Volltext Seite (XML)
Beilage zum Schönburger Tageblatt. 19. Sonntag, den 24. Januar 1897. Antonio Maceo, der gefallene Führer der Aufständischen auf Cuba. «,chdru<i oerdoten. Bor wenig Wochen haben bekanntlich die Insurgenten auf Cuba einen ihrer befähigtsten Heerführer, den Mulat ten Antonio Maceo, durch den Tod verloren. Die Todesursache ist immer noch nicht aufgeklärt. Nach den cubanischen und amerikanischen Zeitungen ist Maceo, auf dessen Kops die Spanier 250,000 Franken Prämie ge setzt hatten, ermordet, d. h. vergiftet worden, nach Madrider Berichten von spanischen Soldaten im Kampfe erschossen. Für die erste Behauptung spricht besonders der Umstand, daß der Arzt Or. Zertucha, der früher nie mit den Aufständischen sympathisirte, die letzten Wochen im Lager Maceo's verbrachte, und nach dem Gefechte von Punta de Brawa am 4. December 1896 in das Lager der Spanier überlief, dort aber auffallen der Weise nicht zum Gefangenen gemacht wurde. Viel mehr dient jetzt Or. Zertucha den Spaniern als Kund schafter und Führer der Truppen in den schwer zugäng lichen Gebirgsgegenden. Die Seele des Aufstandes war der todte Maceo nicht, aber er war einer der geschicktesten, eifrigsten und erfolg reichsten Führe" desselben. Er war ein militärisches Genie, ein vielseitig begabter Feldherr, tapfer, kaltblütig und doch wieder leidenschaftlich verwegen. Trotz der strengen Manneszucht, die er unter seinen Schaaren auf recht zu erhalten wußte, war er bei seinen Soldaten ausnahmslos beliebt. Seine Truppen hingen mit Be geisterung an ihm, da er für alle seine Mannschaften väterlich sorgte. Maceo war eine stolze ritterliche Er scheinung, ein Mann von herkulischem Gliederbau, der früher, d. h. bis zur Schlacht von Cayo del Rey eine Löwenstimme besaß, die bei den Kämpfen ost im feind lichen Lager vernommen wurde. In der Schlacht von Cayo del Rey, einer der letzten großen des Aufstandes von 1868—1878, erhielt Maceo eine spanische Flinten kugel in die Lunge. Immerhin blieb ihm noch ein sehr lautes Organ. Maceo's Körper war )>om Kops über die Brust bis zu den Füßen herab mit Narben bedeckt. Er soll 31 Narben von Kugeln, Bajonettstichen und Säbelhieben gehabt haben. Persönlich war er außer ordentlich mäßig, von gewinnenden Umgangsformen und Damen gegenüber außerordentlich galant. Er trank weder Biere noch Liköre, ja selbst den bei den Cabanern allbeliebten Kaffee verschmähte er. Auch hat er niemals geraucht, auf Cuba jedenfalls — eine Ausnahme-Erschei nung. Seine Kost war die denkbar einfachste und sofern es nur irgend ging, lebte er als Vegetarier. Während des Feldszuges von 1868—1878, ferner bei den Kämpfen in Honduras, an denen Maceo in den 80er Jahren theilnahm, und ebenso im gegenwärtigen Ausstande hat Maceo nie in einem Bette geschlafen. Er ruhte des Nachts entweder unter einer leichten Hütte auf bloßer Erde oder unter einem Baume. Maceo war Autodidact. DasLicht der Welt erblickte er auf Cuba und zwar in Santiago de Cuba am 14. Juli 1848. Sein Vater hieß Marcos, seine Mutter, eine geborene Grajales, harte zuerst einen gewissen Manuel Regliferos geheiratet, diesem vier Söhne geschenkt und war nach dessen Tode Marco Maceo's Frau geworden, dem sie sieben Söhne gebar. Von den vier Söhnen aus erster Ehe starben drei auf dem Schlachtselde gegen die Spanier. Der vierte wurde zum Krüppel geschossen. Von seinen sechs rechten Brüdern verlor Antonio vier in den Kämpfen gegen die Spanier, ebenso seinen Vater, der 1878 an einer Verwundung starb, die er sich im Kampfe gegen die Spanier zugezogen hatte. In seiner Jugend ver diente Maceo, der in der Schule nicht einmal sonderlich gut lesen und schreiben gelernt, sein Brot als Maulthier treiber, Hirte und Plantagcnarbeiter. 