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Anlage zum Areiberger Anzeiger und Hageölatt. ^«136. Dienstag, de» 1«. Juni. 1891. Sei den türkischen Säubern. Die Erzählungen der drei Gefangenen, der Herren Gracger aus Berlin, Rittergutsbesitzer Maquet aus Siegelsdors und Kötzsch aus Zörbig lauteten ungefähr wie folgt: Nach der Sprache und Kleidung sind die Räuber unzweifelhaft Griechen. Sie sprachen untereinanoer nur griechisch und trugen auch eine Kleidung, wie man solche in Nvrdgriechenland überall sehen kann. Ihre Kopfbedeckung bestand in den ersten Tagen aus einem griechischen bohen Fez, der vorn übergelegt ist, später trugen sie schwarze Käppchen mit Stickereien. Zur Bekleidung gehörten ferner dunkle, oben weite und unten eng anliegende Bein kleider, dunkle Jacke mit schmalen, in reichen Verzierungen aufgenähten schwarzen Bändchen und nach griechischer Art auf- geschlitzten Aermeln. Die Brust schaute frei aus einem sichtbar mit Oel getränkten, offenen Hemv heraus. Fussanella trugen sie nicht, dagegen einen Mantel, wie ihn das griechische Land heer trägt. Die 6 im besten Mannesalter stehenden Räuber soivohl, als ganz besonders der Anführer waren kräftige, schöne Gestalten und hatten zwar etwas Finsteres, aber nicht gerade Bösartiges in ihren Zügen. Der Räuberhauptmann, etwa 40 Jahre alt, trug einen großen Vollbart. Aus der Ausrüstung und straffen Haltung der Räuber hätte man fast darauf schließen können, man habe cs mit Soldaten zu thun; sie gehorchten dem Chef auf das Wort und lebten unter einander in steter Einigkeit. Die 6 Räuber hatten gute Martini-Gewehre, der Hauptmann eine Art Chassepot; außerdem trug Jeder einen Hatagan und um den Leib in einem Gürtel eine Anzahl Patronen. Der Hauptmann war noch mit einem Revolver und den dazu nöthigen Patronen in einem besonderen Gürtel, sowie einem über die Schulter hängenden Patronengürtel versehen. Man konnte von demselben mit Recht sagen, er sei bis an die Zähne bewaffnet. Daß unsere Lage unter diesen Umständen eine sehr ernste war, dürfte begreiflich sein. Wir konnten aus diesem Grunde nichts Besseres thun, als uns ruhig iu unser Schicksal ergeben, denn wir besaßen nicht die kleinste Waffe. Als die Räuber nach Plünderung des Zuges sich unserer bemächtigten, mußten wir zunächst eine halbe Stunde marschiren. Dann breiteten sie ihre Mäntel aus und befahlen uns, uns uiederzulegen. Sie erlaubten uns zu rauchen und eine Flasche Wein, die der Maschinenführer Freudinger, der als Dolmetscher mitgenommen war, mit seinem Tabak noch aus dem Zuge ge holt hatte, zu trinken. Indessen hörte man bald eine Lokomotive pfeifen, was die Räuber bewog, den Weitermarsch zu beschleunigen. Nach einem ferneren Marsche von 2 bis 3 Stunden wurde wieder Halt gemacht und es wurde nun berathen, in welcher Weise das Geld zu beschaffen sein werde. Wir wußten damals nicht, daß die türkische Regierung die Ersatzpflicht übernehmen werde und glaubten, daß man sich nur an uns halten werde. Da erklärte sich Herr Israel bereit, wenn er frcigelassen werde, die verlangte Summe durch Herrn Bleichröder in Berlin sofort beschaffen zu lassen, was von uns Anderen mit großem Dank und auch von dem Banditenführer ncceptirt wurde. Nachdem Herr Israel dem Banditenführer auf Handschlag nochmals ver sichert hatte, daß er das Geld sofort besorgen werde, verließ er uns. Mit ihm wurde auch der Küchenchef Kiok, der gleich anfangs sich krank gestellt hatte, entlassen, weil dieser für die Räuber ein zu geringes Werthobjekl war. Eigentlich sollte ihm der Kops abgeschnitten werden, um ihn los zu sein, aber vielleicht wollten die Räuber vorläufig jede Blutlhat vermeiden. Wir Anderen wurden von den Räubern unter der öfteren Ermunterung durch das manchmal ganz umheimlich klingende Wort „Haidi" zum Weitermarsche gezwungen. Während