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2. MW M Schönburger Tageblatt. Sonntag, seit 18. August 1901. Aas der ZttlhsmnmchaSl. Postkarten ohne Ansichten von F. A. Esche. tOriginalbericht des „Schönburger Tageblattes.") Nachdruik verboten. Kiel, 14. August 1901. Und wieder grollte dumpfer Geschützdonner über den Kieler Kriegshafen. Kaiserin Friedrich ist todt, diese Botschaft drang herauf bis zu Deutschlands Norden, da wo am Belt die Möve zieht. Tie Kriegsschiffe legten, ebenso wie ganz Germanien, das Trauergewand an und halbstock wehten die Flaggen mit dem deutschen Reichs adler. Auch die Flagge mit dem Halbmond aus den türkischen Kriegsschiffen trauerte mit. Freudenfeste sollten gefeiert werden, doch der uner bittliche Tod hatte diesen Plan vereitelt. Festliche Em pfänge hatte man den aus China heimkehrenden Kriegs schiffen und Chinakriegern zugedacht, festlich sollte das Geschwader, an dessen Spitze Prinz Heinrich einziehen sollte, begrüßt werden. Still kehrte das den Kriegs schiffen zum Empfang entgegengeeilte Geschwader in den Hafen zurück, bringend den trauernden Sohn, der um seine hohe Mutter weinte. Still liefen die aus China heimkehrenden Kriegsschiffe „Wörth" und „Kur fürst Friedrich Wilhelm" ein. Und doch immerhin bo ten diese Einfahrten imposante Anblicke. Der Empfang der in Bremerhaven mit der Eisen bahn eingetroffenen Seesoldaten war ebenfalls ein stiller, aber doch ein herzlicher. Wenn auch die Musik ver stummen mußte, so war doch bei den Heimgekehrten die Freude sichtbar, nunmehr den festen heimatlichen Boden unter den Füßen zu haben, und manches Wort der Freude über das nach langer Seefahrt glücklich erreichte Ziel war vernehmbar und die in Khaki-Uniform ge kleideten Seesoldaten zeigten uns von der Sonne ge bräunte Gesichter, Gesichter die ein mannhafteres Aus sehen bekommen hatten. Schade, daß die Bewirthung durch die Kieler Einwohnerschaft, eben infolge der Lan destrauer, nicht stattfinden konnte. Toch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Diese Feier soll nachgeholt wer den, Luch wird, wenn im September die ganze Flotte im Hafen liegt, von der Kieler Bevölkerung zu Ehren der Heimgekehrten ein Wasser-Lampion-Korso veran staltet Werden, an dem viele hiesige Vereine und andere Personen in festlich geschmückten Ruder- und Tampf- booten theilnehmcn. Jndcß ein kleines Zeichen der freudigen Theilnahme an ihrer Rückkehr haben die China krieger schon bekommen: ein mit Widmung versehenes Cigarrenetui mit Inhalt! — — In meinem letzten Briefe hatte ich versprochen, ein mal in die Taucherglocke hinabzusteigen. Bekanntlich wird die Kaiserliche Werft erweitert und zwei Trocken docks werden hier erbaut. Dabei müssen sämmtliche Fundirungsarbeiten, sowie die Herstellung des Beton- maucrwerks der Sohle und auch zum größten Theile der Seitenmauern der Docks unter Wasser ausgeführt werden. Und dies mußte mittelst einer eigens zu diesem Zwecke gebauten Taucherglocke geschehen. In früheren Zeiten habe ich in einem alten Romane einmal von der Benutzung einer Taucherglocke gelesen, die zur Hebung eines Schatzes aus dem Meeresgründe benutzt Wurde. Doch ich muß jetzt sagen, daß ich mir eine andere Vorstellung von einem solchen Taucherwerkzeug gemacht hatte, als ich hier in Wirklichkeit sah. Tie Taucherglocke hier ist ein eiserner kastenförmiger Körper Von 42 Metern Länge, 14 Metern Breite und 5 Metern Höhe. Tiefe Glocke ist mittelst einer großen Anzahl Gestänge an einem Traggcrüst aufgehängt. Wie stabil dies sein muß, möge der Leser daraus erkennen, daß das Gewicht der eigentlichen Glocke 350 Tonnen, das sind 7000 Centner, beträgt. Dieses Traggerüst hat eine Höhe von neun Metern und ruht auf zwei Trag schiffen von 52 