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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 29.11.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-11-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189111292
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18911129
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18911129
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- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Bemerkung
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1891
-
Monat
1891-11
- Tag 1891-11-29
-
Monat
1891-11
-
Jahr
1891
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 29.11.1891
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«iqrl-e» *«d Seit« L i«1. wenn man sich mit der ouswärligen Politik der Regierung besaßt. Die auswärtige Politik, die die jetzige Regierung treibt, ist eine ehr einfache gewesen. Ich bin der Meinung, daß auch in der auswärtigen Politik zu den wirksamsten Mi.teln Wahrheit und Offenheit gehören. (Beifall). Es ist nicht nöthig, daß man seine letzten Gedanken alle Tage auf dein Präsentirteller herumträgt, aber auch nicht, daß man olle Tage das Bestreben Hai, Andere zu täuschen. Eine günstige Konstellation in Europa hat es nun ver anlaßt, daß wir überhaupt wenig Verhandlungen gehabt haben, die Dinge sind einfach verlausen. Der moderne Zcitungsleser ober hat immer ein gewisses Bedürsniß noch Sensationellem. Er verlangt, daß etwas loS sein soll, und wenn nun nichts los ist, dann ist er unzufrieden und natürlich ist dann die Regierung daran Schuld, daß dann nichts los ist. Es sind nur wenige Fragen, die der im Allgemeinen mit der auswärtigen Politik nicht einverstandene Zeitungsschreiber spezialisirt. Davon ist eine die: Jo, die russische Reife Sr. Majestät deS deutschen Kaisers im vorigen Johr, der Aufenthalt in Narwa, das hat sehr böse gewirkt! : Nun habe ich die Ehre gehabt, an dieser Reise theilzunehmen, > und ich bin mit der Ucberzeugunng wiedergekommen, > daß diese Reise eine vorzügliche Wirkung gehabt > habe. ES waren politische Dinge nicht abzumachen, sondern es § kam daraus an, daß die beiden Souoeraine in freundschaftlicher, . durch ihre Verwandtschaft gegebener Weise verkehren konnten. Der - Verkehr gestaltete sich so günstig wie irgend möglich Ich würde - das hier nicht sagen, wenn ich nur aus meine, auf deutsche Beo- ! bachtungen, angewiesen wäre, wenn ich nicht bestimmt wüßte, daß > auch auf der anderen Seite derselbe Eindruck gewonnen wäre. > Dann kommt Kronstadt, man hat sich beunruhigt gezeigt, weil , die Flotte eines unserer Nachbarn in dem Hasen des anderen ein- > fuhr und weil man sie mit großen Festlichkeiten nnd Freude l empfing. Da läßt man dann durchblicken, daS wäre doch sonst : nicht vorgelommen, das könnte nur unter diesen Verhältnissen ein- : treten. Nun weiß ich in der That nicht, wie wir cs hätten an- : sangen sollen, um diese Zusammenkunft zu verhindern. Man hat wohl durchfühlen lasten: „Ja habt Ihr denn nicht den Dreibund; ; davon kommt nun die Kronstadter Zusammenkunft." Nun wir : haben den Dreibund, der schon Jahre lang vor dieser Zusammen- > tunst existirle, erneuert. Man hat vielleicht bei dieser Erneuerung : in der Presse etwas zu viel gepaukt und trompetet und dadurch anderen Leuten das Gefühl gegeben, sie wollen auch mal pauken und trompeten. An sich aber hat sich durch die Erneuerung des Dreibundes in Bezug auf unsere östlichen und westlichen Nach barn nichts geändert. Durch die Kronstädtcr Zusammen kunft ist nur für die Augen deS größeren Publikums ein Zustand erkennbar geworden und in die Sinne ge fallen, der schon seit lange existirte. (Sehr richtig!) Ich kann nicht prophezeien; eS ist ja möglich, daß es zu einem Kriege mit zwei Fronten kommt. Daß aber daS Ereigniß der Kronstädter Zusammenkunft mit Fug und Recht