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«nd Tagevlatt Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. erscheint irden Wochentag Nachmittag« 6 Uhr für den Uv I I IlH anvernTag. Preis vierteljährlich S Mark 2d Ptg., zweimonatlich 1 M. SOPs. und eimnonatlich7S Ps. «1. Jahrgang . l Inserate werden bi« Lonntttaa N Uhr angenom» Tanntaa, neu MUt. mm und bettägt t>cr P^i,sürdik gespaltene Zeile ff oder deren Raum 1o Pfg 18S1. ————— Bekanntmachung. Bei dem unterzeichneten Stadtralhe sind auS der Stiftung Joha»« Gottfried Hay«'S für bedürftige und fleißige Gymnasiasten aus der I. und II. Klaffe des hiesigen Gymnasiums 4 Stipendien und zwar 1 zu 150 M. und 3 zu je 100 M. jährlich auf 4 hintereinander folgende Jahre zu vergeben. In erster Reihe haben auf diese Stiftung Söhne von Königsteiner Bürgern Anspruch, in Nveiler Linie sind nach der Stiftungsurkunde zu berücksichtigen Söhne von Kirchen- und Schuldienern, welche in Freiberg in Diensten stehen oder gestanden haben, sowie von hier ver- storbenen Geistlichen oder Steuer-Einnehmern und in dritter Linie, wenn von den an erster »nd zweiter Stelle Berechtigten kein geeigneter Bewerber auftritt, Freiberger Stadtkinder, unter welchen wieder die Söhne von derzeitigen oder früheren Lehrern des hiesigen Gymnasiums vorzüglich berücksichtigt werden sollen. Gesuche um dieses Stipendium sind bis IS. Vtai vieseS Jahre- beim unterzeichneten Stadtrath unter Beifügung eines Taufscheines und eines Schulzeugnisses «inzureichen. Freiberg, am 30. April 1891. Der Stadtrath. Vr. kiidme, Bürgermeister. Fhrg. Bekanntmachung. Für die mit Ende März nächsten Jahres pachtfrei werdenden dem St. Johannishospitale gehörigen vormals Mittag'schen Felder Nr. 121 und 128 des Flurbuchs für Freibergsdorf, mit einem Flächeninhalt von 96,« »r ist uns ein Pachtgebol von jährlich 120 M. — Pf. ge macht worden. Wir bringen Solches mit der Aufforderung hierdurch zur öffentlichen Kenntniß, etwaige Mehrgebote in dem auf Montag, de« LS. «ai dieses Jahres, vormittags 1t Uhr, anberaumten MehrbtelNNgstermi« bei uns (im RathhauS, 1. Obergeschoß, Zimmer Nr. 5) anzubringen und des Zuschlags sich zu gewärtigen. Freiberg, am 30. April 1891. Der Stadtrath. Vr. ULI»»»«, Bürgermeister. Fhrg. Bekanntmachung, das Ziehrinderwesen betreffend. Unter Bezugnahme auf unsere Bekanntmachung vom 30. August 1886 bringen wir an- burch zur öffentlichen Kenntniß, daß wir die erste der in diesem Jahre stattfindenden ärztlichen Hauptunterfuchunge« der im hiesigen Stadtbezirke befindlichen Ziehkinder, welche »och nicht schulpflichtig und nicht bei verwandten Personen untcrgebracht sind, Mittwoch, den IS. Mat «., Nachmittags 3 Uhr, in der Kastenstube des «anfhanseS anberaumr haben. Es werden daher die betreffenden Ziehmütter, welche auf Erfordern Aus> uns! über Namen, Geburtsort Alter und sonstige Familienverhältnisse ihres Ziehkindes uno dessen Eltern zu geben in der Lage sein müssen, hierdurch aufgeforder«, die Ziehkinder gedachter AN am genannten Tage dortselbst unter Vorzeigung deS polizeilichen Erlaubmßscheines de» mit der Untersuchung beauftragten Herren Aerzten vorzustellen. »«entschuldigte SerfLumnih de, Vorstellung de» «indes »erwirkt die Berechtig««- »um Halte« vo« Ztehkt»der«. Fretderg, am 2. Mai 1891. Der Stadtrath. Ide. vlLI»»»«, Bürgermeister. B- Bekanntmachung. In Nachgehung der Verordnung der Königlichen Kreishauptmaunschaft zu Dresden vom 25. März 1891 wird nachstehende Generalverordnung, die rechtzeitige Entfernung