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egypüsche Frage auf die Tagesordnung der europäischen Diplomatie setzen, und wenn auch diese Mittheilungen in den letzten Tagen wieder als kaum begründet oder doch verfrüht bezeichnet worden sind, so scheint doch England unter dem Drucke einer derartigen Besorgniß es für angezeigt zu halten, wie man hört, mehr Truppen und Schiffe nach Egypten zu fenden, angeblich, „um die Ordnung aufrecht zu erhalten." Lord Cromer, der „englische Khedive" von Egypten, der in London neue Instructionen geholt hat, ist dieser Tage wieder in Alexandrien eingetroffen. Was sich jetzt in Egyptm und Indien vorbereitet, verdankt England dem Haffe der mohammedanischen Welt, den seine Politik so thöricht herausgefordert hat. Zu spät sieht man dies in London ein. Das Schicksal geht seinen Weg. Auch in Südafrika sieht England in dem Augenblicke, wo es erneut dessen telegraphische und postalische dirccte Verbindung mit dem Nilgebiet ins Auge faßt (der alte Plan scheiterte bekanntlich an Deutsch lands Widerstand), durch eigene Schuld Ereignisse heran nahen, die der Zukunft dieser Kolonie eher ein hollän disches als ein englisches Gepräge verheißen. In so großen Sorgen zieht England jetzt gegenüber Deutschland andere Saiten auf. Die englische Presse entdeckt einmal wieder den deutschen Vetter. So hat z. B. der „Daily Telegraph" Deutschland zu dem Stapellauf des prächtigen Kriegsschiffes „Fürst Bismarck" beglückwünscht und den Flottenplan der deutschen Regie rung mit dem Bemerken befürwortet, jeder verständige, weitschauende Engländer hege den Wunsch (!), daß Deutschland auch zur See stark sei. England habe nie mit Deutschland oas Schwert gekreuzt, aber ost an seiner Seite gesochten, und es werde an Deutschland, nicht an England liegen, wenn die natürliche Freundschaft, welche zwischen Teutonen und Angelsachsen bestehen sollte, sich nicht befestige. Wie unter anderem aus einer neuer lichen Betrachtung der deutsch-englischen Beziehungen seitens des „Standard" erhellt, möchte man in Downing Street wieder in ein besseres Verhältniß zu dem Deut schen Reiche gMngen. Der „Standard" steht in engen Beziehungen z^>em gegenwärtig am Ruder befindlichen Cabinet, und ist er auch nicht geradezu officiös, so be steht doch niemals ein wesentlicher Unterschied zwischen der Auffassung deS jetzigen Ministeriums und derjenigen der „Standard"-Redaction. Der „Standard" nun be streitet mit fast komischer Naivität, um nicht zu sagen Heuchelei, daß die Engländer gegenüber den Fortschritten des deutschen Handels irgendwelche Eifersucht empfänden, nennt die Meinung, daß England über die deutsche Colonialbewegung verstimmt sei, „ebenso lächerlich, wie wenn in Deutschland jemand vor der englischen Armee Befürchtungen hege," und behauptet schließlich gar, daß es „nicht noch zwei Staaten gebe, die so wenig Ursache hätten, mit einanoer zu hadern, wie eben England und Deutschland." Dergleichen hat man in England schon sehr ost gesagt, und immer dann, wenn man den deutschen Michel zu einem Geschäft einfangen wollte, das notwendig zu seinem Schaden ausschlagen mußte. Bei der noch immer mangelhaften Entwickelung des deutschen Nationalgefühls kann man sich leider nicht darüber wundern, daß es trotz aller üblen Erfahrungen noch deutsche Blätter giebt, die sich durch einige gnädige Worte John Bulls hoch geehrt fühlen und alsbald für die Wiederherstellung eines freundschaftlichen Verhältnisses zu England das Wort nehmen. