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tretenen Eisenbahnunfällen bemerkt die „Köln. Ztg.", daß diese Unfälle theils durch das im Betriebe verwandte schlechte Material, theils durch die unzureichenden Bahn hofs- und Geleisverhältnisse veranlaßt worden seien. Das Blatt fordert daher gebieterisch, statt aller officiösen Aus einandersetzungen eine große That, die den Mißverhält nissen von Grund aus abhilft. Erhebungen über die Wirkungen der neuen Arbeite- rinnen-Schutzverordnung in der Confcctionsin- dustrie hat der Verein der Berliner Herren- und Knaben- Confectionsfirmen ea Aros zu veranstalten beschlossen. Man will durch diese Erhebungen Material zu Abände rungsvorschlägen an die maßgebenden Behörden gewinnen. Wie bezüglich der Bäckereiverordnung besteht bekanntlich auch betreffs der neuesten socialen Reformbestimmung auf dem Gebiete der Consections-Arbeiter und Arbeiterinnen mannigfache Unzufriedenheit, die in der Confection sowohl bei Arbeitgebern wie Arbeitnehmern anzutreffen ist, während mit der Bäckereiverordnung doch wenigstens die Ange stellten zufrieden sind. Man wird daher wohl eine Um gestaltung der unlängst erst erlassenen Bestimmungen für die Confectionbranche erwarten dürfen. Der Bund der Bau-, Maurer- und Zimmermeister hat das Gesuch der Bauarbeiter, betreffend die Betheiligung der Arbeiter an dem neu errichteten Arbeitsnachweise abgelehnt. Die Antwort lautet dahin, daß die social- demokratische Lohncommission der Maurer und Zimmerer als maßgebende Vertretung der genannten Arbeiterklaffen nicht anerkannt werden könne. ^cfterretcq-Ung»rn. Zu dem Empfang unseres Kaisers in Pest wer den die umfassendsten Vorbereitungen getroffen. Der Empfang verspricht großartig zu werden. Auch aus der Provinz erwartet man großen Zuzug von Besuchern, da das Interesse für den Besuch im ganzen Lande allgemein ist und durch die Presse wachgehalten wird. Der Nach richt, als ob ein Theil der Aristokratie sich fernhalten wolle, wird amtlich mit dem Bemerken widersprochen, daß auf die erste Anfrage der größte Theil der Aristokratie sofort sein Erscheinen anmeldete. Seine wirkliche Be deutung übrigens erlangt der ganze Empfang keineswegs durch die Aristokraten, sondern, so wird aus Pest be richtet, durch die große Masse des Volkes, das mit un gemeinem Verständniß die Bedeutung des Besuches erfaßte und zur wahrhaft volksthümlichen Sache gestaltete. Be sonders angenehm berührt dementsprechend auch, daß Kaiser Wilhelm programmgemäß nicht in dem Umkreis des Hofes festgehalten wird, sondern daß der Kaiser fast ununterbrochen die Stadt besichtigt, d. h. auf der Straße und in Berührung mit dem Volke ist. Jetzt schon be grüßen fast sämmtliche Blätter sein Erscheinen. Die von der Regierung zur Unterdrückung der deutschen Opposition angewandten Mittel zeichnen sich durch außerordentliche Schärfe aus. Alle Be mühungen seiner Freunde und hohe Cautionsangebote haben sich außer Stande erwiesen, den Egerer Redacteur Hofer Entlastung aus der Haft zu erwirken. Hofer hatte bekanntlich am Sedantage in Leipzig eine Rede gehalten, in welcher das Deutschthum gefeiert und die innerpolitischen Zustände Oesterreichs einer rücksichtslosen Kritik unterzogen wurden. Außerdem hatte der unter die Anklage des Hochverraths gestellte Redacteur diese seine Rede noch in seinem Blatte in Eger zum Abdruck gebracht. Das Blatt selbst war suspendirt worden; diese Maßregel ist zwar auf kräftigen Einspruch hin aufgehoben worden, Hofer selbst aber bleibt in Hast. Natürlich hat die Angelegenheit aufs Neue böses Blut gemacht und dazu beigetragen, die Gegensätze zwischen Regierung und Deutschthum noch zu