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ausgesprochen, daß einmal die Verträge, durch welche Jemand sich verpflichtet, einen Theil seiner geistigen oder körperlichen Arbeitskraft für die häusliche Gemein schaft, ein wirthschaftliches oder gewerbliches Unternehmen eines andern gegen einen vereinbarten Lohn zu ver wenden, sodanndasBergrecht, das Jagd-undFischerei- recht und außerdem das Wasserrecht mit Einschluß der Vorschriften über Bewässerung und Entwässerung für das deutsche Reich so bald als möglich einheitlich geregelt würden. Diese Erwartung wird sich vorläufig nicht erfüllen, da der Bundesrath in seiner letzten Sitzung beschlossen hat, den erwähnten Resolutionen keine Folge zu geben. Tas ist natürlich im Interesse eines einheit lichen Rechts für das ganze deutsche Reich lebhaft zu bedauern. Am 18. Januar soll es mancherlei Ueberraschungen geben,, der „Königsb. Allg. Ztg." zufolge, vielleicht auch neue Uniformen. Es handelt sich im Wesentlichen um Abschaffung des sogen. Ueberrocks, an dessen Stelle für den Dienst ein litewkenartiger Waffenrock nach österreichischem Schnitt in grauem Tuch treten soll, während der bisherige hellblaue Waffenrock nur für Paraden und Gesellschaftszwecke dienen soll. Auch sollen angeblich in der ganzen Armee durchweg die hellgelben naturfarbenen Stiefel, wie sie bisher nur die Jäger zu Pferde trugen, eingeführt werden. Die neue Kanalvorlage fordert, da sie eine er hebliche Erweiterung gegenüber der früheren erfahren hat, die nur den Rhein-Elbe-Kanal umfaßten . und 260^ Millionen beanspruchte, rund 389 Millionen Mark, und zwar für den Rhein-Elbe-Kanal die gleiche Summe, wie früher, 4IU/, Millionen für den Groß schifffahrtsweg Berlin-Stettin, 22,631,000 Mark für die Wasserstraße zwischen Oder und Weichsel, sowie die Schiffahrtsstraße der Warthe von der Netze-Mündung bis Posen, 4,100,000 Mark für den Schifffahrtsweg zwischen Schlesien und dem Oder-Spree-Kanal, 41 Millionen für die Verbesserung der Vorfluth in der unteren Oder, 9,670,000 Mk. für die Verbesserung der Vorfluth- und Schifffahrts-Verhältnisse in der unteren Havel und 9,336,000 Mk. für den Ausbau der Spree. Die Bauzeit soll auf 15 Jahre erstreckt werden. Be gründet wird die Vorlage im Wesentlichen mit Ver kehrsrücksichten, aber auch auf die strategische Bedeutung wird viel Gewicht gelegt. Es heißt darüber: Zur- Erfüllung der vielfachen Anforderungen, die während eines Krieges an die öffentlichen Verkehrswege, sowohl Seitens der Kriegführung, wie auch Seitens der natio nalen Volkswirthschaft gestellt werden, ist es von größter Bedeutung, daß neben den Landstraßen und Eisenbahnen Wasserwege zur Verfügung stehen, die die anderen Ver kehrswege, insbesondere die Eisenbahnen, entlasten und ergänzen können. Während die Wasserstraßen vorzugs weise zur Beförderung von Massengütern und zum Transport von Kranken und Verwundeten sich eignen, können die Schiffsgefäße mit ihrem großen Fassungs raum als schwimmende bewegliche Magazine und als bewegliche Kriegslazarethe nutzbar gemacht werden. Unter den projektirten Wasserstraßen ist die strategisch wichtigste der Rhein-Elbe-Kanal, weil er in Verbindung ' mit den bereits vorhandenen natürlichen und künstlichen i Wasserstraßen einen Zubringer sowohl zu unserer Operationsbasis im Westen (Rhein), wie im Osten (Weichsel, Warthe, Oder) darstellt, und weil er eine selbständige Operationsbasis bei einer Vertheidigung unserer Nordseeküste bildet. Alle anderen geplanten Ausbauten von Wasserstraßen verbessern die Leistungs fähigkeit des großen strategischen Wasserweges zwischen der