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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 16.06.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189106169
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18910616
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18910616
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1891
-
Monat
1891-06
- Tag 1891-06-16
-
Monat
1891-06
-
Jahr
1891
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 16.06.1891
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isr. V 13«. t»»l. mit das den Areibergs» Anzeige» ««d Taaedl^LL Z r!te L. Oertliches und Sächsisches. Freiberg, den 15. Juni. — Am Sonnabend weilte Herr Kreishauptma«« Frhr. von Hausen in unserer Stadt. Herr Bürgermeister vr. Böhme begrüßte denselben bei der srüh ^8 Uhr er- solgten Ankunft am Bahnhof, worauf sich die Herren sofort nach dem Rathhaus begaben. Hier hatte sich */z9 Uhr das Rathskollegium versammelt, und es erfolgte die Vorstellung der Herren Rathsmitglieder. Nach einer eingehenden Besichtigung des Rathhauses, insonderheit auch des Archivs, begab man sich nach der König!. Amtshauptmannschaft und von da nach dem Kaufhaus, wo der Herr Kreishauptmann mit dem Rathskollegium in der Kastenstube einen Morgenimbiß einnahm. Besondere Aufmerksamkeit wurde seitens des Herrn Kreishauptmann dem Alterihumsmuseum geschenkt. Weiter wurden die Schlegel'schc» und Streubel'schen Fabriketablissements, das Johannishospital und der Dom mit den Kreuzgängen besichtigt. Nachdem der Herr Kreishauptmann, einer Einladung des Herrn Bürger meisters folgend, in dessen Wohnung das Mittagessen einge nommen, begab er sich Nachmittags 3 Uhr unter Führung des Herrn Oberbergrath Merbach nach Halsbrücke, um die dortigen Hüttenwerke in Augenschein zu nehmen. Um 7 Uhr erfolgte die Rückkehr nach Dresden. — Der gestrige 3. Sonntag nach Trinitatis war ein Tag besonderer Feier für unsere Mkolaiparochie. Gall cs doch die Schwester einzuführen, welche von nun an als Krankenpflegerin für die Nikolaigemeinde wirken wird. Das Werk, das so energisch begonnen, bei welchem die Gemeinde- Mitglieder, Hoch und Niedrig, Arm und Reich, so opfer- und bereitwillig mitgewirkt, erhielt gestern seine Vollendung. Das freundliche Gotteshaus war daher bis auf den letzten Platz von einer andächtigen Menge gefüllt. Aus dem Altarplatz hatten die Mitglieder des Herren- wie Damenvorstandes der Gemeindediakonie, der Kirchenvorstand, sowie die einzuweisendc Diakonissin, welcher 2 Schwestern aus Burgk, eine aus Dresden und eine aus dem hiesigen Bartholomäistift assistirtcn, Platz genommen. Nach der zu Herzen gehenden Predigt über Apostelgeschichte 4, 8—22, welcher der Herr Redner das Wort zu Grunde legte: Es ist in keinem Andern Heil! Hier ist ewiger Grund, so trotzen wir, hier quillt heilige Freudigkeit, so frohlocken wir, fand der Einweihungsakt vor dem Altar statt. Anknüpfend an den Grundton der Predigt legte Herr Pastor vr. Friedrich in ergreifender Rede die Nothwendigkeit und Bedeutung der Gemeindediakonie dar, für die mit stillem Gebet und emsigem Schaffen so Viele in der Gemeinde vorge wirkt, wies auf das Heer der am Marke des Volkes zehrende» Krankheiten, welche weder Palast noch Hütte, keine Lebens stellung und kein Lebensalter verschonen, hin und legte ferner dar, wie wohlthuend da eine liebevolle Pflege, eine Pflege, wie sie nur die dem Christenthum innewohnende Liebe bieten könne, sei. Wohl sei das Amt einer Pflegerin ein schweres, opfervolles. Wer immer nur Noth und Elend vor Augen, wer sein ganzes Leben diesem edlen Samariierdienste bis an's Ende der Tage geweiht, der bedürfe eine gläubige starke Seele, der verdiene aber auch liebevolle freundliche Aufnahme seitens der Gemeinde. Nach herzlicher Mahnung an Schwester und Gemeinde gelobte