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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 04.02.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189102044
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18910204
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18910204
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1891
-
Monat
1891-02
- Tag 1891-02-04
-
Monat
1891-02
-
Jahr
1891
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 04.02.1891
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LS Ureiberger ««»eiger ««d Tageblatt. Gelte L. !8Sl. Tagesschau. Freiberg, den 3. Februar. Der deutsche „Reichsanz." veröffentlicht die Dienstentlassung des Reichsgerichtspräsidcntcn vr. v. Simson, sowie die Ernennung v. Oelschläger s zum Reichsgerichtspräsidenten, des vr. Bosse zum Staatssekretär des Reichsjustizamts und Bevollmächtigten zum Bundesrath, des vr. v. Rottenburg zum Unterstaatssekrctär des Reichsamts des Innern und des vr. Goring zum voi tragenden Rath in der Reichskanzlei. Der Prinz und die Prinzessin Heinrich gedenken noch längere Zeit in Berlin zu verbleiben. Am Sonnabend wohnte Prinz Heinrich zum ersten Mal einer Sitzung im Ministerium des Innern bei. Minister Herrfurth hat vom Kaiser den Befehl > erhalten, den Prinzen in erster Linie in die Grundzüge des > Vcrfassungsrechts emzusühren. Ter Prinz wird voraussichtlich 1 in der nächsten Zeit vier Mal wöchentlich den Sitzungen bei- i wohnen. Die Sitzung am Sonnabend dauerte 2'/; Stunden. ! Einer Kieler Mittheilung zufolge hat der Kaiser an seinem i Geburtstage eine Kabiuetsordre an den Prinzen Heinrich ge- > richtet, in welcher er ihm seine Anerkennung für die der Marine ! geleisteten Dienste ausspricht und heAwrhebt, das; es ihm eine besondere Freude gewesen wäre, ihn an diesem Tage zum > Kontreadmiral zu ernennen, daß er aber auf den speziellen > Wunsch des Prinzen, welcher zur Vervollkommnung seiner Kenntnisse gern noch in seiner jetzigen Stellung verbleiben ' wolle, von dieser Beförderung Abstand nehme. Wiener Blättern und der Münchener „Allgem. Ztg." wird auS Berlin gemeldet, in unterrichteten Kreisen glaube man, das; der Reichskanzler von Eaprivi demnächst das Amt des preussischen Ministerpräsidenten an den Finanzminister vr. Miquel abgcbeu werde. Letzterer würde Finanzministcr bleibe». In unterrichteten Kreisen ist, wie die „Nordd. Allgcm. Ztg." versichern kann, von einer solchen Umgestaltung, welche bekannt lich beim Rücktritt des Fürsten Bismarck einen Augenblick ins Auge gefasst war und damals aus staatsrechtlichen Bedenken fallen gelassen wurde, bisher nichts bekannt. Es scheint somit in der obigenMittheilung vorerst nur eineziemlichwillkürlicheAn- nahme vorzuliegen. — Der „Börseu-Kourier" ersährt, daß der Posten eines Vizekanzlers, welcher schon einmal für den jetzigen Oberstkammercr, den Grasen Otto zu Stolberg-Wernigerode, geschaffen worden ist, erneuert und mit dem Fiuanzminister vr. Miquel besetzt werden soll. Der deutsche Laudwirlhschaslsralh wurde am 2. d. M. in Berlin unter dem Vorsitz des Grasen v. Lerchenfeld-Köseriug eröffnet. In seiner Begrüßungsrede erklärte der Minister v. Heyden, die Verbündeten Regierungen beabsichtigten keineswegs, die Laud- wirthschasl schädigend zu belasten, wenn auch deren Ent schließungen möglicher Weise durch die Interessen der inneren Politik beeinflußt werden tvuuten. (Lebhafter Beifall.) Zum Vorsitzenden wurde Frhr. von Hammerstein-Loxten