verschärfen. Rußland. Es ist ganz auffällig, in wie entschiedener Weise die russischen Blätter den Abschluß des Zweibundes als gegen England gerichtet bezeichnen. Fast sämmtliche bedeutenderen Zeitungen bezeichnen sowohl die Zwicke des Zweibundes wie die des Dreibundes als ausschließ lich friedliche, erklären aber zugleich, daß sich diese Be- deutung der Bündnisse nur auf den europäischen Continent erstrecke. Dagegen sei es zweifellos, daß England von dem übrigen Europa isolirt werden müsse, da dieses sonst die Kreise der übrigen Mächte störe. Daß sich Rußland in Asien, Frankreich in Egypten durch die Engländer belästigt fühlt, bedarf keiner Versicherung. Der Zweibund hat daher ein recht begreifliches Interesse daran, England kalt zu stellen und es zu hindern, den bezüglichen russischen oder französischen Unternehmungen in den Arm zu fallen. Spanien. Der neue Ministerpräsident in Madrid, General Azcarraga, führt eine sehr stolze und zuversichtliche Sprache. Er droht Amerika mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen, wenn dieses es wagen sollte, sich in die Cubaangelegenheit einzumischen. Zugleich aber übt er strenge Kritik an den Heldenthaten des cubanischen Expeditionschefs General Weyler, den er um eine genauere Beschreibung der durch die Insurgenten erfolgten Einnahme von Victoria de las Tunas ersucht hat. Der Ministerpräsident ist entschlossen, eine spanische Expedition nach Cuba zu senden, um den Platz wieder zu gewinnen. General Weyler wird aber wohl die längste Zeit auf Cuba „gesiegt" haben. Seine sofortige Abberufung, die unsres Erachtens durchaus berechtigt wäre, soll freilich noch nicht erfolgen. Schließlich wird die spanische Regierung durch die Verhältnisse aber doch genöthigt werden, den pulverscheuen General Weyler durch eine geeignetere Kraft zu ersetzen. Türke». Die Nachrichten über die Friedensaussichten in Konstantinopel lauten widerspruchsvoll; englische Blätter geben natürlich Deutschland die Schuld an der Verzögerung eines Erfolges. Andrerseits wird erklärt, daß der englische Compromißvorschlag auf Schwierigkeiten gestoßen sei. Das Geduldsspiel in Konstantinopel ist jedenfalls noch lange nicht zu Ende. Amerika. Ausständige Arbeiter der Gruben bei Colerams in Pennsylvanien befanden sich am Freitag auf dem Wege nach Lattimer, um auch die dortigen Arbeiter zum Aus stande zu veranlassen. Unterwegs wurden sie vom Sheriff angehalten und zum Auseinandergehen aufgefordert. Als diese Aufforderung nicht befolgt wurde, schossen die Beamten des Sheriffs auf die Arbeiter, obgleich letztere unbewaffnet waren. Es wurden 22 Arbeiter getödtet, 36 schwer unh 40 leicht verwundet. Es werden internationale Schwierigkeiten befürchtet, da viele der Getödteten und Verwundeten Ausländer sind. Eine Versammlung von Bürgern beschloß, die gerichtliche Ver folgung des Sheriffs zu verlangen. Aus dem MuLdeuthale *Waldenbnrg, 13. September. Der hiesige Obst bauverein hielt gestern Nachmittag eine Vereinssitzung in der Müller'schen Restauration in Kertzsch ab, womit eine kleine Obstausstellung verbunden war. Erschienen waren 24 Mitglieder, ferner die besonders eingeladencn oberen Klassen des hiesigen Seminars mit dem Herrn Director und einem Theile des Lehrercollegiums, Mitglieder der Landwirthschaftlichen Vereine von Waldenburg und Dürrenuhlsdorf und des Pädagogischen Vereins hier, sowie noch eine Anzahl anderer Gäste. Die Sitzung wurde um 41/2 Uhr vom Vorsitzenden Herrn Hofgärtner Wildner mit Begrüßung der Anwesenden eröffnet. Nach Bekanntgabe der Tagesordnung, Mittheilung der Ein gänge, Verlesung des Protokolls über die letzte Vereins sitzung wurde vom