Erstere mit feierlichem Ja und Handschlag in der Nikolaiparochie den Krankenpflegerdienst in der Nach folge Christi zu übernehmen, worauf die feierliche Einsegnung erfolgte. Nachdem hieraus Herr Polizeisekretär Kaden in ergreifender Weise Krells Lied: Lerne lewen, ohne zu klagen, gesungen, fand die gewiß allen Theilnehmenden unvergeßliche, erhebende Feier mit Gebet und Segen ihren Abschluß. — Eröffnung der Kochschule. Morgen früh halb 8 Uhr findet in dem für diesen Zweck eingeräumten rcchtsgele- genen Parterrezimmer der Knabenbürgerschule die Eröffnung der Kochschule statt. Die Räumlichkeiten sind von der Schub Verwaltung unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden, wäh rend zu den Kosten des gemeinnützigen Unternehmens Ihre Majestät die Königin eine namhafte Summe beigetragen hat. Zunächst werden 12 Mädchen an dem Unterricht Theil nehmen, der in zwei, täglich abwechselnden Kursen ertheilt wird. Als Lehrerin ist Frl. Grube, Tochter des Herrn Lehrer Grube, hier, gewählt worden. - vom s gestrigen Eröffn Meise nicht ser irgend zu beeiul lausende nach t einem Heerzug: besucher war off getrübt worden, Treiben, als w voll Regenwolke dürsten kaum u Schaubuden wa sonderheit aber mittags 3 Uhr am Abend vorh deren Regierunj ilbschiedsständch fand vom Rathl nach dem Fest gleiteten Zug er Gilde mit den > als Haupiköni, Mallwaarensa mid Schlossen Ehrengäste Pla Are ine mit Schützengilde da einen recht statt um 1 Uhr Fest und Scheibensch — Ausflug, der hiesigen Be mittag eine ar Gtuvienreis« ilußig. — Der gest trotz des rauhei spruchs zu ers Poischappel uni 187 Passagiere, so daß der 44 zusammen 514 88 Moldau un den hier eiugef des Hilbersdor Gesangverein > Mann an der - Fah, Für gcmeinscha öffentlicher Sch tigter Privatsä Mnigl. sächsisck der Weise gewi Schüler oder § dagegen von sä Schüler der c bildungsschulen nur zwei Sch Rückfahrkarte indem Diese Lehrer und Lek nehmenden. Ä Freigepäck wir wird nur nac Sonn- und Fe — Fahr» Forstvereins, i Schandau stat thcilnchmen n karten auf scu in der Richtur welche zur sre spruch auf Frl gewöhnlicher t benützt we^der - In we Altersverstl großer Zweife lingc 8 1 daß Lehrlinge werden müssei lingc zulrisft, 3 ordnet ar als Entgelt n Gesetzes nicht schäsügung gi' bezug auf die wie Nahrung Versicherungs! sreier Unterhc oder Gehalt o sicherung. S day sic ein T als Geschenk Unterhalts sä schon um des weil dann de' träges von de der Arbeitgeb zu zahlen. S rungspflichtig geber also ev. teten Beitrag X Bra mußte das vl scsi für geste des Kronprinz Feier im fei Dem vom B Beifall zu T Vorstand C. sundenen Gä 30 Zöglinge, Mando des H zur Ausfühl Stab, von l des Herrn Exobersten Cumming die Strafklage wegen Falschspielens er- I heben zu lasten. Direkt auf den Prinzen von Wales dagegen > zielt die Interpellation, welche laut Meldung aus Loudon der 1 liberale Abgeordnete Summers an den Kriegsminister richten ! zu wollen erklärte, und welche dahin gehen soll, ob der KriegS- minister irgend welche Schritte hinsichtlich der Personen unter nommen habe oder zu unternehmen gedenke, welche im Verlauf deS Prozesse- Sir William Gordon-Cumming gegen Wilson und Genossen beschuldigt wurden, die folgende, in der britischen Arme« giltige Vorschrift verletzt zu haben: „Jeder Offizier im Dienste Ihr« Majestät, besten Charakter oder Verhalten als Offizier und Gentleman -ffentlich in Frage gestellt ist, muß den Fall innerhalb einer endsprechenden Zeit seinem Chef oder einer anderen zuständigen Militärbehörde zur Untersuchung unterbreiten." Die Leitung des Unterhauses hat bereits eine audere Interpellation Cobbs bezüglich des Baccaratskandals abgelehnt, da in ihr der Name des Prinzen von Wales erwähnt wird, was gegen die Gewohnheit des Parlaments verstößt. — In Glasgow nahm eine politische Versamm lung den folgenden