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Ure»««« »mriO«EcUe S. »«1. Abg. von Frege wendete sich grgen die AuSführunqen deS : (Zustimmung.) Wenn wir die Qualität der Armee verbessern wollen, so ist das Erste, was wir thun müssen, sie zu verjüngen, und zu diesem Behufe müssen wir mehr junge Leute einstellen, als bisher. Das war der Zusammenhang, den ich zwischen Qua lität und Quantität finden würde. Der Abg. Richter meinte, es wäre auffallend, daß ich von dieser Forderung überhaupt gesprochen hätte. Ich will ihm sagen, warum es geschehen ist. Ich habe gesprochen, um zu beruhigen. Nichts beunruhigt aber mehr, als dunkle umlaufende Gerüchte! Ich habe gejagt, wie die Sache liegt, daß nämlich die Verbündeten Regierungen vielleicht schon im nächsten Jahre mit einer solchen Forderung vor das Haus treten würden. Hand. So gehen die Enthüllungen weiter. Die einzige Ent schuldigung, die Baldissera geltend macht, ist die „Sicherheit der Kolonie." Der italienischen Regierung bereiten alle diese Ent hüllungen große Verlegenheit, und es ist nicht abzusehen, welche andere Genugtuung sie der entrüsteten öffentlichen Meinung ge wahren kann als die, daß sie auf den Prozeß Livraghi einen Prozeß Baldissera folgen läßt. Der nunmehr bekannt gewordene Wortlaut des neuen fran zösischen Spionengesetzes, über welches zwischen der Regierung und dem Kammerausschuß eine Einigung herbeigeführt worden ist, übertrifft alle, auch die höchst gespannten Erwartungen, denn nicht nur die eigentliche Spionage, sondern Alles, was damit auch Zufall, daß gerade an dem Tage, wo der konservative Herr von Frege hier sprach, Morgens die „Krruzzeitung" Zitate aus jenen Reden veröffentlichte. Herr von Frege forderte damals alle " ' Freimüthigen und Unabhängigen auf, ihre warnende Stimme zu erheben, daß jeder konservative Landwirth die Re, handel. Mit dem Eintreten für die Kornzölle habe er das Ge wicht der Regierung bei dem Abschluß der Handelsverträge stärken wollen, jetzt aber, da man an denselben nichts mehr ändern könne, hieße es einfach ablchnen oder annehmen. Abermals steht die Berliner Geschäftswelt entsetzt vor einem erschütternden Vorgang in ihrer Mitte. Die beiden Inhaber der Groß-Uhrenhandlung von Paarmann und Cohn haben sich, wie schon telegraphisch gemeldet, in der vorvergangcnen Nacht in den Geschäftsräumen mit demselben Revolver erschossen. Als das gesahr bestehe. Die Pariser Blätter acceptiren mit Befriedigung, was der Reichskanzler über die französische Regierung sagte, und rühmen die Mäßigung in seiner Red«. Aber eS fehlt nicht an kritischen Spitzen bei dieser Anerkennung. Der „Figaro" meint boshaft, die Frankreich in der Rede gezollte Anerkennung sei eine Folge der Zusammenkunft von Kronstradt. Die russischen Blätter äußern sich, soweit darüber Meldungen vorliegen, be friedigt; der „Grashdanin" spricht aber weiter von einer Nieder lage, welche die deutsche Politik bei dem letzten Besuch deS deutschen Kaiser» in Rußland erlitten habe. In einem schweizer Blatt, der „Neuen Züricher Ztg.", ist u. A. die Rede von „rosigen Theater-Schleiern," welche in den Ausführungen des Kanzlers vorhanden waren; weiter heißt es da: Dem deutschen Volke im Ernste glaubhaft zu machen, daß seine Freude über die Wieder herstellung deS durch die deutsche Hegemonie eine Zeit lang ge störten europäischen Gleichgewichtes aufrichtig und ernst sei, hat gewiß Caprivi nicht beabsichtigt. Seine strahlende Ruhe sollte dem Ausland zeigen, vaß man in Deutschland die veränderte Konstellation nicht fürchtet und sich durch kein Kronstadt imponiren läßt. DaS eigene Volk zu beruhigen, darauf war der Hinweis auf da» wohlgerüftrte Heer berechnet. Im Reichstage wurde gestern die erste Lesung des Etats fortgesetzt und abermals war die Besetzung des HauseS eine über