Operationsbasis an der West- und Ostfront. Die Aussichten der Kanalvorlage werden im Allgemeinen nicht als ungünstig bezeichnet, nachdem die Hauptbe denken der landwirthschaftlichen Kreise durch die neulich erfolgte Zusicherung eines höheren Getreidezolles von Seiten des Grafen Bülow gemildert sind. Jm Uebrigen trägt der wesentlich erweiterte Gesetzentwurf auch den Wünschen des Ostens mehr Rechnung, als die früheren Entwürfe. Es giebt freilich auch abweichende Meinungen. Italien. Papst Leo XIII. hat eine neue lateinische Ode verfaßt, die soeben in einem römischen Blatte veröffent licht wird. In der Ode werden alle dem Papstthum im vergangenen Jahrhundert zugefügten Unbilden beklagt und alle Hoffnungen auf Besserung auf das neue Jahr hundert gesetzt. Die officielle Schließung des heiligen Thores des Petersdomes ist durch den Kardinal Dello Volpe, den Majordomus des Vatikan, erfolgt. Durch eine Lawine sind mehrere Dutzend Häuser des süd französischen Ortes Cauz verschüttet. Menschenleben sind nicht zu beklagen. Wegen der in Konstantinopel vorgc- kommenen Pestfälle ist von Rumänien aus aller Passa gier- und Waarenverkchr mit der türkischen Hauptstadt der strengsten Quarantäne unterworfen. Bulgarien er greift dieselbe Maßnahme. England. Aus Montreal in Canada wird der „Frkf. Ztg." ge schrieben: England sucht seine Polizeitruppe für die Burenstaaten zum guten Theil in den Kolonieen, vor nehmlich in Australien und Canada, vollzählig zu machen, da der Andrang im eigenen Lande ein sehr lauer ist. Canada macht aber nicht mit, seine Angehörigen haben von dem Feldzug in Süd-Afrika mehr wie genug. In Folge der allgemeinen Abneigung wird auch der Köder England's, den Canadiern bei tausend Mann zu stellender Polizeitruppen 20 bis 25 Offizierstellen offen zu halten, wenig ziehen. Alle, welche aus Süd-Afrika glücklich heimgekehrt sind, sagen: Einmal und nicht wieder! Serbien. König Alexander von Serbien hat am Sonnabend die Skupschtina mit einer Thronrede eröffnet, die zu nächst die Heirat des Königs erwähnt, mit wlcher der selbe sein Lebensglück begründet habe. Dieser Bund sei von Gott gesegnet, da die Königin sich in gesegneten Umständen befinde. Hierauf stellt die Thronrede mit Befriedigung die freundschaftlichen Beziehungen zu allen Staaten fest und verurtheilt mit scharfen Worten das Walten der vorigen Regierung, welche das Land der Anarchie nahegebracht habe. Der König sei überzeugt, daß die heutige Regierung, zumal da Milan endgiltig und für immer das Land verlassen habe, Serbien einer besseren Zukunft entgegenführen werde. Spanien. Aus Madrid wird der „Frkf. Ztg." gemeldet, daß die Karlisten sich in Spanien rühren. Der Waffen- fchmnggel wird eifrig betrieben, oft auch erfolgreich. Vier Kriegsschiffe werden unverzüglich in Stand gefetzt, um die Küsten, besonders die von Biscaya, zu über wachen. In Katalonien herrscht Unruhe, die Regierung hegt aber die Zuversicht, jede Rebellion sofort Nieder schlagen zu können. Augenscheinlich fehlt es den Auf standslustigen an einem entschlossenen Führer. Die Insel Salvora an der Küste von Galicien wurde von der spanischen Regierung angekanft, um deren Verkauf an England zu verhindern. Die Insel gehörte einem spanischen Privatmann. Asten. Die gemeinsame Note der Mächte wegen der Friedensbcdingungen wird nun von den chinesischen Be vollmächtigten Tsching und Lihungtschang unterzeichnet, und dann wird man weiter warten können. Tenn eS ist so sicher, wie zweimal zwei gleich vier, daß dann erst, vielleicht nach einer kleinen Pause, das Herum markten um die Details beginnen wird, namentlich