wir uns über die Entfernung Kiok's nur freuen konnten, betrachteten wir es als ein besonderes Glück, daß Herr Freudinger bei uns bleiben mußte, denn ohne diesen wäre eine Verständigung mit den Banditen gar nicht möglich gewesen. Zuerst be fürchteten wir, gefesselt zu werden, denn hierauf bezügliche Andeutungen waren bereits gemacht worden, doch wurde uns diese Pein erspart Indessen erklärten uns die Räuber in sehr bestimmter Form, daß jeder Fluchtversuch und jede Wider setzlichkeit von unserer Seite uns den Kopf kosten würde; auch für den Fall einer Erkrankung war uns dasselbe Verfahren in bestimmte Aussicht gestellt. Aus den Gesichtern unserer Peiniger konnten wir deutlich lesen, daß sie es vollkommen ernst damit meinten. Zu ihrer eigenen Sicherheit blieb ihnen am Ende auch nichts Anderes übrig. Dagegen hatten sie gleich im Voraus gesagt, die türkische Regierung werde das Geld bestimmt zahlen und dieser Umstand gab uns die Ge wißheit, daß wir von den Räubern als ein Werthobjckt von 200000 Franks mit möglichster Schonung behandelt werden würden, worin wir auch nicht getäuscht wurden. Es hätte uns aber auch der Zufall verhängnißvoll werden können, da bei den großen Strapazen, die wir gegen unsere Gewohnheit zu ertragen hatten, Einer von uns krank tverden, oder bei dem sehr beschwerlichen Klettern und Absteigen in einem ganz un wegsamen, von grauenhaften, finsteren Schluchten durchzogenen Gebirge einen Unfall haben konnte, i» welchem Falle man gewiß wenig Umstände mit dem Unglücklichen gemacht hätte. Wir befanden uns aus diesem Grunde doch beständig in Lebensgefahr. Die ersten zwei Tage hatten die Räuber für uns nichts als Wasser und Brot, wir haben auch nicht b-merlr, daß sie selbst in dieser Zeit andere Nahrung zu sich genommen hätten. Darauf bekamen wir auch Fleisch, indem die Räuber aus einer Hammelheerde, der wir begegnete», zwei Stück ent nahmen und am Spieße braten ließen. Später kamen zwei Schafe in unser Lager und als wir baten uns etwas Anderes als Wasser zu verschaffen, erhielten wir auch einige Male warme Milch. Die Felle der Hammel wurden den Hirten zurückgegeben, wir konnten jedoch nicht bemerken, ob das Fleisch bezahlt wurde. Die Milch wurde den Kühen auf den Feldern einfach abgemolken. Unsere beschwerlichen Märsche fielen fast ausschließlich in die Nachtzeit, während wir uns bei Tage im dichten Gebüsch versteckt halten mußten, ohne laut reden zu dürfen. Die Märsche gingen bald im Zickzack, bald in großen Schlangen windungen von dex Station Tscherkeskoi nach Norden zu bis in die Nähe des Schwarzen Meeres, dos wir auch einmal gesehen haben. Wenn Uebergänge über Landftraßen nicht zu vermeiden waren, so durfte keine Spur zurückgelaffen tverden, wir mußten daher öfter von Rasen zu Rasen springen. Ort schaften oder auch nur einzelne Häuser haben wir niemals gesehen, nur sahen wir einige Male Hirten mit ihren Hcerdcn. Die Berge waren meistentyeils mit niedrigem Gebüsch und Dorncngehege bewachsen, welche uns häufig den Weitermarsch erschwerten und uns die Hände, das Gesicht und die Kleider verletzten. Wenn Gebirgsbäche unseren Marsch hinderten, so trugen uns die Räuber selbst von einem Ufer zum andern. Mehrmals überraschten unS Gewitterregen,, so daß wir von Innen durch Schweiß und von Außen durch den strömenden Regen ganz durchnäßt wurden. Auch war die in solchen Fällen in den Wälder» zunehmende Finsterniß so groß, daß wir kaum vorwärts konnten. Einigemal zündeten die Räuber an sehr versteckten Stellen Feuer an und trockneten dann auch unsere Schuhe und Kleider. Herr Kötzsch, der, als die Räuber das Geld abforderte», einige Goldstücke in seinen Schuhen versteckt hatte, kam dabei in eine große Verlegenheit, da ihm einer der Räuber die Schuhe ausziehen wollte, was aber glücklicher Weise unterblieb. Dadurch, daß