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I. Mage M Schönburger Tageblatt. 180. 1901. Sonntag, de« 4. Augnft MKmMrt dmlß -kNlNijkalislhmMipeü Von I. Köster-Düsseldorf. Nachdru^ verboten. III. Die heiligen drei Könige. — Auckland. — Ein Landungs manöver. — Deutsche Ansiedler. — Von Auckland nach den Tongainseln. — Orkan. Nachdem wir die australische Küste verlassen hatten, wurden wieder Segel gesetzt und unter diesen allein die Reise fortgesetzt. Nach etwa 7tägiger Reise kamen an Steuerbord vor- SLs drei vereinzelt liegende Inseln in Sicht, die man mit Nc len „tste tstree kinAs" (heilige drei Könige) belegt lat. Die „Isis tstrss Irinas" bilden nach Nor den so Ziemlich den Anfang der neuseeländischen Insel gruppe Bald kam auch die nördlichste Spitze Neusee lands lin Sicht, das Nordkap. Wir steuerten jetzt süd östlich längs der neuseeländischen Küste; zu unserer Rech ten zog sich die Neuseeland von Norden nach Süden durchschneidende Gebirgskette, welche auf der südlichen Insel einen alpenartigen Charakter annimmt. Mit ewigem Schnee bedeckte Gletscher, welche häufiger bis zu 200 Meter Meereshöhe herabreichen, gewähren einen impo santen Anblick. Namentlich zur Nachtzeit, wen» der am Ufer des großen Binnensees Taupo liegende thätige Vulkan Tongariro (2246 Meter hoch) seine feurigen Garben zum Himmel sendet, ist das Bild ein unsagbar schönes. Am Morgen des neunten Tages liefen wir die Waite matabucht des Haurakigolfes, die den Hafen von Auck land bildet, ein und gingen daselbst vor Anker. Kaum waren wir fest, als auch schon zahlreiche Lands leute an Bord der Schiffe zu gehen wünschten. Es war nämlich das erste Mal, daß Deutschland durch solch' stattliches Geschwader in Neuseeland vertreten war. Bisher waren immer nur von Zeit zu Zeit die in der Südsee stationirten Schiffe, meistentheils Kanonenboote, in Auckland Vorgesprächen. Um die Bordroutine nicht zu stören, wurde den Frem den der Besuch der Schiffe nur am Sonntag und Don nerstag Nachmittag gestattet und dies öffentlich durch die Zeitungen Aucklands bekannt gemacht. Nun hätten die werthen Leser einmal die Völker wanderung sehen müssen, die an diesen Nachmittagen sich au Bord der Schiffe wälzten. Fortwährend hatten zwei Dampfer zu thun, um den Verkehr zu bewältigen. Wir erhielten in Folge dieses zahlreichen Besuchs reich lich Urlaub, was um so mehr angängig war, ais der Hafen von Auckland sehr geschützt ist und zu keiner Ge fahr für die Schiffe Anlaß bot. Auckland liegt am Isthmus von Auckland und am Fuße des längst erloschenen Vulkans Mount-Eden, ist Sitz eines deutschen Konsulats, eines englischen und römisch-katholischen Bischofs, hat Eisenbahnverbindung nach dem Innern, gute Schulen, darunter das University- College, und einen wundervollen botanischen Garten. Auckland hat einen vortrefflichen Hafen und ist Station der zwischen San Francisco und Sidney verkehrenden Dampfer der Australian und Amerikan Navigation Compagnie. Am Tage nach unserer Ankunft kam dann auch einer dieser Dampfer von Sidney und brachte unsere Deser teure wieder mit. Kaum war der Dampfer mit dem Vordertheil am Bollwerk fest, als auch schon die Vier an Land setzten und sich für den laufenden Tag in Auckland amüsirten. Abends meldeten sie sich an Bord. Sie wurden bald darauf vor's