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Dienstag, 1Z. November 1S8S. Rr. S7. — S. Jahrgang. e r und HIMbsie. rlu-arteiifches Tageblatt str Chemnitz und die Lorotte: Attchernrntz, Alteudorf, Bernsdorf, Furch, Gablenz, Sliisa, Helbersdorf, Hilbersdorf, Kappel, Neustadt, EchÜaauf Abonnements: vierteljährl. 1 Mk. 25 Pf. (Zutragen 40 Pf.), sowie monatlich 45 Pf. (Zutragen 15 Pf.) nehmen entgegen die Verlagsexpedition und die Ausgabestellen des Chemnitzer Anzeigers in Chemnitz und obigen Vororten, sowie sämmtliche Postanstalte«. (Postzeitungs-Preisverzeichniß: Nr. 1030. 13. Nachtrag.) JnsertionSpreis: die schmale (Ispaltige) Corpuszeile oder bereu Raum 10 Pf. — Die 2spalti-e (auf Textbreite) unter Eingesandt 30 Vf. — Auf große Annoncen und Wiederholungen Rabatt. -7- Aunoncen - Annahme für d e nächste Nummer bis Mittag. — Ausgabe jeden Wochentag Nachmittag. Verlags-Expedition: Alexander Wiede, Buchdruckerei, Chemnitz, Theaterstraße 48 (ehemaliges Bezirksgericht, gegenüber dem Casin»). Am Als dort der wucht'ge Hammerschlag erklang Des kühnen Mönches an den Tempelpforten; Als durch die Welt auf Sturmesschwingen drang Die Mär von seinen zornerfüllten Worten, Die donnergleich das deutsche Volksgewissen Aus wirrem Traum zu wachem Leben rissm; Als hell und klar aus gottgeweihtem Mund Die Wahrheit sich erhob gewalt'gen Fluges, Da wankte jäh in ihrem üefsten Grund Die tausendjähr'ge Zwingburg röm'schen Truges. Was unbewußt und dunkler Sehnsucht voll Im Volk gelebt, was in der Noch der Tage Gebieterisch zum Thatendrange schwoll: — Durch jenen Gottesmann mit Einem Schlage Trat es an's Licht! Da war der Bann gebrochen; Das rechte Zauberwort war ausgesprochen! Die Kluft war ausgefüllt, die Gott und Welt So lang getrennt, und auf zum Himmel flammte Des Volkes Jubel, ob auch haßgeschwellt Der röm'sche Papst den deutschen Mönch verdammte. Chemnitz, 10. November 1883. Zur Lutherseier. Elsterthore von Wittenberg Und als vom Vatikan in's deutsche Land Der Bannstrahl flog, dm Ketzer zu vernichten, — Der Strahl, mit dem vermess'ne Priesterhand Auch Kaiser einst sich unterfing zu richten: — Da hob der Ketzer demuthsvoll und fülle Sein Haupt und sprach: ,Herr es gescheh' Dein Wille! Du hast zu Deinem Rüstzeug mich erwählt, Gm Teufelsmacht und Teufelslist zu ringen, So laß mich auch, von Deinem Geist beseelt, Dein heilig Werk, zur Ehre Dir, vollbringen!" Dann schritt der Ketzer, stillen Eifers voll, Den Brief der Lüge in der Hand, zum Thore Von Wittenberg. Und sieh, die Kunde scholl Durch Haus und Gasse rasch von Ohr zu Ohre; Und Jung und Alt sieht man zusammenlaufen Am Elsterthor. — Da ragt ein Scheiterhaufen. Alsbald loht auf, entfacht von Jüngers Hand, Ein Feuer; und der Mönch, in heil'gem Grimme, Er tritt heran und schleudert in den Brand Die Bulle Roms und ruft mit mächttger Sümme: „Weil du dm Heiligen des Herrn betrübt, Verzehre dich das Feuer!" — Flackernd steigech Die Flammen auf; — des Briefes Asche stiebt; — Die Menge jubelt; — doch in üefem Schweigen Blickt er empor: es schaut voll Kraft und Klarheit Sein Geist den Himmelsglanz der ew'gm Wahrheit! Und lautlos hängt und ahnungsvoll die Schaar Der Jünger an des Meisters Angesichte, Als fühlte sie: Ein Morgen, licht und klar, Steigt auf