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dadurch würde das Schicksal des Zolltarifs erst recht gefährdet werden, ganz abgesehen davon, daß solche Ab änderung nichts leichtes sei, und wiederum durch Ob- struction zu Fall gebracht werden könnte. Das Centrum ist eben, wie es schon wiederholt bewiesen hat, für eine Aenderung der Geschäftsordnung des Reichstags nicht zu haben. Darin liegt, wie die „Deutsche Tagesztg." ganz richtig hervorhebt, eine große Gefahr für das Zu standekommen des Zolltarifentwurfs. Das Blatt erklärt unumwunden, daß es das Kurzsichtigste wäre, wenn die Mehrheitsparteien nicht von vornherein mit der Obstruction rechnen und ihre Tactik danach einrichten wollten. Die Ausgestaltung der arbeitsstatistischen Com mission zu einem Reichsarbeitsamte hält die „Staatsb.- Ztg." für ausgeschlossen, da dann Socialdemokraten in dem neuen Amte eine führende Haltung einnehmen würden. Die Novelle zum Krankenversicherungsgesetz bildet gegenwärtig den Gegenstand eifrigster Arbeit im Reichsamte des Innern, ihre Fertigstellung ist auch in naher Zeit zu erwarten. Daraus folgert jedoch noch nicht, wie fälschlicherweise angenommen wird, daß die Einbringung dieser Novelle an den Reichstag auch als bald nach dessen Wiederzusammentritt erfolgen wird. Es ist im Gegentheil anzunehmen, daß der Reichstag vor Neujahr mit allen gesetzgeberischen Aufgaben verschont bleiben wird, um seine ganze Arbeitskraft dem Zolltarif und daneben dem Etat zuwenden zu können. Es ist daher sehr möglich, daß die Novelle zum Krankenver sicherungsgesetz bis zur nächsten, ja vielleicht bis zur übernächsten Session zurückgestellt wird. Der Beschäftigungsgrad in Industrie und Ge werbe ist im Juli wesentlich zurückgegangen. Aus den Bezirken des Bergbaus, der Eisen- und Maschinen- Jndustrie werden Feierschichten, Entlassungen und Lohn kürzungen gemeldet, wodurch bestätigt wird, daß nach einer kurzen und kleinen Erholung der Rückgang wieder in erhöhtem Maße eingesetzt hat. Während im vorigen Jahre, als der Umschwung der Conjunctur sich zum ersten Male auf dem Arbeitsmarkte bemerkbar machte, der Rückgang der beschäftigten Arbeiter im Juli nach den Ausweisen der an die Berichterstattung des „Arbeits markts" angeschlossenen Krankenkassen 0,3 Procent be trug, ist im Juli d. I. trotz schon stark verminderten Arbeiterstandes ein solcher von 0,5 Procent zu ver zeichnen. Entsprechend dieser Abnahme der beschäftigten Arbeiter ist auch der Andrang von Arbeitsuchenden an den öffentlichen Arbeitsnachweisen gestiegen. Namentlich wird vermehrter Andrang von Bauarbeitern gemeldet. Oesterreich-Ungarn. Kaiser Franz Joseph von Oesterreich vollendet am Sonntag sein 71. Lebensjahr. Ter Geburtstag des treuen Verbündeten unseres Kaisers wird diesmal mit Rücksicht auf die Hoftrauer in Berlin in aller Stille begangen werden. Die sonst üblich gewesene Galatafel beim Kaiser Wilhelm und das Festesten der Offiziere des Kaiser Franz-Regiments fallen aus. Aste«. Das Chinaprotokoll wird mit der Zeit doch wohl unterzeichnet werden; diese freundliche Aussicht eröffnet die Thatsache, daß die Gesandten einen vorläufigen Entwurf des Protokolls unterzeichneten, um so zu verhindern, daß Seitens ihrer Regierungen noch weitere Aenderungen an dem Friedensinstrument vorgenommen Würden. Am Dienstag nächster Woche hofft man nun auf die endgültige Festlegung des Schlußprotokolls. Wir erwähnen diese Hoffnung der Gesandten, geben aber nicht viel darauf. Soviele Schwierigkeiten, Verzögerungen und Hindernisse, wie dem endgültigen Abschlusse des Friedensvertrages bereitet werden, hatte man nun doch nicht mehr erwartet. Der letzte Aufschub ist durch Eng land verzögert worden, dessen Bedenken Wasser auf die Mühle derjenigen Langzöpfe waren, die ihre Speculation auf die Uneinigkeit der Mächte noch immer nicht auf gegeben haben. Schließlich wird die Unterzeichnung ja aber doch erfolgen müssen, und wir glauben auch, daß dies noch im Laufe des Monats August geschehen wird. Derselben Meinung ist auch die „Nat.