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k w. Kretberger »«-eiger m»d Tckgedlatt. Seite 2. 18»!. Jahres sei aus 32620000 Ml. zu veranschlagen, bleibe also hinter dem Borjahre um 66 Millionen zurück. Ter Etat für 189102 habe die Mittel nicht geboten, um in größerem Um sange neuerdings erhebliche Ausbesserungen der veamiengehälter vorzunehmen; man habe sich aus das Allernolhwendigste be- ichränken müssen. Tas bisherige System des Ausrückens der Beamten solle ersetzt werden durch das System des Ausrückens nach festen Altersklassen, wie dies bei der Eisenbahnvcrwaltung uitd den Lehrern sich bereits bewährt habe. Die Zahl der diätarisch beschäftigten Beamten solle vermindert, die der defini tiven Stellen vergrößert werden. Die beiden Maßnahmen seien bestimmt und geeignet die Zufriedenheit der Beamten zu er halten und wiederherzuftellen. Ter Finanzminister ging daraus die Einzelelais durch und hob besonders bei den direkten Steuern hervor, daß sie, während sie 1880 81 150 Millionen gebracht, jetzt für 1891-92 nur auf 156 Millionen Mart ver anschlagt seien; der Mehrertrag der direkten Steuern sei also gegenüber dem iu den 10 Jahren gewaltig gewachsenen Wohl stände ein minimaler. der Siaat erhalte hier nicht den Aniheil des gewachsenen Nationalvermögens, aus den er gewmcrmagen ein Recht habe. Neben den ausgedehnten elatsmäßigen Forde rungen für Vermehrung der Eisenbahn-Betriebsmittel würden in einer besonderen Eisenbabnvorlage, wie alljährlich, noch sehr bedeutende Betrage für diesen Zweck gefordert werden. Ter Etat enthalte einen Vermerk, in dem der Minister der öffent lichen Arbeiten ermächtigt werde, für den Fall des plötzlichen Hervonrrtens gesteigerten Verkehrs aus den vermuthlichen Uebrrschüffen des lausenden Jahres zur Bcsricdigung dcycwcn eine» Betrag bis zu 20 Millionen Marl zu entnehmen. Tics werde wohl ausreichcn, um allen in dieser Richtung an die StaatSbahnverwaltung gestellten Ansordcrungen zu genügen. Der Minister beleuchtete dann die Etats der allgemeinen Finanzvcrwaltung, des Finanzministeriums, der Bauverwaltung, für Handel und Gewerbe, wobei namentlich die zukünftige Organisation und amtliche Stellung der Generalrüthe nebst anderen Neuerungen dargclegt wurde, und ging zu den Mehr- fvrderungen für den Etat derJustizverivaltung und des Mini steriums des Innern über. Im Exlraordinarium des land- wtNhschastlichen Ministeriums ist eine Summe zur Vorbeugung von Hoäistuthen ausgcworfen. In den Etat des Kultus- ministeriumS ist ein Betrag zur Errichtung eines Gebäudes sür Infektionskrankheiten ausgenommen. llebrigens konnte der Minister mittheilen, daß die Beschaffenheit und Zusammen setzung des Koch'schcn Heilmittels wohl demnächst zur Veröffent lichung gelangen werde. Im Großen und Ganzen melde man das Urthril bestätigt finden, daß auch dieser Etat ein Bild von der guten Finanzlage des Staates biete. Wenn wir bestrebt bleiben, an den Grundpseilcrn deS StaaleS sestzuhalten und sie zu vertheidigen gegen die Bestrebungen Derer, die beständig von dem Staate sordcrn, ohne zu Gegenleistungen bereit zu sein, so werde diese Gesammtlage auch sortan eine günstige bleiben. Bestall.» Nach dem amtlichen Wahlresuliai sind bei der am 8. d. M. statigehabten Reichstags-Stichwahl im 5. Wahlkreis des Re gierungsbezirks Bochum (Stadl- und Landkreis Bochum, Kreis Gelsenkirchen und Hattingen) im Ganzen 52945 Stimmen ab gegeben worden. Davon erhielten Fabrikbesitzer Hermann Müllensiefen in Crengeldanz (nailib.) 