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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 07.10.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189110071
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18911007
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18911007
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1891
-
Monat
1891-10
- Tag 1891-10-07
-
Monat
1891-10
-
Jahr
1891
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 07.10.1891
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Ureiderg« «»zriger -md Lsmerlott. SeU« L Der Zwischenfall in Rom hat einen Schatten auf die Feier ehlte. Bei der Enthüllung hielten der Maire von Nizza, Ma- aussena, sowie die Deputlrten Raiberti und Borriglione An- prachen, in welchen sie den Manen Garibaldi's für die einst Trankreich in den Tagen des Unglück- geleistete Hilfe dankten und in seiner Person das Symbol der Einigung zwischen den Völkern begrüßten. Der General Canzio, der Schwiegersohn Ga ribaldi's, überbrachte den Erinnerungsgruß der Familie Garibaldi's. - machen mußte, wobei ein Mann am Kopfe erheblich verletzt wurde, l Aus Oesterreich: Der Statthalter von Böhmen hat die Prämie auf die Ermittelung des Urhebers des Rosenthaler Bombenattentates aus 10000 Gulden erhöht. — In Triest fand der Portier des dortigen bischöflichen Palais am Sonntag im Vorhause einen rauchenden Gegenstand, welchen er als eine Pe tarde mit glimmender Lunte erkannte. Durch schleuniges Aus- treten der Lunte wurde eine Explosion verhindert. Die Petarde bestand aus einer 20 Dekagramm Schießpulver enthaltenden, mit Draht umwundenen zylindrischen Blechschachtel mit brennender Lunte. Es wird angenommen, daß es eine Demonstration gegen die slovenischen Predigten in der nahegelegenen Kirche war. Der Urheber des versuchten Attentats ist unbekannt. Wie italienische Blätter melden, wurden Extrazüge mit französischen Pilgern aus mehreren Bahnstationen mit einem Stetnregen empfangen, der alle Waggonfenster zertrümmerte. Aus Furcht vor Volksexzessen darf während der Reise jetzt kein Ulger die Waggons verlassen. In Genua sand eine imposante Demonstration unter Pereatrufen gegen Frankreich statt. noch einiger Zeit bedürfen, aber diese Zeit wird zweifellos kommen." „Und sind Sie der Meinung, daß der französische Gedanke nie wieder erwachen wird?" „Man wird vielleicht fortfahren, Frank reich zu bewundern, es zu lieben. Aber schließlich wird man zu der Einsicht gelangen, daß man allen Grund hat, deutsch bleiben zu wollen." Von hier ging ich wieder meinem Hotel zu, wo ich eine Gruppe von Offizieren bemerkte, die von den Bediensteten ehrfurchtsvoll begrüßt wurde. Einer der Offiziere war der Prinz Otto zu Schaumburg-Lippe. Zu meinem größten Erstaunen ließ sich diese fürstliche Gruppe ganz bürgerlich an der Table d'hote nieder. Die deutschen Prinzen sind Offiziere und essen inmitten ihrer Kameraden. Eine militärische Demokratie! Von hier ging ich am 30. Juni in tisch sei." Die schreibt aus dem Gefängnisse an ihren Mann: „Ich stehe jetzt fest wie Eisen; da können jetzt Zehne kommen, ich werde nicht »ehr von meinem Versprechen abgehen, mach' Dir, mein lieber Mann, keine Gedanken, ich vergesse mich nicht . . ." und die Ver- theidigung fügt der Verlesung dieses Schreibens, „um den Brief wechsel zu einem harmonischen Schluß zu bringen", hinzu, Frau Heinze wolle die Festigkeit nur — auf die Festigkeit in der Liebe bezogen wissen. Ist eS verwunderlich, wenn angesichts solcher und im Vorstehenden wiedergegebenen Behauptungen der „Straßb. Post" sind irrig. Fürst Bismarck hat — nach einer jeden Zweifel oder Widerspruch ausschließenden Information — niemals die Zusage gegeben, die besagte Ordre aus der Welt schaffen zu Helsen. Die Stellung eines sür die Gesammtpolitik verantwortlichen