1868 schloß er sich dem vorletzten Ausstande an und 1869 hatte er be reits 18 Wunden am Körper. Er avancirte schnell. Nach Jahresfrist war er Sergeant, wurde später Lieute nant, Kapitän, schließlich Major. Nach der Erstürmung von Ti-Arriba wurde er zum Obersten ernannt. Er schlug Martinez Campos, den Grafen Balmaseda, den „Tiger von Cauto" und Valerian Weyler. Nach dem Vertrage von Zanjüro, den die Insurgenten und die Spanier 1878 miteinander abschloffen, ging der schwer- verwundete Maceo zuerst nach Nordamerika und erwarb sich bei tüchtigen Lehrern und durch Selbststudium eine leidliche Bildung. Darauf nahm Maceo an den Kämpfen im Honduras theil und wurde von den Präsidenten der Republik Honduras, Marco Aurelio Soto, zum Gouver neur von Puerto CorteS ernannt. Fortwährend con- spirirte Maceo gegen die Spanier auf Cuba, besonders aber von Costa Rica aus, wo er sich in der zweiten Hälfte der 80er Jahre eine Plantage gekauft hatte. Be reits 1890 versuchte er auf Cuba einen neuen Aufstand in Scene zu setzen. Der Plan mißlang jedoch. Als im Februar 1895 der gegenwärtige Aufstand auf Cuba ausgebrochen war, verließ Maceo am 25. März Costa Rica an Bord deS Dampfers Andirondack und bestieg auf der Insel Fortuna die englische Schaluppe Honor. Mit diesem Fahrzeuge landete er an der cubanischen Küste bei Duaba in der Nacht vom 31. März zum 1. April. Seine Kämpfe gegen die Spanier zunächst im Osten, zuletzt im Westen sind durch die Tagesblätter ge nügend bekannt geworden und noch in Aller Erinnerung. Theod. Herm. Lange. Der Dom ;u Meißen. Ueber den Dom zu Meißen, das kostbarste Kleinod sächsischer Architectur, hielt Professor Cornelius Gurlitt aus Dresden vergangenen Sonntag im Leipziger Kunst verein einen Vortrag, in dem er nicht allein eine nach allen Seiten hin kritisch fest bestimmte Baugeschichte des Domes gab, sondern im Anschluß daran die Hörer ein führte in das Wesen der Baustile und den Ursachen in der Geschmacksveränderung in Deutschland, die sich durch die Ablösung des romanischen Baustiles durch die Gothik kundgab, psychologisch nachspürte, so daß hinter den stei nernen Denkmalen mittelalterlicher Baukunst gewisser maßen die schaffenden Gewalten des menschlichen Seelen lebens lebendig wurden. Für die Aufhellung der Baugeschichte des Meißener Domes geben die schriftlichen Ouellen, die Acten in Ar chiven und Bibliotheken nur geringe Ausbeute. Es ist nicht bekannt, in welchem Jahr der Bau begann, man weiß auch nicht sicher, unter welchem Bischof und Landes- iürsten sich der Bau vollzog. Nicht ein einziger Künst ler, weder wer das Werk entworfen hat, noch wer die Einzelheiten bildete und den Bau mit künstlerischen Bild werken füllte, wird von ihnen genannt. Nur aus dem Wege der Baustilvergleichung und unter Berücksichtigung der geschichtlichen Ereignisse überhaupt läßt sich die Ge schichte des Domes entwickeln, die infolgedessen zu einem kunstreichen Ausbau incinandergreisender, sich gegenseitig stützender Kriterien wird, den Gurlitt auch mit logischer Uebersichtlichkeit aufführle. Aus seinen Erörterungen geht hervor, daß in die Zeit von 1224 bis 1250 die Gründung des Domes fallen muß. Während noch das 1224 gebaute Benediktinerkloster den heimischen romani schen Stil ganz rein aufweist, zeigt die 1250 von den Franziskanern gebaute Kirche die rein französische Gothik in ihrer fertigsten Form. Der Dom, der