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FMbergerAnzeiaer «nd Tageblatt Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zv Freiberg und Brand. .—- '- 41, Jahrgang ' 86. WNWWZWZUI' Donnerstag, den 1«. April ; Jnfermc werden bi« Bormmag t I Uhr angrnom- > ; men und bcriägt der Prcir für oic aehsaUene Zeile ; D FH D oder deren Raum lö Pip Bekanntmachung. Zur Frier des Geburtstages Sr. Majestät des Königs van Sachsen wird Do»««rAta-, V<« 28. Upri» ». I., Nachmittags 2 Uhr, aus Veranlassung der städtischen Kollegien ein Geftmahi im Saale des Gewerbehauses stattsindcn. An alle diejenigen Herren von Freiberg und der Umgegend, welche sich an diesem Fest mahle zu bcthciligen gedenken, ergeht hiermit das Ersuchen, die Taselmarlen mit 3 Marl das Stück bis zum 21. dieses Monats bei Herrn Restaurateur Debus zu entnehmen, beziehentlich bis zu diesem Termine ihre Theilnahme daselbst anzumrlden. Arriderg, den 14. April 1891. Der Stavtrath. Vr. vüUnid, Bürgermeister. Fhrg. Bekanntmachung. Die der Stadtgemeinde Brand gehörenden in Erbisdorfrr Flur gelegenen Lchnguts- gcbäude sollen mit dem unmittelbar anliegenden Garten und Feld, circa 4 Scheffel Areal um- saffend, gegen das Meistgcbot ehebaldigst verkauft werden. Nach Befinden sind weitere wirth- schastlich zu benutzende Flüchen käuflich oder in Pacht hierzu zu erlangen. Wer aus diese Objekte bieten will, wird hierdurch ausgesordert, in dem auf Mittwoch, dn, 22. April V. I., Nachmittag» L Uhr, anberaumten Versteigerungstermine an On und Stelle sich einzufinden, die Bedingungen zu hören, Gebote zu eröffnen und des Weiteren sich zu gewärtigen. Herr Swdlroth Mai ist zu jeder Zeit bereit, schon vorher Auskunft zu crthcilen. Brand, am 10. April 1891. Der LladtAemrinderalh. , Bürgermeister. Vas neue Gesetz über die Gewerdegerichte. Langsam aber stetig schreitet der Ausbau der sozialen Ge setzgebung fort. Wieder ist ein neuer Stein dem Gebäude ein- gefugt worden, indem am 1. d. M. das deutsche Reichsgesetz über die Gewerbegerichte und Einigungsämler in Kraft ge treten ist, und wieder ist hiermit die soziale Gesetz gebung einen bedeutenden Schritt weiter gegangen auf dem Wege, der Arbeiterschaft einen maßvollen Antheil an der Ent- scheidung von Fragen einzuräumen, die gleichzeitig ihre eigenen Interessen, wie die der Arbeitgeber berühren. Die Absichten der Gesetzgeber bewegen sich hierbei in einer Richtung, die speziell in unserem Sachsen bereits seit Jahren mit Erfolg eingeschlagen worden ist, denn in mehreren größeren sächsischen Städten sind bereits seit längerer Zeit gewerbliche Schieds gerichte in Wirksamkeit, und unsere sächsischen Bertzschiedsgerichte, deren Einrichtung und Thätigkeit schon in einem früheren Artikel an der Hand einer Abhandlung des Herrn Professor vr. Wahl dargelegt wurden, entsprechen in ihrer gegenwärtigen Gestalt bereits soweit den Ansorderungen des neuen Reichs- gesrtzes, daß es nur unwesentlicher Arnderungen bedürfen wird, um sie demselben gänzlich anzupaffen. Bei der Bedeutung, welche das neue Reichsgesetz für zahlreiche Bevöllerungsklaffen besitzt, wird cs zweckmäßig sein, in großen Zügen seinen Inhalt darzustcllen. Die Gewerdegerichte müssen nicht von den Gemeinden ein gerichtet werden, sondern das Gesetz hat ihre Errichtung in das Ermessen der Gemeinden gestellt; jedoch kann Vie Errichtung aus Antrag von Arbeitgebern oder Arbeitern durch die Landcs- zentralbchörde verfügt werden, wenn die Gemeinde tiotz der an sic ergangenen Aufforderung ein solches Gericht nicht er richtet. Tie Errichtung kann auch für mehrere Gemeinden sowie für weitere Kommunalvcrbönde erfolgen, sie geschieht in allen Fällen auf Grund eines Statutes, das von der höher» Verwaltungsbehörde zu bestätigen ist. Die Gewerbegerichtc sind Gerichte erster Instanz ohne Rücksicht aus den Werth des Streitgegenstandes für die sogenannten