Ministerpräsidenten müßte, nach preußischen Ver hältnissen, unmöglich werden, wenn eine Anordnung, wie die durch jene Ordre geschaffene, außer Kraft treten sollte. Aus diesem Grunde ist sie denn auch nach dem Rücktritte des Fürsten Bismarck unverändert in Geltung geblieben und keiner seiner Amtsnachfolger könnte daraus verzichten. Dem Verfasser des Artikels der „Straßb. Post" ist der Inhalt jener Ordre ungeachtet ihrer vielfachen Veröffentlichung wohl nicht im Gedächtniß gewesen. Ihr Inhalt geht durchaus nicht dahin, da der Kaiser (der König) mit den übrigen Mitgliedern des Staats Ministeriums nie ohne vorherige Zustimmung des Ministerpräsi denten sollte über politische Fragen verhandeln können, sondern Auf die politische Lage übergehend betonte er dann, daß man sich die gegenwärtigen Schwierigkeiten in der europäischen Lage nicht verhehlen könne. Gemeinsame Feinde versuchten Verdächtigungen auSzustreuen zwischen Frankreich und Italien. Diese Verdächtig ungen gelte es als verderblich für die Größe Frankreichs und seine Aufgabe in der Welt zurückzuweisen. Die Enthüllung des Denk mals biete eine günstige Gelegenheit, feierlich die Eintracht in den Empfindungen und Entschließungen beider stammverwandten Na tionen zu betonen, die bestimmt seien, ohne gegenseitige Eifersucht ein gemeinsames großes Ziel zu verfolgen. Der Deputirie Rauc sprach im Namen der französischen republikanischen Presse. Hier auf ergriff der Vertreter der französischen Regierung, Finanz minister Rouvier, das Wort. Er hob hervor, die Feier bringe in dem gemeinsamen Gefühl der Dankbarkeit und Bewunderung die Söhne der beiden durch das unvergängliche Band gemeinsamer Abstammung geeinigten Nationen einander näher. Ganz Frank reich theile dieses Gefühl, es könne nicht vergessen, was Garibaldi sür dasselbe in den Tagen des Unglücks gethan. Der Minister erinnerte dann an die außergewöhnliche Laufbahn Garibaldi's und deren zwei Höhepunkte, die Einigung Italiens und die Erhebung Noms zur nationalen Hauptstadt. Garibaldi, so fügte er hinzu, hätte selbst eine schönere Apotheose für sich nicht gewünscht, als diesen demokratischen Staat mit einem starken Heer zu sehen, welcher in Ordnung, Freiheit und Frieden sich entwickele, diese Republik, deren Dauer, Weisheit und Kraft Europa Gefühle der Herzlichkeit und Achtung einflößten. Den Rednern wurde lebhafter Beifall gezollt. Unter dem Ruse: „Es lebe die Republik, es lebe^ Frankreich, es lebe Italien!" schloß die Feier. Obwohl GeneralBoulanger in seinem politischen Testa mente feierlich versichert, daß ihn nur der Gram über das früh zeitige Hinscheiden der Frau Bonnemain in den Tod getrieben habe, bleibt die Frage nach dem wahren Beweggründe des sensa tionellen Selbstmordes offen. Ein Blick aus die finanziellen Ver hältnisse des Generals beweist, daß die Sorge um seine materielle Zukunft dem Selbstmorde schwerlich fern lag, wenn der General es auch vorzog, seiner That ein sentimentales und romanhaftes Aussehen zu verleihen. General Boulanger besaß bekanntlich kein Vermögen und genoß seit 1889 auch nicht mehr die ihm sonst gebührende Pension von etwa 13000 Franks jährlich. Die Er sparnisse, die Boulanger aus seiner Zeit als Kriegsminister erwarb, wurden zur Tilgung der von Boulanger's Vater hinterlassenen Schulden verwendet. Als General Boulanger im Jahre 1888 die Bekanntschaft der von ihrem Manne geschiedenen Frau Bonnemain machte, wurde das Vermögen derselben auf etwa zwei Millionen geschätzt, wovon die eine Hälfte noch vor der Flucht des Generals nach Brüssel für Wahlzecke verwendet worden war. In Brüssel, London und Jersey führte Boulanger einen geradezu fürstlichen Haushalt. So betrug die Rechnung im Brüsseler Hotel Mergclle vom 1. bis 15. April 1889 die Summe Von 22000 Franks. In London verschwendete