uns Herr Freudinger von Allem, was die Räuber vorhatten, verständigen konnte, sind uns viele Unan nehmlichkeiten erspart geblieben. Ueberhaupt trug dieser brave Herr viel dazu bei, daß wir nicht muthlos wurde»; er bchiell immer einen guten Humor und war bemüht, diesen auf uns zu übertragen. Doch da nach unserer Berechnung daS Löse geld in Kirkkelisse eingetrosfen sein mußte und die Räuber die Zahlung bis spätestens Sonntag, den 7. Juni Mittags ver langt hatten, so mußte uns Freudinger am Freitag, den 5. Juni verlassen. DerKapitano der Bande hatte genau vorgeschrieben, wie die Uebergabe des Geldes zu erfolgen habe, und Sonntag Mittag als den letzten Termin für die Bezahlung der ganzen Summe bestimmt. Ta Freudinger das Geld, das 80 Kilo gramm Gewicht hatte, nicht allein tragen konnte, so wurde ihm von dem Bandenchef gestattet, 4 Begleiter zu Pferde, die aber keine Waffen tragen sollten, mitzubringen. Zu diesem Zwecke sollten Leute ausgewählt werden, welche mit den Wegen bekannt waren; der Führer dieser Leute sollte einen Schimmel reiten und bei Ankunft im Lager vekchrt sitzen, am Kopfe sollte er ein weißes Tuch tragen. Als uns Freudinger verließ und wir uns in Folge dessen nicht mehr mit den Räubern verständigen konnten, beschlich nns das Gefühl der Verlassenheit noch mehr als zuvor. Tic Zeit, die uns schon vorher zur Ewigkeit geworden, verging uns jetzt noch langsamer. Wir konnten auch nichts thun, um uns irgend eine Zerstreuung zu verschaffen. Nicht einmal Notizen nicder- zuschreiben war uns möglich, da stets mindestens 2 Räuber wach waren und uns fortwährend scharf beobachteten. Einer von uns, Herr Kötzsch, trug noch eine Uhr bei sich; er halte bei dem Uebcrsall den Hauptmann um die Kette gebeten, weil sie ihm ein theucres Andenken sei, jedoch zu seinem Erstaunen von dem Bandenführer mit einem gewissen Schein von Groß- muth auch die Uhr erhalten. Dagegen war uns nach unserer Abführung auch das Gold, welches sich noch iu unserem Besitz befand, abgefordert worden. Alles hatten wir indessen nicht abgegeben, mit Ausnahme des Herrn Gracger, der sich ver pflichtet fühlte, auch einer Räuberbande gegenüber gewissenhaft zu sein und in Folge dessen eine Rolle mil 30 Zwanzigmark- stücken herausholte. Wir anderen Zwei konnten noch etwas Gold verbergen. Papiergeld wollten die Räuber nicht nehmen. Später ließ man uns vollkommen in Ruhe, aber Herr Kötzsch wagte immer nur ganz verstohlen nach seiner Uhr zu sehen, da er besorgte, daß der Anblick der Uhr die Begehrlichkeit der Räuber von Neuen, erwecken könnte. Tie Letzteren schliefen abwechselnd, 2 hielten aber beständig Wache und standen, Ge wehr bei Fuß, immer dicht bei uns. Wenn sie geschlafen hallen, machten sie gewöhnlich Toilette' wobei wir ihre große Eitelkeit wahrnehmen konnten. Jeder hatte Spiegel und Haarbürste bei sich nnd benutzte diese Gegen stände sehr häufig. Um jeden Theil des Kopfes dabei genau sehen zu können, nahmen sie die erdenklich schwierigsten Stellungen ein. Manchmal legten sie sich ganz auf den Rücken und hielten den Spiegel über dem Kopfe, um sich auch oben genau sehen zu können. Die Pflege ihrer Bärte und ihrer Waffen schienen ihre wichtigsten Lebensaufgaben zu sein. Da gegen haben wir nie bemerkt, daß sie auch durch Bande der Liebe irgendwie gefesselt waren. Während der Abwesenheit Freudingcr's zählten wir begreif licherweise jede Minute und als der Sonntag anbrach, an welchem das Lösegcld kommen sollte, jede Sekunde immer er wägend, welche Zwischenfälle eingetretcn sein konnten. Der Mittag kam heran, aber immer noch spähten wir vergebens nach dem sehnsüchtig Erwarteten aus. Unsere Sorge stieg, denn obwohl wir bestimmt wußten, daß das Geld da sei und daß wir zu Freudinger das vollste Vertrauen haben konnten, so kam uns doch immer wieder der