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in folgender Stelle der Memoiren hervor: 'Lassalle sagte zu seiner Geliebten nach deren Schilderung: Ferdinand Lassalles Frau soll einmal von allen die erste sein! La uns verständig darüber sprechen, hast Du Dir wohl ein Idee von meinen Plänen und Endzwecken gemacht? — Nein? — Nun, so sieh mich an — (sich hoch aufrichtend und die eigenthümlichen, mit dem König der Vögel, dem Adler, gleichen Augen weit öffnend) sehe ich aus, als wollte ich mich mit einer zweiten Rolle im Staate be gnügen? Glaubst Du, ich gebe den Schlaf meiner Nächte, das Mark meiner Knochen, die Kraft meiner Lungen dazu her, um schließlich für andere die Kastanien aus dem Feuer zu holen? — Sieht ein politischer Märtyrer so aus? — Nein! — Handeln und kämpfen will ich — aber den Kampspreis gemeßen, — und Dir das — nun, nennen wir's fürs erste das Siegesdiadem auf die Stirn drücken! — Glaube mir, es ist ein ebenso stolzes Gefühl, „volkserwählter Präsident" einer Republik zu sein, fest und sicher auf der Gunst seines Volkes zu stehen, wie als „König von Gottes Gnaden" auf morschem, wurmstichigem Thron zu sitzen! Komm' her! — hier an meine Seite vor den Spiegel! — sieh' uns beide an. Jst's nicht ein stolzes, ein königliches Paar da drinnen? Hat diese beiden Menschen die Natur nicht in übermü- thigster Sonntagslaune geschaffen? Und glaubst Du nicht, daß die Macht — die höchste Gewalt uns gut kleiden wird? Ja, Kind! Du sollst noch aufleuchten in stolzem Frohgefühl, daß Du mich — von allen nüch gewählt hast! Es lebe die Republik und ihre goldlockige Präsi dentin! — — Bekanntlich äußerte Fürst Bismarck in seiner berühmten Lassalle-Rede in feiner sarkastischer Weise, daß der jüdische Agitator allerdings von monar chischen Gefühlen durchdrungen gewesen sei, aber es sei ihm unklar gewesen, ob das Deutsche Reich mit einer Dynastie Hohenzollern oder mit einer Dynastie Lassalle abschließen werde. Es ist vielfach darüber gestritten worden, ob es Lassalle wirklich um Hebung der Arbeiter zu thun gewesen sei. Nach dem, was bisher über ihn bekannt geworden, ist dies zu bezweifeln, Lassalle wollte herrschen, und da er dies damals innerhalb der Fort schrittspartei nicht konnte, wurde er Arbeiter-Agitator und der gefährlichste Gegner der Fortschrittspartei. Der schon vor 20 Jahren herausgegebene Briefwechsel zwischen Lassalle und Rodbertus hat das häßliche Wort Lassalles zum Vorschein gebracht: Man muß dem Mob (dem Ar beiter) etwas bieten! Vertraute Bekannte Lassalles be richten noch über ganz andere Aeußerungen, die Lassalle nicht als Demokrat erscheinen lassen und auf seine Be geisterung für die „Kanaille" — Lassalles eigener Aus druck — ein grelles Streiflicht werfen. Jedenfalls aber hat Lassalles Geliebte durch die Veröffentlichung der Me- moiren weder sich noch ihrem „Heros" einen guten Dienst erwiesen. Die Staatssekretäre Posadowsky und v. Podbielski besichtigten Donnerstag den Geestemünder Fischereihafen und den Kaiserhafen in Bremerhaven, später den Lloyd- dampfer „Bremen", der als Reichspostdampfer abgenommen wurde. Auf ihrer Rückreise nach Berlin trafen sie in Bremen ein und folgten einer Einladung des Bürger meisters I)r. Pauli zur Tafel. Ein Antrag auf Erweiterung des Rechseisen- bahnamtes soll dem Reichstage, wie verlautet, in seiner nächsten Session zugchen. Daß das Reichseisenbahnamt auch jetzt seinen Pflichten voll nachkommt, ist gegenüber neuerdings erhobenen Angriffen auf dasselbe nachdrücklichst hervorgehoben worden. Wenn sich trotzdem die Eisen bahnunfälle in beängstigender Weise mehren, so liegt das nicht an einer etwaigen unsorgscltigen Beaufsichtigung Seitens des Reichseisenbahnamts, sondern an unzureichen dem Personal, Einrichtungen rc. Die „Nat.