Boulanger 10000 Franks monatlich und der theure Aufenthalt auf der Insel Jersey brachte das Vermögen der Frau Bonnemain vollständig herab. Als sie am 15. Juli l. A starb, hinterließ sie kaum noch 200000 Franks, wovon sie dem anderer Seite als nur bei dem Ministerpräsidenten Rath zu holen, und er verlangte in Folge dessen von Bismarck die Zurücknahme der ohne sein Vorwissen wieder hervorgezogenen veralteten Kabi- netsordre. Als der Kaiser wegen dieser ihm zugesagten Zurück- nahmeordrc zum dritten Mal sandte — das erste Verlangen hatte er persönlich gestellt —, erklärte Fürst Bismarck, wenn der Kaiser auf seinem Willen bestünde, werde er sein Abschiedsgesuch einreichen. Der Kaiser nahm diese Alternative für baare Münze und forderte nun das Abschiedsgesuch, das auch die kaiserliche Bewilligung fand." Hierzu sagt die Münchener „A. Z.": Die gerufen worden durch die angeblichen Mittheilungen des Grasen Der Zwischenfall in Rom hat einen Schatten auf die Feier Nünster an den Pariser „Times"-Korrespoudenten, unwahre oder der Enthüllung des Garibaldi-Denkmals in Nizza geworfen, eine entstellte Behauptungen, die unvermeidlich zu einer Richtigstellung Feier, für die eS in Folge der Zurückhaltung der italienischen Re- sühren mußten. Die „Straßb. Post" konstatirt ja selbst in der gierung ohnehin schon an der rechten BerbrüderungSstimmung Einleitung ihres Artikels: .Herr Blowitz beharrt allen Dementis gegenüber dabei, daß die Unterredung über den Rücktritt des Fürsten BiSmarck mit dem Grafen Münster, welche er der „Times" veröffentlichte, authen- . . fortgesetzte Beunruhigung fällt somit i doch nur denjenigen Personen zur Last, welche durch unwahre ! Mittheilungen und Entstellung der Thatsachen in der Form des Angriffs Berichtigungen provoziren. Nicht die Abwehr und Noth wehr, sondern die Veranlassung zu solcher ist zu beklagen. Seit Aufhebung des Paßzwanges ist es m den journalistischen Kreisen von Paris förmlich Mode geworden, die verlorenenProvinzen zu besuchen, um in mehr oder weniger geistreichen Schilderungen über die Eindrücke zu be richten, welche man in Metz und Straßburg empfangen hat. Neuerdings enthält wieder der „Figaro" einen derartigen Artikel aus der Feder Chinchvlles unrer der Ueberschrift: „Von Metz bis an die Grenze", aus dem wir das Bemerkenswerthe folgen lassen: „In Metz sprach früher alle Welt französisch. Jetzt haben die meisten Lothringer ihre Geschäftshäuser verkauft, die nun in deutsche Hände übergegangen sind. Der Zigarrenverkäufer, der Hotelkellner spricht deutsch, die ganze Verwaltung ist deutsch. Gestern Abend ging ich ins Theater, wo der „Troubadour" gegeben wurde. Ich habe ihn angehört wie eine Lektion, die mich indeß nicht einmal unangenehm berührt ha». Ich finde vielmehr, daß die deutsche Sprache sich recht gut der Musik anpaßt . . . Nach dem Schluß der Vorstellung ging ich in eine Brauerei, wo ich mit französisch sprechenden, also offenbar „treugebliebenen" Lothringern zusammen traf. Indeß warcn cs Frankfurter Israeliten, die unsere einstigen Provinzen überschwemmt haben. Einer von diesen fragte mich: „Wenn Frankreich eine so gebildete und vornehme Nation wie die deutsche zum Verbündeten haben kann, warum wählt es sich denn lieber Barbaren zu Bundesgenoffen '?" „Es hat sich eben die jenigen ausgesucht, die es lieben." „Aber das wäre ja auch unser ausgesprochener Wunsch." Diese Ansichten findet man hier überall vertreten . . . Der Bürgermeister Halm ist ein Deutscher, aber ich muß gestehen, daß er mir den Eindruck einer ganz hervor ragenden Intelligenz gemacht hat. Ich faßte mir eines schönen : Morgens ein Herz und ging zu ihm. Gelegentlich einer Aeuße- rung meinerseits über die Aufhebung des Paßzwanges bemerkte er, die kaiserliche Maßregel sei eine höchst bedeutungsvolle. Ich erwiderte, manche Leute