gewählt. In Sachen der gefälschten Briefmarken berichtet die „Franks. Ztg.": Ter Sleindrucker Bauer, der Versertiger der Falsifikate, wurde schon vor zehn Jahren in Gemeinschaft mit zwei anderen Komplicen wegen Anfertigung englischer Zehnpsundnoteu be straft, ein weiterer Komplice wurde damals in München, ein nach einer Schlacht gezwungen wurden, den Rückzug in der Richtung von Lanoria anzutreten. Die Insurgenten in Santiago blieben thatsächlich unthätig. In den Provinzen haben mehrere blutige Zusammenstöße stattgefunden. «olonialpolitische». Das am Montag dem Reichstag zugegangene Weißbuch über Oftafrika enthält die Berichte Emin's über seine Ex pedition nach dem Viktoria-Nyanza an den stellvertretenden Reichskommissar Schmidt, sowie die Erlasse Schmidt's betreffend das deutsch-englische Abkommen, und schließlich einen Erlaß des stellvertretenden Reichskommissars an Emin, datirt 15. Novbr., worin er namentlich wegen der Rücksichten aus das Budget die von Emin vorgeschlagene Besetzung Taboras für unmöglich erklärt, sowie anstatt der erbetenen fünfhundert Lasten für Eniin die Absendung von fünfzig Lasten ankündigt. Gleich zeitig wird mitgetheilt, Major von Wißmann werde bis 1.April 1891 die Kommandanturgeschüste führen, sodann werde die Kolonie in eine Kronkolonie umgewandelt und dem Gouver neur Freiherrn von Soden unterstellt werden. Inzwischen solle Emin eine Station am Viktoria-Nyanza gründen. Be richte Wißmann's enthält das Weißbuch nicht. — In dem in dem Weißbuch enthaltenen Bericht vom 11. Oktober v.J. schil dert Emin die damalige Lage in Uganda, sowie die Expedition gegen die arabischen Sklavenhändler in Massansa, erklärt die Errichtung einer Station an der Nordspitze von Muansce, nahe bei Kawirondo, für besonders wichtig und beklagt das Aus bleiben von Munition und Leuten, lehnt auch gleichzeitig für das eventuelle Liegenbleibeu der Expedition jede Verantwort lichkeit ab; schließlich beklagt Emin die schlechte Beschaffenheit des Sudanesenmaterials der Expedition. — Die „Nat.-Ztg." schreibt: „Wie wir hören, haben die Berichte Emin's durch ihre Sachlichkeit innerhalb der Reichsregierung einen für Emin sehr günstigen Eindruck gemacht; sie scheinen durchaus dazu angelyan, Denen Recht zu geben, welche, wie wir, gegen eine Verurtheilung Emin's auf Grund des einseitigen und offenbar nicht unbefangenen Berichts Wißmann's Widerspruch erhoben. Inzwischen sind soeben noch weitere Berichte Emin's angelangt, die wahrscheinlich in einem Nachtrag zu dem Weißbuche dem Reichstag zugehen werden." sind. Die meisten Verwundungen sind bei dem ersten Zusam menstöße mit den Truppen vorgekommen; hier stürzten Leute aus dem Volke vor den Muuizipalgardcn auf die Kuiee und flehten um Gnade. Die große Mehrzahl der Einwohner bringt mehr und mehr Anhänglichkeit an die bestehenden Einrichtungen zum Ausdruck. Das „Journal de Bruxelles" bringt Einzelheiten über den am 19. August v. I. zwischen arabischen Sklavenhändlern und Soldaten des Kongo-Ttaates stattgehabten Kampf. 7000 Araber hätten 500 weiße Soldaten und 200 Eingeborene an- immerhin noch ein ganz ansehnlicher Betrag zur Verwendung gegriffen. Letztere wurden vom Lieutenant Teseamps ange führt. Tie Araber wurden bald in die Flucht geschlagen, wobei sie einen Verlust don 30 Todtcn und ungefähr 100 Verwun deten erlitten. 