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und Tageblatt Amtsblatt M die l-niglichcn und Müsch« Behörden zu Freiberg mrd Braud. Freitag?Angnst. 18S1. Bekanntmachung. Der Theil des Meitz«erri«g- zwischen der Mönchsstraße und dem AuSgange der Straß« am Gymnasium wird wegen BEME»MiMM«Fe«schütt««g vom 2«. «««Ust dir mit 1». September e. tür alle« Fährverkehr gesperrt. Es wird deshalb der Verkehr mit Lastfuhrwerk während dieser Zeit «ach dem Freiberg, am 27. August 1891. Der Stadtrath. LSs»I«r. Wbr. 8tMe-S-Me zu ErHgrtinWMrs, lebe Mittwoch vo» «—ir ««v 2—« Uhr geSstuet, verzinst Spareinlagen zu 3»/,'/, und gewährt Darlehne auf Landgrundstücke innerhalb mündelmäßiger Grenzen zu mäßiger Ver ¬ zinsung. Der 8emei«derath. Gemeinde-Borstand. Nach-eftell««gen a«f de« «o«at September werde« z«m Preise vo« 78 Pfg. vo« alle« kaiserl. Posta«stalte«, sowie von de« bekannte« «u-gabeftelle« und der unterzeichneten Expedition ««genommen. Die Expedition des „Freiberger Anzeiger". Politische Umschau. Freiberg, den 27. August. Bei der vorgestrigen Frühstückstofel im Neuen Palais hat der deutsche Kaiser Veranlassung genommen, das neue aus Weizenmehl gebackene Kommißbrod persönlich einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Wie aus München telegraphisch berichtet wird, ist die Prinzessin Ludwig von Bayern gestern früh von einer Prinzessin entbunden worden. Prinz Ludwig, der spätere Thronfolger, besitzt nunmehr zwölf Kinder, vier Söhne und acht Töchter. Der „Reichsanz." veröffentlicht den Entwurf eines Ge setzes zur Bekämpfung des Mißbrauchs geistiger Ge tränke nebst Begründung. Wir entnehmen demselben folgende hauptsächliche Bestimmungen: 8 3. Den Kleinhändlern ist ver boten, Branntwein oder Spiritus in Mengen von weniger als '/z Liter abzugeben. — 8 4. Die Ertheilung der Erlaubniß zum Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus ist in Ort schaften von mehr als 5000 Einwohnern an die Bedingung zu knüpfen, daß das Gewerbe nicht in Verbindung mit einem Kleinhandel anderer Art betrieben werde. Die Lagerung von Branntwein oder Spiritus in Verkaufsräumen, welche einem anderen Gewerbe als dem Handel mit diesen Getränken dienen, ist in Ortschaften von mehr als 5000 Einwohnern untersagt. Die vorstehenden Bestimmungen finden keine Anwendung: a. auf Delikatessenhandlungen und Konditoreien, d. auf Apo theken und Droguenhandluugen hinsichtlich des Verkaufs und der Lagerung von Branntwein in versiegelten oder verkapselten und außerdem etikettirten Flaschen. — §5. Räume, welche zum Betriebe eines anderen Gewerbes dienen, dürfen zum Be- rriebe einer Gast- oder Schankwirthschaft nicht benutzt werden und mit den für diesen benutzten Räumen nicht in unmittel barer Verbindung stehen. Die höheren Verwaltungsbehörden sind befugt, im Einzelfalle Ausnahmen von dieser Vorschrift zuzulassen. Die höheren Verwaltungsbehörden sind befugt für ihren Bezirk Vie Anforderungen festzustellen, welche in bau licher, gesundheitlicher und sittlicher Beziehung an die zum Betriebe der Gast- oder Schankwirthschaft bestimmten Räume zu stellen sind. — Z 6. In jeder Gast- oder Schankwirthschaft muß Vorsorge getroffen werden, welche es ermöglicht, den Gästen auch andere als geistige Getränke, sowie die nach Lage der örtlichen Verhältnisse zu beschaffenden Speisen zu reichen. Die Ortspolizeibehörden können für die einzelnen Gast- und Schankwirthschafren nähere Bestimmungen über die bereit zu hallenden Getränke und Speisen treffen. — 8 7. Gast- und Schankwirthe sind verpflichtet, selbst oder durch eine geeignete andere Person für die Aufrechterhaltung der Ordnung in ihren Räumen zu sorgen und Alles zu verhindern, wodurch der Mißbrauch geistiger Getränke gefördert werden