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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage M 18 Sonnabend, den 23. Januar 1897 Zugleich weit verbreitet in den Städten Pemg, LrnizeRE, TtchtemtEin-GÄLttberg, und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Ägidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen Leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, OelSnitz i. C., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. - Sonu- SN« Ketusgen. »nnahuie son Inseraten für die nächster- sHeinmde Rnmmer M mittags 12 Uhr. «« Abonr.ernrnjsprcis beträgt pirrteijähr- M 1 SS Pf. Einzelne Rrn. 5 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Linges. SO Ps. Expedition: Wsldmbmg, Öhrrgaffe 2dl K. Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herr Kaufmann Otto Förster; in Kaufnnge, bei Herrn Fr. Janaschek; in Langenchurs dorf bei Herrn H. Stiegler; in Penig bei Frau Kaufmann Max Härtig, Leipzigerstr 163; in Rochsburg bei Herrn Paul Zehl; iu WoUenburg bei Herrn Ernst Rösche; iu Ziegelheim bei Herrn Eduard Kirsten. Amtsblatt für dsn Stadtrath zu Maldenburg. «nd WMetlimrzer Anzeiger Wttteruugsbericht, ausgenommen am 22. Januar, nachm. 4 Uhr. Barometerstand 742 mm. reducirt auf den Meeresspiegel. Thermometerstanö — 1,5" 0. (Morgens 8 Uhr — 5 .) Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 78"/v. Thaupunkt — 9,5 Grad. Windrichtung: West. Daher WittetANgsaussichteu für den 23. Januar: Trübe bis halbheiter, Niederschläge nicht ausgeschlossen. "Waldenburg, 22. Januar 1897. In Bombay ist nun auch unter den Europäern die orientalische Pest ausgebrochen, und zwar unter der Dienerschaft des Gouverneurs. Die betreffenden Häuser wurden sofort niedergebrannt. Die Behörden sind ohn mächtig gegen die rapide Ausbreitung der verheerenden Epidemie. Die Leute fallen auf den Straßen wie die Fliegen hin. Ursprünglich schienen sich die englischen Aerzte über den wahren Charakter der Erkrankung nicht ganz klar gewesen zu sein. Erst als ganze Bevölkerungs gruppen von ihr ergriffen und großentheils durch sie da hingerafft wurden, konnte kein Zweifel darüber bestehen, daß es sich um jene gefürchtete, im höchsten Maße an steckende Krankheit handelt, die man orientalische oder Beulen-Pest zu nennen pflegt. Durch das Beiwort orientalisch will man auf den Ursprung, durch jenes an dere dagegen auf eine hervorstechende Erscheinung inner halb der krankhaften Symptomengruppe Hinweisen. Diese sogenannte Beulen- oder Drüsenpest zeigt nämlich als besonders charakteristisches Merkmal eine rasch in Eiterung übergehende Entzündung der in den Schenkelbeugen oder in den Achselhöhlen oder an den Unterkiefern gelegenen Drüsen. Aber auch Drüsen innerhalb des Körpers zeigen vielfach dieselbe Erkrankungsform. Uebcr die wahre Ur sache dieser verheerenden Krankheit ist trotz aller darauf verwandten Mühen der Bakteriologen nichts Sicheres er gründet, und der oft als entdeckt verkündete PestbazilluS hat sich immer wieder als ein wissenschaftlicher Jrrthum herausgestellt. Ob der Krankheitserreger nun ein Bazillus ist oder nicht, mag dahin gestellt bleiben, so viel ist sicher, daß die Pest sich weder an klimatische, noch an sociale Unter schiede bindet. Es ist richtig, daß sie alle Altersklassen und alle Stände heimgesucht hat, daß sie sich wenig von den Temperaturen in den verschiedenen Jahreszeiten be einflussen läßt, daß sie in Hochthälern und in Niederungen wüthen kann. Gleichwohl unterliegt es nicht dem minde sten Zweifel, daß die Pest wie alle epidemischen Krank heiten ganz besonders zahlreiche Opfer unter denjenigen Schichten der Bevölkerung fordert, die in schlecht gelüste ten, dumpfen, engen Wohnräumen zusammengedrängt leben müßen, die sich schlecht nähren und wenig Sorge für Reinlichkeit aufwenden können. Als ein weiterer die Verbreitung der Krankheit außerordentlich begünstigender Umstand muß die greuliche Vernachlässigung aller öffent lichen gesundheitspolizeilichen