Beschluß an: „Die Mitglieder des lieberal- radikalen Govan-Vereins verdammen auf das Entschiedenste die Handlungsweise Albert Edwards, Prinzen von Wales, in Hinsicht auf den Baccarat-Skandal und beantragen, daß erauf- grfordert werde, seine gegenwärtige Stellung in der Armee niederzulegen. Eine Abschrift dieses Beschlusses ist Seiner Hoheit dem Prinzen von Wales, dem Herzog von Cambridge, dem Premier und Herrn Gladstone zuzustellen." Daß Iwr Prinz mit tadelnden und mahnenden Zuschriften von reli giösen Gesellschaften überschwemmt wird, soll nur kurz er wähnt werden. Er hat „Pech", der arme Prinz von Wales, schreibt die „Köln. Ztg.", daS ist das Schlimmste, waS sich vom allge mein menschlichen Standpunkte über ihn sagen läßt. Daß er Baccarat spielte, war wahrscheinlich das Vernünftigste, was er auf einem langweiligen englischen Landhause in Gesellschaft von uninteressanten Gelbschnäbeln und unschönen Weibern thun konnte; daß er den Anstoß dazu gab, lag in seiner bevorrechteten Stellung als Prcisgast, und daß er die Spielmarken unter seinem Gepäck sührte, ist höchstens ein Beweis von der Für sorge seines Kammerdieners, der dieselben einpackte, wie man einen Roman oder ein Lawn Tennis Racket einsteckt. Der bös willige Zufall aber fügte cs so, daß nickt allein einer seiner vertrautesten Kumpane als Kartenschwindler erkannt ward, sondern daß dies grade dann stattfand, als er — der Prinz — die Bank hielt. Und zu alledem kommt nun noch der selt same Umstand, daß von allen Personen, die mittelbar oder unmittelbar an dem Skandal betheiligt waren, auch nicht eine einzige — vielleicht der Gardelieutenant Levett ausgenommen — den Takt besaß, einzusehen, daß der Skandal nicht zu Ohren deS Prinzen dringen dürste, bis er abgereist war, daß er über haupt um jeden Preis unterdrückt werden müßte. Und hierin rächt sich vielleicht die Leichtfertigkeit des Prinzen in der Wahl seines Umganges. Die Wilsons sind eingestandenermaßen im wirklichen und übertragenen Sinne Emporkömmlinge, denen das feinere Gefühl für des Prinzen eigenthümliche Stellung vollständig abging. Mit kurzen Worten gesagt, ist der Prinz der Oberzeremonienmeister des britischen Reiches, und wenn er zur Regierung kommt, wird das nur in seinem Titel, nicht aber in seinem Wesen, einen Unterschied machen. Seine Stärke als Oberzeremonienmeister beruht in der Beobachtung von Aeußerlichkeiten und der Vermeidung jedweden Skandals so wohl nach oben wie nach unten hin. Bis jetzt ist ihm dies gelungen, theils durch das eigene angeborene und erworbene Taftgefühl, theils durch die stillschweigende Verschwörung der obern Gesellschaftskreise, in^denen der Prinz verkehrt. Was auch dort geschehen mag, es gelangt selten etwas zur Kunde des größern Publikums und des eigentlichen Herrschers von Großbritannien, deS gemeinen Wählers, und dadurch wird der für den Prinzen so unentbehrliche Nimbus dem Volke gegen über gewahrt. Daß die Wilsons dies, bei dem Mangel ihrer gesellschaftlichen Erziehung, nicht einsahen, führte den Skandal herbei. Ihnen lag mehr an der Entlarvung Cummings als an der Rücksichtnahme aus den Prinzen. Und so kam es denn, daß jetzt jeder Eckensteher im vereinigten Königreiche weiß, wie es aus den erhabenen Höhen, wo die Prinzen und ihr Gefolge thronen, zugeht. Bildende und erhebende Gespräche werden dort nicht geführt, dafür aber wird stundenlang gespielt, und zwar das Baccarat, welches jeden Arbeiterklub einer Polizei razzia und jeden dabei abgefaßten Arbeiter einer gerichtlichen Verfolgung aussetzt. Und wer zu dem Spiele ermuthigt, ist nicht etwa der Hauswirth, sondern der Prinz von Wales. Man muß in England leben, um die weitgehende Wirkung dieser Enthüllung auf die heuchlerische, augenverdrehende Bour geoisie und deren Dissentergeistlichkeit und anderseits auf die angrissslustige