kann. Die Landesregierungen können Vorschriften über die Zulassung weiblicher Bedienung in den Gast- und Schankwirthschaften er lassen. — 8 8- Durch Polizeiverordnung kann der Ausschank geistiger Getränke und der Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus Morgens vor 8 Uhr verboten und gleichzeitig vorge schrieben werden, daß die Räumlichkeiten, welche dem bezeichneten Gewerbebetriebe dienen, so lange geschlossen zu halten sind. — 8 9. Den Gast- und Schankwirthen ist verboten, Personen, welche das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und sich nicht unter der Aussicht großjähriger Personen befinden, geistige Getränke zum Genuß aus der Stelle zu verabreichen. Dieses Verbot findet keine Anwendung auf die Verabreichung zur Be friedigung eines Bedürfnisses der Erfrischung auf Reisen, Aus flügen und bei ähnlichen Gelegenheiten. — 8 10. Den Gast- und Schankwirtben sowie den Kleinhändlern mit Branntwein oder Spiritus ist verboten, offensichtlich Betrunkenen sowie solchen Personen, von denen sie wissen, daß sie innerhalb der letzten drei Jahre wegen ärgernißerregender Trunkenheit als gewohnheitsmäßige Trinker rechtskräftig verurtheilt worden sind, geistige Getränke zu verabreichen. Gast- und Schankwirthe dürfen einen Betrunkenen, dem sie in ihrem Gewerbebetrieb geistige Getränke verabreicht haben, aus ihren Räumen nur dann Hinausweisen, wenn in hinreichender Weise dafür Sorge getragen ist, daß er nach Hause oder auf eine Polizeistelle ge schafft wird. Die den Wirthen erwachsenen nothwendigen Aus lagen fallen dem Betrunkenen zur Last. — 8 11- Gast- und Schankwirthe dürfen geistige Getränke zum Genuß auf der Stelle nicht auf Borg verabreichen. Die vorstehende Bestim mung findet auf die Verabreichung geistiger Getränke Seitens der Gastwirthe an ihre zur Beherbergung aufgenommenen Gäste, sowie auf die Verabreichung von geistigen Getränken, welche üblicher Weise als Zubehör zu Mahlzeiten verabfolgt werden, keine Anwendung. Forderungen für Getränke, welche den vorstehenden Bestimmungen zuwider verabfolgt sind, können weder eingeklagt noch in sonstiger Weise geltend gemacht wer den. — 8 12. Wer in Folge von Trunksucht seine Angelegen heiten nicht zu besorgen vermag, oder sich oder seine Familie der Gefahr des Rothstandes aussetzt oder die Sicherheit Anderer gefährdet, kann entmündigt werden. Der Entmündigte steht in Ansehung der Geschäftsfähigkeit einem Minderjährigen gleich, der das Kindesalter überschritten hat. Seine Fähigkeit zu lctztwilligen Anordnungen wird durch dieses Gesetz nicht be rührt. Der Entmündigte erhält einen Vormund. Auf die Vormundschaft finden die für Alters-Vormundschaften geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Der Vormund kann den Bevormundeten mit Genehmigung der Vormundschafts behörde in eine Trinkerheilanstalt: miterbringen. Macht der Vormund von dieser Befugniß ungeachtet eines vor liegenden Bedürfnisses keinen Gebrauch, so kann die Unter bringung von der Vormundschastsbehörde angeordnet werden. Auf das Verfahren finden die Bestimmungen über die Ent mündigung von Verschwendern mit der Maßgabe Anwendung, daß eine Mitwirkung der Staatsanwaltschaft in demselben Um fange stattfindet, wie sie für das Verfahren bei der Entmün digung wegen Geisteskrankheit in der Zivilprozeßordnung vorge schrieben ist.