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l. Anlage ;um Schönburger Tageblatt. -M 222. Sonntag, oe» 22. September 1901. Aer Krieg zwislhen ßolumbien md Kmezuela und die deutschen Znterelsen. Von I. Köster-Düsseldorf. Nachdruck verboten. Seit einiger Zeit schon erschienen in unserer Tages- Presse Nachrichten vom nördlichen Theile Südamerikas, welche den AuSbruch von offenen Feindseligkeiten zwischen den beiden Schwesterrepubliken Columbien und Venezuela als nahe bevorstehend ankündigten. Gar mancher Leser wird sich im Stillen die Frage vorgelegt haben: „Was scheren mich die amerikanischen Republiken?", zumal diese Länder bekanntermaßen nie zur Ruhe kommen und ohne so ein kleines Revolutiönchen sich nicht glücklich fühlen können. Diesmal scheint die Sache aber doch auch für uns etwas mehr von Wichtigkeit zu sein, da nach den gleich lautenden Berichten der beiden Kaiserlichen Consuln in Venezuela, der Herren Gerstäcker in San Crestobal und von Jeß in Maracaibo unsere wirthschaftlichen Interessen stark auf dem Spiele stehen. Inzwischen ist der Krieg bereits ausgebrochen. Um die Lage genau beurtheilen zu können, ist er von großer Wichtigkeit, daß die Berichte der beiden Herren eben jetzt kurz vor Ausbruch des Krieges erschienen sind. Herr von Jeß (Maracaibo) sagt: „Es ist nicht zu bezweifeln, daß dieser Amtsbezirk auch in Zukunft, wenn der Friede im Lande erhalten bleibt, ein gutes Absatz gebiet sür die Erzeugnisse Deutschlands sein wird. Tenn trotz der großen Schläge, welche die vergangenen Re volutionen und andauernd niedrigen Kaffeepreise Mara caibo zugefügt haben, ist doch nicht zu leugnen, daß Venezuela im Allgemeinen ein sehr aufnahmefähiges, elastisches Land ist, welches sich schnell von den jeweiligen Krisen erholt." Aehnlich urtheilt Herr Gerstäcker: „Das Waarenge- schäft wird zum weitaus größten Theil von den vier in San Cristobal ansässigen deutschen Firmen beherrscht, welche in Maracaibo ihre Stammhäuser besitzen. Amt liche Angaben über die Höhe der eingeführten Waaren sind nicht zu erlangen gewesen. Nach ungefährer Schätzung beträgt die Einfuhr 18,000 Doppel-Centner im Werthe von 4,000,000 Bolivares gleich 3,200,000 (3,2) Mark. Die vier hier ansässigen deutschen Handels häuser haben fast den ganzen Ein- und Ausfuhrhandel in Händen. Das von ihnen vertretene Kapital dürfte sich auf 12,000,000 Mark belaufen." Herr Konsul v. Jeß betont ebenfalls die Wichtigkeit der deutschen Interessen in seinem Berichte. Er sagt: „Die Ein- und Ausfuhr liegt zu dreiviertel Theilen in Händen der deutschen Kaufleute. Der deutsche Handel ist mit einem großen Procentsatz an der Einfuhr be- theiligt. Wenn auch im Allgemeinen im letzten Jahre weniger eingeführt wurde, als in den Vorjahren, so machte sich doch in den letzten drei Monaten ein Um schwung zum Besseren bemerkbar. Was die Ausfuhr anbelangt, so betrug diese im Jahre 1900 an venezo lanischen Erzeugnissen 29,435,218 Kilogramm im Werthe von 19 Millionen Bolivares, hierunter allein für 17^ Millionen Bolivares Kaffee. An dieser Ausfuhr sind deutsche Firmen mit 75 Procent betheiligt, davon eine allein mit 36 Procent. Bei Palogordo im Bezirk Perija haben zwei Deutsche eine