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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 30.08.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-08-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189108307
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18910830
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18910830
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- Zeitungen
- Saxonica
- Bemerkung
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1891
-
Monat
1891-08
- Tag 1891-08-30
-
Monat
1891-08
-
Jahr
1891
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 30.08.1891
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Aus Rußland treffen immer düsterere Nachrichten über den daselbst herrschenden Rothstand ein. Mehrere russische Blätter veröffentlichen Mittheilungen eines Priesters Namens Filomanow über die Hungersnoth im Gouvernement Kasan. „Auf. einer Wanderung durch das Dorf Naredey" schreibt derselbe — .begegnete ich innerhalb einer halben Stunde 16 Personen, die m»t dem Tode rangen. Ein altes Mütterchen starb vor meinen Augen. Die meisten von den Verhungerten hatten seit mehr als acht Tagen kein Stückchen Brod gesehen. Fahlen Angesichtes, mit trüben Augen blickten mich die Unglück lichen an, und manche derselben hatten nicht mehr die Kraft, die Hände — nach dem ersehnten Brod auSzustrecken. Nur die Wenigsten sind so glücklich, diesen ihren Wunsch erfüllt zu sehen. Sie sterben, ehe die Hilfe kommt. Und je weiter ich in das Dorf ging, desto mehr Elend bekam ich zu sehen. Vor den einzelnen Häusern, am Straßenrain, vor der Kirche und an deren Plätzen erblickte ich zahlreiche bleiche, abgemagerte, krankhafte Gestälten. Aus jeder Miene dieser Leute sprach Hunger und Entbehrung. Ein Theil derselben zeigte sich ganz apathisch. Mit einer dumpfen Gleichgiltigkeit stierten die Armen vor sich hin — ergeben in ihr Schicksal. Andere grberdeten sich wieder wie rasend und verzweiflungsvoll. Sie sprangen wie sinnlos von einem Platze auf den anderen, tobten und gestikulirten und schrieen krampfhaft: „Brot! Brot! Laßt uns ' nicht sterben!" Die Mütter, deren Kinder schon zum Theil der Hungersnoth zum Opfer gefallen sind, hören nicht auf zu jammern. Als ich ihnen etwas Nahrung reichte, gaben fl« vorerst von dem Brot den hungerskranken Kindern zu essen, und erst dann suchten sie ihren Hunger zu stillen. Alles, was eßbar ist, ist schon längst aufgezehrt. So lange es noch Kräuter und Beeren gab, da ging es leidlich gut. Endlich waren auch diese „Nahrungsmittel" aufgezehrt. In der Noth verfielen die Dorfbewohner auf neue Ideen, ihren Heißhunger zu stillen. Sie trockneten Lindenblätter, zerrieben dieselben in Küchen- mörsern und bereiteten dann einen Brei daraus. Ein solcher Brei bildete durch vierzehn Tage die ausschließliche Nahrung der ganzen hiesigen Bevölkerung. Auf die Dauer konnte diese Speise nicht das mangelnde Brot ersetzen. Hilfe war nur spärlich vorhanden und es begann das große Sterben. Die Hungersnoty machte im Kreise während der letzten acht Tage solche Fortschritte, das in einer einzigen Ortschaft von 150 Fa milien 47 ganz ausgestorben sind." — Die Veröffentlichung Filomanows hat überall den traurigsten Eindruck hervorgebrachl. Wie jedoch vom „Wiener Tagebl." aus verläßlicher Quelle mit- getheilt wird, hat Herr Filomanow noch über viele andere schreckliche Details