gewerblichen Streitig keiten: darunter werden verstanden Streitigkeiten über den Antritt, die Fortsetzung und Auflösung des Arbeitsverhältnisses, über die Aushändigung und den Inhalt des Arbeitsbuches und Zeugnisses, über Leistungen und Entschädigungsansprüche aus dem Arbeitsvcrhältniß sowie über eine mit Bezug hieraus vereinbarte Vertragsstrafe, über die Berechnung und Anrechnung der nach dem Krankenkaffengesetz von den Arbeitern zu leistenden Beiträge, endlich über Ansprüche, welche auf Grund der Ueber- nahme einer gemeinsamen Arbeit von Arbeitern desselben Arbeitgebers gegeneinander erhoben werden; auch Streitigkeiten der Hausindustriellen unterliegen ihrer Zuständigkeit, und zwar entweder schlechthin oder auf Grund des Statuts. Das Gc- wcrbcgcricht besteht aus einem Vorsitzenden und einer Anzahl von Beisitzern, deren mindestens vier zu berufen sind; in der Hauptvcrhandlung müssen außer dem Vorsitzenden noch zwei Beisitzer thätig sein, für wichtigere Sachen kann jedoch die Mitwirkung einer größeren Zahl von Beisitzern vorgeschrieben sein. Für die Mitglieder des Gerichts werden die Eigenschaften verlangt, welche für die Bekleidung der Schöffen- und Ge- schworcnämter erforderlich sind, der Vorsitzende und sein Stell vertreter dürfen weder Arbeitgeber noch Arbeiter sein, sie werden durch den Magistrat bezw. die Gemeindevertretung oder die Vertretung des Kommunalvcrbandes auf mindestens ein Jahr gewählt. Die Beisitzer werden zur Hälfte von den Arbeit gebern, zur Hälfte von den Arbeitern mittels geheimer und unmittelbarer Wahl für mindestens ein Jahr und höchstens sechs Jahre gewählt. Wahlberechtigt sind nur Männer über 25 Jahre, welche mindestens seit einem Jahre in dem Bezirke des Gcwcrbegerichtes Wohnung oder Beschäftigung haben. Beschwerden gegen die Wahl entscheidet die höhere Verwaltungs behörde, welche auch die Wahl des Vorsitzenden und seines Stellvertreters zu bestätigen hat; dies bezieht sich jedoch nicht aus Staats- oder Gemeindebeamte, die ihr Amt vermöge staat licher Ernennung oder Bestätigung verwalten, für die Dauer der Bekleidung dieses Amtes. Was daS Verfahren anlangt, so hat sich das Gesetz im Wesenlichen den Bestimmungen der deutschen Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten angeschlossen. Die Klage muß schriftlich oder zu Protokoll cingcreicht werden. Die Verhandlungen sind öffentlich. Die Mitwirkung der Bei sitzer ist nur aus die mündliche Verhandlung beschränkt, alle außerhalb derselben ergehenden Beschlüsse und Verfügungen werden von dem Vorsitzenden allein erlassen, der auch in dem ersten Termine ohne Zuziehung der Beisitzer verhandeln kann; letzterer bedarf cs nur dann, wenn in dem ersten Termine die Sache nicht endgiltig erledigt wird. Die Vertretung der Parteien durch Rechtsanwälte ist vor dem Gewerbegerichte nicht gestattet. Gegen die Urtheile der Gewerdegerichte findet die Berufung an die Landgerichte in demselben Umfange statt wie gegen die Urtheile der Amtsgerichte, jedoch ist das Rechtsmittel an die Voraussetzung geknüpft, daß der Werth des Streitgegen standes den Betrag von 100 Mk. übersteigt. Dir Vollstreckung der Urtheile regelt sich nach den Bestimmungen der Zivilprozeß ordnung. Gebühren werden für das BrÄahrrn nur in sehr geringem Maße erhoben, die geringste Gebühr beträgt 1 Mk., die höchste 30 Mk. Tas Gewerbegcricht wird nicht nur als erkennendes Gericht thätig, sondern auch als Einigungsaml, ivenn zwischen Arbeitgebern und Arbeitern über die Bedingungen der Fort setzung oder Wiederaufnahme des ArbeitsverhältniffeS Streitig keiten entstehen und cs von beiden Theilen angei usen wird; die Arbeiter muffen für die Verhandlungen vor dem Einigungs amte stets Vertreter bestellen, die Arbeitgeber dann, wenn ihre Zahl mehr als drei beträgt; die Vertreter müssen den Be theiligten entnommen werden und sollen auf beiden Theilen