mit dieser That der Weltgeschichte. — Und also war dem Werk, das weltentrückt, In stiller Zelle einst der Mönch begonnen, Das Feuersiegel flammend aufgedrückt. Nun war h»r Menschheit erst der Held gewonnen, Der gottbegeistert, mit geweihten Waffen, An jenem Bau der Zukunft konnte schaffen, Dem jetzt noch unser heißes Ringen gilt! — ^ Du aber präg' in Seele und Gedächtniß, O deutsches Volk, des Gottesstreiters Bild Und seines Geistes heiliges Vermächtniß! Emil Walther. *) Vorstehendes Gedicht wurde von seinem Verfasser als begleitender Text zu einem der lebenden Bilder gesprochen, welche zu dem am Sonntag Abend im Saale der „Linde" siir die sAngehörigsn der Jacobikirch- gemeinde veranstalteten Familienabend zur Darstellung gelangten. D. Red. In dem Pilz'schcn Gasthaus zu Reichenhain sollen MittwoÄ, Seit 14. November, von Nachm. 2 Uhr ab 10 Schock Roggengarben, 29 Schock Hafergarben, 8 Scheffel Kartoffeln, 15 Centner Bundstroh, 1 Spazierwagen, 1 Pferd, Schimmel, 1 Kleidersekretär, .1 Kommode mit Glasschrank gegen sofortige Baarzahlung versteigert werden. Der Gerichtsvollzieher des Köntnl- Amtsgerichts zu Chemnitz. Gerber. Im Lorey'schen Hause zu Kappel, Zwickauerstraße 7, sollen Dienstag den IS. November von >/,3 Uhr Nachmittags ab verschiedene Farbewaaren, insbesondere Anilinfarben, Druckformen, Strumpf formen, Wannen, Fässer, Körbe, Steinkohlen, Möbel und Bekleidungsgegen stände re. zur öffentlichen Versteigerung gebracht werden. Der Gerichtsvollzieher bei »cm Königliche» Amtsgericht Chemnitz Actuar Berger. Im Handelsregister für den Stadtbezirk des Unterzeichneten Amtsgericht» wurde heute auf Folium 2592 die Firma Otto Werner in Chemnitz und als deren Inhaber der Kaufmann Herr Otto Heinrich Werner da selbst, Besitzer eines Agentur- und Commisllonsgeschäfts, eingetragen. Chemnitz, am 8. November 1883. Königliches Ai»ts«ericht, Abtheilung L. Nohr. Tr. Tageschronik. 13. November. 1002. Dänische Vesper in England. 1618. Dortrcchtcr Synode. 1851. Eröffnung des Telegraphen Dover-Tal ai». 1862. Uhland gest. 1880. General v. Gölsen gest. Ans vr. L. Kverjier'S Wetterprognose. Nachdruck verboten. 13. November. Dienstag. Wärmer, mild, Aufheiterung wechselt mit Be deckung und Niederschlägen, die namentlich nachts reichlicher fallen. Morgens bedeckt, vielleicht vormittags mit Sonnenblicken, mittags be deckt bis drohend, nachmittags ausgebessert bis zu gutem Abend; nachts Niederschläge wahrscheinlich, zumal nach Süden zu- Die Wasserstände steigen erheblich. 14. November. Mittwoch. Mild, zeitweise windig, Aufheiterung wechselt mit Regenfällen, morgens relativ naß-kalt. Morgens zunehmend be deckt mit Niederschlägen, nachmittags aufgebeffert bis herbstlich gut, nachts Niederschläge, die besonders im Süden ergiebig sind, bei im Süden auffrischenden bis lebhaften föhnartigen Südwestwinden. Die Wasscrstände steigen. 