1000 Sklaven wurden befreit. Im arabischen Lager wurde ei» Faß Pulver mit der Marke der Holländische» Kongo-Ha»delsgesellschaft vorgcfunden. Dem Präsidenten der Bereinigte»» Staaten, Harrison wird von vielen Seilen der Vorwurs gemacht, daß er gewisser maßen einen Truck auf veu verstorbenen Schatzsekretär Windom auSgeübt und diesen, obgleich Harrison wußte, daß er leidend var, gezwungen habe, bei dem Festessen der New-Aorker Handelskammer, bei welchem Windom verschied, eine Rede zu hallen. Man wirft in Folge besten Harrison vor, er habe den Tod Windoms' verursacht. Ueber die kritische Lage in Miltelamerika liegt folgende Meldung aus Mexiko vor: Hier eingegangenen Nachrichten zu folge, hat Guatemala für elnen Krieg mit San Salvador § 25 000 Mann ausgerüstet. Dieselben sind jetzt mit der Ein- . heimsuug der Kasfee-Ernte beschäftigt. Der Krieg dürfte in > der ersten Hälfte des Februar erklärt werden. Honduras wird . Eo"a Rica und Nicaragua in Schach hallen, falls diese Repu- : bliken versuchen, sich cinzumischcn: andernfalls wird es San > Salvador, welches sich für den Kamps vorbereitet, ebenfalls angreifen. Guatemala wie San Salvador bemühen sich, An- : leihen auszuuchmen. Ueber den Bürgerkrieg in Ehilt sind jetzt Nachrichten ein- getrosicn, die günstiger für die Regierung laulen. Die Kaus- , leute Charles R. Flint u. Co. in New-Bork erhielten folgende Kabel-Depesche, datirt Valparaiso, 28. Januar: „Das revolutio näre Geschwader wurde in allen Häfen, die cs angriff, zurück- geschlagen." — Nachrichten aus andern Quellen zufolge wurde Jquique von den Parteigängern deS Präsidenten Balmaeeda : zurückerobert. Die Insurgenten zogen sich nach Lapena zurück, : wo sie von 5000 Mann Regierungstruppen angegriffen und Die Krise in Italien. Ter Sturz Crispis wird für die nächste Zeit den Brenn punkt der politischen Erörterungen bilden, und namentlich in Deutschland haben wir ein lebhaftes Interesse an der zulüns- tigen Gestaltung der Leitung des italienischen Staatswesens, ohne daß wir der Befürchtung Raum zu geben brauchten, daß der Rücktritt Crispis den Bestand des Dreibundes gefährden könnte. Ueber die Anlässe zu Crispis Sturz und über die parlamentarischen Vorgänge, die den Rahmen zu dem uner warteten Szenenwechsel abgabcn, haben wir bereits gestern be richtet. Crispi ist nicht etwa in einer Frage der hohen Politik, andern bei der Beralhung des Gesetzentwurfs über die provi- orische Einführung einiger Eingangszölle und die Steuer von Alkohol gestürzt worden. Er hatte in der entscheidenden Sitzung allerdings darauf hingewiesen, daß er, um gewiste Vor- würse zu entkräften, blos an die Finanzen unter dem Regime der Rechten zu crinuer« brauche, daß er aber aus „Achtung vor den Gräbern" keine Demonstration hervorrusen wolle. Zu gleich charakterisirte Crispi die Politik der Rechten als eine, die „dem Auslande gegenüber servil gewesen sei". Diese scharfe Kritik der frauzosenfreundlichen Politik der Rechten gab dann den Ausschlag; die Kammer beschloß, nicht zur Berathung der einzelnen Artikel der Vorlage übcrzugehen, worauf derKonseil- präsident ohne Weiteres dem König Humbert das Entlastungs gesuch des Ministeriums überreichte. Einen interessante» Bei trag zur Vorgeschichte der Krise erhält die „Nat.