in der Regel nicht mehr betragen als drei. Als Einigungs amt ist das Gewerbegcricht außer dem Vorsitzenden mit vier Beisitzern besetzt, welche zu gleichen Theilen den Arbeitgebern und Arbeitern entnommen sind, es kann sich auch durch Zu ziehung von Vertrauensmännern beider Theile ergänzen und muß dies ihn», ivenn cs von den Vertretern der streitenden Theile unter Bezeichnung der Vertrauensmänner beantragt wird. Dos Einigungsaml hat nach Feststellung des SachverhältniffeS und der Streitpunkte einen Einigungsversuch zwischen den streiten den Theilen zu machen; kommt eine Bcrcinkirung zu Stande, so ist der Inhalt derselben durch eine von den Mitgliedern des Einigungsamtes und den Vertretern beider Theile zu unter zeichnende Bekanntmachung zu veröffentliche»; kommt eine Ver einbarung nicht zu Stande, so gicbt das Einigungsamt einen Schiedsspruch ab, der sich aus alle streitigen Fragen bezieht und mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt wird Derselbe ist den Vertretern beider Theile mit der Aufforderung zu eröffnen, sich binnen einer zu bestimmenden Frist darüber zu erklären, ob sie sich demselben unterwerfen. Die Nichtabgabe einer Erklärung gilt als Ablehnung. Das Einigungsamt veröffentlicht nach Ab lauf der Frist eine von seinen Mitgliedern unterzeichnete Be kanntmachung, welche den Schiedsspruch und die abgegebenen Erklärungen enthält. Ist weder ein Schiedsspruch noch eine Vereinbarung zu Stande gekommen, so wird dies von dem Vor sitzenden öffentlich bekannt gemacht. Das Gewerbegcricht hat ferner die Ausgabe, Gutachten über gewerbliche Fragen zu erstatten, und kann zu diesem Behuse Ausschüsse bilden ; es kann ferner in gewerblichen Fragen, welche die ihnr unterstellten Betriebe betreffen, Anträge an Behörden und Vertretungen der Kommunolvcrbände richten. In den jenigen Gemeinden, in welchen Gewerbegerichtc nicht errichtet sind, können gewisse gewerbliche Streitigkeiten auf Anrufen jeder Partei durch den Gemeindevorsteher des OrteS cntschieden werden, in welchem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Die Ent scheidung desselben beschreitet die Rechtskraft, wenn sie nicht binnen zehn Tagen nach der Verkündigung bezw. der Behändig ung mittels Klage bei dem ordentlichen Gerichte angefochten wird. Auf die Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken und Handels geschäften, sowie auf die Arbeiter der unter Militär- oder Marine verwaltung stehenden Betricbsanlagen finden die Bestimmungen des Gesetzes keine Anwendung; für die Bergwerksbetriebe und die übrigen unterirdischen Betriebe können Gewerbegerichtc schlechthin durch Anordnungen der Landes-Zentralbehörde er richtet werden; für diese gellen bezüglich der Besetzung, Zu ständigkeit und Kosten besondere Bestimmungen, welche durch die Eizenthümlichkeiten der Bergwerksindustrie geboten sind Was dos Verhältniß der neu errichteten Gewerbegerichtc zu den bereits bestehenden anlangt, so erleidet zunächst die Zu ständigkeit der Innungs-Schiedsgerichte durch das Gesetz keine Einschränkung; die übrigen bestehenden gewerblichen Schiedsgerichte, also die sächsischen Bergschiedsgerichte u«d Gewerbeschiedsgerichte, die rheinischen und die in Elfaß- Lothringen errichteten Gewerbegerichtc müssen sich big zum 1. April 1892 den Bestimmungen des neuen Gesetzes anpaffen, im anderen Falle werden sie ausgehoben; vollziehen sic die Anpassung bis zu dem gedachten Zeitpunkt, so wird ihre Zu ständigkeit durch das Gesetz nicht berührt. Das ist im Wesentlichen der Inhalt des neuen Gesetze-, das hoffentlich dazu beitragen wird, einen günstigen Einfluß auf die Gestaltung der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitern auszuüben. Tagesschau. Freiberg, den 15. April. Der deutsche Reichstag begann seine gestrige Sitzung schon um 11 Uhr; die frühe Stunde mochte wohl dazu milgcwirkt haben, baß die Anzahl der