15. November. Donnerstag. Der 15., 16. und 17. November können, da im Westen ein Sturmfeld sich entwickelt, bezüglich Bewölkung, Nieder schlägen und Windstärke Unregelmäßigkeiten bieten, die noch der Beobachtung unterliegen. Mäßig kalt, theils bedeckt, theils besonders nachmittags ausgeheitert mit Niederschlägen in der Nacht. Normal morgens zunehmend bedeckt bis zu kurzen Niederschlägen und windig, nachmittags ausgebessert bis einige Zeit herbstlich gut, nachts bedeutende Niederschläge, zumal im Süden Deutschlands, an cxponirten Lagen Schnee. Der Morgen bis Mittag muß verhältnißmäßig kühl sein, die Miltagstemperatur mag 80 bis 100 6. betragen; die Nacht ist vcr- hältnißmäßig mild. In den westlichen Küstcngegcndcn wird es in den folgenden Tagen stellenweise stürmisch. Die Wasserstände steigen. Telegramme des Chemnitzer Anzeigers. Vom 11. November. Paris. Die Ernennung des Generals Appert znm Botschafter in Petersburg wird heute im „Journal vfficicl" veröffentlicht. Madrid. Der Gencraladjutant des deutschen Kaisers, General- licutenant Freiherr vor ''-'ö, welcher ein Schreiben des Kaisers über bringt, ist hier eingetroycn und wurde gestern Abend vom König Alsonso empfangen. London. Anläßlich der Lutherfeier fand gestern in Exeterhall unter dem Vorsitz des Lord Schastesbury, welcher das Porträt Luther's enthüllte, ein großes Meeting statt. Die Versammlung beschloß die Absendung eines Telegrammes an Kaiser Wilhelm, besagend, die Pro testanten Englands vereinigten sich in herzlicher Weise mit Devtschland zur Feier des Luthertages. London. Wie es heißt, werden die englischen Truppe« die Räumung Egyptens Ende November beginnen, Petersburg. Der Minister des Aeußern, v. Giers, tritt heute Mittag um halb 2 Uhr seine Reise ins Ausland an. — Der russische Consul in Berlin, Staatsrath Kudrjawzew ist zum Generalkonsul daselbst ernannt worden. — Das „Journal de St. Petersbourg" stellt die Meldung mehrerer Londoner Zeitungen von einer Mobilisi- rung der Pleskauer Truppen-Division und der Einberufung der Alters klasse von 1877 kategorisch in Abrede. Sofia. Der russische Oberst Baron KaulbarS ist hier angekommen. Petersburg. „Nowoje Wremje" und „Nowosti" bringen heute sehr sympathische Artikel über das Lutherfest. Dieselben heben hervor, daß es ein Fest der ganzen gebildeten Welt sei. Ueberall, wohin das Licht der Philosophie gedrungen sei und die Toleranz Wurzel gefaßt habe, könne die Feier nur lichte Gedanken und erquickende Gefühle Hervorrufen. — Die theologische Fakultät der Universität Dorpat er nannte den Consistorialrath Fromme! in Celle anläßlich des Luther festes zum Ehren-Doctor der Theologie. Konstantinopel. Einem bisher unverbürgten Gerüchte zufolge wäre Midhat Pascha von Taif entflohen. Berlin, 12. Nvv., 11 Uhr Vorm Wie nun mehr bestimmt, wird -er Lrronprinz nächsten Don nerstag früh die Reis> nach Genua über München ««treten und sich in Genua am 17. Nov. Mittags nach Barcelona einfchiffe». Weitere Depeschen s. Extra-Beilage- Politische Rundschau. Deutsches Reich. Dem Besuche des Königs Alfons in Deutschland wurde von Anfang an überall und namentlich auch in Frankreich eine politische Bedeutung beigelcgt. Eine Erwiderung dieser Ehrenbezeigung verlangte schon die herkömmliche Höflichkeit. Nun wird man aber dem greisen Kaiser Wilhelm in seinem hohen Alter die Beschwerden einer so weiten Reise nicht zumuthcn wollen, und so hat es an sich nichts Auffallendes, wenn der Kronprinz des deuischen Reichs den Gegenbesuch übernimmt. Doch macht es bcson- dcrn Eindruck, daß unser Kronprinz schon sofort über Genua, und zwar von dort aus mit ansehnlicher Kriegsflollille nach