner Recken zu dringen und sie zu neuem und schönem Leben zu er wecken. Wo Deutsche heute zusammenkämen, da gedäch ten sie auch des Gründers und Wiederherstellers des Reiches. Um seine Bedeutung richtig zu erfassen, müsse man das große machtvolle deutsche Reich zur Zeit, als er starb, vergleichen mit dem Reiche, wie es bestand, als er geboren ward. Auch damals sei es ein großes Reich gewesen, aber es bestand neben einigen größeren Staaten aus einer größeren Anzahl kleinerer, die unter sich machtlos waren, mit fremden Mächten Bündnisse schloffen und Politik auf eigne Hand führten. Der Kai ser Franz II. sei mehr für seine eignen Interessen, seine eigne Hausmacht bedacht gewesen. Das deutsche Reich sei im In- und Ausland verachtet gewesen. Bezeichnend sei der Ausspruch Göthes im Faust: „Das liebe heil'ge röm'sche Reich, wie hält's nur noch zusammen." Auf den ersten Stoß Napoleons sei es in Trümmer gegangen. Redner schilderte dann die Zeit von 1813 und 1815, ferner die Machtlosigkeit Deutschlands zur See im Ver gleich zu heute, wo deutsche Kriegsschiffe in allen Welt meeren den deutschen Handel und die deutschen Bürger beschützen. Es sei nicht leicht gewesen, solches zu errin gen. Die früheren Versuche, durch Mehrheitsbeschlüsse die deutsche Einheit zu schaffen, seien kläglich gescheitert. Große Fragen der Zeit könnten nur durch Blut und Eisen gelöst werden. Daß dies geschehen konnte, sei ein Verdienst des Kaisers Wilhelm I., der von Jugend auf militärischen Studien mit größtem Fleiß abgelegen und im preußischen Heere die Waffe geschmiedet habe, um die Einheit zu erringen. 1848 und 64 in Schleswig, 49 in Baden und 66 in Oesterreich habe sich die Schlag fertigkeit der Armee glänzend bewährt. Die Durchfüh rung habe fchwere innere Kämpfe gekostet. Allein nicht nur in der Wiederherstellung der deutschen Einheit liege sein Verdienst, seine Bedeutung sei noch größer. In der Kaiserproclamation versprach er allezeit Mehrer des Rei ches zu sein nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an den Gaben des Friedens aus dem Gebiete der natio nalen Wohlfarth, Freiheit und Gesittung. Nicht, daß er uns ein Colonialreich hinterlassen, 5 Mal so groß als Deutschland, wolle er (Redner) preisen, sondern darauf Hin weisen, wie der alte Kaiser durch seine liebenswürdige, freundliche, leutselige Persönlichkeit dazu beigetragen habe, den Bund der deutschen Stämme zu einem so herzinnigen zu gestalten, die Herzen Aller zu gewinnen. Seine größte That liege aber in der berühmten Botschaft vom 17. November 1881, durch welche unsre sociale Gesetzgebung eingeleitet worden sei, welche heute schon durch die Für sorge für die Armen, Elenden und Verunglückten Mil lionen von Thränen getrocknet habe und noch Millionen von Thränen trocknen werde. Er habe alles vergessen, was ihm wemge Jahre vorher angethan worden sei. So vergalt er Böses mit Gutem. Um jene Gesetzgebung beneide uns heute das Ausland. Redner schilderte wei ter den greisen Kaiser als glänzenden und erhabenen Herrscher, ausgestattet mit Weisheit, Wahrhaftigkeit, Dankbarkeit, Gerechtigkeit und Milde, um ihn dann als Soldat und Muster von Tapferkeit in einzelnen Zügen zu feiern. Aber auch als Mensch sei er jederzeit groß gewesen, das zeige seine Demuth vor Gott. Heute sei der Fürst nicht mehr unter uns, in Charlottenburg liege er an der Seite seiner Eltern begraben. Aber