— Die ausgeworfenen Geldstrafen steigen bis 100 Mark bez. 4 Wochen Haft. Aus deutschen kaufmännischen Kreisen aus Odessa, 20. August, erhält die „M. A. Z." folgendes Schreiben: „Gewissen lose Haussespekulanten in Berlin lassen sich von ihren Helfershelfern in Rußland telegraphiren, daß ein Aus fuhrzoll von 2 Rubel per Tschetwert (2'/,, Hektoliter) auf alles russische Getreide unmittelbar bevorstehe. In ernsten Kreisen hier ist von einer solchen Eventualität nichts bekannt und eine solche Maßregel läßt sich kaum vorausschen, da unsere Ernte — außer in Roggen — ja doch nicht so schlecht ist, um solcher Schutzmaßregeln zu bedürfen. Hoffentlich läßt sich die Kaiserlich russische Regierung durch dieses Spekulantengeschrei nach einem Ausfuhrzoll auch nicht veranlassen, denselben anzu ordnen ! Auf solche Weise verlheuern die internationalen Ber liner Börsenspekulanten der deutschen Nation das Brot, denn obige Nachricht muß Hausse erwecken. Weil 10 oder 20 In dividuen ä la Hausse engagirt sind, müssen Millionen schwer arbeitender Deutscher ihr tägliches Brot theurer bezahlen! Wahrlich es wird Zeit, daß die deutsche Regierung der Ber liner Börse zeigt, daß daS deutsche Volk sich noch nicht von Börsenspekulanten regieren läßt! Aus Kiel, 25. August, wird der „Nat-Ztg." geschrieben: „Wie telegraphisch gemeldet, ist heute Nachmittag hierselbst der chilenische Torpedokreuzer „Presidente Pinto" einge laufen, den man auf der Reise nach Chile wähnte. Det „Presidente Pinto" liegt demzufolge dicht neben der Kaiseryacht „Hobenzollern", gerade dem Schloß gegenüber im innersten Theile des Kriegshafengebietes. Derselbe kommt von Plymouth und soll hier auf der Germania-Werft Maschinen repariren, aber auch Geschütze empfangen. Vor einigen Tagen ist bereits ein kleiner Werftdampfcr aus England, von der Firma Arm strong in Newcastle, hier eingelaufen, welcher angeblich Ma schinentheile für den „Presidente Pinto" an Bord hat, nach anderer Lesart sollen es jedoch Geschütze sein, die der Geschütz gießerei der genannten Firma entstammen. Der chilenische Kreuzer führt die Flagge der Regierung (wciß-roth, im oberen Felde ein blaues Viereck mit weißem Stern) am Heck, und sollte zur Verstärkung der RegierungSflotte in Chile dienen. Es sticht mit seinem schmutziggrauen Anstrich sehr von der schneeweißen „Hohenzollern" ab. Gegen Abend begab sich der Hafenkapitän von Levetzow mit einer Dampfpinasse längsseit und an Bord. Der Aufenthalt des Kreuzers soll längere Zeit dauern, um die „Reparaturen zu beschaffen." Hierzu bemerkt das genannte Blatt: Es ist von uns bereits wiederholt her vorgehoben worden, daß die Regierungen Englands, Frankreichs und Italiens die Ausrüstung des „Presidente Pinto" in ihren Häfen verhindert haben. Als das chilenische Kriegsschiff im Hafen von Genua eintraf, um daselbst sein Glück zu versuchen, mußte eS sehr bald unverrichteter Sache wieder abfahreu, da die italienische Regierung ebenso wie diejenigen Englands und Frankreichs andernfalls die Neutralität zu verletzen glaubte. DaS dem gegenwärtigen italienischen Kabinet nahestehende römische Blatt „La Tribuna" widmet der Odyssee de- chile nischen Kreuzers einen besonderen Artikel, in welchem ausge- führt wird, daß Frankreich, um vollständige Neutralität zwischen den in Chile kämpfenden Parteien zu bewahren, die Aus rüstung deS Kriegsschiffes in französischen Häfen, sowie dse Anwerbung von Franzosen als Schiffsmannschaft untersagt habe, und daß der Fall Italien- genau derselbe sei. Andev italienische Blätter berichten zugleich, daß einige Italiener, die von dem chilenischen Kapitän angeworben worden, desertirt sind und über die grausame Behandlung geklagt haben, die ihnm und anderen Leidensgefährten an Bord deS „Presidente Pint»" zu Theil geworden ist. DaS lassen wir dahingestellt. Au- völkerrechtlichen Gründen werden Wohl auch die deutschen Be hörden auf strikte Neutralität im Hafen von Kiel halten, ins besondere zu verhüten wissen werden, daß die von England herbeigeschafften Geschütze an Bord deS „Presidente Pinto!' gebracht werden, nachdem dies in England selbst nicht geschehen