-Ztg.", die aus sicherer Quelle erfahren hat, daß sämmtliche Vertreter der Verbündeten Mächte in Peking das Schlußprotokoll unterzeichnet haben, so daß nun auch die Unterschrift der chinesischen Bevollmächtigten fehlt, die jedoch mit Sicherheit zu erwarten ist, da es sich eben nur um eine Formalität handelt. Afrika. Die fast ängstliche Frage, ob und wie lange die Buren noch Widerstand leisten werden und leisten können, so schreibt die „Kreuz-Ztg.", schwebt auf vielen Lippen. Daß diese Frage vom grünen Tisch nicht be antwortet werden kann, ist klar. Wenn die wohl orientirte englische Regierung durch ihren Vertreter laut verkünden läßt, daß die Tinge dort dem für britische Interessen erwünschten Ende bald entgegen gehen, so stehen officiellen Reden andrerseits Privatnachrichten von Seiten entkommener Deutscher gegenüber, die das Gegentheil behaupten. Ein durchaus nicht fanatischer Burenverehrer versicherte uns, daß der Unterschied zwischen 1899 und 1901 der sei, daß damals die Buren vor der britischen Uebermacht einen solchen Re- spect gehabt hatten, daß sie froh gewesen seien, am Tugela, beim Spionskop u. s. w. in der Defensive ge siegt zu haben, daß Niemand, möge später auch anders gesprochen worden sein, im Ernste an ein Eingreifen der Offensive und Verfolgen des Sieges durch Rück stößen der Gegner bis ans Meer auch nur gedacht habe. Jetzt sei dies anders. Der Bure fühle sich moralisch als Herr der Situation auf jedem Kampf felde, während die Briten nur noch in größeren Ver bänden wagten, ihren Gegnern gegenüberzutreten. Und diese moralische Uebermacht darf nicht unterschätzt werden. Auch eine Anzahl neuerer Meldungen zeigen, wie wenig die Engländer Herren der Lage sind. Der Buren Muth ist nicht gebrochen und die Kitchener'sche Proclamation hat nichts weiter bewirkt, als dies Heldenvolk in seinem Entschlusse zu befestigen, einer für alle und alle für einen weiter zu kämpfen für ihre Freiheit und ihr Recht. Dem Präsidenten Krüger ist von Burenfreunden verschiedener Nationalitäten erneut der Vorschlag gemacht worden, ihnen die Erlaubniß zur Ausrüstung von Kaper schiffen zu ertheilen. Die vorgeschlagene Belohnung beträgt 1600 Mark für jede Tonne der gekaperten oder gesunkenen englischen Kriegsschiffe und die Hälfte pro Tonne der gekaperten oder zum Sinken gebrachten eng lischen Kauffahrteischiffe. Diese Belohnung würde nach Beendigung des Krieges auszuzahlen sein. In Paris glaubt man, Präsident Krüger werde angesichts der letzten Proclamation Kitcheners zu bewegen sein, die Erlaubniß zu ertheilen; wir glauben nicht daran. Nach Pariser Blättermeldungen hält General Botha mit 4000 Buren, die ihm von mehreren Commandanten zugeführt wurden, an der Natalgrenze im Zululande. Man erwartet auf diesem bergigen Terrain, in dessen Nähe die Buren dem General Buller so manche Schlappe beigebracht haben, heftige Kämpfe. Lord Kitchener hat nämlich auf die Kunde vom Vordringen Bothas gegen Natal nicht unerhebliche Streitkräfte in das bedrohte Gebiet entsandt. Die Eile, mit der Lord Kitchener seine Maßnahmen traf, erklärt sich schon aus dem Umstande, daß gegenwärtig das englische Kronprinzenpaar in Natal, und zwar in dessen Hauptstadt Durban weilt. Die Engländer sind jetzt Seitens der Buren auf alles gefaßt und befürchten wohl einen Anschlag derselben auf den englischen Thronfolger. Es werden daher jedenfalls sehr starke englische Abtheilungen entsandt werden. In ihren Bergen fühlen sich die Buren jedoch