Abgeordneten, welche die Berathung des Arbeuerschutzgesetzes fortsetzte, noch geringer war, als in den letzten Tagen. Zur Verhandlung stand tz 134», welcher für alle Fabriken Fabrikordnung vorschreibt und für die einzclnr» Fabrikabtheilungen besondere Fabrikordnungen zuläßt. Abg. Wurm (Soz.) begründete den Antrag der Sozialdemokraten aus Streichung der Bestimmungen der Vorlage, welche einen mit mindesten- 20 Hilfskräften ausgestatieren Betrieb als Fabrik erklärt, während Abg. Hartmann (kons.) zur Verlhcidigung der Vorlage auf die Forderungen der Praxis hinwics; schließlich wurde der unveränderte Paragraph genehmigt. Von dem In halt der Fabrikordnung handelt § 134d. Abg. von Stumm bezeichnete diesen Paragraphen als den wichtigsten und die Abstimmung darüber als die folgenschwerste schon deswegen, weil hier die Arbciterausschüffe eingeführt werden. Die Strafen, welche nach dem Vorschläge dcr Kommission die Höhe des orts üblichen TagelohneS nicht überschreiten sollen, will Abg. von Stumm bis zur Höhe des durchschnittlichen Tagcsarbeitsver- dienstes ausgedehnt sehen, weil nur diese Fixirung die wirk liche Durchführung eines Strafgeldermaximums, wenn man dies doch einführen wolle, überhaupt erst ermögliche; am besten wäre es freilich, wenn man die Festsetzung des Strafgclder- moximums der freien Vereinbarung zwischen den Unternehmern und den Arbeitern überließe, mindestens jedoch müsse dies Maximum sich organisch dem Arbeitsverdienst anglicdcrn, nicht aber für die verschiedenartigsten Arbeiter und Arbeitslöhne dasselbe bleibe». Wenn der Sma« sich aber überhaupt in die Arbeitervcrhältnifle indem von der Kommission vorgeschlagcnen Umfang einmische, so müsse er auch tonscgucntcr Weise weit« gehen, und das würde schließlich zum sozialdemokratischen Staate führen; ja, so wichtig seien dem Redner die in Rede stehenden Bestimmungen, daß die Ablehnung seines Antrages ihm die Axt an die Wurzeln der Monarchie zu lcgc» schiene und er darnach für das ganze, mit so schönen Hoffnungen be gonnene Gesetz nicht stimmen könne. Abg. Hirsch sdsr.) führte dagegen aus, die Möglichkeit des Einzelnen, gegen einen Anderen Strafbestimmungen zu erlassen, nur weil jener Fabrik besitzer, dieser Fabrikarbeiter sei, sei mit unserer heutigen Rechtsanschauung kaum vereinbar; halte man es aber für un erläßlich, so müsse der Staat mindestens die Strafgrenzcn fixiren, und die von dcr Kommission vorgeschlagencn Grenzen seien hoch genug, denn schließlich müßten die Arbeiter mit ihren Familien von dem Lohn leben. Es sei nicht richtig, daß die hier gezogenen Grenzen zum Aufhören aller Autorität führen müßten, zumal neben Geldstrafen auch noch andere Strafen, Verweise und Verwarnungen möglich seien. Die Arbeitern»^ schüffe, die hier eingeführt werden sollten, könnten natürlich die soziale Frage nicht lösen, aber sie würden Reibungen zwi schen Arbeitern und Arbeitgebern vermeiden helfen. Der Widerstand dcr Sozialdemokraten gegen diese Ausschüsse sei schwer verständlich, zumal dieselben Sozialdemokraten für die auf ähnlicher Basis beruhenden Arbcitcrkammern so energisch einträten. Abg. Bebel erklärte sich im Allgemeinen für die Kommissionsvorschläge, wünschte aber das Strafmaximum mög lichst tief herabgedrückt zu sehen und vertrat von diesem Ge sichtspunkt aus den sozialdemokratischen Antrag, wonach daS Strafmaximum in einer Lohnperiode nur einmal verfügt werden dürfe. Ferner müsse man fragen, was das Verbot von gegen die guten Sitten verstoßenden Bestimmungen in den Fabrik ordnungen bedeuten solle; Abg v. Stumm und andere Unter nehmer hätten Bestimmungen in ihren Arbeitsordnungen, wo nach die Arbeiter auch außerhalb deS Betriebes einer Art Polizeiaufsicht der Arbeitgeber unterworfen seien; entspräche daS dem Ehrgefühl und den guten Sitten? Neber die Fabrikord nungen müßten genaue Bestimmungen in dem Sinne erlasse»