wegen der Strafen für die Hauptschuldigen und der Ent schädigung. Daß der Kaiser von China nicht nach Peking gelassen wird, bevor nicht Prinz Tuan, General Tungfuhsiang und Consorten es schwarz auf weiß haben, daß sie mit einem blauen Auge fortkommen, ist selbst verständlich, es kann also inzwischen noch mancherlei passiren. Einzelne Banden tauchen noch immer auf und geben den europäischen Truppen Beschäftigung, und wer weiß, ob es am Ende trotz allem Bisherigen nicht doch nöthig wird, daß Graf Waldersee eine Kolonne nach Singanfu schickt und dort den chinesischen Hof aufheben läßt. Dort sollen noch immer ziemlich viel Truppen stehen, und diese gehorchen blind den Europäer feinden. Daß die chinesischen Hofkreise noch sehr wenig gedemüthigt sind, ergiebt sich aus den hochtrabenden Worten des in Peking anwesenden Prinzen Tschhun, des Bruders des Kaisers. Tschhun soll eventuell als Abge sandter an den deutschen Kaiser nach Berlin gehen. Aber man kann nur wiederholen: Erst abwarten, bis es so weit ist. Wegen des russischen Verhältnisses zu China und zur Mandschurei werden noch immer mancherlei Worte gemacht. Wozu das Alles? Der Zar hat diese chinesische Provinz und wird sie behalten, gleichviel, ob darüber noch ein paar Ries Papier vollgeschrieben werden oder nicht. Afrika. Tie englischen Depeschen über die Buren sind heute noch mehr als je, was sie meist freilich waren, leeres Stroh. Sie besagen allenfalls, was die Briten wünschen, Weiter nichts. Ebenso stehts auch mit der Angabe, es seien im Ganzen 15,182 Buren gefangen. Davon sind kaum zur Hälfte wehrfähige Männer, zum Andern sind es Greise, Krüppel, Weiber, Kinder, Ochsentreiber, ver dächtige Ausländer usw. Außer Cronje's Colonne sind nie mit einem Male wirklich bedeutende Burentrupp's gefangen. Hingegen erzählt man nicht, daß die Buren ihren englischen Gefangenen jetzt die brauchbaren Beinkleider zum eigenen Gebrauch fortnehmen und Unterhaltungstheil. Der Engel von Weitzfeld. Bon Adolf Reiter. 61) (Fortsetzung.) Martha perlten die Thränen über die Wangen. „Veronika, ich bitte Sie, nur heute nicht. Ich weiß eigentlich nicht, was mich jetzt drückt. Ist es die Ein samkeit meines Vaters, welcher mich immer zum Besuch auffordert, oder sind es Reminiscenzen aus der Ver gangenheit, genug: ich fühle mich heute nicht wohl. Aber ich hole nachher die Kinder, um mit ihnen auf der Wiese zu spielen. Ich habe es den Kleinen übrigens Versprochen, und sie waren darüber sehr erfreut. Diese Zerstreuung allein thut mir wohl, während ich Ihnen bei meiner gegenwärtigen Stimmung nur lästig bin." „Nun ich gehe, Martha, ich weiß nicht, was ich mit Ihnen machen soll — und mein Bräutigam wartet; aber ich gebe ihm dafür einige Küsse mehr. Adieu, mein Kind!" — Milde und freundlich fielen am anderen Morgen die Strahlen der aufgehenden Sonne in Martha's Zimmer. Die früher „glückliche Gattin" des Grafen Hero von Luxemburg hatte viel, sehr viel und lebhaft von ihm geträumt — sie wäre wieder, und zwar diesmal sein rechtmäßiges Weib geworden. Er hätte ihr über Alles genügende Aufklärung gegeben, und nun fühlte sie sich auch wieder so unaussprechlich glücklich, so selig — und aus diesem beseligenden Traume war sie an dem schönen Morgen erwacht. Sie legte sich das leichte Morgen-Negligee an, und bevor sie den heraufgebrachten Kaffee trank, setzte sie sich an den Flügel, der ihr auf ihrem Zimmer zur Verfügung stand; sie spielte mit Be geisterung eine Chopin'sche Etüde, als Veronika, und diesmal langsam und verweint eintrat. Martha hörte darüber sofort auf zu spielen. Erschrocken erhob sie sich