Spanien reisen will. Man weiß daß solche Gegenbesuche oft lange aufgcschobeii werden, und in der Raschheit der Erwiderung zeigt sich der Werth, der deutscherseits auf ein gutes Verhältniß mit Spanien gelegt wird. Ohne sich dem deutsch-österreichischen Friedensbündniß angeschlossen zir haben, wird Spanien fortan zu den friedensfreundlichen Mächten ge zählt, von denen die Franzosen bei einer Bethätigung:-ihrer Kriegslust keinerlei Förderung zu erwarten haben. Daß der Kronprinz in so stattlichem Aufzuge mit drei Kriegsschiffen die Reise macht, soll dem spanischen Könige und dem spanischen Volke zeigen, wie gern man diesseits auch äußerlich darthut, welch' gute Beziehungen zwischen Deutschland und allen friedliebenden Staaten obwalten. Auf da» spanische Volk wird es gewiß seinen Eindruck nicht verfehlen, daß der Erbe des stärksten Reichs in Europa als Gast ihres Königs mit allem Pomp erscheint, daß er „spanisch kommt". Und die Spanier werde«, wenn sie sich und ihr Land so durch den Besuch des deutschen Kron prinzen geehrt sehen, der Erkenntniß sich nicht erwehren können, daß sie angesehener, glücklicher und ungefährdeter unter einem Könige leben, der sich der aufrichtigsten Freundschaft der europäischen.Friedensmächte insbesondere Deutschlands, erfreut, als es unter einem demokratischen und anarchistischen Regiment der Fall sein könnte, mit welchem die Beschimpfer ihres Königs an der Seine sie immerfort noch beglücken möchten. So wird die Reise unseres Kronprinzen nach Spanien viel leicht nicht ohne wesentlichen Nutzen für dieses Land, seine Regierung und seinen Herrscher sein. Der deutsche Kronprinz ist in Begleitung der Frau Kronprinzessin am Freitag früh von seinem Hcrbstaufenthalte in Wiesbaden wieder in Berlin cingetrvffen. Er ist gerade noch zur rechten Zeit nach Berlin zurückgekehrt, um beim Abschied des österreichischen kronprinzlichen Paares zugegen zu sein; dasselbe hat am Freitag Abend die deutsche Kaiser stadt wieder verlassen, um nach Wien zurückzukchren. Jedenfalls nehme» die hohen österreichischen Gäste die angenehmsten Erinnerungen an ihren Be such am Berliner Hofe in die Heimath mit, da sie sowohl seitens deS Kaiserhofcs wie seitens der Bevölkerung der deutschen Neichshaupt- stadt sich einer ebenso glänzenden wie herzlichen Aufnahme zu erfreuen hatten und so wird denn der Besuch des österreichischen Thronfolger paares am Berliner Hofe ein weiteres bedeutsames Glied in der Kette jener so überaus freundschaftlichen Beziehungen bilden, welche seit langem zwischen den Kaiscrfamilien Deutschlands und Oesterreich» wie zwischen den beiderseitigen Regierungen obwalten. — Der deutsche Kronprinz aber ist nur in Berlin eiiigctroff'en, um dasselbe in diesen Tagen als der Träger einer bedeutungsvollen Mission wieder zu ver lassen. Er ist von seinem kaiserlichen Vater beauftragt, in seinem Namen dem Könige Alsonso in Madrid einen Gegenbesuch zu machen und wird sich Kronprinz Friedrich Wilhelm zu diesem Zwecke in Genua einschisscn und drei deutsche Kriegsschiffe haben Ordre erhalten, den deutschen Thronerben nach der spanischen Küste zu geleiten. Man darf versichert sein, daß sich unser Kronprinz vom Madrider Hofe wie von der spanischen Bevölkerung eines glänzenden Empfanges zu