Maßregeln angesehen wer den. In dieser Beziehung halten selbst die verwahrlose- sten Theile Europas einen Vergleich mit den Zuständen in einzelnen Theilen von Britisch-Jndien, von Persien, den südlichen und mittleren Theilen Arabiens und Egyp tens aus. Andererseits legt die Geschichte der Epidemien und besonders der Pest in Europa einen unwiderleglichen Beweis für die Richtigkeit der Behauptung ab, daß mit der steigenden allgemeinen Kultur, mit der bester ent wickelten Verwaltung, mit der sorgfältigeren Beobachtung der Gesetze der öffentlichen Gesundheitspflege und der consequenteren Durchführung einer vernünftigen Gesund- heitspolizn die epidemischen Krankheiten im Allgemeinen und die orientalische Pest im Besonderen ganz außer ordentlich viel von ihrer ehemaligen Furchtbarkeit ver loren haben. Europa war in den vergangenen Jahrhunderten, ins besondere die Mittelmeerstaaten, niemals ganz pestfrei. Wir wollen nur daran erinnern, daß Waldenburg im Jahre 157g einem halben Jahre gegen 200 Menschen, 1633 aber 389 und im Jahre 1682 abermals 268 Menschen verloren hat; aber vom Ende des 17. Jahr hunderts an vergrößerten sich doch schon die zeitlichen Zwischenräume zwischen dem einen und dem anderen Ausbruch dieser Epidemie. Ende des vorigen Jahr hunderts glaubt,, man sogar, den Satz aufstellen zu können, Europa sei gänzlich und für alle Zeiten pestfrei geworden. Diese Vermuthung hat sich freilich nicht bestätigt. Es sind zu wiederholten Malen im Laufe dieses Jahrhunderts in Europa Pesterkrankungen, therls vereinzelt, theils in epidemieartiger Verbreitung, beobachtet worven, noch zuletzt im Gebiete des unteren Wolgalaufes während der Jahre 1878 und 1879; allein, von Pest ausbrüchen im Sinne früherer Jahrhunderte ist glück licherweise jetzt nicht mehr die Rede. Während von der Seeseite aus durch die bestehenden internationalen Sanitätsbestimmungen die Einschleppungs gefahr eine verhältnißmäßig geringe sein dürfte, ist die Möglichkeit einer Verbreitung der Krankheit auf dem Landwege, namentlich durch die von Mekka zurückkehren den mohamedanischen Pilger allerdings eine viel stärkere. Und wenn man bedenkt, daß im Südosten der öster reichisch-ungarischen Monarchie zwei Provinzen mit einer verhältnißmäßig starken mohamedanischen Bevölkerung vorhanden sind, so könnte die Verbreitungsgefahr als eine noch größere erscheinen. Allein, die beste Schutzwehr gegen die Verbreitung von jenen Punkten aus, nämlich von Bosnien, liegt gerade in der ausgezeichneten Hand habung der Sanitätspolizei seitens der österreichischen Verwaltung. Man kann daher mit voller Ruhe der Entwickelung der Epidemie in Indien, wenigstens insofern entgegensetzen, als eine ernsthafte Bedrohung Europas und insbesondere unseres Vaterlandes durchaus nicht zu befürchten ist. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Das Kaiserpaar machte Donnerstag Vormittag den gewohnten Spaziergang durch den Thiergarten. In das kgl. Schloß zurückgekehrt, hörte der Kaiser den Vortrag des Kriegsministers und arbeitete mit dem Chef des Militärcabinets. Abend fand das übliche Botschafterdiner beim Kaiserpaar statt. Am heutigen Freitag besichtigt der Kaiser die Rekruten beim 1. Garderegiment in Potsdam. Der deutsche Kaiser und der Prinzregent Luitpold von Bayern werden sich im Laufe dieses Jahres bei zweierlei Anlässen begegnen: Das erste Mal, wenn sich die deutschen Fürsten zum 100. Geburtstage weiland Kaiser Wilhelms I., ähnlich wie bei der ersten Reichs tagseröffnung unter dem jetzigen Kaiser rn Berlin ver sammeln, das zweite Mal zu den angeblich geplanten Manövern der beiden bayerischen Armeecorps und des 9. hessischen Corps. Prinz Leopold, der zweite Sohn des Prinzregenten, würde in diesem Falle, wie es heißt, die Bayern befehligen. Seit dem September 1891, olso seit 6 Jahren, haben sogenannte Kaisermanöver in Bayern nicht mehr stattgefunden, so daß die Nachricht insofern keineswegs unwahrscheinlich klingt. Als