-Ztg." em pfiehlt, die schwereren Eisenbahnunfälle im Reichstage zur Sprache zu bringen. Alsdann würde das Reichseisen bahnamt zu Erklärungen darüber genöthigt werden, was es hinsichtlich der Ursachen dieser Unfälle ermittelt hat und was nach seiner Auffassung zur Verhinderung ähn licher Unfälle geschehen kann. Die Nothwendigkeit, regel mäßig Erklärungen zu geben, würde das Amt zu einer wirklichen Aufsichtsinstanz gegenüber den cinzelstaatlichen Eisenbahnverwaltungen machen. Das wäre aber schon ein großer Gewinn. Bei dieser Gelegenheit sei mitge- theilt, daß im Monat Juli, wie der Reichsanzeiger soeben bekannt giebt, 226 Eisenbahnunfälle (Entgleisungen, Zu sammenstöße rc.) auf den deutschen Eisenbahnen aus schließlich Bayerns stattgefunden haben, bei denen 60 Personen getödtet und 154 verletzt wurden. Eine neue Militärstrafproceßreform soll, wie verlautet, dem Reichstage in seiner nächsten Session zu gchen. Die Reformvorlagc soll jedoch so beschaffen sein, daß sie für die Majorität des Hauses unannehmbar sei. Ueber die Parade- und Manöverleistungen der Bayern herrscht bei allen Preußen blos eine einzige Stimme der Anerkennung. Die Bayern selbst scheinen, wenn der Correspondent der „Köln. Ztg." gut unter richtet ist, etwa der Ansicht zu huldigen, daß ihre Infanterie der preußischen gleichwerthig, ihre Artillerie vielleicht über legen sei, während es zweifelhaft sei, ob sich die meisten bayerischen Reiterregimenter insbesondere mit der sog. Häseler-Kavallerie messen könnten. Auch dem Laien fällt es auf, daß viele preußische Kürassier- und Dragoner regimenter über einen schwereren, wuchtigeren Schlag von Menschen und Pferden verfügen, als er selbst bei den bayerischen schweren Reitern zur Einstellung gelangt. Der Bundesrath hat bekanntlich Vorschriften über die Einrichtung von Buchdruckereien und Schrift gießereien, deren Durchführung erhebliche Kosten und dadurch eine Vertheuerung der Druckarbeiten verursacht, erlassen. Der Bundesrath ist von der Ansicht ausgegangcn, daß die Gehilfen in diesen Betrieben in hohem Maße Bleistauberkrankungen ausgesetzt sind. Neuerlich hat nun die Reichsdruckerei daraufhin Versuche angestellt, die er geben haben, daß der Bleigehalt des abgelagerten Staubes auf einem Formbrett, 10 cm vom Fußboden, 0,«»"/o, in 52 em Höhe 1,r»"/o, in 96 cm Höhe 3,5»"/o, in 2 m Höhe 1,r>"/a, in 2,»s om Höhe 0,,r"/o betrug. Der durchschnittliche Bleigehalt des Staubes betrug dem nach 1,»"/«, und da nun in einem Kubikmeter Luft 1,r« Milligramm Staub durchschnittlich enthalten waren, so würde ein Setzer während eines Jahres insgesammt 1,«« Gramm Staub und 0,o, Gramm Blei einathmen, oder in 33'/» Jahren ein Gramm, welches sicherlich nicht hinreicht, um bei einem gesunden Menschen Bleikrank heiten zu erzeugen. Etwas anderes ist es aber mit der Angewohnheit des Rauchens. Durch die herumfliegende Tabakasche wird nicht nur die Staubentwickelung erheb lich gefördert, sondern die herumliegenden feuchten Cigarren nehmen so viel Bleistaub auf, welchen der Raucher direct in den Mund füyrt, daß hierauf ein ganz erheblicher Theil der Bleierkrankungen zurückzusühren ist. Die Untersuchung hat also ergeben, daß die Gefährlichkeit des „Bleistaubes" in den Buchdruckereien in das Reich der Fabel gehört. Gleichwohl werden daraufhin kostspielige Forderungen an die Betriebsinhaber gestellt. Das Cigarrenrauchen, worin die eigentliche Gefahr liegt, wird vom Bundesrath nicht verboten; ein derartiges Verbot sieht vielleicht nicht nach Arbeiterfreundlichkeit aus. Totis in Ungarn, wo der Kaiser Sonntag Nachmit tag eintrifft, befindet sich schon im Festschmuck. An dem Bahnhofe wurde ein überaus kostbares Prunkzelt mit Stickereien zum Empfang errichtet. Eine Allee von Flaggenmasten und fünf Triumphpforten führt zum erz- herzoglichen Schloß; im ersten Stock befinden sich rechts vom Vorraum die Gemächer des Kaisers Franz Joseph, links die des Kaisers Wilhelm. Auf die drohende Gefahr eines erneuten Herero- Aufstandes in Deutsch-Südwestafrika wird in der „Kolon.