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser hörte Sonnabend früh im Neuen Palais bei Potsdam den Vortrag des Militärcabinets. Nach der Nagelung der Fahnen im Berliner Zeughause nahm der Kaiser militärische Meldungen entgegen und besichtigte demnächst mit der Kaiserin die Modelle zum Bismarck- Denkmal im Akademiegebäude. Die Rückkehr nach Pots dam erfolgte nachmittags. Sonntag Vormittag fuhr der Kaiser wieder nach Berlin und wohnte der Fahnen weihe bei. Abends fand bei den Majestäten größere Tafel statt. Am heutigen Montag Vormittag trifft das Kaiserpaar zur Denkmalsenthüllung in Wiesbaden ein. Wie es heißt, werden die Majestäten am Dienstag das Zarenpaar in Darmstadt besuchen. In Sigmaringen ist am Sonnabend das von dem Fürsten von Hohenzollern errichtete Denkmal Kaiser Wilhelm's I. enthüllt worden. Ein feierliches militärisches Ereigniß sand im Beisein des Kaisers der Reichshauptstadt statt: am Sonnabend die Nagelung der den neuen Jnfanterieregimentern ver liehenen Fahnen und am Sonntag die Weihe der selben. Zu der bei herrlichstem Wetter vollzogenen Feier waren die commandirenden Generale und von jedem der neuen Regimenter eine Abordnung, bestehend aus dem Commandeur, einem Offizier und einem Unter offizier, erschienen. Die Nagelung der 63 neuen Fahnen ging in der Ruhmeshalle des Zeughauses vor sich. Das Kaiserpaar, die sechs kaiserlichen Prinzen und ihre Schwester, lowie zahlreiche andere Fürstlichkeiten nahmen daran thcil. Der Kaiser trug die Paradeuniform des 5. Garde regiments mit Band und Kette vom Schwarzen Adler ¬ orden, die Kaiserin eine lila Sammetrobe mit hellblauem Sammethut. Die älteren Prinzen erschienen mit Aus nahme des Prinzen Adalbert, welcher Marineuniform angelegt hatte, in der Uniform des 1. Garderegiments, die beiden jüngsten in Blousen, die kleine Prinzessin in blausammtnem Paletot. Der Kaiser schlug mit dem Stahlhammer den ersten Nagel bei der Fahne des 1. Bataillons 5. Garderegiments fest; ihm folgten die Kaiserin, die Prinzen, der Reichskanzler u. s. w. bis zum Fahnenträger. Die Weihe ging vor dem Denkmal Friedrichs des Großen von Statten, wo ein Altar er richtet war, flankirt von zwei Kanonen. Die Truppen hatten zu beiden Seiten der Linden vom Zeughause bis zum Denkmal Aufstellung genommen. Dank der milden Handhabung der polizeilichen Absperrung konnte viel Publikum der Feier beiwohnen, und dieses brach in brausende Hurrahrufe aus, als der Kaiser vom Schlöffe her zu Pserde nahte. Unter den Klängen des Präsentir- marsches ritt der Monarch durch die Mitte der Aus stellung bis vor den Altar, woraus die Truppen „Ge wehr über" und „Gewehr ab" nahmen und die neuen Fahnen anrückten. Mit dem Gebet aus dem Zapfen streich, geblasen von den Trompetern der Gardes du Corps und Gardekürassiere, begann die Feier. Während der nun folgenden Weihe, wobei Garnisonpfarrer Goens sprach, feuerte die Leibbatterie des 1. Garde-Feldartil- lerieregiments 33 Schüsse im Lustgarten ab. Nachdem der Kanonendonner verhallt, präsentirten die Truppen, die Musik spielte das Niederländische Dankgebet. General oberst Graf Waldersee brachte ein dreimaliges Hurrah aus den Kaiser aus, das von den Soldaten ausgenommen wurde und in die Nationalhymne ausklang. Der Kaiser hielt an die Commandeure der Regimenter, welche Fahnen erhalten haben, eine kurze Ansprache. Mit einem vor züglich ausgesührten Parademarsch schloß die erhebende Feier. Dem Fürsten Bismarck sandte der in Hamburg ver sammelte Ausschuß der deutschen Turnerschaft folgende Depesche: „Dem treuesten, an Leib und Seele gefestigten deutschen Manne, der seinem Volke das höchste Gut, ein Vaterland gegeben, Gruß und Dank und heiße Wünsche für noch langes Leben und für Hüten seines Werkes. Wir geloben allezeit treu zu bleiben!" Die Antwort lautete: „Verbindlichsten Dank und Gut Heil, von Bis marck." Nunmehr publicirt auch der Reichsanzeiger die Er nennung des Directors Gäbel zum Präsidenten des Reichsversicherungsamts und die Ernennung Or. Sarrazins zu dessen Nachfolger. Dem bisherigen Unterstaatssekretär im Reichspostamt Or. Fischer ist sicherem Vernehmen der „Nat.