-Ztg." von ihrem römischen Korrespondenten in nachstehender Mittheilung: „Die Partei der Rechten, die Dank der Unterstützung der Re gierung aus den letzten Wahlen verstärkt hervorgegangcn ist, verlangte seit einigen Wochen, daß verschiedene ihrer Mitglieder, unter anderen Luzalli, in das Ministerium berufen würden. Am Freitag Abend und am Sonnabend früh ging di Rudini zu Crispi, um die Entlassung des Finanzministers Grimaldi, des Handelsministers Miceli und die Rekonstruktion des Kabinets zum Vortheil der Partei der Rechten zu ver langen. Crispi antwortete, die Partei der Rechten hätte zu wiederholten Malen das Regierungsprogramm ganz und gar ge billigt und sei auch als ministerielle Partei gewählt worden. Er habe in seinem Leben niemals Erpressungen ausgehalten. So erklärt man sich die beleidigenden Worte Crispi's gegen die Politik der Rechten. Außer der Partei der Rechten stimmten gegen das Ministerium die Radikalen, die Freunde Nicotera's, zwanzig Piemontesen, die wegen der Entlastung Giolitti's aus dem Schatzministcrium unzufrieden sind, ferner Alle, die nichts von dem Präsekturengcsetz wissen wollen, sowie Jene, die eine Crispi zugeschriebene Bankreform fürchten, und Alle, die von Crispi auS den Lokalverwaltungen Vertrieben wurden. Die Ausgabe des Königs ist höchst schwierig. Am Sonntag ver sammelten sich hundert Deputirte der Linken, um ein Kabine! der Rechten zu verhindern; am Montag vereinigten sich etwa 60 Abgeordnete der Rechten, um die Bildung eines Kabinets der Linken zu verhindern. Ein Kabinct Rudini-Nicotera — die Extreme berühren sich — erscheint möglich. Der König hat bis jetzt nur Biancheri und Farini um Rath gefragt. Biancheri, der zur Partei der Rechten gehört, bezeichnete Rudini als möglichen Nachfolger Crispi's; Farini machte keine derartigen Vorschläge." Als Nachfolger Crispi's wird außer Rudini, dem Vize präsidenten der Kammer und Führer der Rechten, auch Zanar- delli, einer der einstigen Pentarchen und Gesinnungsgenossen Crispi's (Crispi, Cairoli, Nicotero, Zanardelli und Baccarini), genannt. Es liegt die größte Wahrscheinlichkeit für ein Kabinet Rudini und Zanardelli vor. Zanardelli hat, wie fast alle älteren Politiker Italiens, die Rechte studirt und an allen revo lutionären, auf die Einigung Italiens hinzielenden Bewegungen der letzten 50 Jahre Theil genommen, so auch am Zuge Ga- ribaldi's nach Sizilien. In dem Ministerium der Linken hatte er wiederholt Portefeuilles inne, noch im Jahre 1887 trat er ' gemeinschaftlich mit Crispi als Justizminister in das Kabinet Depretis ein. An den heftigen Kämpfen der letzten Zeit gegen Crispi, dessen auswärtige Politik auch seiner Ueberzcugung ' entspricht, hat er nicht Theil genommen. Da auch Rudini ein : warmer Anhänger des Dreibundes ist, haben wir leine Vcr- , anlassung, dem Wirken der kommenden Männer mit > Besorgnis; entgegen zu sehen; auf dem Gebiete der fünfter in Wiesbaden abgeuriheilt. Auch in dem heute vor- lUPenden Fall hat er seine Komplicen wie srüher — die Ver haftungen des Kaufmanns Flock in Montabaur, des Schuh machers Koch und Trödlers Kramig in Frankfurt a. Main beweisen cS — vorsichtiger Weise nicht au seinem Wohnort gehabt, sondern auswärts gesucht. Koch wie Kramig haben ebenfalls schon vor dem Strasrichter gestanden. Ueber die Ver haftung Kramig's wird Folgendes mitgetheilt: In vu->Lampen- gcschäst von Wesp auf dem großen Kornmarlt kam am Donners tag ein Postbeamter nnd brachte einen von der Firma nach Wiesbaden gesandten Briet mit einer falschen 10-Pfennigmarke. Die Untersuchung des Vorrathes an Briefmarken ergab das Vorhandensein emer größeren Anzahl gefälschter Briefmarken. Der den Einkauf besorgende Lehrling Kramig gestand ein, diese Marken von seinem Vater erhalten zu haben; die Verhaftung deS