aus spärliche. Avg. v.Hurn« (Z.) hielt im Einklang mit seinen Parteifreunden und mit den übereinstimmenden Ansichten der Wortführer der anderen Parteien eine besonders umfassende und eingehende Prüfung aller Einzrlrtats, in denen Mehrbewilligungen «fordert werden, für geboten. Den Klagen über das durch das Jnvalibitäts-und AllersversicherungSgesetz im Volle hervorgerusene Mißbehagen vermochte Redner nur eine äußerliche Berechtigung zuzugcstehen, weil die Wohlthatrn dieses Gesetzes nicht sofort bei allen zu Leistungen Verpflichteten fühlbar würden; dieser Zustand müsse sich aber mit jedem Jahre naturnothwendig bessern. An Bauten werde sich vielleicht einiges, an den Forderungen für das ReichSheer kaum Erhebliches streichen lasten. Der Perspektive aus die ^oeijährige Dienstzeit könne man sich ja nur aufrichtig freuen, doch mache dir Bevölkerung sich im Ganzen eine übertriebene Vorstellung von der dadurch herbeigcsühtten Erleichterung, da die Nothwcndigkeit sehr erheblich verstärkter Aushebung übersehen werde. Die Marinevcrwaltung dagegen habe absolut keine Aus sicht, ihre Forderungen in diesem Etat bewilligt zu erhalten; er Halle H für ganz ausgeschlossen, daß der Reichstag den hier zu Tage tretenden Erwriierungsplänen seine Zustimmung geben werde. Mit Ernst und Nachdruck müsse an die Tilgung der immer höher anschwellenden Reichsschuld gegangen werden. Redner polc- mifirte dann gegen den Abg. Rickert, dem er imputirte, von einer Aufhebung „oller" Zölle gesprochen zu haben, und pries den gegenwärtigen Zustand der Verquickung der Finanzwirthschast von Reich und Einzelstaatrn und Kommunen, welchen Zustand aller dings das Zentrum wesentlich mit schoflen half, als den für die deutsche Nation einzig zuträglichen, wie er denn auch unter dem andauernden Widerspruch der Linken die Behauptung vertrat, daß dir Aushebung der Getreidczölle den Brotpreis nicht im Mindesten Verbilligen würde. Bei der Schaffung der Bismarck'schen Wirth- schastSpolitil mitgrwirkt zu haben, werde das Zentrum sich immer al» Verdienst anrechncn. Durch die Zölle hätten gerade die deutschen Arbeiter lohnende Arbeit gefunden, das sei dem Abge ordneten Bebel wohl nicht mehr erinnerlich. Die Herabsetzung de» Grtreidezolls von ü aus 3,50 Mk. sei doch kein Bruch mit dieser bewährten Zollpolitik. Ium Schluß erklärte der Redner, wie es früher bei gleicher Gelegenheit der Abg. Windihorst zu thun pflegte, daß ohne Vie Religion e» nicht gelingen werde, die grundstürzcndeu Ten denzen der Sozialdemokratie zu überwinden, dies werde aber nm so wirksamer geschehen, je bäldcr man alle Hemmnisse auS der Welt schasse, wie sie speziell der katholischen Kirche in Preußen noch cntgegenständen. Von den Polen sprach dann Abg. v. KoscielSki, um dem Reichskanzler für das in jüngster Zeit den deutschen Mitbürgern polnischer Zunge erwiesene Entgegenkommen zu danken. Die Polen würden bemüht bleiben, aus der Höhe des ihnen auch in Preußen bewiesenen Vertrauens sich zu erhalten. Jndeß vermag er darin keine Schwäche des Reiches zu erkennen, daß im Osten desselben noch nichtdeutschc Nationalität vorhanden sei. Eine Schwäche werde dieselbe doch nur dann werden, wenn man die Polen nationalisiren wollte. Andernfalls würde sie bei gebotener Gelegenheit sich lediglich als eine treue und loyale Be völkerung zum Schutze Preußens und des Reichs bewähren. Herr v. Stablewski habe in Thorn unter allgemeinem Beifall nichts Anderes gesagt, als lvas dem allgemeinen Gefühle der polnischen Bevölkerung entspreche. Was den Etat selbst betreffe, so ver wahre er sich zunächst dagegen, daß die Polen ihre Dankbarkeit gegen die Regierung dadurch zu beweisen geneigt seien, daß sie ohne Weiteres jeder Forderung ihre Zustimmung geben. Ter Zuzug der russisch-polnischen Arbeiter müsse ohne jede