-Ztg." hingewiesen und daraus die Nothwendig keit einer schleunigen Verstärkung der Schutztruppe her geleitet. Die Hereros sind vorzüglich bewaffnet. Die Verstärkung könnte sich ja, falls sie wider Erwarten nicht gebraucht wird, durch Hilfeleistung beim Bahnbau nütz lich machen und auch beim Bau der Hafenanlagen in Swakopmund verwandt werden. Mit unverminderter Heftigkeit wird der Kampf der Deutschen in Oesterreich gegen die Regierung weiter geführt. Bezeichnend ist es, waS der neue Redacteur der „Egerer Nachrichten", Otto Kunz, — Redacteur Hofer ist bekanntlich wegen Hochverraths ver haftet, — in der letzten Nummer schreibt: „Nieder mit dieser Regierung! Die Schweißhunde der Polackenregie- rung sind mit unermüdlichem Eifer an der Arbeit, unser Volk durch freche Provocationen zum Aeuhersten zu treiben. Montag Vormittag wurde unser Schriftleiter, ^err Hofer, auf eine lumpige Denunciation des Czechen- »lattes „Politik" hin verhaftet und gegen ihn auf Grund einer beim Sedanfestcommers in Leipzig gehaltenen Rede die Untersuchung wegen Hochverraths eingeleitet." So beginnt er einen längeren Artikel, in dem es weiter heißt: „Die Verhaftung Hofers soll uns nun erst recht ein Ansporn sein, unsere Brüder im Reiche darüber auf zuklären, daß der Staat Oesterreich gegenwärtig un würdig ist, in der Liste der europäisch regierten Staaten aufgezählt zu werden. Wir werden nun erst recht oft hinausziehen in's deutsche Reich, weil wir sehr wohl wissen, daß wir unsere Feinde nicht schwerer treffen önnen, als auf diese Weise. Und von diesem Vorhaben wird uns keine Macht der Welt abhalten können, auch nicht die Aussicht auf erschlossene Kerkerthüren. Das mögen sich die polackischen Kreaturen vorläufig gesagt ein lassen." Die bisher gewohnten Drohungen, die Obstruction der Deutschen zu brechen, verstummen allmählich. In Regie rungskreisen möchte man, allem Anscheine nach, einen offenen Kampf mit den Deutschen vermeiden und dieselben vielmehr durch Ermüdung unterwerfen. Ob die neue Art, gegen die Deutschen aufzutreten, von Erfolg gekrönt sein wird, ist schwer glaublich; möglich ist trotzdem, daß die Deutschen wenigstens die Dele gationenwahlen ermöglichen, da ihnen die ungarischen Regierungsliberalen nach dieser Richtung hin freundlich zurcden. Die Reichsrathssitzung wird bekanntlich schon am 23. d. eröffnet werden, da wird es sich dann ja zeigen, inwieweit die Deutschen sich zur Nachgiebigkeit verstehen. So weit wir sehen können, wird der inner politische Kamps in der bevorstehenden Session mit grö ßerer Heftigkeit geführt werden, als je zuvor. Die Volkstagc in Eger und Asch machen noch immer viel von sich reden, insofern als gegen die Veranstalter und Wortführer dieser Volkstage eine ganze Reihe von Anklagen anhängig gemacht werden. Nachdem gegen den Redacteur Tins in Asch bereits die fünfte Unter suchung wegen Hochverraths eingeleitet worden, ist nun auch der Abg. Jro, gleichfalls anläßlich der Reden, die er auf dem Ascher Volkstage gehalten hat, in Unter suchung wegen Hochverraths gezogen worden. Krarrkreiü». Die Pariser Blätter find unerschöpflich in Mittheilungen über den Allianzvertrag. Nach dem Vorgänge mancher anderen Organe veröffentlicht nunmehr der „Soleil" seine Enthüllungen, deren Zuverlässigkeit gleich den vorangegangnen natürlich stark zu bezweifeln ist. Er vergleicht den oasus tosäsris des Dreibundes und Zweibundes. Wenn Oesterreich oder Deutschland nur von einer einzigen Macht angegriffen wird, so. werde eS von der andern nicht unterstützt, während beispielsweise ein Angriff Deutschlands auf Frankreich Rußland sofort zwinge, für dieses die Waffen zu ergreifen. Ist dem wirklich