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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 15.05.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-05-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189105150
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18910515
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18910515
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1891
-
Monat
1891-05
- Tag 1891-05-15
-
Monat
1891-05
-
Jahr
1891
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 15.05.1891
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,1t IU1. Kveiberser «»tei-e»' «u» Tneudlat L^Ue 2. schuldigungen zu belasten und lür die Zukunft unnützen frei- hündlerischen Velleitäten das Feld zu bestellen." Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht die Ernennung des Fürsten Otto von Stolberg-Wernigerode zum Kanzler des Schwarzen AdlerordenS. Graf Udo zu Stolberg hat im preußischen Herrenhause den Untrag eingebracht, die Staatsregierung zu ersuchen .in Er- wügung zu ziehen, ob sich zur Verhütung einer mög lichen Getreidetheuerung eine vorübergehende Herab setzung der Eisenbahn-Gütertarife für Getreide und Mehl empfiehlt?" Dem Anträge ist folgende Begründung bei- aegeben: .Da die Landwirihe sich zur Zeit nicht mehr im Be sitze nennenstverther Getreidevorräthe befinden, so liegt die Gefahr vor, daß durch Börsenspekulationen der Getreidepreis bis zur nächsten Ernte unnatürlich in die Höhe getrieben wird. Die Staatsregierung wird daher ersucht zu erwägen, ob es an gezeigt erscheint, einer solchen Spekulation durch eine vorüber gehende Herabsetzung der Eisenbahn-Getreide-Tarife entgegen zutreten." Die deutschen Münzprägungen bis Ende vorigen Mo nat» stellten sich, nach Abzug der wieder eingezogenen Stücke, wie folgt: Goldmünzen: 2 028166 820 Mk. Doppelkronen (Zwanzigmarkstücke), 503 243 940 Mk. Kronen, 27 960 000 Mk. halbe Kronen; Silbermünzen: 74 096 390 Mk. Fünfmarkstücke, 104 955 898 Mk. Zweimarkstücke, 178 982 228 Mk. Einmark stücke, 71 483 284,50 Mk. Fünszigpfennigstücke, 22 714 546,60 Mark Zwanzigpsennigstücke; Nickelmünzen: 4 005 271 Mark Zwanzigpsennigstücke, 29 081419,90 Mk. Zehnpsennigstücke, 14 286 751,15 Mark Fünspfennigstücke; Kupfermünzen: S 213177,52 Mk. Zweipsennigstücke, 5 267 820,70 Mk. Ein pfennigstücke. Die Zahl der Altersrenten, welche bei den 31 Jnva- liditäts- und Altersversicherungsanstalten und den 8 zugelassenen Nasseneinrichtungen im Laufe des Monats April angemeldei sind, beläuft sich auf 16188 (gegen 26780 im Monat März uud 40488 im Monat Februar und 27897 im Monat Januar). Bon diesen und den aus dem März unerledigt übernommenen 50849 Ansprüchen sind im Laufe des April anerkannt: 19969, zurückgewiesen: 4073, auf andere Weise erledigt: 601, so daß 42394 Ansprüche unerledigt auf den Monat Mai übergegangen sind. In den ersten vier Monaten nach dem Inkrafttreten des Jnvaliditäts- und Altersversicherungsgesetzes sind im Ganzen 111447 Ansprüche auf Bewilligung von Altersrente erhoben worden. Von diesen wurden 59456 anerkannt, 8515 zurück gewiesen und 1082 auf andere Weise erledigt. Von den An meldungen in den verflossenen 4 Monaten entfallen aus Sachsen 4838. Der Tischlerausstand in Mainz dauert bereits 18 Wochen und hat schon 40000 Mark gekostet, ohne daß die ausständischen Arbeiter irgend etwas erreicht hätten. Aus Anregung aus Arbeitcrkreisen hatte die Bürgermeisterei die Bildung eines Ginigungsamtes versucht. Der Meisterverband hat jedoch das