Standgericht gestellt und zu 9 Wochen strengem Arrest und in die Kosten Verurtheilt. Von ihren ersparten Geldern mußten sie die Ueberfahrtskosten, die sich auf mindestens 150 Mk. beliefen, bezahlen. Nach Rückkehr in die Heimat wurden die vier Deserteure auf Verfügung der Admiralität ent lassen, da brauchbare Unteroffiziere aus solchen Ele menten doch nicht herangebildet werden können. Einen derselben habe ich später an Bord der amerikanischen Korvette „Marion" wiedergetroffen. Derselbe war zu! jener Zeit ganz verbummelt und dem Trünke und son stigen Lastern ergeben. Es ist dies in der amerikanischen Marine mit ihrem Werbesystem durchaus kein Wunder zu nehmen. Wie des „Königs Rock" in monarchisch regierten Ländern, so soll auch in Amerika der Soldaten rock ein Ehrenkleid sein. Nur Männer von gutem Charakter und unbescholtenem Rufe sollen dem Gesetze nach in die Bundesmarine anfgenommen werden. Wie es gehalten wird, hat uns der spanische Krieg gezeigt. Als zu Beginn des Krieges Vorschläge taut wurden, die körperlich kräftigen und diensttauglichen Sträflinge in die Armee oder Marine zu stecken und gegen die Spanier loszulassen, hielt man dieselben für Scherz. In Wirklichkeit aber sind eine Anzahl junger Burschen, die von der New-Uorker Reformanstalt Elmira „auf Parole" entlassen waren, in die Kriegsarmce ausge nommen und dort, Tank dem ihnen in der genannten Anstalt zu Theil gewordenen militärischen Drill, bald Unteroffiziere geworden. Vor Kurzem erst wurde vom Präsidenten Mac Kinley ein gewisser Josef Wolfson, der vor mehreren Jahren eine Bank in New-Orleans um rund 35,000 Dollars beschwindelt hatte und dieserhalb zu acht Jahren Zuchthaus verurtheilt worden war, be gnadigt, obgleich seine Schuld klar erwiesen ist und er keinen Tag der ihm zugemessenen Strafe abgesessen hat, weil — Wolfson sich in der Armee ausgezeichnet hat, in die er nach seiner Verurthcilung eingetreten war. Wolfson legte gegen das Urtheil Berufung ein und wurde nun auf freien Fuß gesetzt. Er ging nach Cuba und später nach den Philippinen, lenkte die Aufmerksamkeit seiner Vorgesetz ten auf sich und rettete sich so vor einer langjährigen Zuchthausstrafe durch seinen dreijährigen Soldatendienst. Aus diesen Vorkommnissen kann man ungefähr folgern, was in Amerika das „Ehrenkleid" des Soldaten bedeutet. In Auckland hatten wir übrigens einen wirklichen Fall von Desertion zu verzeichnen, den einzigen, den wir während unseres zweijährigen Anbordseins erlebten. Durch die in den beiden Auckland-Zeitungen, dem „New Zealand Herold" und dem „Auckland Evenning Star", erlassenen Bekanntmachungen unseres Geschwader- Commandos kamen die Besucher von Nah und Fern herbeigeströmt, um die heimatlichen Schiffe zu besuchen. Bei dieser Gelegenheit hatte ein Mann von uns, ein biederer Sohn Ostfrieslands, die Bekanntschaft eines deutschen Farmers gemacht, der Mitte der sechziger Jahre ebenfalls nach Neuseeland ausgewandert war, weil er sich als Ostfriese und königstreuer Hannoveraner mit den preußischen Verhältnissen nicht befreunden zu können glaubte. Dieser Farmer kam auch mit seinen beiden Töchtern aus dem Innern Neuseelands zum Besuch der deutschen Schiffe und machte bei dieser Gelegenheit die Bekanntschaft unseres Ostfriesen. Ob er nun diesen verleitet, oder ob die