so, so ist der Unterschied zwischen den Vertrags pflichten doch keineswegs so groß, wie der „Soleil" zu glauben scheint. Denn, das Unmögliche vorausgesetzt, daß Deutschland Frankreich angriffe, so würde Rußland, wenn es diesem beispringt, ja zum Angreifer Deutsch lands werden und dadurch Oesterreich zwingen, Deutsch land zu helfen. Der Zweibundvertrag würde sich also nur insofern von dem ves Dreibundes unterscheiden, als er sofort zu einem europäischen, statt zu einem lokalisirten Kriege führt. Der Finanzausschuß des Pariser Gemeinderaths hat nach langer Berathung eine Resolution gefaßt, wonach m Anbetracht der anhaltenden Brodthcuerung 300,000 Fr. in baar und 300,000 Brodbons unter die Armen von Paris vertheilt werden sollen. Bei der französischen Botschaft in Petersburg ist ein kaufmännischer Posten eingerichtet worden behufs För derung der franco-russischen Handelsbeziehungen. Malierr. Während die Regierungsblätter einstimmig den Besuch König Humberts in Homburg als eine Bekräftigung der Allianztreue feiern, die zwischen Italien und dem Drei bunde besteht, zeigen sich die unabhängigen Blätter recht mißvergnügt und fordern zum wenigsten einige Er gänzungen des Bündnißvertrages. Daß solche Acnderungen und Ergänzungen von dem italienischen Minister des Auswärtigen, Marquis Visconti Venosta, nicht beantragt worden sind, ist ein deutlicher Beweis dafür, daß die Interessen Italiens in dem Dreibund vertrage genügend wahrgenommen sind. GpK«ieL. Zum Schutze der königlichen Familie gegen anar chistische Anschläge sind eine Anzahl bewährter Detek tivs nach San Sebastian, woselbst die königliche Familie zur Zeit weilt, beordert worden. Die anarchistische Ge fahr befindet sich in Spanien im Wachsen. Die Aufständischen auf Cuba griffen das Fort Victoria de las Tunas mit Dynamitbomben an. Der Garnison der Stadt gelang es zwar, mit Hilf- der Stadteinwohner die Angreifer zu vertreiben; trotzdem zeigt die Geschichte wieder einmal ganz deutlich, daß die Insurgenten trotz aller spanischen Siege die Angreifer, also doch die Herren der Insel sind. Rußland. Nach einer Andeutung des Petersburger „Grashdanin" besteht in der That kein schriftlicher Allianzver trag zwischen Frankreich und Rußland. Das Blatt er- klärt nämlich, daß eine fractionslose Allianz für Frank reich und Rußland vortheilhafter sei als eine verbriefte. Nur eine vertraglose Allianz könne Frankreich auch ein mal zu einer Verständigung mit Deutschland bringen. Atts Kem MMdemtzale. ^Waldenburg, 11. September. Der Obstbauverein Waldenburg und Umgebung hält morgen Sonntag Nach mittag 4 Uhr in der Müllerschen Restauration in Kertzsch eine Versammlung ab, in welcher Herr Kreisobstbaugärtner Kilp aus Altenburg einen Vortrag über Mittel zur Hebung des Obstbaues halten wird. Bei dieser Ge legenheit wird eine Ausstellung von Obstsorten, die in hiesiger Pflege gewachsen sind, veranstaltet werden, um festzustellen, welche Sorten in hiesiger Gegend am besten gedeihen und auch in ungünstigen Jahren noch Ertrag geben. *— Der hiesige Gewerbeverein veranstaltet nächsten Mittwoch Abend im Schönburger Hof hierselbst sein diesjähriges Sommerfest. Bei günstiger Witterung soll dasselbe mit Gartenconcert beginnen. Für eine Musik pause sind, wie wir hören, verschiedene Ueberraschungen geplant. *— Der Geschäftsgang ist seit kurzer Zeit nicht nur in der Wirkwaarenfabrikation, sondern auch in den anderen Zweigen der sächsischen Textilindustrie ein sehr schlechter. Zahlreiche Webstühle stehen still; in manchen Fabriken ist die Arbeitszeit aus die Hälfte verkürzt. Wenn keine Aenderung zum Besseren eintritt, wird der nächste Winter für zahlreiche sächsische Arbeiterfamilien wieder einmal ein Hungerwinter werden. *— Am Ende ist das ganze Leben ein große» Exempel, bei dem derjenige am besten wcgkommt, der