Letzteren erfolgte dann sofort. Schuhmacher Koch Hai namentlich bei den Metzgern und Spezereihändlern Hinter dem Lämmchen versucht, die Falsifikate anzubringeu; bei einem Wirlhe hat er sür 10 Ml., bei einem Metzger für 3 Mk. an gebracht, ein Dritter wurde »ur dadurch vor Schaden bewahrt, daß er erklärte, er werde die Marken nur nehmen, wenn er sic bei der Post Umtauschen könne. Große Geschäfte scheint die Hätscher Gesellschaft nicht gemacht zu haben, da die Fälschungen bald entdeckt wurden. llm etwaigen Unruhen zu begegnen, hatte die belgische Negierung zum Tage, an dem die Kundgebung zu Gunsten auch eilte Neuorganisation verbunden, dir jedoch gleichfalls noch im Werden begriffen ist. Es geht aus Alledem hervor, daß die Armeeverhältniffe inPortugal in militärischer Beziehung keine fertigen und tief begründeten sind. In politischer Bezieh ung sind sie cS noch viel weniger. ES fehlt an einer Tradition, an fester monarchischer Disziplin, und da die allgemeine Wehr pflicht eingeführt ist, so nimmt das Heer an Allem, was das Volt bewegt, viel unmittelbareren Antheil als in anderen Län dern. Die Dynastie Koburg-Braganza ist in Portugal nicht populär, und erst recht nicht, seit das Land von England ver gewaltigt worden ist, was man ihr — mit Unrecht — in die Schuhe schiebt. Diese Stimmung spielt natürlich auch in das Heer hinein, und d'es um so mehr, als es sogar an den König lichen Militärschulen Lehrer gibt, die aus ihrer republikanischen Gesinnung gar kein Hehl machen. Vor einem Jahre schon wurde glaubhaft berichtet, daß die Regierung in der größten Verlegenheit sei, weil sie nicht wisse, ob sie ein paar Regimenter, deren Zuverlässigkeit nicht über allem Verdacht stand, zur Strafe an die Grenze schicken oder zur Ueberwachung durch treue R«imenter »n der Hauptstadt behalten solle. Den Volks- oufläufen des vergangenen Jahres, bei denen in das „Nieder mit England!" ost genug das „Nieder mit der Monarchie!" Hineinklang, hat das Militär nicht ganz fern gestanden. Das konservative Ministerium Serpa Pimente! hat freilich versucht, die Bewegung einzudämmen; es hat eine Art Bela- gcrungszustand prollamirt und eine Reihe gesetzlicher Garantien aufgehoben, aber es ist der Bewegung nicht Herr geworden und hat schließlich selbst das Feld räumen müssen. Unter solchen Umständen ist es als eine glückliche Fügung für die Monarchie zu betrachten, daß die Erhebung in Oporto so bald ihr Ende fand. In dem mit Zündstoff durchdrungenen Boden konnte dieser Funke die gefährlichste Explosion Hervor rufen. Aus jeden Fall aber bleibt der Aufstand einsehr bedenkliches Symptom für die in Portugal herrschenden Zustände. der Verfafsungsdurchsicht stattfinden sollte, zwei Regimenter Miliz einberufen. Während nun zwei Klaffen der neulichein- berufenen Miliztrupprn entlassen wurden, mußten diejenigen, deren Garnison Brüssel ist, unter Wassen bleiben. Infolge dessen entstand unter letzteren Unzufriedenheit. Sonntag Nach mittag wollten sich zahlreiche Milizsoldaten auf dem Luxem- burgplatz versammeln, wovon jedoch die Militärbehörden benach richtigt worden waren. Als die mißvergnügten Soldaten in großer Anzahl zu der Versammlung sich auf dem Platze cin- fanden, erschienen plötzlich Gendarmen. Ueber den Verlauf der Auflehnung meldet man: In Folge der Anweisung des Kriegsministers, die einberusenen Milizsoldaten der Brüsseler Regimenter nicht zu entlassen, entstand Sonntag Nachmittag eine Armeercvolte. Zweihundert