zu größerer Beunruhigung einen Anlaß geben sollte, als bisher, das bestreite ich rundweg. Ich bin felsenfest davon überzeugt, daß die persönlichen Intentionen die Handelsverträge einzubringen. Selten in meinem Lebeu bin ich so schaffrnSfrrudig gewesen, als in demselben Augen blick, wo die Verträge ihrer Vollendung entgegen gingen und selten habe ich so wenig daran gedacht, meine Stelle aufzugeben (Leb hafter Beifall). Wenn ich die Beunruhigung, dir durch das Land geht oder geyen soll, zum Gegenstand meiner nächsten Erörte rungen mache, so will ich vornweg bemerken, daß Zeitungsschreiber mich nicht beunruhigen. (Beifall.) Ich wünschte nur, sie beun ruhigten sich auch um mich nicht. (Heiterkeit.) Es läßt sich nicht wcglcugnen, eS geht durch das Land ein Pessimismus, der mir im höchsten Grade bedenklich ist. So lange deutsche Philosophen allein sich damit beschäftigten, mochte es ja eine für Manche an ziehende Beschäftigung sein. Wenn aber diese geistige Richtung auf weite Knise übergeht, die aus Handel und Arbeiten ange wiesen find, dann wird dieselbe gefährlich, denn ich wüßte nicht, worum, wen» doch Alles eitel ist und bei nichts etwas heraus kommt, man sich überhaupt dann noch quälen soll. (Sehr richtig!) ES liegt aber ein Beunruhigungsbacillus in der Luft, der im Lande epidemisch geworden ist, und selbst angesehene Zeitungen, die sich sonst für die Träger nationaler Politik halten, scheinen mir Reinkulturen für diesen epidemischen Bacillus geworden zu sein. ES wird uns gesagt: Ihr sangt die Sache schlecht an, so geht es nicht, und das nahm einen schroffen, und vielleicht schrofferen Ausdruck wie gewöhnlich in dieser Schrift an, die zu meinem Bedauern von einem Herrn geschrieben sein soll, der in Beziehung zur frrikonservativen Partei stehr. Dieser Herr sogt: „Die Zerfahrenheit und die nachgiebige, schwankende und unstäte Politik des Ministeriums Caprivi trägt die Mitschuld an der allgemeinen Unzufriedenheit." Nun würde ich dem Herrn sehr dankbar gewesen sein, wenn er die Güte gehabt Hütte, mir im Einzelnen nachzuweisen, wo denn die schwankende, unstäte, unbestän dige Politik liegt. Ich bin der Meinung, durch ihre Handlungen Hal die gegenwärtige Regierung zu solchen Vorwürfen keinen Anlaß gegeben. Der Herr sagt: .Diese Regierung hat die Kartellpar- teien zertrümmert" DaS ist ein Vorwurf, der mich nicht trifft, die letzten Wahlen sind vorgenommen worden, ehe die jetzige Re- gierung an Ort und Stelle war. Die Regierung würde gerne mit den Kartcllpartrien weiter gelebt haben, weil sie überhaupt dos Bestreben Hot, mit allen Parteien, die ein Interesse an der Erhaltung des Staats und des Reiches haben, zusammcnzugehen. Wenn da eine kompakte Masse, wie es die Kartellparteien waren, vorhanden wäre, so würden wir gern die Hand gegeben haben und den B..such gemacht haben, mit den Kartellparteien zusam menzugehen. Diese Karlells»rleicn waren aber nicht mehr da und wenn sw noch weiter zerbröckelt sind, so liegt das an den inneren Motiven, nicht aber in dem bösen Willen oder dem Ungeschick der Regierung. Nun führt der Herr noch andere Dinge auf, auf die ich nachher im Einzelnen kommen werde. Er sagt, unsere Regie rung hält es mit keiner Partei, sie setzt sich zwischen zwei Stühle. Derselbe Herr, der uns vorher getadelt hat, weil wir die Kartell- partcien zertrümmert hätten, macht uns jetzt den Vorwurf, daß wir mit keiner Partei gingen, daß wir uns zwischen zwei Stühle setzten. Ich habe überhaupt noch nicht den Wunsch gehabt, mich auf den Stuhl irgend einer Partei zu setzen, sondern nur den Wunsch gehabt, diejenige Politik zu machen, die die Verbündeten Regierungen nach reiflicher Erwägung für recht halten. Ob die einer Partei paßt oder nicht, ist dann nur eine taktische Erwä gung für mich. Das Wesentliche ist, ob die Maßregel an sich gut ist. Ich habe