durste. Handelt eS sich doch in Chile keineswegs um einen Kampf zwischen der Regierunaund Insurgenten; vielmehr steht dem zur Diktatur neigenden Präsidenten Balmaceda die Kon» greßpartei gegenüber, welche die konstitutionellen Rechte der Volksvertretung zu Vertheidigen behauptet. Deutschland hat keinen Grund, in diesem Streite Partei zu nehmen, am We nigsten um zu ermöglichen, daß ein ausländischer Kanouey- Fabrikant ein von ihm abgeschlossenes, völkerrechtlich zweifel haftes Geschäft durchführen könne. Aus Trier schreibt man vom 24. August: Der Andrang zum „heiligen Rock" hat bereits innerhalb der vier Tage seu Beginn ver Ausstellung eine ganz bedeutende Ausdehnung an genommen. Ain vergangenen Donnerstag passirten von Mittag- 12 Uhr ab über 26000 Menschen den Dom, der in Folge deS riesigen Andrangs bis 12 Uhr Nachts geöffnet bleiben mußte. Im Laufe des Nachmittags kam es durch die Ungeduld ver wartenden Massen vor dem Domportal zu einem geradezu lebensgefährlichen Gedränge. In Folge verschärfter Sicherheits maßregeln bewegen sich nun seit Freitag die Prozessionen iy musterhafter Ordnung zum Dom. Unter lautem Gebet, da durch seine Monotonie einen ganz eigenthümlichcn Eindruck hervorruft, und unter dem Geläute der Glocken ziehen die Pilger durch das rechte Portal ein und begeben sich auf de« Wege, der ihnen durch beiderseits der Länge nach aufgestellte Bänke bezeichnet ist, zum hohen Chor. Rechts führt eine Marmortreppe zu der Plattform, wo der „heiligeRock" sich irr einem Glasschrein befindet. Zu beiden Seiten des Glasschrein sitzen Geistliche, welche die massenhaft dargereichten Rosenkränze Gebetbücher, Medaillen und Amulette aller Art durch ange brachte Oeffnungen mit dem „bl. Rocke" in Berührung bringen. Ein längeres Verweilen vor der Reliquie ist nicht gestattet; wenn die Pilger ohne Aufenthalt die Stätte passiren, muß man sich dennoch fragen, wie cs möglich, daß am Tage nach dex Eröffnung bereits 41000 Menschen den „heil. Rock" passiren konnten. Die Zählung geschieht mit Hilfe eines sinnreich kon- struirten Apparates und dürfte wohl ziemlich sichere Resultate liefern. Nach Verlassen des Domes zerstreuen sich die Pilger nach allen Seiten. Die Einen begeben sich nach den Bahn höfen, Andere machen sich zu Fuße auf den Heimweg, Viele aber verlieren sich in den Straßen der Stadt, die von riesige» Massen durchflulhet ein bunt bewegtes Bild großstädtische» Lebens bieten. Am stärksten war der Verkehr natürlich am gestrigen Sonntag. Nachdem am Sonnabend 37000 Persone» am „heiligen Rock" vorbeigegangen waren, betrug die Zahl der gestrigen Wallfahrer über 42000. Es war absolut nicht mög lich, sämmtliche Pilger zum Eintritt in den Dom zuzulasse», und es ist eher zu niedrig als zu hoch gegriffen, wenn man annimmt, daß außer den Zugelaffenen noch mindestens 1000t» Fremde sich in der Stadt befanden. Die Pferdebahn, die mst kolossal gesteigertem Betriebsmaterial arbeitet, ist vom frühen Morgen bis in die Nacht vollständig überfüllt, sämmtliche ver fügbaren Droschken und anderen Fuhrwerke sind beständig i« Benutzung, das Gewühl auf den Straßen ist unbeschreiÜlchj Trachten, wie sie der alteingesessene Trierer Bürger nie gesehen hat, fesseln das Auge, und vor den Ohren summt etz in alle« Sprachen — ein großartiges Bild internationalen Leben-l Dank der bedeutenden Verstärkung der Schutzmannschast durch Feuerwehrleute, Gendarmen und Geheimpolizisten gelang eS bereits am Eröffnungstage 19 Jndustrieritter, darunter nobel gekleidete Herren mit goldenem Kneiier und schwerer Uhrkette, den Zylinder auf dem Kops und Brillantringe an den finden, bei Ausübung ihres sauberen Gewerbes sestzunehmen und un schädlich zu machen. Täglich werden seitdem zahlreiche Ver-