Meter Länge. In das Traggerüst hat man verschiedene maschinelle Einrichtungen eingebaut, so auch eine hydraulische Hebceinrichtung zum Heben und Senken der Glocke, eine Preßpumpe und zwei Beton misch-Maschinen. Sämmtliche Maschinen werden elek trisch betrieben und auch die Beleuchtung ist eine elek trische. Wir haben es hier mit einer Einrichtung zu thun, die in solcher Größe und solcher Vollkommenheit in Deutschland und auch im Ausland noch nicht zur Verwendung gekommen ist. Doch sckenken wir nun der Arbeit in der Taucher glocke selbst unsere Aufmerksamkeit. Unser Sinn steht nach der Tiefe. Wir werden zunächst in den Personen schleusen ausgenommen und für den Einstieg präparirt, d. h. wir müssen uns an den in der Glocke herrschenden erhöhten Luftdruck gewöhnen. Dann steckt man uns, ebenso wie in Bergwerken, in Arbeitszeug und nun gehts durch eine enge Oeffnung in die Schleuse hinein. Nach dem nun Herz und Lunge und Ohren sich an den er höhten Luftdruck gewöhnt, — dazu werden verschiedene Machinationen vorgenommen —, öffnet sich der Raum, in dem wir uns befinden. Durch eine enge Klappe gehts nun durch einen 16 Meter langen Schacht hinab. Und nun sehen wir mit Staunen, wie reinlich es hier zugeht, und wir hätten unsere Stiefeletten ganz ruhig an den Füßen behalten können. Der ganze Raum, also der Arbeitsraum, ist elektrisch beleuchtet. Alles ist trocken, da liegt vor uns der Meeresgrund, frei von Wasser; und hier baut man Betonblock an Betonblock und wenn dies Stück fertig ist, wird die Glocke verlegt. Zwar herrscht etwas Nebel, aber nachdem sich unsere Augen an das elektrische Licht gewöhnt haben, gewahren wir zu unserem Schrecken rechts und links freies Wasser. Eine gewisse Herzbeklemmung befällt uns, da wir uns doch in Sicherheit glaubten, und man denkt, das Wasser dringt in die Glocke ein. Doch diese unbe gründete Furcht verfliegt bald, wir bewegen uns um her und vergessen ganz, daß wir uns 12 Meter unter dem Meeresspiegel befinden; man wähnt sich zwischen Gräben und Teichen auf dem Festlande. Wir schauen noch näher zu und sehen, wie Röhren, Kanäle und Ver ankerungen eingebaut werden, daran arbeiten ungefähr 30 — 40 Leute in achtstündigen Schichten. Tag und Nacht wird hier geschafft. Und dort hinten wiegt sich sogar auf dem Wasser ein Kahn, und es wird uns der seltene Genuß, sogar eine Bootfahrt 12 Meter unter dem Meeresspiegel zu unternehmen. Nun bemerken wir oben an der Decke eine Menge Schienen, es sind Hängegleise für die Kippeimer, mit denen die Beton massen nach der jeweiligen Arbeitsstelle befördert werden. Wir haben uns lange da drunten in der Tiefe aufgc- halten und mit dem Bergmannsgruß „Glück auf!" gehts wieder ans Tageslicht. Wir haben ein Werk deutschen Fleißes und deutscher Unternehmungslust in Augenschein genommen. — — „Frisch auf, Matrosen, die Anker gelichtet, die Segel gespannt, den Kompaß gerichtet", ach wie glänzten unsere Augen, wenn wir unter der Leitung meines, nunmehr seligen, Cantors in einer kleinen sächsischen Stadt dies fröhliche Lied sangen. Und wie sehnte sich unser Kinder- gemüth danach, einmal ein wirkliches Seeschiff zu sehen, das hinaus ins weite Weltenmeer, in fremde, ferne Län der steuert. Und das Ersehnte ist mir Theil geworden, ja noch mehr, am letzten Sonntag sah ich sogar ein Schiff ausfahren, das hineinsteuert in unbekannte Re gionen, hin nach dem Südpol. Am Sonntag vollzog sich die Abfahrt der deutschen Südpolar-Expedition. Sie kehrte der deutschen Küste den Rücken, fährt nach den fernen, eisigen Regionen des Südpols. Es war ein wundervoller Sommermorgen, da die Anker gelichtet wurden. Wegen der Landestrauer konnte allerdings eine größere Feier nicht veranstaltet werden, doch war es eine