also das Bedürsniß nicht empfunden, auf dem Stuhle einer Partei zu sitzen, habe es auch nicht verstanden, mich zwischen zwei Parteien zu setzen. In dieser Beunruhigung s- krankheit, die im Volke herrscht, ist ein ungemein an ziehendes Gebiet das der auswärtigen Politik. Es liegt rn der Natur der Sache, daß die Menschen von solchen Dingen etwas weniger erfahren, aber das berechtigt sie in diesem Falle, sich um so mehr zu graulen oder graulich zu stellen. Da heißt eS denn: „wir wissen zwar nicht, was die Regierung macht, aber da kann das Schlimmste hinter stecken", und es werden dann aus keinem Gebiete so viel Uebertreibungen in die Welt gesetzt, als »»r unter diesem Typus sei Geld ausreichend zu haben. Jetzt spreche man allgemein davon, daß dieser Typus sich überlebt habe, man rede dem vierprozrntigen Typus das Wort und verlange daneben noch den Verzicht aus die Konvertirung bis zum Ende deS Jahrhunderts. So schlecht sei aber der Kredit des deutschen Reiches nicht, daß man sich solche Bedingungen auserlegcn zu lassen brauchte; seien die Ausgaben nothwendig und unausschieb bar, so müsse das Geld beschafft werden und die Finanzverwaltung hoffe und vertraue, baß der Kredit des Reiches wie bisher ein billiger und angemessener sein lverde. — AuS dem Haufe erhielt zunächst das Won Abg. Rickert (dsr.). Zum Ausgangspunkt seiner Betrachtungen nahm der Redner einen in ganz jüngster Zeit erschienenen Artikel des .D. Wocheubl.', des freikonservativen Abg. Arendt, der den Reichskanzler von Caprivi als amismüdc bezeichnet und einen völligen Umschwung der inneren Politik als uniuittelbar bevorstehend anlüudigi. Ter Artikel habe ihn wahr haft erschreckt. Allerdings seien die Zeilen sehr ernst und schwer; aber nicht der gegenwärtigen Regierung, sondern Denjenigen, vic ihr eine schwere Erbschaft hinterlassen hätten, sei die Schuld dafür auszubürden, dem unglückseligen Bismarck'schen System (lebhafter Widerspruch rechtS); treffe die gegenwärtigen Leiter der Regierung eiu Borwurs, so sei es nur der, daß sie sich allzu zögernd von jenem unglückseligen System loszumachrn suchten, das Vertrauen im Lande würde wachsen, wenn in dieser Beziehung mehr Ent schiedenheit, mehr Thatkraft bemerkbar würde. Die konservativen Gegner des Kanzlers klagten jetzt über Dilettantismus und SaviliSmuS; wer aber habe diese großgezogen, wenn nicht Fürst BiSmarck unter Zustimmung eben derselben Herren, die jetzt solche Klagen erheben? (Widerspruch rechtS.) Redner ging daraus auf den neuen Etat im Einzelnen ein. Reichskanzler von Lappivi: Dir Erwiderung aus die wirth- schaftSpolitischen Erörterungen deS Vorredners kann ich mir zweck mäßig für eine spätere Gelegenheit Vorbehalten. Dagegen nehme ich zunächst darauf Bezug, daß er im Anfänge seiner Rede von der zunehmenden Beunruhigung im Lande gesprochen hat. Durch zahlreiche Aeußerungen in der Presse ist mir bekannt geworden, daß eine solche Beunruhigung im Lande herrsche. Der Abge ordnete erwähnte einen Zeitungsartikel, worin von mir gesagt wurde, ich sei amtSmüde. ES ist nicht der erste Versuch dieser Art, mich als amtSmüde hinzustellen. Er wird hier in einer verhültnißmäßig naiven Weise gemacht. Der Herr Schriftsteller hat die Gefälligkeit gehabt, mir zu sagen, ich würde ja ein anderes Amt in der Armee erhalten können, wenn ich fortginge. Er scheint zu glauben, daß die hohen Kommandostellen in der Armee etwas von Schlafstellen an sich haben (Heiterkeit), denn sonst würde ein amtSmüder Reichskanzler schwerlich mehr in der Lage sein, eine solche Stelle cinzunehmen. Ich kann den Herren, die ge neigt sein sollten, zu glauben, daß ich amtSmüde wäre, die Versicherung geben, daß ich bei sorgfältiger Beo bachtung keine Spur davon bisher habe bemerken können (Lebhafter Beifall). Ich habe viel zu thun und wir haben diesen Sommer über sehr ernste