Sozialdemokratie beurtheilen zu können. Auf Banketten pflegt gewöhnlich der Trinlspruch aus den Prinzen Von Wales nach dem auf die Königin zu folgen, und zwar em gelleidet in Worte des Lobes für den pflichtgetreuen Thron folger. Ich glaube nicht, daß es in der nächsten Zeit rathsam wäre, dieses Lob übermäßig zu betonen. Der Pöbel sieht in den Wilsons die Frevler am heiligen Gastrechte und nimmt begonnen zu haben, sowie an der Ermordung der englischen Offiziere betheiligt gewesen zu sein, und ihn zum Tode durch den Strang verurtheilt. Die Berurtheilung soll der indischen Regierung zur Bestätigung vorgelegt werden. Bor etlichen Wochen, schreibt die „K- Z.", machten die Ver hältnisse einen Wechsel im ruffffche» General-Gouvernement Moskau nothwendig. Der bisherige General-Gouverneur, Fürst Dolgorukow, ein Greis von nahe an 80 Jahren, bekleidete diese hohe Stelle fast 30 Jahre und würde sie wahrscheinlich bis an sein Lebensende innegehabt haben, wenn nicht höchst mißliche Umstände ihn zum Rücktritt gezwungen hätten. Der alte Fürst, einem der edelsten russischen Geschlechter entsprossen, war rücksichtslos .Partei für Sir William Gordon Cumming, der an ihrem Herde hinterlistig überwacht und verrathen ward. Und, mag er schuldig sein oder nicht, Sir William führte seine Rolle bis zum letzten Augenblicke mit stoischem Gleichmuthe durch, nahm das Urtheil entgegen, wie er im Zulukriege den Lanzen stoß eines Wilden entgegengenommen hätte. Er besitzt eben im englischen Sinne die höchste Erziehung, deren der Gentle man fähig ist, die Unterdrückung aller Gemüthserregungen. Uebrigens soll für den Prinzen die Sache noch nicht abge schlossen sein. Als Feldmarschall hat er, wie jeder andere Offi zier, die Pflicht, den Kartenbetrugsfall beim Oberbefehlshaber, dem Herzog von Cambridge, zur Anzeige zu bringen. Das Parlamentsmitglied Morton wird daher bei der Armeebudget- rrörterung eine Minderung des Gehalts des Oberbefehlshabers um 4000 Mark beantragen, um die Frage der Ausdehnung der Militärdisziplin auf alle bei dem Skandal betheiligten Offi ziere, den Prinzen von Wales eingeschlossen, anzuregen. Der Truth zufolge hat sich die Königin allabendlich nach Balmoral einen Bericht über den Prozeß telegraphiren lassen; sie soll wüthend sein gegen Alle, die mit dem Prozeß etwas zu thun hatten, und soll ihre Wuth in keineswegs milde Ausdrücke ein- Üeiden; und sie hat wahrlich nicht Unrecht. Nach einem Telegramm des „Reuter'schen Bureau's" aus Manipur (Indien) ist der Prozeß gegen den Prinzen Manipuri, genannt der Senaputti, beendet. Der Gerichtshof habe den selben schuldig befunden, gegen die Kaiserin von Indien Krieg Gouverneur von Jemen berichtet, daß die Asyrs Schncll- feuergewehre und Kanonen englischen Fabrikats Hütten, und bittet um schleunigste, bedeutende Verstärkungen. Der außer, ordentliche Ministerrath hat die Entsendung von 10 000 Man» deS syrischen Armeekorps beschlossen. AuS Sidney schreibt man: „Ein komischer Vorfall, der übrigen« in den a«ftralische« Kolonien keine große Selten- Helt ist, hat sich in Belleret ereignet, als da» 8. Milizregiment zur Musterung antreten sollte. Wie es scheint, hatte nämlich der Herr Regimentsfeldwebel vor etwa vierzehn Tagen einen Sergeanten gebeten, die Uebung der ihm zur Ausbildung über gebenen Rekruten abzubrechen, eine Bitte, die Jener aber inso fern abschlägig beschieden hatte, als er mit dem Exerzinn ruhig fortfuhr. Anstatt aber nun den Eifer seines Untergebenen zu würdigen, hat sich der besagte Herr Feldwebel durch die Fortsehung der Uebung „beleidigt" gefühlt, und das Ende vom Liede ist gewesen, daß der pflichttreue Sergeant auf ein paar Tage ins Loch gesperrt wurde. Der auf der harten Holzpritsche stöhnende Sergeant war aber der Liebling des Regiments, und als dasselbe nun in voller