holden Neuseeländerinnen es unserem Jean angethan hatten, weiß ich nicht, er verschwand aber eines Nachmittags spurlos von Bord, auf Nimmer- wiedersehn. Für mich hätte die Sache beinahe unan genehm ausfallen können. Wir waren nämlich an dem betreffenden Sonntag-Nachmittag zusammen auf Sicher heitswache und zwar gemeinschaftlich als Posten vor der Admiralskajüte. Während Freund Jean von 2—4 Uhr Posten stehen mußte, hatte ich denselben um 4 Uhr abzulösen. Auf seinen Wunsch wechselten wir unsere Nummern und zwar so, daß er mich um 4 Uhr ab löste und ich für ihn von 2—4 Uhr den Posten über nahm, um seinen Onkel und seine Cousinen begleiten zu können. Es wurde 4 Uhr, es wurde 5 und 6 Uhr, kein Jean war zu sehen. Als schließlich die Fremden von Bord waren und die Sicherheitswache zur Flaggenparade befohlen wurde, stellte sich heraus, daß mein Jean verschwunden war. Ich war mir so fort der Consequenzen bewußt, die für mich aus dem willkürlichen Nummerwechsel entstehen konnten. „Beihilfe zur Fahnenflucht", Standgericht und ähnliche schöne Sachen dämmerten schon in mir auf, weshalb ich für rathsam hielt, mich dumm zu stellen. Ich gab auf Befragen dahingehende Auskunft, daß ich Jean um 4 Uhr abgelöst und seitdem nicht mehr gesehen hätte. Damit war für mich die Sache abgethan. Trotzdem sofort Patrouillen an Land geschickt und ein hoher Geld preis für die Wiederergreifung des Deserteurs ausgesetzt Untsrhaltungstheil. . Das Geheimnitz der „Maria". Novelle von Anton v. Perfall. 16' (Fortsetzung!. „Gehe ich heute nach Sacramento?" Diese Frage drängle sich ihm immer wieder auf. „Gehe ich heute nach Sacramento? Zu Alice? Wenn sie vielleicht auf mich wartete, vergeblich nach mir aussähe?" Plötzlich sprang er auf und hieb wieder mit neuer Wuth auf das Gestein, in das bereits ein ansehnlicher Gang geöffnet war, so lange, bis die Sonnenstrahlen schräger fielen. Dann ward er unruhig, setzte jeden Augenblick aus, sah nach der Sonne — sie kroch heute auch ausnehmend langsam den golden erglänzenden Hügeln zu — und sichtlich erfreut warf er die Picke weg, als endlich gerade über ihm eine bekannte Stimme erscholl: „Halloh! Sennor, wollt Ihr heute noch quer durch Norcroß graben?" Er sah empor und erblickte das gutmüthige Gesicht Martellos', das sich über die Felsen beugte. „Geht Ihr mit nach Sacramento? Ist doch ein anderes Leben dort als hier in diesem Neste, und wenn man sich den ganzen Tag geschunden hat, darf man sich schon 'was gönnen!" „Ich gehe mit," antwortete schnell entschlossen Bill, „und zwar sofort, sonst kommt Fimey wieder, und Ihr scheint nicht gerade sein Freund zu sein." „Und Ihr auch nicht, meine ich," entgegnete Mar tellos. „Wer ist auch dessen Freund! Der Teufel, sonst niemand. Aber Ihr werdet sehen, er läßt Euch nicht mehr los; wer weiß, was er mit Euch vor hat? Aber seid versichert, wenn er am freundschaftlichsten mit Euch ist, ist er Euer größter Feind." „Hört, Martellos," sagte plötzlich Bill, der offenbar nur zerstreut die Worte desselben angehört, „was würdet Ihr dazu sagen, wenn Miß Alice Madame Fimey würde?" Martellos brach in ein schallendes Gelächter aus. „Habt Ihr von der dummen Geschichte auch schon gehört? O, ich glaub's, daß die beiden Schufte irgend einen schmutzigen Handel mit dem Mädchen ausgleichen wollen — das glaube ich schon, aber kennt Ihr das Mädchen?" „Erst seit gestern." „Nun, ich sage Euch, die ist den beiden Schelmen gewachsen, so zierlich sie ist, und sie schießt Fimey eher über den Haufen, ehe sie ihn zum Mann nimmt. Für Euch wäre das ein Mädel! Macht Euch frisch dran, nur nicht bescheiden sein in diesem Lande, der Fimey soll Euch nicht im Wege stehen. Ihr seid wohl schon selbst auf den Gedanken gekommen, he? — Jawohl, ich seh's Euch an, gesteht mir's nur — o, jetzt versteh ich alles!" „'s ist so, Martellos, wie Ihr denkt," entgegnete zögernd Bill, „ich wollt's niemand sagen, aber da Ihr es errathen habt — und Euch vertrau' ich auch. Ich liebe das Mädchen, obwohl ich nur eine Stunde mit ihr gesprochen habe." „Eine Stunde! Uebrigens genug in diesem Lande, 's ist auch ein liebes, braves Ding! Euch würde ich sie gönnen, und wer weiß, vielleicht könnt Ihr mich noch brauchen, dann wendet Euch nur an mich." Bill drückte dem Kalifornier bewegt die Hand. „Ich werde mich an Euch erinnern, wenn's mir an Freunden gebricht, Martellos." Die beiden waren rasch gegangen, damit nicht etwa Fimey sie einhole, und hatten Minershome erreicht, als eben die Dämmerung eintrat, der in Kalifornien schnell die Nacht folgt. Der Spielsaal war hell erleuchtet und bot dasselbe bewegte Bild wie tags zuvor. Bill faßte Martellos, den es unwillkürlich an den Spieltisch hinzog, unter den Arni und bat ihn, für heute ihm zuliebe das Spiel zu unterlassen. Auf den ersten Blick hatte er ge sehen, daß Alice nicht im Locale sei. Es war auch keine Zeit für sie. An der Bar drückte, drängte und lärmte ein buntes Völklein. ' Der „Barkeeper" konnte nur mit Mühe mit allen fertig werden, der Whisky floß in Strömen. Martellos gab nach, setzte sich mit Bill an einen Tisch und bestellte Wein. Doch die Unterhaltung zwischen beiden wollte nicht recht in Fluß kommen. Bill dachte an Alice, sein Auge ruhte unverwandt auf der Thür, durch welche sie gestern eingetreten war, und die sich seiner Idee nach jeden Augenblick öffnen mußte. Oder kam sie gar nicht? Er fühlte sich unendlich verlassen bei diesem Gedanken, wie Heimweh drückte es auf seine Seele. Martellos verwandte keinen Blick von dem Menschen knäuel am Spieltisch. Er konnte vom Spiele selbst nichts sehen, aber der verführerische Klang des Goldes, die Ausrufe des Bankhalters hielten ihn in ständiger Aufregung. Als Bill nach einer Weile sich wieder nach seinem Kameraden umwandte, war dieser verschwunden, und vom Spieltische herüber ertönte seine laute Stimme, mit der er seine Einsätze ausrief. Da knarrte die Thür bei der Bar. Bill warf es völlig herum, Alice blickte durch eine schmale Spalte in den Raum. Sie suchte offenbar jemand, wohl ihren Vater. Ihre Blicke schienen jeden Winkel zu durch forschen, da trafen sie auf ihn, und das plötzliche Auf leuchten des jugendlichen Antlitzes verrieth deutlich, wen sie gesucht. Ja, noch mehr — sah er denn auch recht — sie winkte ihm! Noch einmal — sie winkte! und die Thürspalte schloß sich. Oder war es seine erhitzte Phantasie? Alice rief ihn zu sich, insgeheim, in die Nacht hinaus! So sehr es in ihm glühte bei dem Ge danken, es wäre ihm fast lieber gewesen, er hätte sich getäuscht. — War sie so leicht zu gewinnen? Gleich viel, folgen mußte er. (Fortsetzung folgt.)