der Leichen ouS dem Sterbehause betreffend, zur Nachachtung hiermit in Erinnerung gebracht. Freiberg, am 8. Mai 1891. Die Stadtpolizeibehörve. MLmüor. Hf«. D Generalverordnung an sämmtliche Polizeiobrigkeiten und die Herren Bezirks- Lrzte des Dresdner Regierungsbezirkes, die rechtzeitige E«tser«u«g der Leiche« aus de« Sterbehause betreffe«». Bei Verhandlungen einer Plenarversammlung deS Königlicken LondeS-Medizinalkollegium ist auf die in manchen Gegenden de» Landes, namentlich aus dem platten Lande, herrschende Sitte, die Leichen, in Sonderheit zur Ermöglichung eine» solenneren Begräbnisses an den, ans den TodeStag nächstfolgenden Sonn- oder Festtagen überlang in dem Sterbehause zurückzuhaltrn, hingrwiesen worden. In dessen Folge hat das Königliche Ministerium des Innern auS den sich geltend machen den, sehr bedeutsamen Rücksichten aus die öffentliche Gesundheitspflege angeordnet, daß bei Ver meidung einer Geldbuße biS zu 100 Mark für jeden einzelnen Kontradentionssall alle Leiran, an welchen deutliche Zeichen von Fäulniß wahrnehmbar sind, nicht über den vierten Lag (4 mal 24 Stunden) von der Stunde deS eingrtretenen Todes an im Sterbrhaus« belasse« werden dürfen, sondern aus dem letzteren spätestens mit Ablauf der gedachten Zeitsrist entfernt werden müssen, um entweder beerdigt oder den Todtenhallen übergeben zu werden. Die Polizeiobrigkeiten — soviel die Stadt Dresden betrifft, der Stadtrath — «ollen für Abdruck dieser Generalverordnung in ihren Amtsblättern besorgt sein. . Dresden, den 8. November 1877. , »Sntgttche »reishaup1ma««schoft. vo» Hübler, S. Verbot. Das Fahre« und «eilen durch das Johanvis-Stzche«, ingleichen das Führe» von Pferden durch dasselbe wird hiermit bei Strafe untersagt. Freiberg, am 6. Mai 1891. Die S1ad1poN,e»eh»^e. Die Woche. Mehr oder minder standen noch während der verflossenen Woche in allen Industriestaaten Europas — am wenigsten in Deutschland — die Vorgänge des politischen Lebens unter der Perspektive des 1. Mai. Die Maifeier sollte nach dem Willen des im Jahre 1889 in Paris abgehaltenen internatio nalen Kongresses, der sie ins Leben rief, .eine gewaltige Heerschau über die sozialistischen Arbcitermasscn des Erdballes" sein, .ein Schrecken erregendes Vorführen der Macht des Ver bündeten Proletariats." In Wirklichkeit war sie ein gefähr liches Spielen mit dem Feuer der Revolution, das im Allge meinen einen harmlosen Verlaus nahm, vereinzelt jedoch auch zu schlimmen Explosionen sühne, weder in seinem friedlichen Verlaus aber noch dort, wo Vie rohen Instinkte revolu tionärer Massen zum Durchbruch kamen, der VeNretung der heutigen Gesellschaftsordnung hatte imponiren können. Be- merkenswerth ist, daß indem .vom Sozialismus durchwühlten" Deutschland der Tag am ruhigsten verlaufen ist, und daß selbst im Ausstandsgebiet des Ruhrreviers die Ruhe nicht gestört wurde. Dabei war gerade Deutschland der Staat, der die ge ringsten oder doch die wenigst geräuschvollen Vorkehrungen zur Begegnung etwaiger Ausschreitungen getroffen hatte. In den romanischen Ländern, in der Republik Frankreich und in den parlamentarisch regierten Staaten Italien und Spanien hatte der Staat sich bis an die Zähne gerüstet, und gerade hier ist es stellenweise zu Ruhestörungen und zu Anschlägen gekommen, welche die Frivolität, mit der die staatumwälzcnde Bewegung aufgefaßt wird, bloßlegen und zeigen, daß die französischen und italienischen Anarchisten doch nicht nur mit gespickten Worten ihren Sport treiben: In Paris, in der