Verein beschlossen: Zur gemeinschaft lichen Bestellung der vom Verein empfohlenen Wellpapiere wird den Mitgliedern ein Circular zugestellt, in welches Jeder seinen Bedarf einzutragen hat. Die ausgestellten Früchte sind bis längstens Montag Mittag abzuholen, die nicht abgeholten Früchte werden zu Gunsten der Vereinskasse verkauft. Zur Erzielung eines besseren Ab satzes für Obst wird eine Verkaufsstelle in Waldenbarg errichtet, die den Verkehr zwischen Verkäufer und Käufer vermittelt. Herr Böttchermeister Karl Clauß hier hat gütigst die Verkaufsstelle übernommen und wollen sich daher an diesen Verkäufer wie Käufer von Obst wenden. Der Herr Vorsitzende machte sodann bekannt, daß dem Verein als corporatives Mitglied des Deutschen Pomo- logenvereins das Recht zusteht, durch diesen namenlose Obstsorten bestimmen zu lassen und wurde daher aufge fordert, solche Sorten in längstens 8 Tagen an den Herrn Vorsitzenden gelangen zu lassen. Neu ausgenom men wurden 3 Mitglieder, angemeldet haben sich 3 Herren. Nach Erledigung der Vereinsangelegenheiten hielt Herr Kreisobstbaugärtner Kilp aus Altenburg einen Vortrag über Mittel zur Hebung des Obstbaues. Herr Kilp führte aus, daß der Obstbau früher mehr nur aus Liebhaberei getrieben wurde, und erst jetzt, wo das Obst ein Volksnahrungsmittel geworden, — die überaus starke Einfuhr von amerikanischem Obst, für 63 Millionen im vorigen Jahre, beweise dies — macht sich das Be streben, den Obstbau als lohnenden Nebenerwerb zu treiben, immer mehr geltend. Zur Anpflanzung von Obstbäumen sind alle leeren und unbenutzten Flächen, Wegeränder und steile Abhänge geeignet. Zur Erzielung guter Erfolge ist vor Allem auf die richtige Sortenaus wahl zu achten, Sorten, die vom Publikum gern gekauft werden. Für die hiesige Gegend sind die in dem vom hiesigen Obstbauverein aufgestellten Normalsortimente ent haltenen Sorten sehr zu empfehlen. Es ist gut, nicht zu viele Sorten auszuwählen. Der Schwerpunkt ist au^ Feuilleton. Aus tiefer Sociale Erzählung aus der Gegenwart von Eduard Herz. (Fortsetzung.) „Ich Thor," murmelte er und schlug sich leicht an die Stirn, „daß ich nicht sogleich den Faden gefunden und den einfachen Zusammenhang erkannt habe. Es ist ja Alles Natur! ja wohl Natur! Und ich bin groß und Du bist klein! Richtig, so ist es!" Vor seinen Augen schien jetzt sogar ein verlockendes Bild aufzusteigen. „Etwas Vorsicht will ich anwenden; aber ich irre mich nicht; es ist Alles Natur; ich komme!" Ein seltsames Feuer leuchtete aus seinen Blicken. Den Brief verschloß er in ein geheimes Fach. Dann steckte er die Daumen wieder in die Weste und als der Alte verließ er seines steten Glückes gewiß das Zimmer. III. Neues Licht. Als der Agent Neubert Arm in Arm mit Kohn Löwenstern's Haus verlaffen, holten sie einen jungen Mann ein, der langsam vor ihnen herschritt. Sein Rock hing über dem blauen Arbeitskittel von den Schultern herab; den linken Arm trug er in einer Binde. Neubert stieß seinen Begleiter leicht in die Seite, als sie an dem Arbeiter vorübergingen. „Wenn ich nicht ganz irre, ist dies einer von den beiden Lumpen, welche sich am Sonntag erftechten, uns zu verhöhnen." Er irrte sich nicht. Franz Günther war es, welcher den Arm in der Binde mit verbundner Hand der Weber gaffe zuging. Das war so gekommen. Mit Eifer hatte er in der Frühe seine Arbeit begon nen. Daß fleißige Arbeit der beste Ableiter für allerlei beunruhigende Gedanken ist, wie er sie in den letzten Tagen gehabt, hatte er von neuem erfahren. Kaum aber hatte er ein Metallstück, in welches ein Gewinde zu bohren war, in den Schraubstock gespannt, als er an gewiesen wurde, mit anderen