Tabakpflanzung.gegründet, die sie persönlich leiten; im Uebrigen sind an den verschie densten Punkten ausgedehnte Ländereien und Pflanzungen im deutschen Besitz." Wir ersehen hieraus also, welch' hohe wirthschaftliche Interessen für Deutschland bei diesem Krieg auf dem Spiele stehen und müssen es umso erfreulicher ansehen, daß Deutschland heute in der Lage ist, durch Entsendung eines größeren modernen Kreuzers seine Interessen zu schützen. Wie ich heute aus der „Deutschen Marinezeitung", dem Organ der vereinigten deutschen Marinevereine, er sehe, ist der große Kreuzer „Vineta", ein schnelles, stark armirtes Schiff von 5900 Tonnen Deplacement und 465 Mann Besatzung in den venezolanischen Gewässern angekommen. Die „Vineta" verließ am 12. August Bahia, langte am 22. August in Port of Spain auf der englischen vor dem Orinoko Delta liegenden Insel Trinidad an und ging von dort über Carupano nach La Quayara, der Hafenstadt von Carakas. Die „Vineta" hat jetzt Befehl erhalten, zunächst dort zu bleiben und die ursprünglich in Aussicht genommene Fahrt längs der Ostküste der vereinigten Staaten auf spätere Zeit zu verschieben. Tie „Vineta" wird von dem Kapitän zur See Da Fouseka-Wollheim befehligt, der das Kom mando in den nächsten Wochen aber an den Kapitän zur See Stiege, den bisherigen Chef des Stabes der Ostseestation, abgebcn wird. Dieser Offizier ist mir persönlich bekannt. Ich habe seiner Zeit zwei Jahre auf der alten Kreuzerfregatte „Bismarck", woselbst Kapi- tän Stiege als Batterieoffizier fungirte, gedient und kann denselben nur als einen energischen und thatkräftigen Offizier bezeichnen, der wohl im Stande ist, die In teressen der deutschen Kaufleute voll und ganz wahrzu nehmen, wie dies bei solch' halbkultivirten Völkern noth wendig ist. Die „Vineta" ist ein ganz neues Schiff, im Jahre 1897 vom Stapel-gelaufen, 105 m lang, 17 w breit und hat einen Tiefgang von 6,g w. Ihre 10,000 indizir- ten Pferdekräfte starken Maschinen treiben 3 Schrauben und geben dem Schiff eine Geschwindigkeit von 18,See meilen. Die Thürme, Deck und Kasematten sind mit einer 10 om starken Panzerung versehen und verleihen dem Schiff einen nicht zu verachtenden Panzerschutz und Gefechtswerth. Die Armirung des Kreuzers besteht, aus 2 40 Kaliber langen 21 ein-Geschützen, 8 15 om, ebenfalls 40 Kaliber langen, 10 8,z orn 30 Kaliber langen Schnellfeuerkanonen, 10 3,^ om-Revolvergeschützen und 4 Maschinengewehren. Tas Eintreffen eines solch' wehrhaften Schiffes wird den in hervorragendem Um fange an Unternehmungen mancherlei Art in Columbien und Venezuela betheiligten deutschen Geschäftskreisen zur Befriedigung gereichen. Außerdem werden unsere beiden Schulschiffe „Stein" und „Moltke" ebenfalls ihren Curs nach Westindien richten, sodaß wir demnächst in einer angemessenen Stärke dort vertreten sein werden. Ueber die beiden kriegführenden Mächte läßt sich nicht viel sagen. Venezuela oder richtiger die Ver einigten Staaten von Venezuela bilden eine Föderativ republik im Norden Südamerikas, werden im Norden vom karaibischen Meere, im Osten vom Atlantischen Ozean und Britisch-Guayana, im Süden von Brasilien und im Westen von Columbien begrenzt. Sie umfassen einen Flächenraum