Rue de Berry ist an dem Hause eines harmlosen Bürgers ein Dynamitanschlag ver übt worden, in Amiens wurde eine Fabrik in Brand gesteckt, in Fourmies kam es zu einem blutigen Straßenkampf, in Rom gab es gleichfalls Todte und Verwundete und in der spanischen Provinzhauptstadt Bilbao brannte die Schiffswerft nieder, doch ist in dem letzten Falle die Ursache noch nicht festgestellt. Gegen solche Niederträchtigkeiten wird die Gesellschaft sich nie schützen können, im Allgemeinen aber hat sie kunvgethan, daß sie der Bewegung völlig gewachsen ist, daß ihr Langmuth aber den fortgesetzten Hetzereien gegenüber nachgerade erschöpft ist. Wir haben gestern eine anschauliche Schilderung der Vorgänge in Fourmies gegeben, aus der klar hervorging, baß die Pöbel massen nur deshalb den billigen Muth zeigten, die Truppen zu insultiren, weil ihnen vorgercdet worden war, diese dürften sich ihrer Haut nicht wehren und müßten Alles über sich er gehen lassen. Als die Truppen dann doch zeigten, daß der Mob nicht ungestraft sein Müthchen an der staatlichen Autorität kühlen dürfe, als ein Dutzend Todter und Verwundeter den Boden bedeckte, da lief die Menge heulend und schreiend aus einander. Derartige Vorgänge sind im höchsten Grade beklagens- werth, nach einer Richtung hin aber können sie — als heil same Medizi» zur Ernüchterung wirken: Sie lassen die revolutionären Massen erkennen, daß sich die staatliche Auto rität nicht durch ein paar Steinwürfe oder Revolverschüsse ins Bockshorn jagen läßt und stark genug ist, noch ganz andere Stürme als die von Fourmies oder Rom auszuhalten. Möchte viese nüchterne Erlenntniß nach einer Periode maßloser Hetzereien mehr und mehr Platz greifen und es gelingen, die Bestrebungen nach einer Umwandlung unserer sozialen Verhältnisse allmählich in die friedliche Bahn zu lenken, die ihnen unsere deutsche Sozialreform vorgezeichnet hat l Sollte diese Hoffnung sich als trügerisch erweisen, sollte das Vertrauen aus die bisherigen Rüstmittel der Gesellschaft nicht mehr ausreichen, dann aller dings hätte man sich mit dem Gedanken an eine internationale Abwehr, an eine .internationale Verschwörung der staats erhaltenden Elemente in dem Sinne wie Crispi einst den Dreibund eine Verschwörung für den Frieden nannte", vertraut zu machen. Dieser Gedanke ist es, den die .Köln. Ztg." am Schlüsse einer etwas pessimistischen Betrachtung über den Ver lauf des 1. Mai in dj«. Worte Neidet: .Eine internationale Konferenz zur Vereinbarung von Maßregeln zum Schutze der Gesellschaft sollte die Antwort sein auf die Begehrlichkeit der sozialistischen Forderungen, die mit den neuesten den Arbeitern zugetheilten Wohlthatcn ins Maßlose anwächst". Zum ersten Male während seines Regierungsantrittes hat in diesen Tagen Kaiser Wilhelm die Rheinprovinz besucht. Düsseldorf, Köln, Bonn, die drei größten Städte der Provinz, suchten einander in der Bethätigung ihrer loyalen Gesinnungen zu übertreffen. Neben den Berichten über glänzende Empfangs festlichkeiten liegen diesmal auch Miltheilungen über bemerkcns- werthe Ansprachen des Kaisers vor. Wir haben über dieselben ausführlich berichtet und dabei bezüglich der in Düsseldorf ge haltenen hochpolitischen Rede auch bemerkt, daß über einige Aeußerungen des Kaisers mehrere von einander abweichende Lesarten existiren. Es ist bekanntlich nicht das erste Mal, daß der amtlich bckanntgegebene Wortlaut einer Rede Kaiser Wilhelms nicht mit demjenigen übereinstimmt, der zuerst ver lautbarte. Dieser Umstand hat in