Eintreten in Verhandlungen mit dem Bemerken abgelehnt, daß es einer Einigung nicht bedürfe, da sämmtliche Werkstätten mit Arbeitskräften ausreichend versehen seien. Daraufhin hat die Tischlerversammlung beschlossen, den Ausstand weiterzusühren; gleichzeitig wurde aber die Lohnkommission beauftragt, für die jenigen auSständischen Arbeiter, welche von hier abreisen wollen, durch Anrufen des Schiedsgerichts einen Entlassungsschein zu erwirken. Aller Voraussicht noch wird der Ausstand seilens der Arbeiter in aller Bälde für beendigt erklärt werden, nach dem man die unverheiratheten Arbeiter von Mainz wegge schafft haben wird. Wie es mit den angesessenen verheiratheten Leuten gehen wird, ist eine andere Frage. Unter allen Um ständen hat auch in diesem Falle ein um Kleinigkeiten begon nener, nutzloser Streit für zahlreiche Familien recht viel Un heil gebracht. Ueber die Finanzkrisis in Portugal schreibt heute die „Voss. Ztg.: „Die Nachrichten über das „Moratorium" (Aufschub aller Zahlungen) haben sich in vollem Umsange bestätigt. Durch eine Verordnung des Königs ist die Erfüllung aller Zahlungs verbindlichkeiten auf zwei Monate vertagt worden. In einzelnen Gesetzgebungen besteht die Zulassung von „Moratorien" oder „Anstandsbriescn" für begüterte, nur in augenblickliche Ver legenheit gerathene Personen. Die meisten Staaten haben in dessen diese Einrichtung beseitigt, weil sie im Wesentlichen dazu beitrug, dem Schuldner die Beiseiteschaffung der letzten Ver mögensgegenstände und die Uebervortheilung des Gläubigers zu ermöglichen. Daß aber ein Moratorium nicht nur für einzelne Personen, sondern ganz allgemein verfügt wurde, ist ein so seltenes Ereigniß, daß es sich fast nur in Kriegsfällen nach weisen lassen dürfte. So hat Frankreich am 13. August 1870 und im folgenden Jahre dreimal Moratoriengesetze erlassen, welche aber, da sie in Privatrechte eingreifen, viele Gläubiger zur Anrufung der Gerichte veranlaßten. Die Urtheile lauteten widersprechend. In wie weit das portugiesische Moratorium auch dem AuSlande gegenüber gelten soll, scheint noch zweifel haft. Indessen wird man sich auch in diesemPunkte auf den ungün stigeren Fall gefaßt machen müssen. Die portugiesischen Werthe haben an der Berliner Börse einen neuerlichen Kvurssturz erlitten. Wir verzeichnen nur, daß 4^/zprozcntige Staatsanleihe, die am 21. Febr. 1889 inDeutschland mit 97^ Prozent aufgelegt wurde, gestern auf 60„„ Prozent gesunken ist. Die damaligenZKäufer haben mithin nicht weniger als 37 Prozent eingebützt. Ange sichts solcher Vorgänge kann man nur wiederholt bedauern, daß die Regierungen des Reichs und Preußens durch die forl- gesetzten Zinsherabsetzungen der inländischen Anleihen einen beträchtlichen Theil deutschen Kapitals in auswärtige Werthe gedrängt haben. Zugleich aber ist es begreiflich, wie sich der öffentliche Unwille gegen jene Bankhäuser wendet, welche, um selber große Vermittelungsgebühren zu gewinnen, den deutschen Markt mit portugiesischen Werthen überschwemmten und noch vor wenigen Tagen neue portugiesische Papiere anpriesen und damit, gelinde gesagt, eine Kurzsichtigkeit an den Tag legte», für welche jetzt die vertrauensseligen Käufer büßen müssen. Man darf fordern, daß jene Bankhäuser, welche die moralische Verantwortung für diese schwere Schädigung des deutschen Wohlstandes tragen, ihrerseits sich weniger der Beschönigung der Krisis als der Sicherung der Rechte der deutschen Besitzer portugiesischer Werthe befleißigen. Im Uebrigen werden die nächsten Tage zeigen, ob die Verwirrung schon ihren Höhepunkt erreicht habe." Aus Oesterreich-Ungarnr Im Wiener Setzerstreik ist keine wesentliche Veränderung eingetreten. Einzelne Offizinen haben die Forderungen der Gehilfen bewilligt, in anderen haben die Gehilfen bedingungslos die Arbeit ausgenommen.