eine Stil mischung beider ist, muß also innerhalb dieser Zeitgren zen entstanden sein, was auch durch eine Reihe weiterer Kriterien bestätigt wird. Während zur Zeit des Inter regnums, deS tiefsten Verfalls der deutschen Kunst und des Sieges der katholischen Kirche über das deutsche Volksthum, das ganze Land in Anarchie und Fremd länderei versank und der Kölner Erzbischof sich absicht lich nach Frankreich wandte, sich von dort das Project für seinen Dombau holte, französische Baumeister und Künstler anwarb und wir im Kölner Dom die beste und großartigste Copie französischer Kathedralen, die umfas sendste Uebertragung des Kathedralgedankens zu sehen haben, ist, wie bei dem Magdeburger Dom auch beim Dom zu Meißen der grundlegende Baumeister ein Deutscher, der den Grundriß fast mit mathematischer Genauigkeit hinsichtlich des Rhythmus nach dem Muster der sächsischen Kirchen entwarf. Diesem Meister zur Seite stand ein von französischer Kunst beeinflußter Künstler, der auch in der herrlichen Kirche zu Naumburg Spuren seiner Thätigkeit hinterlassen hat; von diesem sind die herrlichen Skulpturen, die Statuen, die sich in ihrer ganzen ver tieften und lebendigen Auffassung des McnschcnthumS der sächsischen Kunst in Magdeburg, Naumburg, Wechsel burg, Freiberg anschließen. So ist also vor allem in dem Meißner Dom ein gewisser Gegensatz zum Dom in Köln hervorzuheben: bei letzterem fremder Idealismus, Aufnahme fremder Gedanken, hier das Nachwirken der Kraft des sächsischen Volksstammes, eine Kunst, die am eigenen Herde warm geworden ist. Das 14. Jahrhundert hat am Meißner Dom eine ganze Reihe von Bauten ausgeführt, auf deren Details Gurlitt in einer vorzüglichen Analyse einging; besonders hervorzuheben ist, daß im 14. Jahrhundert der Dom durch den Einfluß der Franziskaner zu einer querschiff losen Hallenkirche umgearbeitet wurde. Und wie diese baulichen Veränderungen einen tiefen Blick in das Trei ben der Menschen jener Zeit gestatten, wußte Gurlitt nachdrücklicher Weise hervorzuheben. Es folgte die Zeit des tiefsten künstlerischen Verfalls; aus ihr stammen die Statuen der Westfassade, die unselbständig, ohne Kraft in den Gliedern, weichlich und bäuerlich rch sind, und die Grabplatten, etwa 200 an der Zahl, von denen Gurlitt eine Reihe von Pauszeichnungen ausgestellt hatte. Erst langsam erhob sich die Kunst wieder an dem aus gezeichneten und kräftigen Vorbild der Niederländer. Je tiefer die Kunst im 14. und 15. Jahrhundert ge sunken war, um so höher war ihr gewaltiger Aufstieg am Ende des 15. Jahrhunderts, eine Kunst, die vor allem das sich kräftigende Bürgerthum förderte und trug. Die wichtigste Thatsache ist, daß die sächsischen Fürsten einen Meister beriefen, der eine wunderbar künstlerische Charaktergestalt ist, den Meister Arnold von Westfalen, der Erbauer der Albrechtsburg wurde. Sein Werk, das 1471 begann, zeigt von aller Ueber- lieferung unabhängige Stilformen. Es ist das eines im eminentesten Sinne schöpferischen Geistes, der die ungeheure Thal unternahm, einen ganz neuen Baustil zu schaffen. Daß diese Thatsache heute noch nicht genügend gewürdigt ist, hat seinen Grund darin, daß die schönhcitlichen Resultate, die er erreichte, nicht unbedingt einwandfrei sind, daß sie nicht die reine Harmonie einer vollendeten Kunstperiode zeigen, die immer das Ende einer langen Entwickelung ist, sondern in ihrem Character dieselbe Zwiespältigkeit aufweisen, die in der Seele des Meisters gelebt haben muß, der mit den alten Traditionen kraftvoll um eine neue Schönheit rang. Dieser große