der Presse mehrfach Anlaß zu Erörterungen und Fragen gegeben. Wir möchten uns rn diesem Falle den Anschauungen eines nationalliberalen Blattes anschließen, die im Folgenden zum Ausdruck kommen: .Das Facit der Betrachtung kann nur zu Gunsten unseres impulsiven, mit weitem Herzen seine hohen Aufgaben um spannenden jugendlichen Monarchen aussallen, denn die nicht weg zu leugnende Thatsache, daß der Monarch die von ihm gehaltenen Reden, ehe sie offiziell veröffentlicht werden, darauf hin durchblickt, ob sie auch den tief innerlich empfundenen Ge danken, den Anschauungen, welche er zum Ausdruck bringe« wollte, entsprechen, läßt den Rückschluß zu, daß die Tischreden Kaiser Wilhelms II. ein überaus bedeutsames geschichtliches Moment dadurch darstellen, daß sie offenbar improvlsirt sind. Kaiser Wilhelm II. ist auch darin der moderne Monarch, der einfache, seinen Staatsbürgern persönlich nahestehende LandeS- sürst, daß er sich in ihrer Mitte keinen Zwang anthnt, die Feierlichkeit ablegt und aus dem vollen Herzen zu ihnen spricht, wie die momentane Stimmung eS ihm eingiedt. Je sicherer es also ist, daß diese Reden nicht sorgfältig abwägend vorher, nach der Bedeutung jedes Wortes und jeder Wendung, geprüft und .ausgearbeitet" wurden, je gewisser wir annehmen dürfen, daß der Kaiser vollständig unvorbereitet sprich«, um so weniger Anlaß hat die Oeffentlichkeit, auS dieser oder jener Wendung eine .vorbedachte Absichtlichkeit" heraus zu hören, weil sie da durch naturgemäß auf die schiefe Ebene geriethe, dem Kaiser Gedanken und Absichtlichkeiten unterzuschieben, die ihm im Augenblicke der Rede völlig fern lagen. Daraus ergiebt sich aber für die Presse die weitere Pflicht, taktvoll über die That sache, voß verschiedene Lesarten der Kaiserreden möglich sind, hinweg zu gehen und nur mit dem offiziell veröffentlichten Wortlaut zu rechnen, weil hierin allein thatsächlich dasjenige ausgedrückt ist, was der Kaiser sagen wollte bez. sagte." Es ist nunmehr bestimmt, daß der Reichstag vor Pfingsten nicht geschlossen, sondern damit die Vorarbeiten für das Krankenkasscugesetz nicht umsonst gewesen sind, wieder bis zum Herbst vertagt wird. Die am 6. Mai des verflossenen Jahres eröffnete Riesensession, die schon in der Zeit vom 8. Juli bis 18. November eine Vertagung erfahren hatte, soll sich also noch über den ganzen nächsten Winter erstrecken. Die wichtigste Arbeit des Reichstags war während der verflossenen Woche die Beendigung der dntten Lesung des Arbeiterschutzge setzes oder wie es amtlich heißt, der Novelle zur Gewerdeord- nung. Es wurden in dieser dritten Lesung auf Grund eines liebereinkommens der Fraktionen mit Ausnahme der Sozial demokraten, noch einige Aenderungen vorgenommen, so eine Erhöhung der zulässigen Geldstrafen — welche aber zum Besten der Arbeiter zu verwenden sind — für schwere Der- stöße gegen die Arbeitsordnung. Bei dieser Gelegenheit gab der preußische Handelsminister von Berlepsch die Erklärung ab, daß die verbündeten Regierungen zwar aus der Ablehnung der schärferen Strafbestimmungen gegen den Mißbrauch der Koalitionsfreiheit (H 153) keinen Grund zur Verwerfung deS ganzen Gesetzes hernehmen würden, aber von der Nothwendig keit schärferer Strafvorfchristen namentlich auch angesichts der Vorgänge beim letzten Bergarbeitecstreik nach wie vor so über zeugt seien, daß sie den Reichstag immer wieder vor die Ent scheidung dieser Frage stellen würden. Der Termin für da» Inkrafttreten des Gesetzes ist auf den 1. April verschoben.