— Im ungarischen Abgeordnetenhaus interpellirte der Abgeord nete Jranyi das Ministerium über die Arbeiterunruhen in Oroshaza und Csaba. Der Ministerpräsident Graf Szapary erwiderte, er könne noch nicht ausführliche Angaben über die Unruhen machen, da die Untersuchung noch nicht abgeschlossen sei, hoffe aber die Bewegung hintanzuhalten und normale Ver hältnisse wiederherstellen zu können. Sobald die Arbeiterklasse in Ungarn einsehen würde, daß nicht ihre, sondern egoistische Interessen im Spiele seien, werde sie den Aufwieglern nicht folgen und zur Ordnung und Ruhe zurückkehren. Daß diese Annahme richtig sei, gehe daraus hervor, daß am letzten Sonn tage, als vor den Arbeitern aufreizende Reden gehalten wurden, die Arbeiter nach Aufklärung seitens der Behörde die Ver sammlung verließen unb die Arbeit wieder aufnahmen. Belgische Streikende haben vier Reisende, unter ihnen deutsche Angehörige, vollständig ausgeplündert. In dem Berg werke „Esperance" entdeckte der Gendarmerie-Lieutenant Andre 32 mit Lunten versehene Dynamiibomben. Der Lütticher Advokat Journez wurde verhaftet, weil er die Arbeiter zuGe- waltthätigkeiten ausgesordert. Die Gendarmerie sand auch vor der Kohlenzeche von Horloz bei Lüttich mehrere Dynamit patronen. Man vermuthet einen Anschlag gegen die in das Streikgebiet entsendete Kavallerie. Vorvergangene Nacht explo- dirte in Framsries wieder eine Dynamit-Bombe; außer der Zertrümmerung einiger Fensterscheiben richtete dieselbe indeß keinen Schaden an. Die Brüsseler Metallarbeiter beschlossen den allgemeinen Streik. Im Allgemeinen scheint die Streikbe wegung ihren Höhepunkt überschritten zu haben. Die „Societö Cockerill" hat alle Arbeiter, welche in den Streik eingetreten sind, entlassen, weil sie dadurch den Lohnkontrakt gebrochen haben; eine Wiederannahme derselben soll nur den Bedürf nissen entsprechend und zu neuen Bedingungen stattfinden. Die Hochosen - Gesellschaft in Ougrse hat ihre Arbeiter, welche streiken, ohne vorherige Ankündigung entlassen. Um der Wiederkehr solcher Ereignisse vorzubeugen, stellt die Gesellschaft für die Annahme von Arbeitern sehr strenge Bedingungen. Die französischen Chauvinisten hegten große Erwartungen in Bezug auf die französische Ausstellung in Moskau, als ob dadurch das von ihnen geplante französisch-russische Bündniß besiegelt werden würde. Der telegraphische Bericht über die Eröffnung der Ausstellung hat jedoch in Paris große Ent täuschung hervorgerufen. Die angekündigte Betheiligung des Großfürsten Sergius ist unterblieben, dagegen hat der interi mistische Gouverneur, General Kostanda, nicht allein die Mar seillaise verboten, sondern auch das Abhalten des beabsichtigten Festbanketts untersagt, weil dabei politische Toaste ausgebracht würden, was er nicht dulden könnte. Uebrigens ist die Indu strie-Ausstellung unfertig. Nur die Kunstausstellung ist fertig. Alle bedeutenden Maler und Bildhauer sind vertreten, der Gouverneur hat aber mehrere Kunstwerke als unanständig ent fernen lassen. Der „Matin" bemerkt melancholisch: „DieAus- stellung ist zur Hälfte fertig. Das Wetter ist kalt und reg nerisch; die Gärten sind verödet." Auch andere Anzeichen lassen darauf schließen, daß in