von etwa 1 Million ^Kilometer. Tas Klima ist sehr warm, aber nicht ungesund, wenn gleich dort auch das gelbe Fieber auftreten kann. Tie Bevölkerung zählt etwa 2^ Millionen meist katholischer Einwohner. Nirgends in Südamerika ist die Ver mischung der indianischen, europäischen und Negerraffe so vollkommen, wie in Venezuela. Weiße giebt es kaum 1 Procent, reine Neger fast gar nicht mehr, reine Indianer nur noch in den Gebirgen. Tas Heerwesen Venezuelas wurde durch ein Gesetz vom 30. Juli 1895 umgestaltet und besteht nach dieser Zeit aus 11 Bataillonen mit je 6 Compagnien zu 60 Mann. Seit Jahrzehnten besteht zwischen Venezuela und Großbritannien ein Grenzstreit, der erst im Jahre 1895 eine bedrohliche Gestalt annahm, weil Venezuela in dem streitigen Grenzgebiet von Guyana englische Posten überfiel und gefangen nahm. Zwar wurden sie auf energische Forderung Englands wieder frei gelassen, zu einer weiteren Genugthuung und zur An erkennung der englischen Gebietsansprüche ließ sich aber Venezuela trotz eines englischen Ultimatums nicht herbei, da es sich der Unterstützung der Vereinigten Staaten von Amerika sicher wußte, die im August 1895 die Einsetzung eines Schiedsgerichts in Vorschlag brachten. Ta England diesen Vorschlag ablehnte, setzten die Ver einigten Staaten aus eigener Machtvollkommenheit eine parlamentarische Commission ein, welche die Grenz linie festlegen sollte. England sah unter diesen Um ständen von einem gewaltsamen Vorgehen gegen Venezuela Unterhaltungstheil. Im Berghause. Novelle von Bertha v. Suttner. 11 > (Fortsetzung.) Die zwei Frauen saßen seitwärts auf einer Bank und sahen dem Spiele zu. Neben die Gräfin setzte sich — jedesmal, wenn er geschoben hatte — der Pfarrer, und neben Tilda war kein Platz. Nachdem zwei oder drei Partien gespielt und die auf zehn bis zwanzig Kreuzer sich belaufenden Verluste ausgezahlt worden, empfahlen sich die beiden Besucher unter vielem gegenseitigen Dank sür den freundlichen Empfang einer- und den freundlichen Besuch anderer seits. „Ich hoffe," war Gräfin Stockings letztes Wort, „daß wir recht fleißig voisiniren werden." Als der Wagen eine Strecke davongefahren und das wiederholte Hüte- und Händeschwenken vorüber war, welches auf dem Lande zwischen Gästen und Hausleuten getauscht zu werden pflegt, so lang man gegenseitig in Sicht ist, warf sich Bolton mit einem lauten Seufzer zurück und sagte: „Da irrt sie!" „Wer irrt und womit?" sagte Trahlen. „Die gute Dame mit dem fleißigen ,Voisiniren', wie" ich dieses Wort schon hasse .... Die Sprach, reinigung hat in unserer Gesellschaft noch wenig Fort schritte gemacht. Aufrichtig, ich habe lange nichts Oederes durchgemacht, als dieses Mittagessen und Kegelspiel." „Na, von toller Lustigkeit war's freilich nicht; aber ich habe das Bewußtsein, genau so langweilig gewesen zu sein wie die anderen." „Tas ist ja eben das Entsetzliche an dem ,Voisi- niren: man wird — wenn man einen hat — um seinen ganzen Geist betrogen. . . . Dieses schale Gerede, diese Mittheilungen und Fragen, die niemand interessiren — was in aller Welt soll es mich kümmern, wie lange der Neffe des Grafen Stocking noch im Theresianum zu bleiben hat, und wie viel Eimer Wein