Arbeit bewältigen müssen. Es ist für mich seit anderthalb Jahren daS größte Stück der deutschen Politik die Vollendung der Handelsverträge. Mit vielen Schwierigkeiten, unerwarteten Schwierigkeiten, Schwierigkeiten in Deutschland, Schwierigkeiten außer Deutschland, haben wir zu kämpfen gehabt. Ich hoffe aber, daß ich in der zweiten Dezemberwoche l» der Lage sein werde, io das Haus Politische Umschau. Freiberg, den 28. November. Vom evangelischen Feldprobst der Armer v. Richter sind unter de« Titel: .Die Stimme des Herrn auf den Wassern" soeben die EchifsSpredigten des »emlfche« Kaisers aus besten Nordlands- «isen 1890 und 1891 bei E. S. Mittler und Sohn 1891 er- schienen. Die Vorrede girbt in kurzer Weise die Entstehung und den Zweck de- Büchleins kund, sie lautet: .ES find Erinnerungs blätter, zu deren Veröffentlichung Seine Majestät der Kaiser huld vollst die Erlaubniß gegeben. Sie gelten zunächst dem Keinen Kreise der Reisegefährten; aber sie möchten auch weiteren Kreisen dienen. Der HauSvater ist eS, der in diesen Andachten spricht, indem er von seinem Priefterrrchte in Ermangelang eines Geistlichen an Bord Gebrauch macht und dadurch ein Zeugniß ab- legt, welches einen jeden von uns zur Nachfolge in seinem Kreise aussordert." Der Reichstag begann gestern die erste Lesung des Etats für 1892/93. DaS HauS erschien trotz der Bedeutsamkeit des BerathuogSgegenstandes fast eben so spärlich besetzt, wie in den vorongegangenen Togen, eS waren nur wenig über hundert Ab geordnete, welche die einleitende Darlegung des Reichsschatzsekretärs über die allgemeine Finanzlage des Reiches anhörten. Herr von Maltzahn erwähnte zunächst, daß der Ueberschuß der eigenen Wirthschaft des Reiches 15 Mill, (gegen eine Schätzung aus 10 Millionen bei der vorigen Etatsberathung), die Mehrüber- weisungrn an die Einzelstoaten statt 66—68 Millionen eiwaS über 80 Millionen betrugen. DaS Ergebniß des lausenden Ge schäftsjahres sei nicht so günstig: es werde mit einem Fehlbeträge von 8 Millionen Mark abschließeu, da den Mehreinnahmen von 7'/, Millionen Mehrausgaben im Betrage von 15'/, Millionen ««»Überständen, worunter 13 Millionen allein für das Reichsheer. Dre Mehreinnahmen an Zöllen würden sich auf etwa 48'/, Mill, belaufen. Die Branntweinsteuer weise rin Minus von 7'/, Mill, auf? daneben könnten leicht in den letzten Monaten des lausenden Jahres in Folge der Handelsvcrirägr Mindereinnahmen an den Zöllen sich ergeben. Ter Etat für las kommende Jahr bringe zunächst da« Novum, daß für die Schutzgebiete ein eigener Etat ausgestellt sei. Im Ordinarium sei eine Reihe von nothwendigen Mehrsorderungen enthalten, so 3'/, Millionen in Folge erhöhter Ansprüche der JnvaliduäiS- und Altersversicherung, eine halbe Million statt bisher 48000 Mark zu geheimen Ausgaben, eine Position, deren Erörterung nach Möglichkeit in die Budgetlom mission zu verweisen sein werde, sowie eine Anzahl Mehr sorderungen für militärische Zwecke. Sehr hoch seien die außer ¬ ordentlichen und einmaligen Ausgaben, deren Prüfung Sache der Spezialberathung sein müsse. Auf die Verminderung der Ein »ahmen in Folge der Handelsverträge habe bei Ausstellung des Etats selbstverständlich noch nicht Rücksicht genomm-n werden können; auch treffe diese Verminderung nicht die Reichskasse, sondern die Kaffen der Einzelstaaten. Die Höhe des Exiraordi- nariums sei unerwünscht, aber die Bewilligung der Anleihe naturgemäß eine Nothwendiglei!, sobald der Reichstag diese Aus gaben als nothwendig und unaufschiebbar anerkannt Hobe. Wann die Anleihe begeben werde, lasse sich im Augenblicke absolut nicht sagen; jedenfalls werde es für die nächsten Monate voraus sichtlich nicht nöthig sein, eine neue Begebung von Reichs- > anleihen eintreten zu lassen. Die in dieser Beziehung in der Presse und an der durch allerlei Vorkomm, niffe augenblicklich