Ein schränkung zugelasten werden. Reichskanzler v. Caprivi: Ich muß mich gegen die Bemerkung des Vorredners wenden, daß daS Dasein verschiedener Nationalitäten keine Schwäche sei: Tiefgehende Meinungsverschiedenheiten über staatliche Dinge zwischen den Bewohnern eines Staates bilden ein Moment der Schwäche. Wenn der Vorredner die deutsche Nationalität als solche nicht voll anerkannte, so wollte er sich als Preuße fühlen. Wenn er aber meinte, Preußen habe die Provinz Posen nieder- gehalten, so steht daS mit den Thatsachen im Widerspruch. Die Provinz Posen ist zu dem, was sie ist, gemacht worden durch die preußischen Könige, von Friedrich dem Großen an, nicht durch die Selbstverwaltung seiner polnischen Einwohner. (Zustimmung.) Personal gestern früh die Räume verschlossen fand, in denen der unverheiratbete Theilhaber, Nathan Cohn, wohnte, fand die gewalt same Oeflnüng der Thüren durch die Polizei statt. Beide In- Haber waren bereits seit längeren Stunden todt. Cohn lag mit durchschossenem Kopf auf dem Sopha, Paarmann mit ebensolcher Wunde auf der Erde. Hausbewohner hatten sie noch am Sonntag Abend in den erleuchteten Geschäftsräumen mit einander sprechend herumgehen sehen. In einem Briefe, den Paarmann an seine Frau geschrieben uud der ihr gestern früh in ihrer Wohnung durch die Post überbracht wurde, hatte er ihr die Absicht, sich das Leben zu nehmen, mitgetheilt. Die Firma bestand seit 22 Jahren. Sie betrieb ein sehr ausgedehntes Engrosgeschäft und auch etwas Ex port. Ihr Ruf war ein durchaus guter. Zwar waren sie lang same Zahler, aber immer doch zuverlässige Zahler, die bei ein zelnen Fabrikanten einen bis über 100 000 Mark hinausgehenden Kredit halten. Vor einigen Jahren sollen sie sich in vorüber gehenden Schwierigkeiten befunden haben, denen sie jedoch zu be gegnen wußten. Daß sie jemals spekulirt oder sich in gewagte Unternehmungen eingelassen hätten, ist nicht bekannt. Auch ihre persönliche Lebensführung war eine bescheidene. Die Leichen sind einstweilen, bis zur Ausnahme des gerichtlichen Thatbestandes, am Ort und Stelle belassen worden. Die Geschäftsräume sind ver- sieoelt. Die Gründe für den Selbstmord finden sich in einem Schreiben, welches Cohn an den Prokuristen Ullrich zurückgelaflen hat. „Wir können den Bankerott unserer Firma nicht überleben und wählen daher lieber den Tod, als in der jetzigen bewegten Zeit als unehrenhaft an den Pranger gestellt zu werden. Melden Sie sofort den Konkurs bei Gericht an und thun Sie Alles, um unsere Gläubiger zu befriedigen." — In Verbindung mit diesem Briefe lursirt das Gerücht, daß Paarmann u. Cohn bei dem Zu sammenbruch des Bankhauses Friedländer ».Sommerfeld 100 000 Mark verloren hatten. Dies erscheint jedoch unglaubhaft, da cs früher bekannt geworden wäre und auch in dem hinterlassenen Briese die Rede davon gewesen sein würde. Es scheint viel mehr, daß die allgemeine schlechte Geschäftslage, welche zuerst auf Luxusartikel drückt, den Sturz des Hauses hcrbeisührte. Der Prozeß, der am Dienstag vor dem Kriegsgericht in Massauoh begonnen hat, bringt über das Walten der Machthaber in der italienische« Kolonie Erythräa Enthüllungen, die überall in der gesitteten Welt den tiefsten Unwillen erregen müssen. In dem Prozeß werden Zustände ausgedeckt, die ihres Gleichen nur in Sibirien finden, und es ist um der Sache willen bedauerlich, daß es der bös beleumundete Abgeordnete Jmbriani war, der in der gestrigen Sitzung der italienischen Abgeordnetenkammer die Anklage gegen den früheren Befehlshaber von Maflauah, General Baldissera, erhob und von der Regierung bestimmte Erklärungen darüber verlangte, welche Maßregeln sie gegenüber den unter schwere Anschuldigungen gestellten Personen ergreifen werde. Wenn in einem anderen, gemäßigteren Abgeordneten die heilige