Gedanke, daß ein unvor hergesehenes Ereigniß eingetreten sein könne. So schwebten wir zwischen Furcht und Hoffen noch 5 uns endlos erscheinende Stunden. Da endlich kam der Schimmel mit dem Retter und vier Begleitern. Froh jauchzten wir auf und fast noch mehr erfreut als wir zeigten sich die Räuber. Tas Geld befand sich in 8 kleinen und 2 großen Beuteln, von denen einige ausgc- leert und auf die richtige Zahl der Goldstücke geprüft wurden. Alle Beutel zählten die Räuber nicht nach, sondern der Haupt mann wog dieselben nurprüfend ausseinerHandund erklärte sich dann mit der Summe zufrieden. Wir athmeten nun wieder frei auf und sahen unserer Ent lassung entgegen, erfuhren auch keine Enttäuschung, da uns der Banditenchef jetzt für frei erklärte und uns mit einer Umarm ung, sowie FriedenSkuß beglückte, was wir uns widerstandslos gefallen ließen. Jetzt erhielt sogar noch Jeder von nns, sowie auch Herr Freudinger 5 türkische Lire (123 Franks) Zehrgeld für die Reise und nach diesem heuchlerischen Beweise von Groß- muth entfernten sich die Räuber in das Waldesdickicht. Wir waren durch die ungewohnten achttägigen Strapazen sehr er schöpft, aber in so unmittelbarer Nähe der Räuber wollten wir doch nicht bleiben. Vielleicht hätten sie noch Lust bekommen, uns »ach Sicherung ihres Geldes abermals zu belästigen. So müde wir auch waren, so bestiegen wir doch sofort die Pferde der Männer, welche mit Freudinger das Geld gebracht hatten und traten den Weg nach Kirkkelisse an. Der Amerikaner. Roman von Adolf Streiks»-. M Fortsetzung.) I Nachdruck verboten.) „Also auch die Stimmen Haft Du nicht erkannt I Hast Du wenigstens gesehen, daß einer von den Beiden aus der Thür des rolhen Hauses hrrausgetreten ist?" „Nein, aber der lange Jobst schien mir hinter dem Haust hrrvorzukommen." „Der lange Jobst, wenn er es war, was sehr zweifelhaft ist. Er schien Dir hinter dem Hanse hevorzukommen, vielleicht von dem Fußwege her, der hinter dem Hause entlang führt, nicht aus dem Hause selbst. Wie jämmerlich schrumpfen Deine unumstößlichen Beweise zusammen! Du hast ein Gespräch be lauscht, welches sich zweifellos auf den Postraub bezogen hat, und ich glaube mit Dir, daß die beiden Sprechenden tue Post- räuber waren; aber Du hast sie nicht erkannt, weder an der Gestalt noch an der Sprache. Du glaubst eben nur! Können nicht zwei Verbrecher sich ein Rendezvous beim rothen Haust gegeben, sich verabredet haben, dort in der Nacht zusammenzu- trcssen, um dann gemeinsam ihren Raubzug zu machen?" „Du vergißt' daß der lange Jobst gesagt hat, er habe nicht früher kommen können, weil die verdammten Fremden nicht früher cingcschlasen seien.' „War es denn gewiß der lange Jobst, der das sagte? — Kann nicht ein Anderer erfahren haben, daß wir für die Nacht im rothen Hause ausgenommen waren? Der lange Jobst hatte es nicht nolhwendig, dies dem Amerikaner zu sagen, der bester als er wußte, wann wir zu Bette gegangen waren. Gerade diese Woric sprechen gegen Deine Annahme. Es bleibt also von allen Deinen unumstößlichen Beweisen nur noch einer übrig, das Erscheinen der Beiden am frühen Morgen mit kothbe- slecktcn Kleidern und Stieseln. Und das soll ein Beweis sein? Hat Dir nicht der Amerikaner selbst die ganz naturgemäße Er klärung gegeben, daß cr in seinem Wald nach dem Windbruch geschaut habe? Nein, ich glaube nicht an Deine Bewestc! Ihnen stehi als ein viel stärkerer Beweis für mich gegenüber das ganze Wesen des Mannes, sein Familienleben, die Erziehung welche cr seinen Töchtern gegeben hat, kurz alles, was ich von ihm und den Seinige» während unseres Aufenthaltes im rothen Hause gesehen und gehört habe. Der Vater der lieblich schönen Elsa und der naiven, natürlichen, reizenden kleinen Susanna kann kein verworfener Raubgcselle sein!" „Ich habe mir dies auch gesagt, aber