weihevolle Stimmung die vor der Abfahrt herrschte. Unter den üblichen Rufen hoben die Matrosen die Ankerketten auf und die „Gauß" dampfte in lang samer Fahrt ab. Brausende Hurrahrufe erschallten von den Kriegsschiffen und ein zahlreiches Publikum brachte vom Ufer durch Tücherschwenken den letzten heimatlichen Gruß. — Wie Nansen einst durch „Nacht und Eis" zum goldnen Lichte durchgedrungen, so möge auch die deutsche Südpolar-Expedition, so Gott will, aus den Regionen ewigen Eises wiederkehren mit der Leuchte des Wissens. Fahrt wohl! — — Unmittelbar vor der Abreise der „Gauß" war dem Publikum Gelegenheit gegeben, das Südpolarschiff in Augen schein zu nehmen. Daß ich mir diese seltene Gelegenheit nicht entgehen ließ, ist wohl selbstverständlich und ich glaube, daß ich recht thue, wenn ich hier das Gesehene den werthen Lesern in kurzen Worten schildere und die Einrichtung vor Augen führe. Tas aus stärksten und solidesten Hölzern erbaute Schiff ist ein Dreimast-Segel- schooner und ist so eingerichtet, daß es auch unter Dampf fahren kann und gewährt einen stattlichen An blick. Mit allem Möglichen ist das Schiff ausgerüstet und alles ist berücksichtigt, um der Besatzung und den wissenschaftlichen Mitgliedern der Expedition die auf drei Jahre berechnete Abwesenheit sv angenehm wie möglich zu machen. Die Einrichtungen für die wissenschaftlichen Untersuchungen sind aus das sorgfältigste ausgeführt. Da ist das Kartenhaus, dort das Arbeitszimmer für die Gelehrten. Ta sind die Behälter verstaut, gefüllt mit comprimirtem Wasferstoffgas zur Füllung des Luftballons. Die vorhandenen 500 Behälter reichen für 9 Aufstiege des Fesselballons. Dort bemerken wir 6 Schiffsbei boote, darunter ein Naphthamotorboot, und außerdem 22 einsitzige und zweisitzige Kajaks. Auch ein zusammen legbares Stationshaus zur Vornahme längerer Beob achtungen an Land ist in seinen Theilen untergebracht. In wohldurchdachter Anordnung für die Mitnahme der größeren Hilfsmittel und Apparate ist der vorhandene Raum ausgenutzt. Ta stehen Petroleumstanks, Frisch wassertanks, ein elektrischer Tiefenmesser, ein aus Kupfer hergestellter Ofen für das magnetische Observatorium, eine Trachenwinde für Drachen, deren 30 Stück mit genommen sind, welche bis zu einer Höhe von 4500 Metern aufsteigen können, versehen mit meteorologischen Instrumenten. Da sind Winden für Fischereizwecke auf gestellt. Im vorderen unteren Schiff ist ein Raum für 60 Polarhunde, die auf den Kerguelen an Bord ge nommen werden. Ferner sind Oelberuhigungsapparate an gebracht. JmZwischendeck sind dieKammern für die wissen schaftlichen Mitglieder der Expedition und für den Kapitän, die Schiffsoffiziere und den Maschineningenieur; Jnstru- mentenkammer, Arbeitszimmer rc. In der wohnlich einge richteten Messe ist auf angebrachten Borden eine ansehnliche Bibliothek zusammengestellt, auch ist in demselben Raum ein Klavier aufgestellt, so daß auch für Unterhaltung auf der Forschungsreise nach Möglichkeit Sorge getragen ist. Tann ist noch eine oceanographische Kammer eingerichtet mit Tiefthermometern, Schöpfapparaten und sonstigen wissenschaftlichen Hilfsmitteln. Tiefer Raum bildet gleichzeitig das Hauptarbeitszimmer des wissenschaftlichen Leiters der Expedition, Professor Or. Erich von Dry- galski. Die Erwärmung des Schiffes geschieht durch Heizöfen, die in den Gängen und Räumen aufgestellt sind. An Bord befinden sich im Ganzen 29 Personen. So fährt denn ein festgefügtes, wohlausgerüstetes Schiff hinaus, um womöglich den glitzernden Schleier der Maja zu lüften. Bemerkt sei noch, daß die Expedition aus privaten und öffenlichen Mitteln ins Werk gesetzt worden ist. Tas Reich allein hat 12,000,000 Mark beigesteuert. — — Sonst nichts Neues