Glulh des Zorns entbrannt wäre und ihn zu einer Interpellation an die Regierung getrieben hätte, so würde wahrscheinlich auch die nur allzu gefügige Mehrheit sich der Besprechung der Interpellation nicht widersetzt und sich zu einer mannhaften Erklärung aufgerafft haben. Statt dessen beruhigt sie sich bei der Erklärung des Minister präsidenten Rudini, wonach die Regierung nm alle Schandthate» des GcnernlsBaldissera gewußt hat, aber den gegenwärtigenZeitpunkt nicht sür geeignet hält, die Angelegenheit öffentlich in der Kammer zu ver handel». Man fragt sich verwundert, warum daun nicht gleich zeitig mit der Anklage gegen Livraghi und Genossen, die jetzt in Massauah verhandelt wird, auch die Anklage gegen Baldissera erhoben worden ist. Livraghi, italienischer Gendarmerie-Lieutenant, ist der frühere Leiter der Polizei in Massauah. Er und der frühere Kolvnialsekrctär Cagnassi sind kürzlich vom Militärgericht in Massauah von der Anklage sreigcsprochcn worden, durch Ver leumdungen und Ränke die Verurtheilung zweier reicher und ange sehener Eingeborenen herbeigesührt zu haben. Livraghi war durch den General Baldissera vor Einleitung des Prozesses zur Ein reichung seines Entlassungsgesuchs genöthigt worden; darauf sest- gcnommen, entfloh er nach der Schweiz, wurde aber von dort an Italien ausgeliesert. Jetzt steht er mit neun seiner ehemaligen Untergebenen unter der Anklage, aus Eigennutz, Haß und Rache eine große Anzahl von Eingeborenen, hauptsächlich Mitglieder der aufgelösten undausgewiesenen abessinischen Soldtruppen, dochauch einige Personen von höherem Rang, die ihm verdächtig oder un bequem waren, ohne Prozeß und Urtheil aus dem Wege geräumt zu haben. Er hat vor dem Gericht behauptet, daß die „Hin richtungen", denen er in amtlicher Eigenschaft beigewohnt hat, ff geheimen Befehl des Generals Baldissera erfolgt seien, und Baldissera hat dies bestätigt. Ein Mitangeklagter, Adam Aga, hat bekannt, daß er durch seine Untergebenen neun Personen hat umbringen lassen, die ihm durch die italienischen Gendarmen zu diesen, Zwecke übergeben waren; sieben andere hat er erschießen lassen, weil sie, über die Koloniegrenze gebracht, sich dem Gebote, nicht zurück zu kehren, widersetzten; der Gouverneur habe dieses Verfahren ausdrücklich anbefohlen. Noch belastender und abscheu- erregender sind die Aussagen, welche der eingeborene Polizeiwacht- meister Ombarek gemacht hat. Er will den Befehl zur geheimen Beseitigung von acht Individuen unmittelbar von Livraghi erhalten haben. Auch die Tödtung eines reichen Kaufmanns Namens Getheon habe Livraghi angeordnet, und den Naib von Arkiko^ Osman, habe er eigenhändig mit dem Revolver erschossen. Ein anderer Mitangeklagter, Bachit, bestätigt das erstere und fügt hinzu, Getheon sei sofort in eine vorher gegrabene Grube geworfen und verscharrt worden, worauf Livraghi die lockere Erde sestgetretcn habe. Die Polizeisoldaten Mussa, Hamed und Said erklären, von Livraghi mit der Herstellung der Grube beauftragt worden zu sein. Said bestätigt auch die Tödtung Osman's durch Livraghi's gungen. Ihre Opposition wird auch hier zu Ende sein, wenn die Regierung energisch auftritt. Redner bespricht sodann die Haltung Bebel's zum Militäretat und meint, es wäre doch besser, daß wir Elsaß-Lothringen zu Vertheidigen, als dos linke Rhein user zurückzuerobern Hütten. Die Folgen der jetzigen Wirlhschasts- politik kämen nur den Sozialdemokraten zu Gute. Der Mißmuth über die Entlassung des Fürsten Bismarck sei nur innerhalb der ehemaligen Kattellparteien bemerkbar gewesen. Redner erkennt alSdann dir Form der Rede des Reichskanzlers an und erklärt, auch der Inhalt sei nicht unangenehm gewesen, und wenn nicht das Ende, die Ankündigung von der Vermehrung der Präsenz stärke des HeereS, noch gekommen wäre, so