vollkommen sicher und nehmen es auch mit einem an Zahl mehrfach überlegenen Feinde auf. Von Gefechten an der Natalgrenze wird man daher bald zu hören bekommen. Von den Flüchtlingslagern in Südafrika wird der „Tägl. Rdsch." u. A. geschrieben: Während im Monat Juni die Sterblichkeit unter den Kindern in sämmtlichen Lagern 334,8 auf das Tausend im Durch schnitt betrug, stieg diese Ziffer in den ersten vierzehn Tagen des Monats Juli auf die fürchterliche Höhe von 393,6 auf das Tausend, und in einem Lager allein starben in dem letztgenannten Zeitraum nicht weniger als 196 Frauen und Kinder. An der Hand dieser Ziffer läßt sich feststellen, daß in dem Lager, wenn dieser Kindermord im Großen im gleichen Maßstab fortschreitet, in etwa acht Monaten keine Nachkommen der Buren mehr vorhanden sein werden. Auf welche Weise und mit welchen Lügen will die britische Regierung eine solche Statistik und Berechnung widerlegen?? Amerika. Gleich dem englischen Vetter in Südafrika setzt sich Nordamerika auf den Philippinen über Gesetz und Recht brutal hinweg. Obwohl von diesen ausgedehnten Inseln sich nur ein ganz kleines Gebiet in den Händen Onkel Sams befindet, erklärte die Regierung der Ver einigten Staaten doch, daß sie den Filippinos das Recht eines kriegführenden Volkes aberkenne und jeden einzelnen von ihnen als Mörder behandeln werde, der einen amerikanischen Solbaten tödtet. Was Humanität und Gerechtigkeitssinn anlangt, beweisen sich Engländer und Amerikaner als gleiche Brüder, die beide auf die Hochachtung der anderen Culturvölker keinen Anspruch mehr erheben können. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 17. August. Unser Schützenfest neigt sich nunmehr seinem Ende zu; morgen früh findet noch mals Weckruf und nachmittags 3 Uhr Schützenauszug und nächsten Montag der Königsschuß statt. Die Vor stellungen der Leipziger Variete-Truppe William Voigt in der Concerthalle erfreuten sich auch am gestrigen Abende wieder eines zahlreichen Besuches und ernteten vielen Beifall. Ebenso war das Theater der lebenden Riesen-Photographien stark besucht; die Vorführungen des Parademarsches ver mobilen Seebataillone in Wil helmshaven vor Kaiser und Kaiserin, sowie die Ver brennung einer Wittwe in Indien, ganz besonders aber die Reise nach dem Monde oder der Traum des Astronomen, die in den gestrigen Vorstellungen unter anderem zur Darstellung kamen, fanden den ungetheilten Beifall des Publikums. Die Bilder werden durch elek trisches Bogenlicht projicirt und zeichnen sich durch Größe I und Deutlichkeit, von kleinen Mängeln abgesehen, aus. Auch für Familien ist der Besuch dieser Vorstellungen zu empfehlen. *— Die Reichs-Post- und Telegraphenverwaltung hat aus Anlaß des Todes der Kaiserin Friedrich für ihre Verkehrsanstalten eine sechswöchige Trauer ange ordnet. Alle vorkommenden Siegelungen haben in schwarzer Farbe zu erfolgen, ebenso sind zum Verschluß der Briefe schwarze Siegelmarken zu verwenden. In gleicher Weise werden auch die Telegramme während dieser Zeit mit Siegelmarken in schwarzer Farbe ver schlossen. *—- Die 30 öffentlichen Realschulen des Königreichs Sachsen wurden am 1. Mai 1901 insgesammt von 8644, die 6 Privatrealschulen in Dresden und Leipzig von 1036 Schülern besucht. Die Zunahme betrug gegen das Vorjahr bei den öffentlichen Realschulen 251 Schüler. Zu Ostern 1901 wurden in die 30 öffent lichen Realschulen 1899 und in die 6 Privatrealschulen 177 neue Schüler ausgenommen. *— In einer jüngst erschienenen Verordnung des königl. Justizministeriums wird hervorgehoben, es sei wahrzunehmen gewesen, daß die Gerichtskosten, die in Vormundschaftssachen entstehen, nicht selten von den Angehörigen des Mündels eingefordert würden. Nament lich würden von manchen Gerichten die