27304 Stimmen, Bürger meister Ballmann in Gelsenkirchen » Zentrum » 25641 Stimmen. Ter erstere ist somit gewählt. Mil Bezug aus die Aenderungen in der Fremden-Kontrole, welche in Elsaß-Lothringen geplam sind, wird der „Münchener Allg. Ztg." geschrieben, daß das Straßburger Generalkommando zu Beginn des Herbstes Anlaß hatte, dienstlich aus die Anwe senheit von einigen sünszig französischen Offizieren im Elsaß hinzuweisen. Im Athlctenllub „Rolandt" im Kaisersaal zu Altona wurde der Polizeiosfiziant Worczek zu Boden geworfen und schwer verwunde!. In lel>ensgcfährlichem Zustande wurde er von herbeigceilten Wächtern gerettet und sorlgelragen. Infolge dieser Ausschreitung erfolgten zahlreiche Verhaftungen. Tie deutsch-österreichische«Vertragsveryandlungen wurden am Montag wieder ausgenommen. In Folge der Ernennung des Vorsitzenden, Szögycnyi, zum Minister wurde eine Ver ständigung zwischen dem Minister des Auswärtigen und den beiderseitigen Ministerpräsidenten dahin getroffen, daß Szögycnyi den Vorsitz beibehält, jedoch dieser Ausnahmefall kein Präce- denz begründet. Tas italienische Fachblail „Esercito Jtaliano" meldet, eine aus fämmtlichen Generalen der Armee zusammengesetzte Kommission habe sich für Verlängerung der Mtlitärdienstpslicht bis mindestens zum 42. Lebensjahre, ferner für die Beibehal tung der gegenwärtigen Tauer der Dienstleistung im aktiven Heere, sowie für Aufrechterhaltung des jetzigen Relrutirungs- systems im Gegensatz zum territorialen ausgesprochen. Tie deutsch-schweizerische Presse warme die Liberalen des Kantons Tesiin davor, sich der Wahlen für den Versassungsrath zu enthalten. Trotzdem hielten sich die liberalen Wähler am letzten Sonntag der Urne fern. Sic begingen dadurch einen schweren politischen Fehler. Soweit bis jetzt Nachrichten vor liegen, ist die Wahlhandlung ruhig verlaufen. Tas Ergebniß wird erst in einigen Tagen bekannt gemacht werden. Dem eid genössischen Bundcsrath liegt es nun ob, Maßnahmen zu treffen, die es auch den Liberalen gestatten, am politischen Leben Theil zu neymcii. Uebergrifse, wie sich die Ultramontancn bei der Aufstellung der Wählerlisten, gestatten, dürfen ein für allemal nicht geduldet werden. Tic Zeichnung auf die neue französische 3proz. Anleihe im Nominalbeträge von 869'Mill. Franks hat einen wahren Triumph am Sonnabend davongctrngen. Es ist diese Anleihe nach den letzten Nachrichten 16', Mal überzeichnet worden. Zu Ende des Jahres 1889 erreichte die Rentenschuld aller Gattungen den Betrag von 856 444 000 Franks; diese Summe stellt einen Kapitalbeirag von ungesähr 30 Milliarden Franks dar. Mit der neuen Anleihe erhöht sich dieser Betrag auf 31 Milliarden Franks. Tie dreiprozentize Anleihe steigt aus 15 300 Millionen Franks. Die unter dem zweiten Kaiserreiche geführten Kriege verschlangen 2565 Millionen Franks, der Krieg von 1870 kostete dem Lande 2820 Millionen und mit der Auszahlung von 5 Milliarden Franks an Deutschland 7820 Millionen Franks. Tic Expedition nach Tunis verschlang 126, nach Madagaskar 21, nach Tonkin 270 Millionen Franks. Tie Kriege seit dem ersten Kaiserreich haben dem französischen Lande eine Schuldenlast von 16 Milliarden gebracht. Tie Schuldenlast Frankreichs überragt nunmehr die Englands um 14 Milliarden Franks. Alle diese Lasten erträgt Frankreich mit einer Leichtigkeit, die ihm auch gestattet, immer neue Siege aus diescin Gebiete zu erringen, unter denen der soeben erreichte sich als der glänzendste darstellt. Tie reichen Hilfsquellen, welche die Natur unserem westlichen Nachbar bietet, die alte geschloffene Einheit, die jenes Reich zusammenhält, 4>ie ökono mische Thätigkeit des französischen Volkes, insbesondere auch die Ausdehnung seines Außenverkehrs, begünstigt damit das Wachsthum seiner Kapitalmacht. Dies Alles erklärt die gün stigen Resultate aus dem finanziellen Gebiete. Die dreipro« zcntige französische Rente, die am 14. November 1887 79,80 Prozent notirte, hob sich im Februar 1888 auf 83,50 Prozent und wurde am 10. Januar 1891 zum Konrse von 92,55 auf gelegt und vom Privatkapital dazu ausgenommen. Der vormalige Seinepräfekt Haußmann ist am Montag Nacht an einem