-Ztg." zufolge der nachgesuchte Abschied bewilligt worden. Der Staatssekretär des Innern Graf Posadowsky ist seit einigen Tagen bettlägerig erkrankt; er war be reits am Freitag vergangner Woche behindert, der Sitzung des Bundesraths beizuwohnen. Die Beurlaubung des Admirals v. Knorr wird, wie dem „Hamb. Corr." entgegen dem ofsiciösen Dementi aus Berlin geschrieben wird, in Marinekreisen thatsäch- lich als Einleitung zu seinem Rücktritte angesehen. Knorr trage sich mit Rücksicht auf seine Gesundheit schon seit längerer Zeit mit Abschiedsgedanken und habe bereits diese Absicht in bestimmter Form kund gegeben. Die deutsche überseeische Auswanderung sinkt stetig. Im September d. I. wanderten aus 2742 Personen gegen 3177 im September 1896. Aus deutschen Häfen wurden noch 7746 Angehörige fremder Staaten befördert. Die Einführung einer Klafsenlotterie in Bayern wurde von dem Finanzminister Frhrn. v. Riedel in der Abgeordnetenkammer sehr entschieden bekämpft, da die Betriebskosten einer solchen Lotterie in keinem Verhält nisse zu dem Ertrage stünden. Auch würde der Staat mit Einführung der Lotterie das Volk zur Spielleiden schast erziehen. Ein auf die Einführung einer Staats lotterie in Bayern abzielender Antrag Sigl wurde darauf nach langer Debatte abgelehnt. An Wechselstempelsteuer wurden vereinnahmt im Reiche im September 824,858.60 Mk., in der Zeit vom 1. April bis 30. September d. I. 4,825,706.60 Mk. oder 360,214.50 mehr als in demselben Zeitraum des Vorjahres. Eine Obstausstellung mit Obstmarkt sollte dieser Tage in Tilsit eröffnet werden. Es waren jedoch nur drei Aepfel und drei Birnen ausgestellt, sodaß man in folge dessen die Ausstellung schloß, ehe man sie eröffnet hatte. Käufer waren aus verschiedenen Städten erschienen, die jedoch keinen Kauf abschließen konnten und mit ziem lich gemischten Gefühlen ihre Heimreise antraten. Wenn die Landwirthe dem heimischen Obstbau so wenig Interesse entgegenbringen, können sie sich nicht wundern, daß die Einfuhr amerikanischen Obstes einen immer größeren Aufschwung nimmt. Uebcr die „deutsche Krisis" veröffentlicht Jules Roche im Pariser „Figaro" einige Leitartikel, aus denen wiederum hervorgeht, wie die Persönlichkeit des deutschen Kaisers diejenige ist, welche das gesammte europäische Interesse in ganz unvergleichlich hohem Maße auf sich concentrirt. Jules Roche, der frühere Handelsminister in Frankreich, versteht unter der deutschen Krisis den Kamps um den Ausbau der deutschen Flotte, nach seiner Auffassung eines der größten politischen und philosophi schen Ereignisse der Gegenwart. Es handle sich dabei um den entscheidenden Triumph des allgemeinen Wahl rechts und des Socialismus über den Kaiser. In Deutschland beschäftige sich alle Welt mit dem Flotten plane, dem Kaiser könne man nicht den Vorwurf machen, es an Offenheit haben fehlen zu lassen. Eingehend be spricht der Franzose die Auffassung des Kaisers über seine ausschließliche Verantwortlichkeit Gott gegenüber. Ueber die Aussichten des Flottenplanes weiß er aber nur wenig Gutes zu prophezeien. Er sagt wörtlich: Die erneuten Bemühungen, mit denen der Kaiser vor dem Reichstage versuchen wird, seine Ziele zu erreichen, werden, wenn kein Wunder geschieht, dasselbe Schicksal wie die früheren haben, wie klar, wie geschickt, wie überzeugend, wie entscheidend auch die von ihm so sorg fältig zusammcngestellten Tabellen sein mögen. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die sich auf den Volks willen, auf die feierliche Reichsverfaffung von 1871 stützen, auf der andern Seite steht der Monarch, der, von seinen Rechten und Pflichten gegenüber seinem Volke durchdrungen, sich im Namen Gottes aus sein eigenes Herrscherhaus und das Heil des deutschen Vaterlandes beruft. Gegen die Verabreichung warmer Abendkost an die Soldaten hat sich der bayrische Kriegsminister v. Asch in der Abgeordnetenkammer ausgesprochen, da die Sol daten es vorzögen, nach beendetem Dienst sich der Frei heit zu erfreuen, als noch eine Stunde in der Kaserne auf eine warme Suppe zu warten. Aus Südwestafrika wird dem „Hamb. Corr." von vertrauenswürdiger Seite berichtet, daß die Rinderpest, der man noch unter guten Bedingungen schon die Spitze abgebrochen zu haben schien, wieder erwache und sich ausbreite. Diese Erscheinung ist schon öfters beobachtet worden, namentlich wird jetzt aus Transvaal gemeldet, daß auch dort die anscheinend überwundene Seuche wieder fortschreite. Daher müssen wir uns darauf ge faßt machen, daß noch weitere Verluste an Vieh ent stehen und daß neue Impfungen vorgenommen werden müssen. «OxMerreirtz-llnAaru. Die in einigen tschechischen Blättern verbreiteten Ge rüchte über den unmittelbar bevorstehenden Rücktritt des Ministerpräsidenten Badeni sind gänzlich unbe gründet. Das Tschechenthum in Oesterreich, dessen Franzosen freundlichkeit bekannt ist, läßt sich jetzt nicht mehr an bloßen Franzosenschwärmereien genügen, sondern beginnt offen herauszusagen, daß es eine Einmischung Frank reichs in die inneren österreichischen Angelegenheiten be hufs Loslösung der Monarchie vom Dreibunde erwartet. Epanie». Das liberale Ministerium Sagasta führt mit Maß nahmen fort, die in Spanien einen versöhnlichen Ein druck machen. So hat die Königin-Regentin auf Sagastas Antrag die Revision der Prozesse von 112 verhafteten Anarchisten angeordnet. Auf dem Philippinen sind Ver handlungen im Gange, die ein baldiges Ende des Auf standes erwarten lassen. England. Wie Londoner Blätter melden, ist der Gouverneur des Caplandes Cecil Rhodes kürzlich verirrt und von Ein geborenen mißhandelt worden. Er sei dem Tode nur aus wunderbare Weise entronnen. Aus dieser Mitthei- lung erklärt sich wohl die Nachricht von der Erkrankung des wackeren Rhodes. Griechenland. Die griechische Regierung hat ein Weißbuch veröffent licht, in welchem erklärt wird, daß der Vorschlag zur Einführung der Finanzkontrolle im Interesse der grie chischen Staatsgläubiger von Deutschland ausge gangen sei. Deutschland hat sich mit dieser Forderung den Dank sämmtlicher Inhaber griechischer Staatspapiere erworben. Aus dem MuLdemhaLe "Waldenburg, 18. October. Die hiesige freiwillige Feuerwehr hielt am gestrigen Sonntag von Nachmittag 3 Uhr ab ihre diesjährige Hauptübung ab, bestehend in Fußexerciren, Schulübung mit den Geräthen und Sturm angriff. Die Füßexercitien und die Schulübungen fanden auf dem Platze vor dem Spritzenhause statt. Beim Sturmangriff wurde angenommen, der Hintere Theil des Härtel'schen Fabrikgebäudes stehe in Flammen und sei das im Hofe stehende größere Fabrikgebäude, sowie der Giebel des Wohnhauses gefährdet. Die neue Balance leiter kam hierbei zu erstmaliger Vorführung und be friedigte ihre Verwendbarkeit nach allen Richtungen. Das Brandobject war vom Stadtrath ohne vorherige Uebung bestimmt worden. An die Uebung schloß sich ein Commers im Saale des Rathhauses, welcher sich eines außerordentlich zahlreichen Besuches zu erfreuen hatte. Herr Commandant Brumm begrüßte die Er schienenen und gedachte Sr. Majestät des Königs, des hohen Protectors von Sachsens Feuerwehren, mit einem dreifachen Hoch. Im Anschlusse daran wurde die Sachsen hymne stehend gesungen. Hierauf unterzog Herr Com-