berichtet, nämlich über Krankheiten, die in Folge der Hungersnoth in mehreren Bezirken entstanden sind. Die russischen Blätter haben diesen Passus des Berichtes unter drückt. Die wirkliche Lage wird sich jedoch auf die Dauer nicht verheimlichen lassen. Ueber die am 19. d. in Witebsk wegen der Ausfuhr von Roggen staitgehabten Unruhen wird der „Times" aus Peters burg gemeldet. Zweihundert Waggons wurden von einer Horde unter Führung von Weibern, gestürmt, erbrochen und ihr Inhalt aus den Boden gestreut; man watete in Korn und Mehl und warf es den Soldaten und Gendarmen in die Augen, so sie blendend. Viele Soldaten wurden mit Knütteln und Steinen verwundet; brüllend und johlend zogen die Tumultuanten durch die Straßen und hetzten Kornhändler, zumal Juden. Das I Haus eines jüdischen Großhändlers wurde gestürmt und Mes darin kurz und klein geschlagen; er selbst entkam, gleich Anderen mit Noth und Mühe. Schließlich gab das Militär zwei Salven ab. Das wirkte für den Augenblick. Als man aber merkte, daß es blinde Schüsse waren, wurde der Lärm um so größer. Nun wurde scharf geschossen, und als vier Männer blutend zusammenbrachen, ergriff die Menge die Flucht. Jetzt wieder holte sich die Hetze in umgekehrter Ordnung. Wer ergriffen ward, wurde geknutel und einaesperrt. Auf dem Marktplatz md Kanonen aufgefahren, das Militär kampirt dort und beim öahnhos und die ganze Stadt und Umgegend ist in der größten Erregung. Und dabei wird nunmehr auS vielen Gebieten und gerade auch aus den nordwestlichen gemeldet, daß der Drusch vorzügliche Resultate, weit bessere als im Vorjahre, ergiebt; der Roggen ist ungewöhnlich körnerreich; zudem stehen auch Hafer, Gerste und Buchweizen jetzt über Erwarten gut. Der „Köln. Ztg." wird aus Petersburg gemeldet: Auch in Orla, Dünaburg, Griwa, Polozk und Witebsk ist es zu er regten Zusammenrottungen wegen der Roggenaussuhr ge kommen. Die Agitation gegen das Ausfuhrverbot tritt jetzt deutlicher hervor. Der Nationalökonom Professor Jstagew er klärt, Deutschland, Holland, Norwegen und England seien reich genug, um nicht wie die armen russischen Bauern Baumrinde, und Lindenblätter zu essen, sondern kauften anderweitig Weizen. Infolge der Unmöglichkeit rechtzeitiger Beförderung der unge heueren Roggenmengen erfolgten in Wilna in den letzten Wochen täglich Zahlungseinstellungen großer Getreidegeschäfte. I Die russische Regierung verbot auch die Einführung der bis her zollfreien kleineren Mehlmengen. Der „Standard" läßt sich aus Kreta melden, der musel manische Theil der Bevölkerung drohe die Hilfe Englands an zurufen, falls die Türkei den Forderungen der christlichen Bevölkerung nachgeben sollte. Die nach den unruhigen Distrikten entsandten Truppen seien wegen der Uebermacht der unter Waffen stehenden Christen zurückgekehrt, die Bewohner hätten ihre Familien in das Gebirge geschickt, was gewöhnlich beim Beginne eines Aufstandes zu geschehen pflege. Der „New-Aork Herald" -bringt folgende Nachrichten vom chilenischen Kriegsschauplatz. Das Land zwischen Vina del Mar und Quillota befindet sich in den Händen des Kongreß generals Canto, dessen Kavallerie die Umgegend durchstreift, um Proviant und Rekruten zu erlangen. Die Eisenbahn von Sant Jago nach Valparaiso »st durch die Kongressisten zerstört; ein Regiment derselben hat sich auf der Straße nach Sant Jago verschanzt und beherrscht dieselbe. Präsident Balmaceda hat, in der