der Keller des Pfarrhofes faßt — und doch habe ich um diese beiden Angelegenheiten mit besonderem Nachdruck mich erkundigt. . . . Nein, wahrlich — dazu habe ich mich nicht in diese gesegnete Ländlichkeit zurückgezogen, der Welt und ihrer Eitelkeit entsagt, um hier das eitle Weltleben fortzusetzen. Mein Besuch wird nicht so bald wiederholt, der Höflichkeit habe ich genug gethan." „Wetten wir, daß Sie oft, sehr oft zu Stockings zurückkehren? Es ist nicht denkbar, daß die junge Gräfin Galis Sic nicht anzöge. Welchen Eindruck hat sie Ihnen gemacht?" „Gar keinen. Das wäre schlimm, wenn man jedes mal eine schwere Verwundung erlitte, so oft man einer hübschen Frau ansichtig wird. Ob sie Geist hat, weiß ich nicht. Ich konnte kein Gespräch mit ihr eingehen, kaum hatten wir uns zu Tisch gesetzt, so erhob sich der Sandsturm von einem wüstenlceren allgemeinen Ge schwätz, und meine Nachbarin — gleich uns allen — sprach kein verständiges und eigenartiges Wort mehr." „Wenn Ihnen um besonders anregende, niemals stockende Dialoge zu thun ist, so lesen Sie eines geist reichen Autors Romane oder Theaterstücke; da sprechen die Leute in einem Athem pointirte Dinge und charak- terisiren in jedem Ausspruch ihre Eigenart. ... Im wirklichen Leben ist alles viel spärlicher ausgestreut, da muß man durch lange Strecken wandern, bis die Gegend eine schöne Aussicht weist, — durch viele Gespräche waten, bis ein funkelndes Witzwort aufsteigt, durch viele Erlebnisse weiter vegetiren, bis ein ergreifendes Ereig- niß eintritt." „Als ob ich nach tollen Unterhaltungen und großen Schicksalen lechzte! Ruhe ist mein Ziel — das hätten Sie aus meinem letzten Briefe herauslesen können. Aber beschäftigte, schaffende Ruhe." „Ja, ja, ich weiß: neue Stiefmütterchensorten und klassische Sonaten." „Und glückliche Esel —" „Was?" „Ich denke an Graugrau. . . Ich habe Ihnen daS gute Geschöpf noch gar nicht vorgestellt . . . heute noch sollen Sie es kennen lernen — es ist ein Ehrenesel, glauben Sie mir." „Wird mir ein Vergnügen sein, ihm den Huf zu schütteln." „Lachen Sie nur, ich bin dem Graugrau wirklich gut." „Weil Sie einen großen Vorrath von Güte und Zärtlichkeit im Gemüthe ruhen haben, Bolton — und darum prophezeie ich: Sie werden noch oft nach Zinn dorf gehen, wo die reizende Tilda haust. ..." * * * Am dritten Tage nach seiner Ankunft war Trahlen wieder abgereist. „Werden Sie mir aus Paris schreiben?" hatte Bol ton den scheidenden Freund gefragt. „Gewiß. Aber erwarten Sie keine Beschreibungen der Ausstellung. Ich kann nicht schildern — und im Katalogstil mag ich doch die gesehenen Dinge nicht her zählen. Sicher werden Sie mir aus Ihrem Berghause interessantere und gewichtigere Dinge zu schreiben haben als ich Ihnen vom Marsfelde. Entweder eS spielt sich hier ein Roman ab . . . ." „Oder es geschieht gar nichts . . . ." „Auch über nichts und wieder nichts besitzen Sie die Kunst, die reizendste» Sachen zu schreiben. Adressiren Sie ,Hotel Meurice' .... Und bitte: entrichten Sie Stockings meine Grüße. ... Ich rathe Ihnen, diesen Abschiedsgruß noch heute hinüberzutragen. DaS wäre ein Vorwand zu einem neuen Besuch. . . Sie schütteln den Kopf? . . Schon gut." (Fortsetzung folgt.)