sehen in der Maßregel die Vorläufer einer weiteren kaiserlichen Entschließung, durch die eines Tages auf dem Wege eines Plebiszits das Reichsland an Frankreich zu rückgegeben werden würde. Herr Halm entgegnete hierauf: „Ich kenne diese alte Legende. Die Plebiszitfrage' wird in der That von Zeit zu Zeit aufgeworfen, und man verweist dabei auf Nizza und Savoyen als Präzedenzfälle. Aber sind die Fälle wirklich gleich ? Jene beiden Provinzen sind nicht im Wege der Waffen gewalt, sondern auf Grund von friedlichen Vereinbarungen an Frankreich gelangt, und so war es wohl billig, daß man die Be wohner um ihre Einwilligung fragte. Aber es würde mich interessiren, von Ihnen ein Beispiel nennen zu hören, daß er oberten Provinzen das Recht eines solchen Plebiszits eingeräumt worden wäre. Haben sie etwa in Algier ein Plebiszit veranstaltet? Nur ein Krieg könnte uns wieder Elsaß-Lothringen entreißen. Den wünscht aber kein Mensch." „So glauben Sic, daß die Germanisirung Fortschritte macht?" „Gewiß, sie schreitet zwar langsam, aber doch stetig fort. Es wird zu ihrer Vollendung nach der Citadclle. Wenn ich bei den Paraden unsere Soldaten ehe, so erfüllt mich ihr Anblick mit Hoffnung Aber die Haltung )er preußischen Krieger erregt ebenso meine Unruhe wie meinen Zorn . . . Eine besondere Gefahr für uns bilden die zahlreichen Ehebündnisse zwischen Lothringern und Preußen, denn alle die Kinder solcher Ehen sprechen deutsch . . . Endlich war ich wieder an der Grenze. Nun, ich will den Muth haben, es auszusprechen: während ich von Noveaut nach Pagny reiste, hatte ich durchaus das Gefühl, daß ich Deutschland, das wahre richtige Deutschland, verließ, um in mein Heimathland, nach Frankreich, zurückzukehren." Unter feierlichem Glockengeläute wurde am Sonnabend Abend um 6 Uhr die Ausstellung des heiligen Rockes zu Trier ge schlossen. Die Gesammtzahl der Pilger wird auf 1925130 an gegeben. Anwesend waren am letzten Tage noch die Erzherzogin Maria Theresia von Oesterreich mit zwei Töchtern, der Prinz von Arenberg und der Herzog Paul von Mecklenburg-Schwerin mit Gemahlin. Aus Bochum meldet man vom 4. Oktober: Als gestern Abend : gegen 8 Uhr der Chefredakteur Fusangel nach seiner Entlastung aus dem Landgerichtsgefängniß in Essen hierher zurückkehrte, hatte sich am Bahnhofe und in den Straßen eine nach vielen Hunderten zählende Volksmenge eingefunden, die die Absicht hatte, den Zurück gekehrten zu feiern. Leider ging es hierbei nicht ohne Ausschrei tungen ab. Vor dem Hause des Herrn Fusangel sammelte sich eine derartige Menge Menschen an, daß der Verkehr dadurch voll ständig gehemmt wurde. Als nun die Polizeimannschaft zum Auseinandergehen ausiorderte, wurde dem wiederholten Befehl keine Folge gegeben, so daß dieselbe von der blanken Waffe Gebrauch General Boulanger 100000 Franks vermachte. Die Familie der Frau Bonnemain griff jedoch das Testament an, es entstand ein Prozeß und die Summe, auf die Boulanger rechnete, wurde ihm nicht ausbezahlt. Da die Miethe seines Hotels in derRueMon- toyer jährlich 10000 Franks kostete, da der General sich zwei Equipagen, 4 Reitpferde und 10 Diener hielt und überdies zwei Sekretäre besoldete, so ist es klar, daß er am Ende seiner Hilfs mittel angelangt war. Seine Freunde halten ihn überdies voll ständig im Stiche gelassen, mit einziger Ausnahme Rochefort's, welcher ihm bis zur letzten Stunde treu blieb. Unter solchen Verhältnissen wäre Boulanger nichts Anderes übrig geblieben, als der bisherigen Lebensweise zu entsagen und seine rechtmäßige Fran um eine Unterstützung zu ersuchen. Er hat es Vorgezvgen, seinem Leben ein Ende zu machen. Die romantischen Umstände, unter denen er den Selbstmord beging, sollten nur die wahren Beweg gründe der That verschleiern. » Ein neuer Baccarat-Skandal erregt in der englischen