den französisch-russischen Freu denbecher, der in letzter Zeit so ost bei zahlreichen mehr oder minder improvisirten „Verbrüderungssesten" kreiste, einige Wermuthstropsen gefallen sind, wie denn unter anderen die Ab berufung des französischen Botschafters in Petersburg, Labou lave, zu allerlei Deutungen Anlaß bot. Selbst in den fran zösischen Departements, wo es unlängst noch nur des Eintref fens eines französischen Schnellläufers bedurfte, um die russische Allianz zu verkünden, regt sich hier und da ein gewisser Zweifel. So hielt der französische Forschungsreffende Charles Rabat, wie ans Toulouse telegraphirt wird, in der geographi schen Gesellschaft daselbst einen interessanten Vortrag über seine Reisen im nördlichen Rußland und Sibirien, wobei er mancherlei Betrachtungen über Rußland als europäische Macht und über die „Illusionen der Franzosen hinsichtlich dieser Macht" anstellte. „Illusion derFranzosen" schreibt der „Soleil" wörtlich und schließt dann: „Mißtrauen wir den Anwandlungen, die uns sortreißen sollen." Es ist unlängst in Pariser Blättern gemeldet worden, daß gegenwärtig die französische Armee etwa 4000 Offizier: ählt, welche aus Elsaß-Loihringen stammen; darunter der reu ich etwa 50, welche im Generalsrang stehen, und zwar )avon 17 Divisions- und 33 Brigadegenerale. Die Generule Mathieu, Direktor der Artillerie im Kriegsministerium, ferner der frühere Oberbefehlshaber in Tonkin, Gustave Mernier, sowie General Vincendon sind Großvffiziere der Ehrenlegion. Von den französischen Divisionsgeneralen, welche durch ihre Geburt oder durch ihre sonstigen Beziehungen den Reichs- landen und namentlich Lothringen angehören, sind in diesen Tagen die Generale d'Aubigny und Pesme (Beide aus Dieden- hofen) als vorbezeichnete Korpskommandeure bezeichnet worden. Nicht so begeistert für den französischen Kriegsdienst sind da gegen die Elsaß-Lothringer, welche, um der deutschen Wehr pflicht zu entgehen, nach Frankreich auswandern. Der Pariser Stadtverordnete Odalin veröffentlicht darüber in einem lehr reichen Aufsatze Folgendes: „Die meisten elsässischen Wehr pflichtigen verlassen ihr Land als Fahnenflüchtige, um sich jeder Dienstpflicht zu entziehen. Weder Deutschland noch Frank reich, weder Helm noch Käppi — das ist ihr Losungswort. Sie verwirklichen es auf diese Weise. Sie verlassen Deutsch land als Franzosen und lassen sich in Frankreich als Deutsche nieder. Als Deutsche werden sie von der französischen Wehr pflicht nicht berührt. Die Jahre vergehen und erst wenn o e Zeit verflossen ist, während welcher sie als Franzosen bei der Fahne, in der Reserve und in der Territorialarmee hätten dienen müssen, verlangen sie ihre Naturalisation. Sind sie naturalisirt, so melden sie sich allerdings zum Militärdienste. Aber da sie dann 28, 30, 35 oder 38 Jahre alt sind, werden sie von Amtswegen in die ihrem Alter entsprechende Klasse eingcreiht, das heißt vom Dienst in der Linie uuv in der Re serve befreit. Ihre späte Naturalisation hat zur Folge, da sie jeder Last ledig sind, dagegen jeden Vortheils theilhafti werden, welchen das Gesetz dem französischen Staatsbürger ge währt. Das französische Gesetz befriedigt diese Elsässer. Be friedigt es aber auch ihr Gewissen und die nationale Ehre?" Die umlaufenden Gerächte betreffs einer Ministerkrisis in Portugal werden in Regierungskreisen als unbegründet be zeichnet. Vermut hlich seien dieselben dadurch entstanden, da der König vorgestern mehrere politische Persönlichkeiten empfinc Minister