Schlaganfall gestorben. Haußmann war 1809 zu Paris geboren und hat sich unter Napoleon Hl. um dir Stadt Paris durch seine Bauausführungen verdient gemacht. — Ein Bericht deS Präfekten von Gerona besagt, die m Olot in Spanien verhaftete Persönlichkeit sei einem mit der Ueber- wachung der Grenze beauftragten Kapitän drr Zollwächter ver dächtig erschienen. Letzterer habe dieselbe deshalb aufgefordert, zu ihm zu kommen und ihren Paß vorzulegen; dieser Auffor derung habe der Unbekannte auch entsprochen. Als der Zoll- wächter-Kapilän denselben aber, um inzwischen Gendarmen her- beizuholen, in sein Zimmer eingeschloyen, habe derselbe das Fenster zertrümmert und zu entfliehen gesucht. Bei der Ver haftung durch die herbeigeeilten Gendarmen habe der Unbe kannte, in dessen Besitz zahlreiche zerrissene Schriftstücke und ein aus Paris datirter Wechselbrief sich befanden, ein Stück Papier verschluckt. Bei der Vernehmung habe derselbe viclsach widersprechende und aus eine gewiffe geistige Gestörtheit hin deutende Angaben gemacht. Es lasse sich bis jetzt weder be stätigen, noch bestreiten, daß der Verhaftete Padlcwski sei. In späteren eingegangenen Meldungen heißt es, der Verhaftete habe selbst erzählt, daß er nach der Ermordung Selivcrstoffs nach Spanien geflohen und daß er am 5. Dezember aus spani schem Boden angelangt sei. Der neue Konsul der Vereinigten Staaten von Nordamerika sür die spanische« Karolineninseln, Herbert Rand, ist aus der Reise nach seinem Posten in San Francisco eingetroffen. In San Francisco sand er das Tagebuch seines Bruders, des Pastors Frank Rand, welcher die letzte» 16 Jahre Missionar aus den Karolincninseln gewesen ist. In den Aufzeichnungen heißt es, daß die Unruhen auf der Insel Orea begannen. Ein junger dorthin abkommandirter spanischer Lieutenant spielte sich als Diktator auf und führte ein System der Sklaverei ein. Die Missionäre appcllirten an den Gouverneur, welcher ihnen allen möglichen Schutz versprach. Später aber drohte er, die Missionäre enthaupten zu lassen, falls sie weitere Versamm lungen abhiellen. Das Militär versuchte in vier Booten zu landen, aber wurde von den Eingeborenen zurückgeschlagcn. 40 Soldaten und der ehrgeizige Lieutenant wurden getödtet. Hierauf bombardirte ein spanisches Kriegsschiff Panope und schoß alle Häuser der Eingeborenen und die Missionsgebüude in Trümmer. 80 Soldaten landeten in Nana und steckten die Gebäude in Brand. Tie Eingeborenen setzten sich jedoch zur Wehr und tödteten 78 spanische Soldaten. Im November wurden 60 Soldaten auf Panope bei einem Landungsversuche gelödtet. Seitdem hat das Militär alle Häuser der Insel niedcrgebrannt, einschließlich des Hauses des Missionars Rand. Tie Frauen und Kinder wurden auf die Insel Küsail gebracht, wo sie in Sicherheit waren. Seit dem Beginn der Kämpfe sind 300 Personen ums Leben gekommen. Die Lage ist noch immer sehr kritisch. Wegen dieser beunruhigenden Nachrichten llm Millionen. Bon «. «. «reen. sl2. Fonsctzung.) (Nachdruck verboten) .Ist es nicht furchtbar?" rief die jetzt völlig cntnüchierte Erbt». „Aber als ich das Schreiben erhielt, schien cs mir so schön und romantisch, daß ich ganz in Entzücken gerielh. Ich zweifelte keinen Augenblick, von wem es stamme. Ter Herr hatte ein so vornehmes Aussehen, ich glaubte sicher in ihm den Helden zu finden, den ich in meinen Träumen anbeteie. Ich wollte die Reise unternehmen — es schien mir eine sörmliche Reise — unbekümmert um die Folgen. Nachdem ich die Er laubnis; zu einem AuSgang erhallen hatte, gelang es mir, meine Begleiterin zu entfernen. Ich war nun allein, aber das Glück verließ mich.ich verirrte mich, gerielh auf ein falsches Fährbool, mußic den Polizcidiener nach dem Wege fragen und als ich endlich mit Staub bedeckt, heiß und müde im Bahnhof von J«rscy-E>!Y ankam, sah ich zu meinem