Meister hat wohl auch am Dome seine Thätigkeit entfaltet. Künstler ersten Ranges haben auch an der Ausschmückung des Werkes gearbeitet. ES ist kein Zweifel, daß Peter Vischer und der Venetianer Jacoba de Barbari, Albrecht Dürers Lehrmeister und Dürer selbst fleißig mitgearbeitet haben. Gurlitt macht es auch sehr glaubhaft, daß einer der größten Maler der niederländischen Schule, Jon Mabuse, das Altarbild geschaffen hat, das zum Vollkommensten gehört, was in Deutschland geleistet worden ist. Die zweite große Blüte zeit des deutschen Könnens hat so ihre Spuren im Meiß ner Dom hinterlassen. Mit dem Siege der Reformation wurde der Bau- thätigkeit am Dome ein Ziel gesetzt, weil der Dom selbst seine Bestimmung verlor. Er hatte keine Gemeinde mehr. So ist denn Jahrhunderte hindurch der Dom ein Stief kind des Interesses gewesen. Vieles Schöne ist verloren gegangen: Malereien werden wohl noch unter den weiß getünchten Wänden verborgen fein. An unsre Zeit tritt die ernste Mahnung heran, daß wir dieses Werk, in dem wir den kunstgrschichtlichen Mittelpunkt für Sachsen zu erblicken haben, erhalten. Lange genug ist der Bau sich selbst überlasten gewesen, so daß die Zeit ihren zerstören den Einfluß besorgnißerregend geltend gemacht hat. Die Mittel, den Dom in seiner würdigen Schönheit zu er halten, reichen nicht aus; aber es ist dringend nothwen dig, der fortschreitenden Zerstörung Einhalt zu thun, um dieses köstliche Werk deutscher Baukunst nicht nur uns, sondern auch späteren Geschlechtern in seiner alten Herr lichkeit zu erhalten. (Leipziger Neueste Nachrichten.) Uetzer die Ursache der Zannenflecken. Die „Frankfurter Ztg." hatte neulich die Mittheilung gebracht, daß am Ostrande der Sonne ein ungeheurer Fleck erschienen sei, der auch für das unbewaffnete Auge zu erkennen wäre. Aus diesem Anlaß ist ihr eine Zu schrift zugegangen, worin dargelegt wird, welche Annahme üher die vielumstrittene Natur der Sonnenflecken sich bei den Astronomen jetzt des meisten Beifalls erfreut. Man ist längst davon zurückgekommen, die Sonnenflecken als erkaltete Schlackenmasten zu betrachten, die auf der feurig flüssigen Sonnenoberfläche schwimmen, auch die Annahme, daß durch heftige Wirbelstürme die leuchtende Atmosphäre der Sonne zerrissen werde und man dann durch die Lücke auf den dunklen Sonnenkörper sebst blicke, ist zu den Acten gelegt. Wir glauben nicht mehr an einen getrennt von der Atmosphäre bestehenden Sonnenkörper, sondern nehmen einen continuirlichen Uebergang von der gasigen äußeren Umhüllung der Sonne zu ihrem Innern an, über besten Constitution wir nichts misten können und auch nichts zu misten brauchen. Auch nimmt man an, daß die Sonnenflecken nicht eigentlich schwarz, also dunkel seien, sondern nur Stellen niedrigerer Temperatur, also auch weniger hell als die umgebenden Stellen der Sonnenoberfläche, und daß nur der Contrast gegen die glänzende Umgebung sie so dunkel erscheinen laste. Für ihre Entstehung aber macht man nach dem Vorgang von E. v. Oppolzer rein meteorologische Vorgänge nach strenger Analogie irdischer Verhältnisse verantwortlich. Wenn auf der Erde ein Luftstrom sich in absteigender Richtung bewegt, so erwärmt er sich dabei infolge der Reibung. In eine gewisse Tiefe gelangt, hört die abwärts gerichtete Bewegung auf und geht in eine horizontale nach allen Seiten über. Infolge dieser Ausdehnung findet nun eine starke Wärmeaus strahlung statt, die zur Verdichtung des vorhandenen Wasterdampfes, also zum Auftreten von Bodcnn/'eln führt. Man nimmt ganz ähnlich auf der Sonn, an