Mariano Carvalho theilte bei einer Besprechung mrt den Vertretern der Industrie mit, es seien Maßnahmen ge troffen worden, behuss Erleichterung der Umwechselung eine reichliche Menge kleiner Münzen zu beschaffen; er hoffe au rasche Beseitigung der Münzkrisis. Gleichzeitig ertheilte Car ¬ valho den Vertretern der Industrie über die politische Lage die beruhigendsten Versicherungen. Ueber der Verwundung des rusfifcheu Thronfolgers ruht noch ein geheimnißvolles Dunkel. Man versteht nicht leicht, wie der Zäsarewitsch, der seit längerer Zeit an Bord eines russischen Kriegsschiffes eine Reise macht, auf japanischem Boden anaefallen werden konnte, obwohl er, wie man doch vermuthen ollte, sich regelmäßig in der Gesellschaft von Reisegefährten befindet. Persönliche Feinde kann der Großfürst in Japan nicht haben. Es ist begreiflich, daß in manchen Kreisen die Ansicht auftaucht, daß nicht sowohl ein japanischer Polizist als vielmehr ein vielleicht aus Sibirien entflohener Nihilist den Anschlag ausgeführt habe. Diese Vermuthung ist indessen bis her ebensowenig durch sichere Meldungen begründet wie manche andere Deutung des Vorganges, welche von verschiedenen Seiten versucht wird. Auch über die Schwere der Verwundung kann man sich einstweilen kein sicheres Urtheil bilden, obwohl man nach der Form der offiziösen Meldungen annehmen mußu, ie sei nicht ganz unbedenklich. Der Großfürst ist 23 Jahre alt und hat stets als schwächlich gegolten. Ueber das Ereigniß liegt heute noch folgende Meldung vor: „Nach einem Drahtbericht des „Standard" aus Shanghai spricht man dem Mordversuch auf den Zarewitsch politische Bedeutung ab. Der Schauplatz des Verbrechens war der von jedem Vergnügungs-Reisenden besuchte, malerisch gelegene Ausflugsort Otsu am Biwa-Zee, etwa sechs Meilen von Kioto. Der Biwa-See liegt mit seinem Südende östlich von Kioto. Die Stadt und ihre weitere Um gegend, in welcher Otsu liegt, enthält viele alte Tempel. Viel leicht ist beim Besuch eines solchen ein Versehen vorgekommen, welches den Fanatismus des japanischen Polizisten weckte. Der Angreifer war ein japanischer Gendarm Namens Tsuda Sanzo. Mit seinem Säbel brachte er dem Prinzen eine Wunde am Kopf bei, die aber — in Folge des dicken Sonnenhelms, welchen der Großfürst trug — verhältnißmäßig unbedeutend ist. Sie wird als ein nicht ernster Säbelhieb an der Schläfe geschildert. Der Großfürst kehrte mit seinem Gefolge sofort nach Kioto zurück, wo er durch geschickte Aerzle verdünnen wurde. Der Kaiser von Japan und seine Minister eilten sofort nach Kioto, um dem Zarewitsch persönlich ihre Betrübniß und Thcilnahme auszudrücken. Man glaubt, der Thätersei irrsinnig. „Nach amtlichen Telegrammen ans Tokio war der Großfürst-Thron- solger in einem Juvimska-Boote über den See Biwa gefahren und in Otsu angelangt, um sich nach Kioto zu begeben, als er von einem untergeordneten Polizeibeamten in einem Anfall von Fanatismus einen Säbelhieb über den Kopf erhielt. Der Attentäter gehört wahrscheinlich der Sekte der Samuraii? an, die den Fremden sehr feindlich gesinnt ist. Die Wunde des Großfürsten-Thronsolger soll drei Zoll lang, jedoch nicht ffef sein. Es wird übrigens behauptet, schon während des Aufenthaltes in Indien sei ein Mordanschlag aus den Thronfolger versucht, aber mißlungen. Der Zar soll sich in Gatschina befunden haben, als die Trauernachricht eintras. Die Zarin fiel in Ohnmacht, als sie die Kunde Hörle; als sie wieder zu sich ge kommen war, soll sie ausgerufen haben: „Mein Sohn