an der Wasserkante! Darum Schluß für heute. Vermischtes. Ltete Ernte auf der Welt. Daß bei unS in den jetzi gen Zeiten die Landleute noch überall eifrig damit beschäftigt sind, die Ernte einzubringen und daß uns darin die niedriger gelegenen Gegenden Sachsens und Deutschlands um eine Woche und mehr voraus sind, das weiß wohl auch der land- wirthschastüch nicht besonders Bewandcrle. Weniger bekannt ist aber die Thatsache, daß die Ernte auf Erden niemals auf- hölt, daß zu jeder Zeit in irgend einer Gegend auf unserer Erdkugel goldene Halme gemäht und ihres schweren nähren den Aehrenschmuckes beraubt werden. Wir geben daher im Folgenden eine Art Erntekalender für die ganze bewohnte und Getreide bauende Welt: Im Januar, da bei unS alles im Silbcrgewande von Eis und Schnee prangt, fahren schon die Landleute in Australien und auf den Inseln von Neu seeland, in Argentinien und Chile ihr Getreide in die Scheunen ein. Im Februar beginnt die Ernte in Indien und Obcr- äpypten. Im März schließt sich dem Unterägypten an, wo sich die Ernte zumeist bis in den April hineinzieht. In diesem Monat sind die Schnitter auch noch in Mexiko, auf Kuba und den übrigen Antillen, auf Cypern, in Syrien, Kleinasien und Persien an der Arbeit. Im Mai folgen dann Algier, Marokko, Centralasien, China Japan, die Hirsestriche von Arabien und die nordamerikanischen Staaten Florida und Texas. Ein besonders weites Errüegebiet umfaßt der Juni, in welchem das Getreide der Balkan- und unteren Donau staaten, der Türkei, Griechenlands, Ungarns, Südrußlands, Italiens, Südfrankreichs, Spaniens, Portugals und der nordamerikanischen Staaten Calisornien, Louisiana, Oregon, Alabama, Mississippi, Georgia, Tennessee, Virginia, Utah, Nord- und Süd-Carolina, Colorado und Missouri einge heimst wird. Der Juli bringt die Ernte für den größten Theil für Deutschland, für Oesterreich, die Schweiz, Nord frankreich, Südengland, Polen, Westrußland und die östlichen Staaten Nordamerikas. An die nördlichen Staaten der Union, Columbia und Manitoba, kommt die Reihe im August und eben jetzt sind auch die Schnitter in Oberdeutschland, in Holland und Belgien, Nordengland, Dänemark und Mittelrußland bei der Arbeit. Im September folgen dann noch der russische Norden, Schweden, Norwegen und Schottland, wo sich die Erntearbeit bis in den Oktober hineinzieht. Im November erntet man schon wieder auf der südlichen Halbkugel. Da wird die Ernte in Peru und Südafrika (Transvaal) und im December in Hinterindien, Birma und Neusüdwales unter Dach und Fach gebracht. So ist das Jahr hindurch in ununterbrochener Folge auf der Erde irgendwo Erntezeit. Und Mutter Erde ist überall allgütige Spenderin und Nährerin. Reisewink« erprobter Art sind cs, die wir hier unten zum Abdruck bringen: Schmiede einen Reiseplan, aber halt' dich nicht daran. — Wer wandern will, der schweig' fein still, geh' steten Schritt, nehm' nicht viel mit, tret' an am frühen Morgen und laß daheim die Sorgen. — Wandern heißt: ein köstlich Buch genießen, man blättert darin mit den Füßen. — Was man abläuft an Strümps' und Schuh, wächst Kopf und Herzen doppelt zu. — Sintemal doch ein Tourist nicht ein mühselig Lastlhier ist, soll er sich nicht zu Leibes schaden beim Wandern wie ein Kameel beladen. — Bester ist es liegen bleiben, als übertreiben und aufreiben. — Wetzen hält im Mäh'n nicht auf, Sitzen hält im Geh'n nicht auf. — Bewahr' uns Golt vor Regen und Wind, vor Wandercum- panen, die langweilig sind. — Wenn ein Wetter dich umtost, laß nicht ab von einem Trost: Keinem Regen kanns gelingen, weiter als zur Haut zu dringen. — Eine Erholung thut man das Wandern nennen, — keine — dabei sportartig ren nen. — Fünzig Kilometer per Tag, kein Genuß, nur eine Plag'.