für uns sei er nicht gestorben, er lebe noch unserer Milte, in den Herzen seiner Soldaten, im Herzen des ganzen deutschen Volkes. Möge das deutsche Volk nie vergessen, seinen großen Kaiser zu ehren, immer zu ehren sein herrliches Andenken. Brausender lang anhaltender Beifall lohnte den Redner. An die Rede schloß sich der Gesang des Liedes: „Deutschland, Deutschland über Alles." Nach einem weiteren Musikstück brachte Herr Verwaltungs director vr. Lamprecht einen Trinkspruch auf Fürst Bismarck aus, indem er an das schöne Uhlandsche Ge dicht von der Münstersage, das die Liebe der Deutschen für das Jugendland Goethes so sein und tiefsinnig aus spreche, anknüpfte. Viel gewaltiger, als jener Traum vom großen und freien Deutschland seien die Zeiten, die wir hätten schauen dürfen. Wie vieles Andere noch, das un vollendet war, sei neugeboren worden in dem uns wieder geschenkten deutschen Lande. Der mächtige Strom deut scher Volkskraft, der, einst im Mittelalter ausbrechend, über die Slavenlande des Nordostens' seine breiten Wogen wälzte, sie zurückgefluthet gen Westen, um sein verschüttetes altes Bette, die schönen Heimatlands deutscher Gesittung, von Neuem zu befruchten. In denselben Marken des Westens, wo unser altes Reich die tiefste Schmach erduldete, sei durch deutsche Siege das neue Reich vollendet worden. Ueberall wo Deutschs wohnten, bis zu den fernsten Colonien, flatterten heute die Fahnen vor den Fenstern, Glockengeläut und Kanonendonner verkündeten den Tag, an dem vor hundert Jahren der Kaiser geboren wurde, vesfen wir heute, wie oft schon, in Liebe und Dankbarkeit ge dächten. Neben ihm in der Geschichte aber stehe der Genius, nicht mit verhülltem Haupt, mit Schale und Füllhorn, wierhndieAltendachten,sondernoffenenBlicks, ein gewaltiger Mann — Bismarck der Einzige! Noch lebe er, der Genius des deutschen Volkes! Gott schütze ihn! Er lebe hoch! Dreimal durchdröhnte das Hoch der Ver sammlung den gefüllten Saal. Die Begeisterung, die druch den Trinkfpruch heroorgerufen worden war, kam durch den Gesang der Wacht am Rhein zum entsprechen den Ausdruck. Hieraus wurden seitens einer Anzahl Mitglieder des hiesigen Turnvereins Gruppen gestellt, welche beifällig ausgenommen wurden. Nach einigen Männerchorgesänaen und einem Orchestervortrage nahm Herr Schuldirector Schlund das Wort, um Kaiser Wil helm II., den Erben der Werke seines Großvaters, und dessen Rathgeber Bismarck und Moltke, als Hort aller Deutschen zu feiern und das Gelöbniß unwandelbarer Treue zu Kaiser und Reich in einem Hoch aus Kaiser Wilhelm II. zusammenzufasien. Auch hierin stimmte die Versammlung lebhaft ein und sang alsdann das Lied: „Ich kenn' ein'n Hellen Edelstein." Darauf kam ein patriotisches Festspiel von R. Wild-Queisner: „Kaiser Wilhelm der Große" zur Aufführung, das von den Mit- wirkenden mit großer Hingebung und ansprechender Auf fassung wiedergegeben wurde. Am Schluffe brachte noch Herr Schloffermeister Lindner in gebundener Rede ein Hoch auf das Vaterland. Weitere Darbietungen der hiesigen Stadkapelle schloffen den Commers in wohlge lungener Weise ab, der alsdann von Herrn Bürger meister Kretschmer mit herzlichen Dankesworten an die Mitwirkenden geschlossen wurde. In später Stunde wurde noch auf telegraphischem Wege ein „donnernder Gruß" am Jubiläumstage des großen Kaisers an Fürst Bismarck von den sächsischen Waldenburgern