Befürchtung, daß Canto sich lieber auf das unge nügend gedeckte Sant Jago werfen, als einen Angriff auf Val paraiso wagen würde, 2300 Mann Truppen an Bord des „Im periale" nach Talcahuano eingeschifft, von wo dieselben mittelst Eisenbahn nach der Hauptstadt geschafft werden sollen. Die Ausschiffung der Truppen gelang, da der „Imperiale" den Schiffen der Insurgenten zu entgehen wußte. Die Insurgenten haben das Landhaus des zukünftigen Präsidenten Claudio Vicuna, welches sich 30 Meilen von Valparaiso befindet, zer stört. Die Kongreß-Kreuzer „Esmeralda" und „O'Higgins" befinden sich auf der hohen See und scheinen einen Angriff aus die Forts und die Torpedoboote der Regierung nicht wagen Politisch« «»schal». Freiberg, den 29. August. Die beiden Hechte, schreibt die „Tägl. Rundschau", die, um in einem BiSmarck'schen Bilde zu sprechen, der Himmel uns rechts und links zur Seite in den europäischen Teich gesetzt Hot, damit sie unS Deutsche verhindern, unserer Neigung ent sprechend wieder Karpfen zu werden, thun ihr Möglichstes, diesen ihren Berus getreulich zu erfüllen. Dank ihren Friet ens- betheuerungen herrscht zur Zeit wieder eine tiefgehende Beun ruhigung der öffentlichen Meinung, die sich in starker politischer Schwarzseherei äußert. Ist schon aus der Merseburger Rede des Kaisers herausgeleseu worden, daß sie nicht die alte Frie- denszuverficht athme, so wird die Nachricht, daß man in Wien an eme Verstärkung der Wehrmacht denkt (vgl. unter Oester reich) noch eine üblere Auslegung erfahren. Es ist nun freilich dum zu leugnen, daß dir Lage seit den Tagen von Kronstadt ernster erscheint, denn in Wirklichkeit hat der französische Be such nichts Anderes gethan, als daß er das bis dahin im Halb- dunkel liegende Bild der Loge plötzlich grell beleuchtete. Das Bild selbst ist das alte geblieben: Frankreich von unberechen baren krankhaften Anfällen geplagt und fest entschlossen, Ruß land Basallendienste zu leisten, der Zar Herr über Krieg und Frieden in Europa. Je nachdem man ihm mehr oder weniger Kraft und guten Willen zuerkeunt, wird man demgemäß die Lage hoffnungsvoller oder düsterer auffassen. Ein Grund zu besonderer unmittelbarer Besorgniß ist nirgends zu erblicken. Durch einen jähen Unglückssall ist Generallieutenant a. D. von der Groeben in Helsingör ums Leben gekommen. Ein Telegramm aus Kopenhagen meloet darüber: Der preußische Generalttrutenant a. D. von der Groeben ist gestern beim Weg- fahrrn von der Eisenbahn in Helsingör verunglückt. Derselbe wurde mit seiner Frau und Tochter aus dem Wagen hinaus- gewvrfen. Der General wurde in das Hospital gebracht, wo er nach zwei Stunden starb; Frau und Tichter blieben un- verletzt.^— Den Hauptinhalt des Gesetzentwurfes zur Bekämpfung der Trunksucht haben wir bereits mitgetheilt. Tie allge meine Begründung des Entwurfs weist zunächst nach, daß der Verbrauch geistiger Getränke in Deutschland recht beträchtlich ist . auf den Kops im Jahre 4,65 Liter Branntwein, 96,8 Liter Bier und 6,44 Liter Wein. Rücksichtlich der Folge desBrannt- weingrnusses wird darauf hingewiesen, daß die Trunksucht die Krankheitsursachen und die Sterblichkeit vermehrt, daß ein großer Theil der Selbstmorde und rin noch größerer Theil der Geistesstörungen aus den übermäßigen Alkoholgenutz zurück- zuführen ist, daß dieser sich auch als die ergiebigste Quelle der Verarmung erweist, daS Familienglück vernichtet, die