und trat auf die Eintretende zu. „Wie sehen Sie aus, liebe Veronika? Sind Sie j krank?" „Ach liebste Martha, ich habe fast die ganze Nacht nicht schlafen können" .... Sie brach ab, umarmte die Gouvernante, lehnte ihr Haupt an deren Busen und fing an, laut zu schluchzen. „Still, still! Was drückt Sie denn so sehr, meine Theure? Heraus mit der Sprache! — Ich muß es wissen, und zwar so schnell wie möglich." „Sie sollen es auch wissen, liebe Martha, und nur Sie allein. Ich bin zu stolz, um noch Anderen mein Leid zu klagen. — Als ich gestern Abend mit meinem Buäutigam in der Veranda allein saß, stieß er wie un willkürlich bei unserer etwas ernsten Unterhaltung — weiß Gott, er ist fast immer ernst — einen tiefen Seufzer aus. „Arthur, Du seufzest?" sagte ich. „Sprich, was giebt Dir Veranlassung dazu?" — Er fuhr wieder wie aus einem Traume auf und sagte: „Nichts, was Dich beunruhigen kann, mein Lieb. Ich dachte momentan an meine Vergangenheit zurück, und bei dieser Erinne rung steigt vor meinem geistigen Auge dann immer noch so manches Bild empor, welches auf Augenblicke mich zu fesseln vermag. Doch jetzt, meine Veronika, gehöre ich nur Dir mit der ganzen Liebe meines Herzens an." Das sagte er nur aber, Martha, allein er litt, und ich konnte mich nicht entschließen, ihn um genauere Beschreibung der vor seinem geistigen Auge noch immer aufstcigenden Bilder zu bitten. Ich hatte Mitleid mit ihm." „Liebe Veronika, auch ich habe mit ihm Mitleid. Aber Sie haben sich mit ihm verlobt! Bemühen Sie sich nur, ihm alles Das zu sein, was ihn noch in die Veegangenheit zurück versetzt. Ist er in der That ein guter Mensch, was Sie ja behaupten, dann seien Sie gewiß, daß Sie seine Stimmung bald so finden werden, wie Sie es sich wünschen." Martha dachte an „ihren Hero". Veronika's Geburtstag war herangenaht; er sollte diesmal ganz außerordentlich glänzend gefeiert werden. Die umfassendsten Vorbereitungen, namentlich auch die zu einem großartigen Maskenball, waren getroffen wor den, und zwar mit einer Genauigkeit, als sollte eine Vorstellung auf der Bühne gegeben werden. Graf von Troczyn hatte sich für das Costüm des Shakespeare'schen „Romeo" entschieden und Veronika wollte seine „Julie" sein. Dementsprechend hatten sich auch die übrigen Tänzer und Festtheilnehmer ausstaffirt; es waren die Ritter mit ihre« Edeldamen, die Hofnarren, Bauern, Blumenmädchen, Pagen, Akrobaten, Gaukler, ehrwürdige Patres — kurz, es waren die Personen, wie sie von den Historikern bei der Schilderung der großen Feste an den Höfen im Mittelalter genau und wahrheitsge treu gezeichnet worden sind. Frei und ungezwungen tummelten nach der Eröffnung des Balles all die fröh lichen Theilnehmer durcheinander, und ein solches Fest hatte sich die Frau des Hauses zu Ehren ihrer heißge liebten Tochter, welche das Elternhaus in nun nicht mehr langer Zeit verlassen wird, auch so herzlich ge wünscht. Das gauze Schloß Magyarok war heute wie in ein öffentliches Ballhaus einer Weltstadt umgewan delt. Draußen, an den Veranden und Pforten brann ten Lampions in den verschiedensten Farben. Drinnen waren alle Nischen, Vestibüle und Winkel mit frischen exotischen Blumen, Bäumchen und Blattpflanzen geziert, und der süße Wohlgeruch der Blumen durchdrang die sämmtlichen Räume. Pnnkt neun Uhr wurde durch kräftige Fanfaren das Signal zum Beginn des Balles gegeben. Nun ordnete sich der lange „mittelalterliche" Zug; die glänzende Ge sellschaft trat paarweise, „Romeo und Julie" an der Spitze, in den großen Ahnensaal, wo der Tanz nach alterthümlichem Reigen sogleich begann. (Fortsetzung folgt.)