hätte es nahe gelegen, auf eine Erleichterung, wie die zweijährige Dienstzeit, hinzuweisen. Den Darlegungen des Kanzlers auf dem Gebiet- der auswärtigen Politik könne er nur zustimmen. Die Freisinnigen seien nicht Caprivi-Leute geworden und Reichskanzler v. Caprivi nicht frei sinnig. Der Kanzler habe verschiedene Fronten zu vertheidigen, diese Front sei gegen Friedrichsruh gerichtet gewesen. Seine Partei trennten von den, Reichskanzler folgende Punkte: Das 100-Mil- lionen-Gesctz, das Ansiedlungsgesetz, das Schulgesetz, die Fort setzung der sozialpolitischen Erbschaft seines Vorgängers, die Kolomalpolitik des Kanzlers und die Erweiterung der Marine, sowie die Aufrechterhaltung der Kornzölle. Deshalb werde kein Friede zwischen ihm und dem Reichskanzler werden, ehe nicht die Zölle gefallen sind. Reichskanzler von Caprivi: Der Abgeordnete Richter hat den Versuch gemacht, mir nachzuweisen, daß ich mich in meiner Rede neulich unter zwei Fronten geschlagen hätte, und führte eine Schrift an, aus der er ein Motiv hernahm, zu glauben, rch hätte aus dieser Schrift meinerseits wiederum Anlaß hergenommen, meinen Amtsvorgänger anzugreifen. Ich habe diese Schrift nichl mit eigenen Augen gesehen, vermeide auch Alles, was es mir schwer machen könnte, die Stimmung der Dankbarkeit gegen den großen Mann, der so wesentlich an der Schöpfung Deutschlands betheiligt war, in mir zu trüben. (Beifall.) Der Herr Abge ordnete hat im Eingang seiner Rede cs bemängelt, daß Kund gebungen des deutsche» Kaisers und Königs von Preußen ver öffentlicht seien, ohne Kontrasignatur eines Ministers beziehungs weise im Reiche deS Reichskanzlers. Die Kundgebungen, aus die er abzielt, betreffen Dinge, in denen der Monarch seine Anschau- »ngcn dem Staalsministerium oder dem Reichskanzler kundgiebt. Ich bin nicht leichtfertig in diesen Dingen verfahren, cs sind Rechtsgelehrte und berufene Rechtsinslanzen gehört wurden, um festzustellen, wie weit ist rechtlich eine Kontrasignatnr solcher Kund gebungen des Monarchen nothwendig, und ich bin in Ucberein- stimmung mit der preußisäsen Regierung der bestimmten Ansicht, daß die Kundgebungen, auf die der Abg. Richter hinzieli, einer solchen Konlrasignatur nicht bedürfen. Artikel 4 der preußische» Verfassung sagt: „Alle Regierungsolle des Königs bedürfen zu ihrer Giltigkeit der Gegenzeichnung eines Ministers, welcher da durch die Verantwortlichkeit übernimmt", und Artikel 17 der Reichsverfasiung: „Die Anordnungen und Verfügungen des Kaisers werde» im Namen des Reiches erlassen und bedürfen zu ihrer Giltigkeit der Gegenzeichnung des Reichskanzlers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt." Ich bin nun der Meinung, daß, wenn der Monarch dem Staalsministerium eine Anregung zu seiner Thäligkeit giebl, wie es in vielen Fällen geschehen ist, daß das nicht Regierungsakte sind, die der Gegenzeichnung be dürfen. Zu solchen werden sie dann, wenn das Ministerium in die ihm ausgegebene Berathung cingetreten ist und auf Grund dieser Bcrathungen dann dem Monarchen seine Vorschläge mach!, der sie dann entweder billigt oder ändert, dann erst tritt die Gegenzeichnung eines Ministers oder des Reichskanzlers ein, dann erst ist sie nothwendig. Auch der Umstand, daß diese allerhöchsten Kundgebungen im amtliche» Theile des „Reichsanzeigers" ver öffentlicht sind, ändert daran nichts. Es hat diese Publikations- wcise keinen anderen Zweck und auch keinen anderen Effekt, als den, den authentischen Text dieser Kundgebungen festzustellen und bekannt zu geben. Der Monarch kann ebenso gut mündlich seinen Minipern diese Kundgebungen mittheilen, er kann dem . Kronrathe aussprechen, waS er will, als er's schreiben kann, und ich weiß nicht, was dem im Wege stände, solche Aeußerungeii des Monarchen, wenn sie seinen Ministern