Prostitu tion fördert, den Sinn für öffentliche Ordnung und Rechtssitte untergräbt, sowie daß seine Wirkungen auf das physische und psychische Leben sich aus die Nachkommenschaft vererben und somit eine Entartung herbeisühren. Bezüglich des Zusammen hanges zwischen Trunksucht und Verbrechen wird folgende An gabe des Strasanstastsdirekwrs vr. Krohne zitirt: „Von den Verbrechen gegen Leib und Leben sind die einfachen und schweren Körperverletzungen sämmtlich, die sahrlüssigen Körperverletzungen fast sämmtlich, Todtschlog und fahrlässige Tödtung mit wenigen Ausnahmen aus den Branntwein zurückzuführen. Auch beim Mord ist in sehr vielen Fällen der Branntwein die Ursache des Verbrechens. Die Verbrechen gegen das Eigenthum haben ihre weiteste Ursache fast ausnahmslos in einer momentanen oder dauernden materiellen Noth. Diese Noth ist aber in mindestens 80 Prozent der Fälle eine durch den Thäter selbst oder dessen nächste Angehörige verursachte. Und die Ursache dieser Noth ist saft regelmäßig der Branntwein. Die Ver brechen gegen die Sittlichkeit, mögen sie Nothzucht, Unzucht mit Erwachsenen oder Kindern heißen, haben fast ausschließlich ihre Ursache im Branntwein. Das ist meine Erfahrung seit 20 Jahren in Oldenburg, Schleswig-Holstein, in Heften, in Brandenburg. . . . 70 Prozent aller Verbrechen oder Vergehen stehen mehr oder weniger im ursächlichen Zusammenhang mit dem Branntwein." Auch des Einflusses der Trunksucht aus die Unfallstatistik wird gedacht. Zum Schlüsse erklärt die Be gründung: „Bei der Prüfung der Frage, ob und wie weit weitere gesetzgeberische Maßnahmen gegen dir Trunksucht geboten seien, ist zu beachten, daß die heutige Gestaltung unseres wirthschast- lichen und sozialen Lebens eine im Vergleich zu der Vergangenheit erhöhte Anspannung der körperlichen und geisti gen Kräfte des Einzelnen und gesteigerte Ausregungen zur Folge hat. Es ist ferner zu erwägen, daß mit der Verviel fältigung der Genüsse überhaupt und der zunehmenden Leich tigkeit, dieselben zu erlangen, auch die Neigung fast sümmtlicher Bevölkerungsklossen zum Alkoholgenuß wächst. Die Ueber- zeugung, daß den daraus sich ergebenden Gefahren wirksamer als bisher entgegengetreten werden müsse im Interesse der Moralität, der Steigerung der Leistungsfähigkeit des Einzelnen, sowie des ferneren wirthschaftlichen Ausschwunges und der geistigen Entwickelung der Nation, ist in den weitesten Kreisen verbreitet." Wie schon mitgetheilt wurde, ist vorgestern der chilenische Kreuzer „Presidente Pinto" in den Kieler Hafen einge laufen, um dort Mannschaften zu werben und englisck e Kanonen aufzunehmen. Laut „Kieler Zeitung" sind nunmehr seitens der dortigen Behörden alle Maßnahmen getroffen, um jeden Versuch zur Armirung des „Presidente Pinto" und zur Ver vollständigung der Besatzung des Schiffes zu verhindern. Den Mannschaften sümmtlicher Marinetheile ist es strengstens ver boten worden, das chilenische Kriegsschiff zu besuchen. Die zur Entlassung kommenden Mannschaften wurden gewarnt, nach der Entlassung nicht aus dem Chilenen anzumustern. Das Schiff wird Tag und Nacht polizeilich überwacht. Zivilpersonen müssen zum Betreten des Schiffes polizeiliche Erlaubnis er wirken. Diese Maßregeln werden gewiß allgemein gebilligt werden. Die deutsche Regierung hat bisher der chilenischen Kongreßpartei und der Präsidrntenpartei gegenüber gleichmäßig strengste Neutralität