Kriegsstärke auf dem Exerzirplatz antreten sollte, da ergab der von dem Herrn Regiments-Feld webel in höchsteigener Person abgehaltene Namensaufruf die Thatsacke, daß von 492 Mann, die da hätten in der Front stehen sollen, im Ganzen nur acht erschienen waren. „Er schienen" ist im Grunde nicht die richtige Bezeichnung, den» „erschienen" waren auch die übrigen 484, aber in — Zivil und indem sie sich begnügten, der Musterung aus einiger Ent- sernung zuzusehen. Kaum war dieselbe zu Ende, als ei» sürchterlicher Spektakel losbrach. Im Nu waren die acht treue» Vaterlandsvertheidiger umringt, während ihnen Ehrentitel wie „Schwarzbeine", „Räudige" und andere mehr in die Ohren schallten. Der Lärm verursachte schließlich einen solchen Aus lauf, daß sich zuletzt ein Offizier veranlaßt sah, den Tumul tuanten und deren Freunden gütliche Vorstellungen zu mache» und sie zum Auseinandergehen zu ersuchen, wozu sich die Herren vom 3. Milizregiment nach einigem Zögern denn auch bereit erklärten, unter der Bedingung jedoch, daß ihre Be schwerden Gegenstand einer Untersuchung bilden würden. Nach dem dann die Beschwerden auf die Bitte des Offiziers aus einandergesetzt waren, schüttelte man sich freundschaftlichst die Hände, und hiermit sand der Zwischensall sein Ende. gehen, ohne dem Zaren, der Zariza und dem Zarewitsch seine und der ersten Residenzstadt tiefunterthänigsten und treuesten Gefühle meist telegraphisch, nur selten persönlich, zu Füßen zu legen, worauf immer die gnädigsten Antworten erfolgten; im Uebrigen aber bekümmerte er sich ebensowenig um Petersburg wie der sonstige vornehme russische Adel. Unter der Moskauer Kaufmannschaft wie der sonstigen Bevölkerung, nicht zum Wenigsten der Deutschen, war der Fürst eine ausgesprochen volksthümliche beliebte Persönlichkeit; alle Moskau aufsuchenden hochgestellten Fremden rühmten das gastfreie Haus des General- Gouverneurs; die meisten regierenden Fürsten Europas kannten ihn persönlich; die höchsten europäischen Orden — preußischer- seits der schwarze Adlerorden — schmückten seine Brust. Aber trotz seines 60000 Rubel betragenden Gehalts war der leicht lebige Fürst, der bis in sein höchstes Alter dem schwächeren Geschlecht gegenüber besondere Schwäche zeigte, stets in Geld verlegenheit, aus der er sich aber, gleichfalls in echt russischer Weise, stets zu retten wußte. In geschickter Weise ließ er sich alle Gnadenbeweise und Vergünstigungen, in denen er sich fast unumschränkter Vollmacht erfreute, hoch bezahlen, und zwar namentlich durch die Moskauer Kaufmannschaft und noch mehr durch die jüdische Bevölkerung, die sich unter seiner milden Herrschaft einer ebenso angenehmen wie gesetzwid rigen Freiheit erfreute. Das jetzige entschlossene Vorgehen der Regierung gegen die Juden kostete jedoch auch dem Fürsten seine Stellung, denn die Jahrzehnte lang betriebene großartige Bestechung kam ans Licht. Kaiser Alexander III., der in solchen Sachen keinen Spaß versteht, entließ den alten Herrn in fühlbar ungnädiger Weise, und über die MoskauerJuden brach ein schlimmes Strafgericht herein. Es trat nun die Frage ein, wer der Nachfolger in dieser überaus wichtigen Stellung werden solle. Trotzdem Petersburg seit zweihundert Jahren leitende Hauptstadt, ist Moskau dennoch im gesammten russischen Volk, ob hoch oder niedrig, das eigentliche Herz des weiten Reiches geblieben. Die Volsstimmung wird nicht in Petersburg gemacht, sondern in Moskau! Was uns in dieser Beziehung als aus der Ncwahauptstadt zu kommen scheint, ist nur eine Wiederspicgclung des Denkens und Fühlens der alten Zarenstadt an der Moskwa. Nur dort kann der Zar „der heiligen Krönung" theilhaftig werden; nur von dort aus hat bisher jeder Zar in schweren Zeiten das Volk zur Begeisterung entflammt. So blickt auch heute noch ganz Moskau, Adel wie Volk, auf