Jäger, Karabiniers und Grenadiere veranstalteten auf dem Luxemburger Platze, theil weise die Marseillaise singend, eine Straßenkundgebnng. Offiziere, Gendarmerie und Polizei haben die Hausen der aufsässigen Milizsoldalen zerstreut. Andere Soldalengruppen erschienen aus dem Zaavelplatze; sie wurden jedoch auseinandergetrieben. Einzelne Soldatenbanden durchzogen, die Marseillaise singend, die Arbeiterviertel. Beim Nachtappell fehlte in den Kasernen eine Anzahl Soldaten. Die Militärbehörde betreibt die über die bedauerlichen Vorgänge eingeleitete Untersuchung mit Eifer. Die Schuldigen dürften streng bestraft werden. Die Ent- lafsungsbefehle für die Soldaten waren bereits unterzeichnet, sind aber in Folge dieser Vorgänge von dem Kriegsminister zurückgezogen worden. Jules Ferry wurde mit 17 von 31 Stimmen zum Präsi denten der Zollkommission des französischen Senats gewählt. — Die meisten Blätter jubeln über Crispi's Sturz und sehen in ihm das Ende des Dreibundes oder wenigstens der soge nannten Mißverständnisse zwischen Frankreich und Italien. „Temps" und „Paix" dagegen warnen vor solcher Auffassung und sind überzeugt, daß Crispi's Verschwinden an der auswär tigen Politik Italiens nichts ändern werde. Bei den spanischen Kammerwahlen wurden in Madrid 6 Konservative und 2 Liberale gewählt. In Huesca ist Castelar gewählt. In den Provinzen scheinen nach den bis jetzt vor liegenden Nachrichten vorwiegend Ministerielle gewählt zu sein. In Barcelona kamen einige Ordnungsstörungen vor, indem eine Anzahl Personen in die Wahllokale eindrang und die Urnen zerbrach. Mehrere Verhaftungen wurden vorgcnommen. In Oporto ist die Ruhe wieder hergestellt worden. Das amtliche Blatt veröffentlicht einen Erlaß, welcher in Portugal die Habeas-Korpus-Alte suspendirt und die Behörden ermäch tigt, solche Zeitungen, welche die Sicherheit des Staates gefähr den, im ganzen Lande zu unterdrücken. Nach den nunmehrigen Ermittelungen rechneten die Aufständischen von Oporto auf eine gleichzeitige Erhebung in Coimbra, Braga und Vizeu und warteten nur aus den Abmarsch der in Lissabon garnisoniren- den Truppen nach den Provinzen, um in der Hauptstadt eben falls eine revolutionäre Bewegung Hervorzurusen. Alle diese Anschläge sind nunmehr vereitelt; am Sonntage herrschte überall vollständige Ruhe. Die in Oporto verhafteten Aufständischen werden aus dem Transportdampser „India" nach Lissabon gebracht. In Oporto kam es bei dem Ausstande an drei ver schiedenen Orten zu blutigen Zusammenstößen, und zwar in der Straße Santo Antonio, auf dem Batalhaplatze und auf dem Stadlhausplatze; die au diesen Orten befindlichen Häuser, namentlich aber das Stadthaus, sind stark beschädigt. Die in Lissabon erscheinenden republikanischen Journale „Patria" und „DebateS" sind unterdrückt worden. Der Staatsrath ist zu sammen berufen, um über die Anwendung der Militärgerichts barkeit aus die an dem Ausstand in Oporto betheiligtcn Zivil personen zu berathen. Die Führer der republikanischen Partei Joseph Sampio und Basile Telles, die sich nach Braga ge- flüchlet hatten, sind verhaftet worden. DaS 18. Infanterie- Regiment soll nach Braga verlegt, das 9. Chasseur-Regiment und das 10. Infanterie-Regiment sollen aufgelöst werde». — I» verschiedenen dem Rathhause von Oporto benachbarten Häusern wurden 225 Gewehre ausgefunde», welche von den Aufständischen im Momente der Flucht zurückgelasscn worden
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