Arbeitern große Eisenplat- ten zu der Nutmaschine zu tragen. Diese Beschäftigung nahm ihn bis über die Frühstückspause hinaus in An spruch. Endlich kehrte er zu seiner Arbeit zurück. Er setzt den Schneidbohrer an; aber dieser rückt nicht von der Stelle. Seine ganze Muskelkraft spannt Franz an; nur langsam greift der Bohrer. Die Arbeit hat er bereits Hundertmal ausgeführt; also muß es vorwärts gehen. Mit aller Macht sucht er das Windeisen zu drehen, da — ein Krach, und er fühlt einen furchtbaren Schmerz in seiner linken Hand. Der Schmiedbohrer war abge brochen und hatte sammt dem schweren Windeisen die mittleren Finger der Linken, die er prüfend vorgestreckt, als der Bohrer nicht fortrückte, schwer beschädigt. So wüthend die Schmerzen waren, so lag Franz doch Alles daran, die Ursache des Unfalles zu erfahren. Die Instrumente hatte er vorher geprüft; Alles war in gutem Stand gewesen; er konnte sich keine Schuld beimeffen; und doch erklärte ihn der Werkführer für schuldig. Im Schraubstock fand sich statt weichen Eisens ein gehärtetes Metallstück. Selbstverständlich empfing Franz darüber tadelnde Worte; und als er behauptete, es müsse ihm geradezu Jemand das falsche Stück eingeschraubt haben, brauste der Vorgesetzte zornig auf, er solle sich hüten einen Verdacht auszusprechen, wenn er den Schuldigen nicht nennen könne. Nachdem er vom Anstaltsarzt verbunden worden war, verließ Franz auf das Aeußerste verstimmt die Fabrik, die er wohlgemuth und arbeitsfreudig am Morgen be treten hatte. Als er zur Thür hinausging, blickte ein rothhaariger Mensch, der die Zeit über außergewöhnlich fleißig gearbeitet hatte, mit boshaftem Lächeln auf. Es war Wenzel, dem es durch Einschiebung des falschen Metallstückes gelungen war, seine Rachsucht für den Spott, den er am Sonntag erduldet, an Franz zu be friedigen. In der Zeit des Müßigganges, zu welchem sich Franz nun verurtheilt sah, war es ihm sehr willkommen, daß ihm sein Quartierwirth, der Schuhflicker Klaus, Bücher brachte. „Lesen Sie das hier mit Verstand, Günther. Sehen Sie, Alles in der Welt ist Schwindel; aber hieraus er fahren Sie einmal die Wahrheit; das wird Sie sehr interessiren." Klaus übergab Franz ein mäßig großes Buch, welches nach dem abgegriffnen und schmutzigen Aussehen zu schließen, schon durch manche Hand gegangen sein mochte. Es war so, wie Klaus gesagt; das Buch interessirte Franz ungemein. Als Kind hatte er einmal in einem herrschaftlichen Hause durch ein buntes Fenster gesehen, und hatte nie vergessen, wie Alles umher mit Einem Male in rother Farbe schimmerte. So erging cs ihm jetzt. Die Welt erschien ihm in einem ganz neuen Licht. Aus dem Buche ersah er, daß diejenigen, welche die Regierung der Völker in den Händen gehabt, fast durch weg verabscheuungswürdige Tyrannen gewesen, welche, um ihren Lüsten zu fröhnen, ihre Unterthanen aufs Schmachvollste ausgesaugt hatten. Die Kaiser und Könige, denen man den Beinamen „der Grohe" gegeben, stellten sich ihm jetzt als blutdürstige Mordgesellen dar. Als Helfershelfer hatten die Pfaffen, heuchlerische Priester, den Tyrannen stets zur Seite gestanden. Es ergab sich, daß nichts anderes als die bodenlose Schlechtigkeit der besitzenden Klaffen jeder Zeit die Empörungen, Sklaven- und Bauernaufstände hervorgerufen hatten. Die Greuel der französischen Revolution, die Ermordung der Königs familie, das massenhafte Abschlachten, die entsetzlichen Greuelthaten der französischen Commune von 1870 wur den als die herrlichsten Thaten gepriesen, die je für daS Volk geschehen seien. Die Revolutionshyänen mit ihrem Blutdurst wurden als die wahren Helden verherrlicht. (Fortsetzung folgt.)