beobachtet. Die Zulassung der Ausrüstung des .President« Pinto" im Kieler Hafen wäre aber eine Par teinahme für Balmaceda gewesen und hätte im Falle eines Sieges der Kongrrßpartei gewiß zur Verschlechterung der deutsch- chilenischen Beziehungen geführt. Aus gleichen Gründen wie Deutschland haben bereits drei andere Staaten den „Presidente Pinto" gehindert, im Bereiche ihrer Macht seine Ausrüstung zu vollenden Das Schiff ist in Toulon gebaut, ging dann nach Genua und später nach Plymouth, mußte aber überall unverrichteter Sache abziehen. In der Bochumer Stempelangelegcnheit hat, wie die „Rheinisch-Westfälische Zeitung" erfährt, nach Abschluß des Ermittelungsverfahrens eine kleinere Anzahl von Meistern und Arbeitern eine mehrmalige Vorladung vor den Richter im Untersuchungsverfahrell erhalten. Ter Zwist in den Reihen der Sozialdemokratie kam wieder einmal recht drastisch in einer Berliner Parteiver sammlung zum Ausdruck. Ein Genaffe, der die Schulgeheim nisse gar nicht recht wahrte, meinte u. A.: „Es sei schade, daß in der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion viele Leute säßen, die im Parlament nur ihre Zeit verschwenden, nichts nützen, „der Partei aber sehr viel Geld kosten". Wenn die Regierung nicht bald Diäten für die Abgeordneten bewilligt, dann werden uns die Beträge, die wir dafür aufbringen müssen, noch auffreflen. Die Fraktion hat ihatsächlich gar keine Macht im Parlament, und es ist eine Täuschung, anzu nehmen, wir hätten im Reichstag das Sozialistengesetz über wunden. Das Ausnahmegesetz ist von der Regierung fallen gelassen worden, weil es der Partei mehr genützt als geschadet Hal. Wir werden uns durch die brutale Unterdrückung der Opposition dem Anarchismus nicht in die Arme Hetzen lassen. Man kann durch den Ton, in dem man uns jetzt bekämpft, nur erreichen, daß wir uns zur Diskussion nicht mehr stellen, weil wir öffentlich geradezu als Lumpe hingestellt werden. Die Alten bleiben wir aber doch — und wir verstehen auch anders zu arbeiten." In Oldenburg geben eine Anzahl Kaufleute der Kolonial- waarenbranche, im Hinblick auf die Theuerung, Nahrungsmittel wie Reis, Mehl, Bohnen, Erbsen, Kaffee, Schmalz rc. an nach weislich bedürftige und unbescholtene Familien zuEinkaufs- preisen ab. Me Weserztg. empfiehlt dies humane Vorgehen zur Nachahmung. Das halbamtliche „Fremdenblatt" lenkt, wie schon kurz tele graphisch gemeldet, die Aufmerksamkeit auf eine heute erschei nende, „die gegenwärtige Lage Europas und das Kriegsbudget Oefterreich-UngarnS" betitelte Broschüre, welche für eine Erhöhung der Forderungen des Kriegsnnnisters an die Dele gationen eintritt. Ter Verfasser, ausgehend von dem Gesichts punkte, daß nur Derjenige Recht erhält, der bei Zeiten dafür sorgt, daß die Wehrmacht für die ihr zufallende Aufgabe aus reichend sei, meint, die Monarchie dürfe im Ausbau der Wehr macht anderen Mächten keinen Vorsprung einräumen. Das gegenwärtige Kriegs-Ordinarium reicht nach seiner Meinung nicht aus, vielmehr hält er einen Mehraufwand von 16 bis 18 Millionen Gulden für nothwendig zu einer Vervollkomm nung der Armee, die in der Erhöhung des Mannschasts- und Ossiziersstandes, einer besseren Ausbildung der Landwehr, einer Erhöhung der Schlagsertigkeit der Kavallerie und Artillerie, sowie einer Verbesserung des Verpflegungs- und Trainwesens liegen soll. Die Monarchie dürfe nicht still stehen, sondern müsse in einem