vergeblich. Ich ver mag den schaurigen Verdacht, der mich gegen den Amerikaner erfüllt, nicht zu überwindcn.' „Dann behalte chn wenigstens für Dich. Wenn Du ihn äußerst gegen die bis zum Wahnsinn erregten Woldhausener, könnte es vcrhängnißvolle Folgen haben. Ter Stimmung, welche im Volke gegen den Amerikaner herrscht, könnten sich selbst die Richler nicht entziehen, sie würden gezwungen sein, Deinen Beobachtungen einen Werth beizulege», den sie nicht besitzen." „Habe ich nicht die Pflicht, dem Gericht die volle Wahrheit zu sagen, nichts zu verschweigen?" „Nur wenn Du direkt gefragt wirst; zur Denunziation bist Tu nicht verpflichtet, oder wenigstens moralisch erst dann ver- pslichtct, wenn Du wirklich der Ueberzeugnng sein kannst, daß Du Dich gestern Nacht nicht in der Person getäuscht hast. Wie die Verhältnisse liegen, versteht es sich von selbst, daß von dem Gericht alle gegen den Amerikaner vorgebrachten Ver dachtsmomente sorgfältig geprüft werden müssen; über die Re sultate dieser Prüfung tverden wir bald durch den guten, schwatzhaften Krcisgcrichtsrath, der mit dem gesammten GerichtS- personal eng befreundet ist, genaue Nachricht erhalten, denn die Amtsverschwiegenheit wird in Waldhausen nicht zu streng ge- wahri. Erfährt Dein Verdacht irgend eine Bestätigung, dann magst Du Deine Beobachtungen dem Gerichte miltheilen und es dem Richler überlasten, welche Schlüsse er aus denselben ziehen will, vorher aber mußt Du schweigen. Versprich mir das, Kurl! Ich verspreche Dir dagegen, daß ich die Augen offen behalten und daß ich selbst Dich ausfordern will, gegen den Amerikaner vorzugehen, wenn gegen ihn sich wirklich greif bare Vervachtsgründe ergeben, nicht solche, wie sie in den Stroh- köpsen der Woldhausener spuken, die ihn ja auch beschuldigten, daß cr uns Bcide ermordet habe. Bedenke, welche Verant wortung Du aus Dein Gewissen bürdest, wenn durch Deine vielleicht, ja, ich bin überzeugt, bestimmt unrichtigen Beobach tungen der falsche Verdacht gegen den Amerikaner ein solche- Gewichi erhält, daß der Richter sich gezwungen sieht, den Un schuldigen zu verhaften und ihn einer strengen Untersuchung zu unterziehen. Denke an den Schmerz der unglücklichen Familie, an das Vertrauen, welches Dir die schöne Elsa ge schenkt hat. Du kannst dann nicht zweifelhaft sein, Kurt! Gieb mir das Wort, welches ich von Dir fordere." „Ich gebe es Dir, aber mit der Einschränkung, daß es er loschen ist, wenn mein Verdacht gegen den Amerikaner irgend wie neue Nahrung erhält." „Mehr verlange ich nicht. Und nun genug von dieser trau rigen Geschichte! Wir wollen unsere gesammelten Schätze mustern, unsere Timon- und Alniraupcn füttern und bester unterbringen. Die Freude über die schönen, seltenen Thiere wird uns die trüben Gedanken verscheuchen und uns die Ge- müthsruhc wiedergeben, die wir Beide wahrlich recht noth- wendig brauchen." X. Belebter und interessanter war niemals die Unterhaltung in der Stammgescllschaft des „Greisen" gewesen, als an den Abenden der nächsten Tage nach dem Postraub, der natürlich ausschließlich den Inhalt derselben bildete. Allabendlich mußte der Amtsrichter Biederer berichten, welche Fortschritte die Unter suchung mache, und er that es gern. Falk hatte ganz richtig vorausgesetzt, daß das Amtsgeheimniß in Waldhausen wohl nicht allznstrcng gewahrt bleiben würde. Alles, was am Tage durch Verhöre oder durch die Nachforschungen der Gendarlken dem Gericht bekannt wurde, erfuhren schon am Abend die Stammgäste im „Greisen", zu denen jetzt auch Kurt und Falk gehörten, getreulich durch den redseligen Richler, der sich im Freundeskreis gar keinen Zwang auferlegte. Das steinerne Kreuz stand fast an der Grenze de- Gerichts- bezirles von Waldhausen; der Postraub war noch innerhalb der Grenze desselben verübt worden, die Untersuchung mußte