Schrecken, daß es schon eine halbe Stunde über die bestimmte Zeil war. Zuerst fing ich vor Zorn an zu weinen, dann nahm ich mich zusammen und bedachte, daß ich allein Schuld an dem Mißlingen sei, weil ich so viele Umwege gemacht und mich verspätet halte. Roch einmal konnte ich aber die Expedition nicht wagen, die Entsernurg war zu weil. Wenn es überhaupt zu der Zu sammenkunft kommen sollte, mußte ich durchaus in der Nähe bleiben. „Es war kein kleiner Entschluß sür mich, die Nach! ganz allein in einein sremden Hotel zuzubringen, aber ich entschied mich doch dasür. Ich war wie närrisch und Halle keinen anderen Gedanken, mehr. Aus Vorsichl nanme ich dem Hoielwirth nicht meinen wahren Namen und ließ mir das Esten auf mein Zimmer bringen, wo ich die ganze Zeil über in großer Angst und Sorge blieb. Am anderen Tage ging ich pünktlich um zwölf Uhr auf den Bahnhof und wartete da bis eins, ohne daß Jemand in meine Nähe kam. Ich sah keinen Menschen, der auch nur die geringste Aehnlichkeit mit dem Schreiber des Briefes gehabt hätte und fühlte mich höchst unglücklich." „Hm, da haben Sic eine starte Temülhigung erlebt, zu der ich Ihnen jetzt Glück wünschen kann. Gul, daß Sie den Muth hatten, zurück zu kommen." „Wo hatte ich denn sonst hingehen sollen?" „Und ist das Alles? Haben Sie nichts wieder von dem Mann gehört und gesehen ?" „Natürlich nicht, wenn er zugleich um ein Dutzend anderer Mädchen wirbt! Er hat nur seine Kurziveil mit mir getrieben, so lange cs ihm gefiel. Ich bebe innerlich vor Haß und Zorn und wenn ich ihn je wieder zu Gesicht bekomme, werde ich ihn mit solchen Vorwürsen überhäufen, daß der Schändliche davor erzittern soll." Unlerdeftcn hatte Gryce den Brief einer sorgfältigen Prü fung unterzogen. Er war gut geschrieben, aber in einer steifen förmlichen Hand, wie um die natürliche Schrift zu verstellen. „Ich möchte dies behalten," sagte er, „es könnte von Werth sein, um die Persönlichkeit des Schreibers ausfindig zu machen." „Ich habe noch Etwas," murmelte sie, „was Ihnen viel leicht auch nützlich wäre In dem Brief lag eine Karte, die ich für das beste Zeichen hielt, daß ich dem Mann trauen dürfe." Unter abermaligem Erröthen griff sie in die Tasche und Holle eine Visitenkarte heraus, die sie dem Polizisten ein- händigtc. „Das ist sein Name", sagte sie. Gryce setzte wieder die Brille aus, wars einen Blick ans die Karie und suhr unwillkürlich, zusammen, trotz seiner langjähri gen Uebung in der Selbstbeherrschung. „Tiefe Karte, mit diesem Namen war in dem Brief, den ich hier in der Hand halte ?" fragte er. „Ja, sie lag darin." „Es ist die Karte eines Anderen, die hineingesteckt wurde, um Sie zu täuschen. Sic gehört nicht dem Manne, der Sie verfolgt Hal!" „Ta sind Sie im Jrrlhum. Ich habe gulen Grund zu glauben, daß hier kein Bclrug im Spiele ist." „Welchen Grund haben Sie ? Sagen Sie ihn mir, liebes Fräulein, es ist von der höchsten Wichtigkeit." „Es ist mein letztes Gehcimniß, dann wissen Sie alles. Aus unserm Spaziergang sah ich eines Tages den Fremden an der Straßenecke stehen. Er rauchte und hielt ein Zigarren etui in der Hand. Als wir näher kamen, steckte er cs in seiner Verwirrung nichl in die Tasche, sondern daneben und es fiel aus die Erde. Er bemerkte es nicht und entfernte sich; sobald ich aber an den Platz kam, wo er gestanden hatte, hob 'ch das Etui aus. Ich habe es noch und kann es Ihnen zeigen; cS ist ein Monogramm daraus, die Anfangsbuchstaben sind die selben wie auf der Karle." „Bitte, holen Sie es", ries Gryce in ungläubiger Ver wunderung. Sic verließ das Zimmer und sand, als sie zurückkam, den Polizisten vor dem Knopf der elektrischen Klingel so in Sinncn verloren, daß sie ihn am Arm berühren mußte, um seine Auf merksamkeit zu erregen. „Hier ist das Etui", sagte sie schüchtern. Er nahm es in die Hand, falt es von