schnelleren Tempo wie bisher vorwärts gehen. Die Broschüre enthält ferner folgende konkrete Vorschläge: Ver mehrung des Offiziers-Friedensstandes bei der Infanterie und den Jägern um 105 Stabsoffiziere, 105 Hauptleuten, 1800 Lieutenants, wodurch der Friedensstand der Subalternoffiziere aus 3 Offiziere per Feldkompagnie gebracht wird Ferner wird eine Vermehrung der Unteroffiziersprämien vorgeschlagen, sowie die Erhöhung des gegenwärtigen Friedenspräsenzstandes auf 100 Mann per Kompagnie und Vermehrung der Zahl der Berufsoffiziere der Kavallerie wird empfohlen außerdem die Errichtung weiterer Remontedepots, um für die Erhaltung der Güte und der Schlagfertigkeit der Kavallerie Vorsorge zu treffen. Dagegen ist eine Vermehrung des Friedensstandes der Kavallerie, obwohl sie wünschenswerth sei, aus finanziellen Gründen ausgeschlossen. Die Broschüre schlägt weiter die Ver mehrung der Artillerie um 14 Offiziere, 2604 Mann, 980 Pferde und 84 Geschütze vor, um die sogenannten verminderten Batterie-Divisionen mit den normalen Batteriedivisionen gleich zustellen. Schließlich empfiehlt die Broschüre zur Sicherstellung der Truppenverpflcgung im Kriege die Bereitstellung großer Vorräthe von Konserven, die Anschaffung genügender Quanti täten Feldbahnmaterials und die hierzu erforderliche Einrichtung von Fabriken, Werkstätten und Depots. Die Broschüre schließt mit dem Hinweis auf einen unvermutheten Krieg, wo zwischen der Mobilmachung und der ersten Schlacht nur wenige Wochen liegen und mit der Betonung, daß die österreichisch-ungarische Armee nie aggressiv wirken und nur eine nachdrückliche Ver- theidigung führen solle. Trotz allen für Rußland inszenirten, sich bis zum Enthu siasmus steigenden Kundgebungen in Ur««kr<ich verlautete, bisher nicht, daß diese Begeisterung auch in einer neuen russischen Anleihe zum Ausdruck gelangen würde, die bekanntlich im Frühjahr 1891 gescheitert ist. Obgleich gerade der große Besitz russischer Papiere in den Händen der fran zösischen Kapitalisten eine gewisse Bürgschaft für Vie Aufrecht erhaltung des Friedens sein würde, welcher letztere eigenthüm- licher Weise nach den Behauptungen der offiziösen französischen Organe durch die Kronstädter Flottenzusammenkunft gewähr leistet sein soll, tragen die Franzosen doch allem Anschein nach Bedenken, ihre Sympathien für die sranzösische Republik von Neuem in Geld umzusetzen. Eine entgegengesetzte Meldung des „Gaulois" muß daher zunächst mit großer Vorsicht aus genommen werden. Der „Gaulois" meldet nämlich, „die letztes Frühjahr unterbrochenen Unterhandlungen behufs der in Paris erfolgenden Emission einer neuen russischen Anleihe sollen in der zweiten Hälfte des September wieder ausgenommen werden, was ein neuer Beweis des französisch-russischen Einverständ nisses sein würde." — Wollen's abwarten. Wie die „Pol. Kvrresp." aus Kopenhagen erfährt, wäre in dortigen unterrichteten Kreisen von einer angeblichen Absicht der Kaiserin von RutzlanV, Frankreich zu besuchen, nichts bekannt. Es wird angenommen, daß den Gerüchten irrthüm- licher Weise eine Verwechselung mit der bevorstehenden Reise des leidenden Großfürsten Georg zu Grunde liege, welcher sich auf dem Seewege nach dem Mittelmeer begiebt, um den Winter in Algier oder im Kaukasus zuzubringen. Hierbei wäre der Besuch eines französischen Hafens nicht ausgeschlossen.
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