sehr nervösen Börse geäußerten Be fürchtungen seien unbegründet. Ob die Anleihe wieder cii e 3prozentige sein werde, stehe noch dahin. Der 3prozentige Typus sei s. Z. gewühlt, weil von sachverständiger Seite erklärt worden, des Kaisers von Rußland die friedliebendsten von der Welt find Ich bin ebenso überzeugt, daß heutzutage keine Re^ gierung wünschen kann, einen Krieg zu provozirrn. Keine Macht hat ein so prononcirtes Uebergewicht in der Welt lage, daß man mit leichtem Herzen sagen sollte: Wir wollen jetzt den Krieg I Ich will nicht auf die Folgen, die Art, in der der Krieg geführt werden wird, eingehen, das ist in so meisterhafter Weise (Fürst Bismarck!) vor einer Reihe von Jahren geschehen, wo Ihnen d>r .Aderlaß bis aufs Weiße" vorgeführt wurde, daß ich nichts binzuzufügen habe; das Bewußtsein aber, daß der kommende Krieg einen ernsten Charakter onnimmt, hat sich in der ganzen Welt verbreitet und ich glaube nicht, daß irgend eine Regierung jetzt geneigt wäre, leicht einen Krieg herbeizuführen. Es ist unS das gesteigerte Selbstgefühl unseres westlichen Nachbarn durch diese Zusammenkunft klarer geworden wie vorher, wir haben mehr davon wahrgenommen, aber auch daS braucht uns nicht zu beunruhigen. Jemand, der ohne Selbst gefühl die Empfindung hat, eine Stelle in der Welt behaupten zu müssen, wird eher, wenn ich mich so ausdrücken darf, zu einer gewissen Nervosität neigen, als Jemand, der sich bis zu einem gewissen Grade seiner Kraft bewußt geworden ist. Ich glaube nicht, daß in dem gesteigerten Selbstgefühl, das ja auch nicht durch Kronstadt gesteigert ist, sondern sich im Laufe der Jahre gesteigert hat, eine Gefahr für uns vorliege. Der jetzige Zustand der Rüstungen in Europa wird voraussichtlich noch lange dauern und daran werden auch alle Zusammenkünfte in Rom nichts ändern. (Große Heiterkeit rechts.) Das ist sicher, aber es folgt daraus nicht, daß dieser Zustand ein drohender ist. Ein zweites oder drittes Moment, was in den öffentlichen Blättern angeführt werde, um der jetzigen.Rcgierung klar zu machen, daß sie schwächlich sei, ist der deutsch-englische Vertrag. Als wir im vorigen Jahre an dieser Stelle über den deutsch, englischen Vertrag sprachen, da fand derselbe Gegner. Ein halbes Jahr hat genügt, um zu zeigen, wie richtig wir ge handelt haben. Was warf man uns damals vor! Wir Hütten eine geheime Abmachung, so sagten noch die günstigeren Beurtheiler unter unseren Gegnern. Von geheimen Abmachungen ist aber ;ar keine Rede. Ich glaube schwerlich, daß nach den Ereignissen dieses letzten Jahres noch Jemand da ist, der uns den Vorwurf machen würde, wir Hütten nicht genug in Afrika genommen, denn ich glaube diese Ereignisse haben den schlagendsten Beweis dafür geliefert wie lange wir an dem, was wir genommen haben, zn arbeiten haben werden. Diese Arbeit wird nicht f ohne Opfer an Menschen und Geld geleistet werden können und ich habe schon einmal gesagt, das Schlimmste, was uns passiren könnte, wäre, wenn uns jemand ganz Afrika schenkte. (Große Heiterkeit.) Wir können an dem, was wir genommen haben, unsern Kvlonialeifrr zur Genüge geltend machen. Dann sagte man, wir hätten zwar Helgoland von den Engländern bekommen, aber Zanzibar verloren, die Engländer Hütten den Löwenantheil bekommen. Ich verkenne den Werth der Insel Zanzibar nicht. Abgesehen davon aber, daß sie unS überhaupt nicht zur Disposition stand, würde die Nutzbarmachung dieser Insel in merkantiler und nautischer Hinsicht, die Abfindung des Sultans für diesen Theil seiner Macht, uns Summen ge kostet haben, die von oem Reichstag nun und nimmermehr zu bekommen gewesen wären, Wir haben jetzt, um nur den Aus gaben gerecht werden zu können, die wir in der Brüsseler Kon- serenz zu erfüllen übernommen haben, auS Mangel an Mittel, zu einem an sich zweifelhaften Hilfsmittel greifen