ist tvdl! Ihr verbergt mir die Wahrheit." Sämmtliche Petersburger Blätter heben die hochherzige That des Prinzen Georg von Griechenland hervor, welcher den Großfürsten-Thronsolger vor weiteren Angriffen durch den Attentäter bewahrt habe. Ruß land werde daS dem Prinzen niemals vergessen. — Das Be zirksgericht zu Riga verurtheilte den Pastor Wilhelm Eisen schmidt zum Verlust sämmtlicher persönlichen und Standcsrechte und zur Verbannung nach dem Gouvernement Tomsk. Das Urtheil wird dem Kaiser unterbreitet werden. — Das Haus Rothschild dementirt das Gerücht, daß es infolge der Judenverfolgungen von der Bethciligung der dreiprozentigen russischen Anleihe zurückgetreten sei. Die Anleihe werde im nächsten Herbst ausgegeben weiden. Wie von der griechischen Insel Corsu gemeldet wird, hat sich die Lage daselbst noch nicht gebessert; neuerdings wurden wieder zwei Juden getödtet. Das Judenviertel ist von einem Truppenkordon umgeben, welchen die Juden nicht über schreiten dürfen. Die Läden sind geschlossen. Nach Corfu wird ein Stabsoffizier entsendet mit dem Auftrag, daselbst die Ord nung wieder herzustellen. In Privatbriefen von Kaufleuten aus Corsu wird die Lage als trostlos geschildert. Die Behör den erwiesen sich als vollständig machtlos. Auch aus Zante lauteten die Nachrichten sehr ernst. Der Versuch einer Volks menge, in das Judenviertel einzudringe», der am (griechischen) 1. Osterfeiertage durch die Polizei unter Anwendung von Waffengewalt verhindert worden sei, habe sich einige Tage später mit Erfolg wiederholt; hierbei seien mehrere Läden ge plündert und viele Juden mißhandelt worden. Vier Dampfer der Bereinigten Staaten, die Kreuzer „Baltimore", „Pensacola" und „San Francisco" und das Flaggschiff „Omaha", machen jetzt auf den Dampfer der chile nischen Kongreßpartei „Jtata" Jagd. Die Frage, ob cs den Vereinigten Staaten rechtlich erlaubt ist, den chilenischen Dampfer auf hoher See mit Beschlag zu belegen, erregt immer noch Bedenken. Der Marineminister bejahte die Frage, zumal die „Jtata" nicht das Recht hat, eine Flagge zu führen. Die Wassen sollen der „Jtata" von dem Hause W.K. Grace u. Co. zugeführt sein, das aus seiner Sympathie mit den Aufständi schen kein Hehl macht, während Flint u. Co. zugeben, der Re gierungspartei Waffen und Schießbedarf geliefert zu haben. Beide Kaufleute erklären, sie hätten damit in keiner Weise gegen das Gesetz verstoßen. Nachdem die Verhandlungen zwischen den beiden Parteien in Chile gescheitert sind, wird nunmehr voraussichtlich die Entscheidung durch die Waffen er folgen. Die Aufständischen halten jetzt vier Provinzen besetzt: Tacna, Tarapaca, Antofagasta und Atacama, und behaupten, über ein 15 000 Mann starkes Heer, 43 Kruppsche Geschütze und viele Schnellseuerkanonen zu verfügen; ihre Infanterie sei mit Mausergewehren bewaffnet. Oertliches und Sächsisches. Freiberg, ben 14. Mai. — Die auf den 26. Mai d.J. einberufeue fünfte tiche Lanvesfynode wird, vorbehältlich der Prüfung der hierzu stattgesundenen Wahlen durch die Synode, aus nach genannten Mitgliedern bestehen: in den 27 Wahlbezirken gewählte Abgeordnete: I. Bezirk: 1) Oberhofpred. v. Meier- Dresden, 2) Geh. Finanzr. v. Kirchbach-Dresden. II. Bezirk: 3) Sup. Konsistorialrath v. Dibelius-Dresden, 4) Stadtrath Grabowski-Dresden. III. Bezirk: 5) Pfarrer Große-Kötzschen- broda, 6) Kammerherr Freih. v. Burgk-Roßthal, 7) Fabrikbes. Gysae-Serkowitz. IV. Bezirk: 8) Sup. vr. Blochmann-Pirna
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