kundgegeben sind und ihrer Natur nach eine Geheimhaltung nicht erfordern, zu veröffentlichen. Ich komme aus eine zweite Aeußerung des Abg. Richter. Er > sagte, ich hatte, indem ich von bevorstehenden Mehrsorderungen für die Armee gesprochen hätte, die zweijährige Dienstzeit in Aussicht gestellt. (Widerspruch links. Ruse: nicht in Aussicht gestellt!) Dann habe ich es mißverstanden. Ich wollte feststellen, daß ich das nickt gethan habe. Er fügte aber dann hinzu, ich hätte die Qualität der Truppen in den Vordergrund gestellt und käme dann doch wieder mit Mehrsorderungen. Ich möchte nur die kurze Bemerkung hier mir erlauben, daß die Qualität der Truppen doch wesentlich vom Alter abhängig ist. Jugend ist niemals ein militärischer Fehler, und jeder Offizier wird lieber mit jungen Truppen ausrücken, als mit einer von Großvätern. Abg. Richter wirft den Ministern vor, daß sie königliche Kundgebungen ohne die verantwortliche Gegenzeichnung an amt licher Stelle veröffentlicht hätten. Bei der Elastizität des Be griffes Majestätsbeleidigung sei aber eine Besprechung solcher Kundgebungen nicht möglich. Dies schwäche bas Ansehen der Königlichen Autorität ab. Die Ausführungen des Abg. Huene be zeichnet Redner als eine RückzugSkanonadc, um die Zustimmung zu Handelsverträgen zu verdecken. Der Preis deS Getreides werde schwanken, solange man nicht ein bestimmtes Einheitswetter schaffen könne. Die Schwankungen würden aber durch den Terminhandcl gemildert (oho!), man müsse den Getreidemarlt durch die Aushebung der Zölle erweitern, um die Preistreibereien zu be schränken. Die Börse sei der Zentralpunlt des wirthschaftlichen Lebens und sie spiegle auch die schlechten Dinge wieder. Man brauche gar nicht im Hause an der Burgstraße zu erscheinen, könne aber doch an der Börse mit 6 Millionen in Getreide und Spiritus betheiligt sein. (Heiterkeit.) Die ganze Verwaltung sei in konservativen Händen und deshalb treffe die Verantwortung sür alle Uebelstünde auch diese Partei. Es ist ein merkwürdiger Pessimismus warnen, weil Beides die Widerstandskraft des Volles Loyalen, „ „ „ „ -- beeinträchtigen könnte. Die alte „Presse" findet in dem Pessi- Stimme zu erheben, daß jeder konservative Landwirth die Regie- Abg. Richter und betonte, der Schwerpunkt des Interesses der miSmu» einen gewissen „politischen Instinkt"; Salisbury, Rudini, rung warnen möge, solche falsche Bahn zu beschreiten. „Wir Freisinnigen ruhe nicht bei den Produzenten, sondern im Zwischen- Kolnoky, Caprivi seien indeß darin einig daß keine akute Kriegs- warnen vor übereilten Maßregeln," er schloß aber nicht „viäsLnl - - - - — - ' eonsulos" sondern noch Viet schöner; er wandte sich an den Reichs ¬ kanzler mit dem Ruse: „Llorituri te sululnnt" (Große Heiterkeit), das heißt zu deutsch, die am Handelsvertrag sterbenden armen Landwitthe senden einen Scheivegruß. (Große Heiterkeit.) In seiner letzten Rede sprach Herr v. Frege vom Vertrauen gegen den Reichskanzler, ja, daß er gar nichts an seiner Rede auszusetzen habe. Ja, er war so höflich, wir man höflicher kaum in Sachsen selbst sein kann. (Heiterkeit.) Manchmal ist allerdings Grobheit an richtiger Stelle gesunder, als eine falsche Höflichkeit. Er sagt, über den Handelsvertrag wolle er nicht sprechen; es sei nicht konservative Art, über Dinge zu sprechen, die man nicht kennt. Ich habe nicht immer den Ein druck gehabt, daß dies konservative Art ist. Aber warum haben Sie früher darüber gesprochen, warum haben Sie früher eine Broschüre erscheinen lassen? Heute weiß doch wenigstens Jeder, daß es sich in dem Handelsverträge um die Herabsetzung deS Getrcidezolls handelt. Nun hat der Reichskanzler Sie ausdrücklich aufgesordert, nicht so unterirdisch zu wühlen, sondern Ihre Klagen frei heraus zu bringen. Sie aber machen höfliche Verbeu-