müssen, wir haben eine Lotterie statuirt, um nur die Mittel zu bekomme«, etwas vorwärts zu kommen. Nun frage ich, wenn wir ein» Haufen von Millionen — und ganz klein würde er nicht gewes» ein — hätten ausbringen sollen, um Zanzibar zu bekommen, vas würde geschehen sein? Was das Festland angeht, das wir bekommen haben, so ist kaum ein Mensch, der Afrika kennt, da rüber im Zweifel, daß der deutsche Besitz in Ostasrika das Lfache von dent englischen werth ist. Es ist das wieder dieser Pessimis mus, diese Beunruhigung! Man nimmt ohne Weiteres an: daS kluge — wenn man unzufrieden ist, sagt man perfide Albion — hätte wohl diese Dinge besser verstanden, als wir, hätte sein Schäfchen ins Trockene gebracht. Der deutsche Michel hätte die Kastanien auS dem Feuer geholt und wir süßen nun auf dem schlechteren The?. DaS trifft durchaus nicht zu. Wenn man nur einigermaßen die Schwierigkeiten kennt, die England in den von ihm in Besitz genommenen Küstenstrichen hat, so wird man zu geben, daß unser Besitz nicht der schlechtere ist. Die Insel Helgo land, die wir durch diesen Vertrag bekamen, wurde im Allgemeine» für ziemlich wcrthvoll gehalten. Stellen Sie sich vor, was auS der Insel geworden würe, von der man sagt, sie sei für England ziemlich wcrthlos, wenn sie aus englischen Händen in andere übergegangen wäre. England Hal Bedürfnisse in allen Weltiheilen, es hat Besitzungen rund umher und möchte es am Ende für England nicht ganz schwer geworden sein, ein Tauschobjekt zn finden, was ihm willkommen gewesen wäre und gegen welcher es geneigt gewesen wäre, ein Opfer zu bringen. Ich möchte mal den Entrüstungssturm gesehen haben, wenn im Lauf von Jahr und Tag oder kurz vor AuSbruch eines Kriege- die englische Flagge in Helgoland heruntergegangen und unS eine weniger nahestehende vor unserer Nase erschienen wirk. Also ich bm der Meinung, daß dieser Vertrag keinen Anlaß giebt, die Regierung abfällig zu kritisiren. Dann hat man sich weiter über die Polenfrage und über Elfaß-Lothringeu beun ruhigt. Ja, was ist denn da geschehen, das zur Beunruhigung Anlaß giebt ? Wir haben in Elsaß-Lothringen den Paßzwang aufgehoben. Es ist dies eine Maßregel, die fast von aller Welt gebilligt worden ist; aber die Beunruhigungsbedürftigen fügen hinzu: Wird nun die Regierung auch stark genug sein, diejenigen Maßregeln zu ergreifen, die als Surrogat für den aufgehobenen Paßzwang nöthig werden ?" Man wartet gar nicht ab, daßtsolche Zeichen der Schwäche eintreten, sondern sagt ohne Weiteres voraus, sie werde wohl kommen und kritisirt. Das deutsche Wesen in Elsa8' Lothringen,dieAssimilirungdesselbeuan das Reich hat zweifellos in de» letzten Jahren Fortschritte gemacht, und wird auch weiter sortschreiten. Auch in der auswärtigen Politik liegt kein Grund zur Beunruhigung vor über das, was in der Welt geschieht; wenn ich hinzufüge, daß alle Fragen, die in den vergangenen 1'/, Jahren in der europäischen Politik entstanden sind, durch daS gegenseitige Entgegenkommen aller Regierungen ihre befriedigende Lösung gesunden haben, so glaube ich Alles gesagt zu haben, ohne in Details einzugehen, um Demjenigen, der nicht beunruhigt sei» will, seine Ruhe zu lassen. Der Herr Vorredner ist dann auf ein andresGebiet übergegangen. Es ist zu meinem Bedauer» bei uns eine Art Militär-Pessimismus eingerissen; in neuerer Zeit hat jedes Blatt seinen militärischen Mitarbeiter, ge wesene Offiziere. Diese Militärschriftstellerei hat ihre bedenkliche Seite. Die Organisation der Armee völlig zu übersehen, ist so unendlich schwer, daß ich glaube, auch der Kricgsminister wird mit mir übereinstimmen, wenn ich sage, daß die Offiziere selbst höheren Grades, nicht sehr zahlreich sind, die im Stande sind, sofort zu überfehen, wie eine Maßregel, die an einer Stelle getroffen
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