Kosten der Be vormundung unehelicher Kinder den Müttern oder auch den Vätern abgefordert. Ein solches Vorgehen sei aber mit der Vorschrift in tz 5 Absatz 1 Nr. 3 des Gesetzes über die Gerichtskosten vom 21. Juni 1900 nicht ver einbar, welche den Amtsrichtern anheimgiebt, künftig die in Vormundschftssachen entstehenden Kosten nur dann von den Angehörigen des Mündels einzuheben, wenn diese Angehörigen ausnahmsweise Kraft besonderer ge setzlicher Vorschriften, namentlich nach H 5 Absatz I Nr. 1 und 2 oder nach A 5 Absatz 2 des Gesetzes über die Gerichtskosten kostenpflichtig sind. * — In dieser traurigen Zeit der Unterschlagungen und Fälschungen ist es von Interesse, ein sehr einfaches Verfahren kennen zu lernen, durch das falsche von ech ten Banknoten ohne Weiteres unterschieden werden können. Die „Bahr. Verkehrsbl." schreiben darüber: Wenn man zwei echte Banknoten durch ein Stereoskop betrachtet, verschmelzen die beiden Bilder zu einem einzigen, da sie beide derselben Platte entstammen. Legt man hin gegen zwei Banknoten zusammen, die nicht mit derselben Blatte gemacht sind, so decken sich die Bilder nicht mehr genau, denn selbst die vollendetste Nachahmung wird verschiedene Abweichungen in der Zeichnung der Zahlen, der Buchstaben und Bilder aufzuweisen haben. Im Stereoskop sind diese Abweichungen sehr deutlich sicht bar, und deshalb genügt es, ein falsches Billet mit einem richtigen zusammen durch das Stereoskop zu be trachten. Die allergeringste Abweichung der Zeichnung beweist die Fälschung. Diese sehr einfache Methode läßt sich in allen Bureaux und zu jeder Zeit mit Leichtig keit vornehmen. * — Das bei den fünf Kreishauptmannschaften in Sachsen eingeführte Institut der weiblichen Vertrauens personen für die Gewerbe-Jnspection ist bis jetzt noch sehr wenig in Anspruch genommen worden. Obwohl diese Einrichtung und die Sprechstunden der weiblichen Vertrauenspersonen genügend bekannt gemacht waren, sind doch die Tamcn entweder gar nicht oder nur zur Erledigung von Angelegenheiten ausgesucht worden, die ihrer Compctcnz nicht unterstanden. * — Ter Landesculturrath beschäftigte sich in seiner jüngsten Sitzung mit dem Zolltarif. Die Zollsätze für Getreide und Vieh wurden als zu niedrig bezeichnet und höhere Sätze beantragt. Las Fehlen jeden Zoll schutzes für Kunst- und Handelsgärtnerei wurde in der selben Sitzung als ein bedauerlicher Mangel bezeichnet. *—- Das königl. Ministerium des Innern hat zur Organisation der Handels- und Gewerbekammern neue Bestimmungen getroffen. Nach denselben ist die Zahl der Mitglieder für die Handelskammer Chemnitz, wozu auch ver Amtsgerichtsbezirk Waldenburg gehört, auf 26, für die Gewerbekammer auf 21 festgesetzt worden. Bei den Hauptwahlen für die Gcwerbekammer sind zwei Drittel aus dem Kreise der Handwerker, ein Drittel aus dem Kreise der übrigen zur Gewerbekammer wähl baren Gewerbetreibenden zu wählen. Vom 1. Januar 1902 ab werden die Handelskammer und die Gewerbe- kammer, die bisher vereinigt waren, von einander ge trennt. Vollständig neue Wahlen für beide Kammern ind in der Zeit vom 15. September bis 15. Tecember ). I. vorzunehmen. In der ersten Sitzung der neuen Kammern wird durch das Loos bestimmt, welche Mit glieder nach Ablauf der drei ersten Jahre auszuscheiden ;aben. *— Der Antrag, die Aufhebung der Schonzeit für wilde Kaninchen betreffend, ist nicht von zwei Groß grundbesitzern des Königreichs Sachsen beim Landtage eingebracht worden, sondern, wie wir Blatt 5 zur 39. Gesammtsitzung deS Landesculturrathes entnehmen, von den landwirthschaftlichen Vereinen zu Raden und Treugeböhla, also anscheinend von Kleingrundbesitzern. Der Landesculturrath hat in seiner Gesammtsitzung im April den Antrag berathen und der Kammer zur Be-