die „westeuropäisch" gesinnte Schwesterstadt mit Ge ringschätzung herab; namentlich aber stellt sich, und zwar mit vollem Recht, der hohe russische Adel in Moskau über den in Petersburg. An der Newa wird man nur nach seinen Be ziehungen zum Hose gesellschaftlich gemessen und abgeschätzt; ;e enger dieselben sind, desto höher rechnet man in der Ge sellschaft; der Name oder das Alter des Geschlechts thut dabei wenig zur Sache. Ganz anders in Moskau. Da leben die ältesten russischen Adelsgeschlechler unter sich in abgeschlossener Geselligkeit, in die einzudringen es ganz be sonders guter Empfehlung bedarf, und bekümmern sich wenig um den Hof in Petersburg, wennglelch viele dem Namen nach hohe Hofstellungen bekleiden. Sie wollen vom Hofe nichts wissen und katzbuckeln daher nicht vor jedem Großfürsten, wie man es in Petersburg thut, vem Zaren unbedingt er geben, wissen sie doch ihm gegenüber ihre Würde zu wahren, die man in Petersburg ost sehr vermißt. Aehnliches kann man vom Moskauer altrussischen Großkausmann sagen, der, was innere Würde, Selbstbewußtsein, Wohlthätigkeit anbetrisft, weit großartiger angelegt ist, als der Petersburger. Unter solchen Verhältnissen ist die Stellung des Generalgouverneurs keine unbedingt leichte, selbst nicht für den Bruder des Zaren; namentlich aber zweifeln wir sehr, ob gerade Großfürst Sergei die geeignete Persönlichkeit ist; wie es scheint, paßt er seinem ganzen Charakter nach nicht in diese Stellung. Der jetzt 34 Jahre alte Großfürst ist der vorjüngste Sohn Kaisers Alexander II. und befand sich bis zum 20. Lebensjahre fast stets in der Nähe der Mutter, was wohl Veranlassung zu der so ausgesprochen weibischen Ausbildung seines Charakters ist. Die Günstlingsvcrhältnisse des Großfürsten wurden Stadt gespräch ; aber er that nichts, um die öffentliche Meinung zu widerlegen. Dabei verletzte er überall durch seinen grenzen losen Hochmuth. Neben wilden Gelagen im Kreise seiner Regimentsgenossen, die er bis zu seiner jetzigen Ernennung sortsetzte, zeigte er jedoch einen ausgesprochenen Hang zur orthodoxen Frömmigkeit, ist Vorstand aller möglichen religiösen Gesellschaften und lebte in regem Verkehr mit glaubenseifernden russischenPopen. Gegen alles Deutsche ist derGroßfürst von Wider willen und Verachtung ersüllt, aus welchen Gefühlen er durchaus kein Hehl macht; obwohl nicht Panslavist im eigentlichen Sinne, ist erjetztbereitseinWerkzeugindenHändenderpanslavistischenPartei und wird cs in seiner nunmehrigen hohen Stellung noch mehr werden. Jedenfalls ist der Hof des Großfürsten Sergei in der ersten Gesellschaft nicht nur der Mittelpunkt der Deutschfeindlichkeit, sondern auch der Heerd der Anfeindungen, die Kaiser Wilhelm persönlich in diesen Kreisen erfährt. In ganz Moskau ist man, mit Ausnahme der dortigen Geistlichkeit, wenig zufrieden mit der Ernennung des Großfürsten zum General-Gouverneur. Die LLrtet kommt aus den Schwierigkeiten nicht heraus. In West-Arabien ist ein Aufstand ausgebrochen, veranlaßt durch den Stamm der Asyrs unter Scheikh Seiff-Eddin, den mächtigsten aber auch unruhigsten Stamm von Jemen. Die militärischen Abtheilungen, welche damit beauftragt waren, den Stamm zur Ruhe zu bringen, sind geschlagen worden und verloren etwa 100 Mann, darunter mehrere Offiziere. Der Urbild eines vornehmen Russen früherer Zeit. Mit vollendeten Formen eines „westlich" erzogenen russischen Bo jaren verband er eine großartige Gastfreundschaft und echt russische Großlebigkeit. Wenngleich Hofmann, von seinem schwarzer Perrücke bedeckten Scheitel bis zum stets mit Glanz stiefel bekleideten Fuß, wußte er sich doch eine große Unab hängigkeit gegenüber dem Hofe zu wahren, wie solche in Mos kau Ersorderniß ist. Zwar ließ er keinerlei Gedenktag vorüber-
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