Gesell schaft peinliches Aussehen. In einem der vornehmsten Klubs von West-End (in der Nähe von Picadilly), in welchem die Creme der englischen Aristokratie, sehr bekannte Sportsmen und vor Allem viele Mitglieder ves Hauses der Lords und der Gemeinen zu verkehren pflegen, hatten sich vor einigen Tagen ein junger, durch seine galanten Abenteuer „berühmter" Lord, ein reicher Besitzer von Yorkshire, ein gewesener Minister und ein junger Deputirter zum Baccaratspiel vereinigt. Die Partie dauerte drei Stunden, und die Verluste bezifferten sich auf mehr als 10090 Pfund Sterling (200000 Mark). Um den Tisch herum standen viele Klubmitglieder, unter welchen sich auch ein höherer Offizier befand. Plötzlich ?iß der Offizier dem jungen Lord die Karten aus der Hand und versetzte ihm einige Faustschläge ins Gesicht. Der Lord, der zu Boden gesunken war, sprang auf und begann nun seinerseits Leuchter, Wasserflaschen, Henkelkrüge, kurz Alles, dessen er habhaft werden konnte, gegen alle Anwesenden zu schleu dern. Man rief nach der Polizei, aber die Schlacht dauerte trotz dem noch eine Zeit lang fort und die Gentlemen ertheilten sich gegenseitig Faustschläge, Rippenstöße und Ohrfeigen. Erst die Ankunft des Präsidenten des Klubs setzte der widerwärtigen Szene ein Ende. Der junge Lord wird beschuldigt, im Spiele betrogen, und der Offizier betheuert, ihn dabei überrascht zu haben, als er beim Kartengeben und Ausspielen gewisse unerlaubte Triks vornahm. Die Türkei hat eine Maßregel getroffen, welche ganz geeignet ist, das gute Einvernehmen mit Bulgarien zu trüben. Nach einer Drahtmeldung des „Standard" aus Konstantinopel „wurde dort ein unangenehmer Eindruck erzeugt durch die Thatsache, daß die Pforte die Einziehung der neuen bulgarischen Silbermünzen an ordnete, weil dieselben das Bildniß des Fürsten Ferdinand tragen. Dieser Schritt wurde vom Großvezier ohne vorherige Berathung mit den übrigen Ministern ergriffen und wird dem Einflüsse Ruß lands zugeschrieben." — Was Dschewad Pascha mit diesem eigen- thümlichen Vorgänge bezweckt, ist unerfindlich. Prinz Ferdinand ist wohl noch nicht anerkannter Fürst von Bulgarien, aber er re giert thatsächlich seit vier Jahren und mit seiner Regierung Ver kehren sowohl die Pforte wie die übrigen Mächte mit Ausnahme Rußlands. Zwischen der Türkei und Bulgarien bestanden gerade unter Kiamil Pascha die herzlichsten Beziehungen, der bulgarische Minister des Aeußeren wurde vom Sultan empfangen und kein ähnlicher Vorgänge und der dramatischen Szenen, welche zur Ver- i tagung de- Prozesses führten, die unbetheiligten Kreise die beun- 1 ruhigende Empfindung erfaßt, die Venheidigung habe ihren Be ruf verkannt, obwohl sie mit Selbstgefühl die „entschiedenste Ver wahrung" einlegte, als der Staatsanwalt sich eines Lächelns bei einer Auslastung des „berufenen Mitgliedes der öffentlichen Rechts pflege" nicht zu erwehren vermochte? Nicht geringere Verwunde rung als das Verhalten zu den Angeklagten erregte die Art und Weise, in welcher die Vertheidigung dem Präsidenten entgegen trat. Es ist der Ton, der die Musik macht; der Ton aber, der von den Anwälten angeschlagen wurde, wird hoffentlich nicht oft in GerichtSsälen gehört; sonst müßte das Verhältniß von Richtern und Verteidigern nachgerade ein unleidliches werden, wie es sich für Männer von gleicher Bildungsstufe, die amtlich mit einander zu Verkehren haben, nicht gebührt. „Und nun fordere ich Sie auf, Herr Direktor . . ." „Sie haben mich in meiner Erklärung unterbrochen, und da Sie dieselbe nicht ganz hören wollen, so lehne ich es ab, sie Ihnen thrilweise zu geben . . ." Ten Gipfel erreichte diese Eigenart der Geschäftsführung der Vertheidigung in der Behauptung der Nothwendigkeit von Erfrischungen, als welche die Anwälte Champagner trinken zu mästen glaubten, während