allen Seiten an und versank noch mehr in Gedanken. „Es sind die gleichen Buchstaben, wie Sie sehen," begann sic und wollte noch weiter reden, aber er fuhr plötzlich aus seinen Träumen in die Höhe, legte den Finger auf den Mund und rief: „Sprechen Sic den Namen nicht aus, liebes Fräulein. Sie sagten noch eben selber, wir wollten lieber keinen Namen nennen!" Mil freundlichem Lächeln steckte er das Etui, zu sammen mit dem Brief, den er bereits an sich genommen, in die Tasche, machte eine liefe Verbeugung und sagte verbindlich: „Weiler habe ich Sie heule nichts zu fragen. Nehmen Sie meinen besten Dank und glauben Sie, daß ich in Allem so handeln werde, wie es Ihre Wohlfahrt bedingt." Sie war merkwürdig fügsam geworden. Als sie sah, daß er ihrer nicht mehr bedürfe, verließ sie schweigend das Zimmer. Nachdem sich die Thür hinter ihr geschlossen, stand Gryce noch einen Moment kopfschüttelnd da, dann öffnete er rasch das Nebenzimmer und Frau Hadden trat ein. „Haben Sie alles gehört?" fragte er. Sie nickte stumm. „Sie sehen, daß sie unerfahren und thörichi ist, aber nichl chlechl. Schwerlich wird sie je wieder einen ähnlichen Streich verüben." Hierauf verabschiedete er sich von der Dame. Vor der Hauslhür stand er noch einen Augenblick still, nahm das Z'.garren-Etui aus ddr Tasche und betrachtete es mit besorg tem Blick. „Wahrhaslig," ries er, es wiedereinsteckend, „ich bin siebzig Jahre und darüber und habe mehr seltsame Dinge erlebt als ich Tage alt bin — und doch giebt es noch immer Ueber- raschungcn für mich!" In größter Eile begab er sich nach dem Hauptquartier der Polizei. Zehntes Kapitel. Fräulein Rogers aus New-Jork. Er fand den Inspektor ganz in Geschäfte vertieft, welche hauptsächlich den vorliegenden Fall betrafen. Neue Thatsachen waren ans Licht gekommen und aus der ganzen Masse des Stosses suchte er das Wesentlichste auszusondern. Er sah be sorgt und aufgeregt aus, da ihn eine Entdeckung, auf die er gestoßen war, höchlich überrascht hatte. Gryce kam ihm sehr gelegen; er ließ ihm kaum Zeit, sich zu setzen, bevor er anhub: „Tie Verschwörung nimmt immer größere Verhältnisse an, Gryce. Es hat sich noch ein Fräulein Rogers gefunden, das den Mann mit den grauen Augen und dem schwarzen Batte kennt. Doch scheint mir, es kann nicht derselbe sein, der die andern Mädchen verfolgt hat. Sie hat mir seinen Namen genannt —" „Entschuldigen Sie," unterbrach ihn Gryce, „vielleicht diesen?" Er zog die Karle hervor, welche er von seiner letzten Unter redung mitgebracht hatte. Der Inspektor warf einen Blick darauf, starrte Gryce an und schwieg. Er traute offenbar seinen eigenen Augen kaum. „Nicht wahr, es scheint unbegreiflich?" sagte der Polizist, „es ist also derselbe Name?" „Derselbe." Gryce steckte die Karte wieder ein, trommelte aufgeregt mit den Fingern auf dem Tische und sah einen Augenblick ebenso bestürzt aus wie sein Vorgesetzter. Dann glättete sich seine Stirn wieder. Sobald eine Thatsache einmal feststand, sand er sich ohne Zögern in dieselbe. „Das ist also abgemacht," erklärte er ingrimmig, „wir haben den Mann gefunden." Der Inspektor machte ein finsteres Gesicht. „Ich kann es kaum glauben," sagte er, „es muß ein Jrrthum obwalten." „Glauben Sie? Aus der Karte steht der Name des Herrn, von dem inir Frau Haddens Schülerin erzählt hat, auch paßt die Beschreibung genau zu dem Acußern Desjenigen, welchen wir kennen." „Eine sehr bedaucrnswerthe Thatsache, die ich aufrichtig beklage." „Freilich — aber der Wahrheit muß man ins Antlitz schauen! — Haben Sie mir sonst noch Näheres mitzutheilen?' Der Inspektor nickte und ging zu den Geschäften über, jedoch ohne seine gewohnte gute Laune. Er hatte trotz Allem seinen Glauben an die menschliche Natur noch nichl verloren und es that ihm weh, sein Vertrauen erschüttert zu sehen. (Fortsetzung solgt.)