Oert- lichkeit des Manövers dürfte Unterfranken, mit Würzburg als Hauptquartier in Betracht kommen. Den zahlreichen Aeußerungen sachverständiger Männer und Körperschaften in England und Frankreich über den deutschen Wettbewerb auf dem Weltmarkt ist heute der Bericht der englischen Commission anzureihen, die zum Studium des technischen Bildungswesens nach Deutschland entsandt worden ist. Der Bericht besagt, es bestehe kein Zweifel, daß in gewissen Industrien die britische Ueberlegenheit ernstlich gefährdet werde, indem Deutschland gewaltige Fortschritte mache, besonders in den Industriezweigen, in denen es eines größeren chemi schen oder technischen Mistens bedürfe. Eine Herabsetzung der Eisenbahnfahrpreise wird in einer Resolution gefordert, die der Abg. Or. Pachnicke (fr. Vp.), unterstützt von der freisinnigen Ver einigung, im Reichstage eingebracht hat. Die Resolution verlangt unter thunlichster Ermäßigung der Tarifsätze eine Vereinfachung des Tarifsystems und unter Aufhebung des Freigepäcks eine Ermäßigung und Vereinfachung des Gepäcktarifs. Nach den Erklärungen, die der Eisenbahn minister Thielen neuerdings in der Budgetcommission abgegeben hat, darf man auf eine Geneigtheit des Eisen bahnministers, die Fahrpreise herabzusetzen, rechnen. Im Uebrigen ist gerade der gegenwärtige Augenblick für ein gewünschtes Zustandekommen der Reform besonders günstig, da sich sowohl das Reich wie die Einzelstaaten in einer Aera steigender Ueberschüsse befinden. Schon im Jahre 1891 hatte die Budgetcommission des Reichstages einen ähnlichen Antrag mit großer Mehrheit angenommen, der im Plenum nur mit Rücksicht auf die damalige Geschäfts lage nicht zur Erledigung kam. Da im Reichstage zur Zeit eine Mehrheit für den Antrag sicher ist, so darf man hoffen, daß die Eisenbahnsahrten demnächst etwas billiger werden dürften. Der Eisenbahnfiskus wird durch eine mäßige Herabsetzung der Preise kaum eine Schädi gung erleiden, da mit der Verbilligung der Reisegelegen- heit die Zunahme der Reisenden in gleichem Verhältniß aufsteigen wird; dem großen Publikum kann eine Tarif herabsetzung aber nur willkommen sein. Die vertraulichen Besprechungen, zu denen der Kriegs minister v. Goßler Mitglieder der Budgetcommission des Reichstages eingeladen hatte, dauerten gestern 3 volle Stunden und sind heute fortgesetzt worden. Schon aus der Dauer dieser geheim zu haltenden Conferenzen geht hervor, daß deren Gegenstand ein sehr bedeutsamer sein muß. Daß sich die Besprechungen auf eine Umgestal- tungunsrerArtillerie beziehen, dürfte keinem Zweifel unterliegen, trotzdem etwas Bestimmtes über den Inhalt der Berathungen natürlich zunächst nicht bekannt werdm kann, da die zu den Besprechungen eingeladenen Reichs tagsabgeordneten strengste Verschwiegenheit haben ange- loben müssen. Daß man auch in den leitenden militä rischen Kreisen Oesterreich-Ungarns die Frage einer Neubewaffnung ins Auge gefaßt hat, kann keinem Zweifel unterliegen, wie es andrerseits höchst wahrscheinlich ist, daß die beiden verbündeten Mächte, falls eine Umgestal tung Erforderniß werden sollte, bei der einzuschlagenden Reform möglichst gleichmäßig vorgehen werden. Der Bundesrath hat in seiner Donnerstag-Sitzung die Entwürfe des Handelsgesetzbuchs, der Grundbuchord nung und der Convertirung der Reichsschulden angenom men. Der Entwurf über die Zinsherabsetzung der 4procentigen Reichsanleihe in 3'/rprocentige ist auch dem Reichstage bereits zugegangen, woselbst er ohne große Schwierigkeiten zur Erledigung gelangen wird. Der Staatssekretär des Auswärtigen Frhr. v. Mar schall wird, wie nunmehr positiv feststeht, am Sonnabend in Berlin eintreffen und am nämlichen Tage die Geschäfte seines Ressorts im vollen Umfange wieder aufnehmen. Trotz der unanfechtbaren Erklärung des Fürsten Hohen lohe über den Leckert-Lützow-Proceß im preußischen Abgeordnetenhause schweigen die versteckten Angriffe iu kleinlichen Verdächtigungen, die besonders auf den Staats-