Richter und Geschworene sich mit Wasser begnügten. Fügt man hinzu, daß sich einer der Vertheidiger in Abwesenheit des Präsidenten die Akten von dessen Gattin auS der Wohnung holte, obwohl doch das „berufene Mitglied der öffentlichen Rechts pflege" wissen konnte, daß die Frau des Präsidenten keine zur Auslieferung amtlicher Aktenstücke bestimmte Persönlichkeit ist, so wird man sowohl das harte Urtheil, welches die Bürgerschaft über das Verfahren der beiden Vertheidiger fällst, wie den gerechten Unwillen begreifen, der sich im Anwalistandc selbst gegen diese seine Mitglieder kundgiebt. Unter einer solchen, glücklicher Weise ungewöhnlichen Handhabung der Vertheidigung muß schließlich nicht nur das Ansehen des ganzen Standes, sondern auch di Kollegialität im Juristenstande und nicht zuletzt die Rechtspflege leiden." Wir haben in dieser Frage ausschließlich Berliner Blättern das Wort gelassen: Sie berührt uns nicht direkt und wird auö in Zukunft den Gepflogenheiten der Rechtspflege hier zu Land hoffentlich ebenso fern bleiben, wie wir die oben geschilderten sozialen Auswüchse nur vom Hörensagen kennen. nur dahin, daß die Minister, wenn sie politische Anregungen beim Könige beabsichtigten, den Ministerpräsidenten davon benachrichtigen sollten, und daß dieser berechtigt sein soll, dem Vortrage seines Kollegen beizuwohnen. Das Recht des Königs, bei Meinungs verschiedenheiten zwischen seinen Ministern zu entscheiden, war durch die Ordre von 1852 niemals beeinträchtigt. — Im klebrigen ist es eine zu den Thatsachen in direktem Widerspruch stehende Angabe jenes Artikels, wenn derselbe von einer „zugesagten Zu rücknahme" der Ordre spricht. Eine solche Zurücknahmeordre ist, wie nur authentisch wissen, niemals weder zugesagt, noch ent worfen worden, noch wegen dieser vom Kaiser „zum dritten Male" (oder auch nur zum ersten Male) dem Fürsten Bismarck eine Aufforderung gestellt oder übersandt worden. Auch was die „Straßb. Post" weiter anführt „von mißlungenen Versuchen, den Kanzler zurückzuhalten", entspricht den thatsächlichen Vorgängen nicht; es haben solche Versuche nicht stattgesunden. Zum Schluß noch eine Bemerkung: Der Artikel der „Straßb. Post" schließt: „Im Ucbrigen wäre es in hohem Grade wünschenswerth, wenn die fortgesetzten Beunruhigungen der öffentlichen Meinung, wie sie durch jene Auseinandersetzungen erzeugt werden, endlich eingestellt wurden." Wir theilen diesen Wunsch vollkommen, nur muß er an die richtige Adresse gerichtet werden. Diese „Benn- ruHigungen der öffentlichen Meinung" sind ausschließlich hervor- Politische Umschau. Freiberg, den 6. Oktober. Deutschland, Oesterreich und Italien haben die türkische Note über die Dardanellen-Angelegenheit dahin beantwortet, daß die betreffenden Regierungen das Zirkular zur Kenntniß genom men hätten. Keine dieser Mächte erachtete es sür nothwendig, eine politische Erörterung daran zu knüpfen. Auch von England, drsscn Antwort noch ausständig ist, erwartet man, daß sich die selbe in dem gleichen Rahmen wie die der Dreibundsmächte be wegen werde. Die „Münchener Allg. Ztg." kommt heute nochmals auf die vielbesprochene Kabinetsordre von 1852 und somit auf einen Artikel der „Straßb. Poft" vom 25. August d. I. zurück, welcher über die Entlassung des Fürsten Bismarck behauptet hatte: „Nach unserer, aus guter Quelle stammenden Kenntniß der Ver hältnisse drehte sich die Entlassung im Wesentlichen um die Auf frischung der Kabinetsordre durch Fürst Bismarck, nach welcher Ser Kaiser mit den übrigen Mitgliedern des Staats-Ministeriums nie ohne vorherige Zustimmung des Minister-Präsidenten über politische Fragen verhandeln sollte. Der Kaiser nahm demgegenüber für sich das Recht in Anspruch, über gewisse Fragen sich auch noch aus
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