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liche Thätigkeit mit der Einführung einer viel gewünschten Reform einleiten werde. Es verlautet nämlich, Herr v. Podbielski werde demnächst die Kartenbriefe, wie solche z. B. in Oesterreich bestehen, demnächst einführen. Diese Reform würde gewiß allerseits mit Genugthuung begrüßt werden. In der deutschen Landwirthschaftsgesellschaft hat der Hamburger zweite Bürgermeister eine sehr bemerkens- werthe Rede gehalten, in welcher er unter dem lebhaften Beifall der zahlreich Versammelten ausführte, daß eins unverändert geblieben fei und bleiben werde, das fei das unzerreißbare Band der Interessengemeinschaft zwischen dem den Waarenaustausch vermittelnden Handel und der die Güter erzeugenden und die Güter ver brauchenden Industrie und Landwirthschaft treiben den Bevölkerung. So wenig die Landwirthschaft den Handel entbehren könne, der es ihr ermögliche, ihre Erzeugnisse zweckmäßig zu verwerthen und dafür die Lebensbedürfnisse, die der eigene Boden nicht hervor bringt, in zweckmäßiger Weise einzutauschen, so wenig kann die Handelsstadt auf die Dauer blühen und ge deihen, wenn nicht die Gesammtheit der Bevölkerung des Landes sich eines gesunden Wohlstandes erfreut. Denn nur der Landwirth, der im Stande ist, für seine Erzeug nisse den angemessenen und seinen Lebensverhältnissen entsprechenden Preis zu erzielen, nur der kann auch ein zahlungsfähiger Consument für fremde Waare sein. Zum Schluß bemerkte der Redner: Das ist ja auch der wesentlichste und Hauptzweck, zu dem Wanderversamm lungen deutscher Landwirthe stattfinden, zu dem Wander ausstellungen veranstaltet werden: Zur Hebung und Förderung der deutschen Landwirthschaft, zur Hebung des Wohlstandes der deutschen Landwirthe und damit nicht nur zum Heile der Landwirthe allein, sondern zum Heile der gesammten Bevölkerung des ganzen großen Vater landes. Die Meldung über das Togoabkommen, wonach Deutschland die Stadt und Landschaft Sansanne Mangu, Frankreich die Landschaft Margu zugesprochen sei, dürfte den Thatsachen entsprechen. Auf deutscher Seite hat man das größte Gewicht aus die Möglichkeit einer späteren wirthschaftlichcn Entwickelung gelegt, wofür in dem Deutschland zugewiesenen Gebietstheile die besten Aussichten vorhanden sind. Der Kaiser hat noch vor Antritt seiner Nordlandsreise zu dem Abkommen seine Zustimmung ertheilt. In Sachen der Errichtung einer eigenen Mehlbörse faßte die Berliner Bäckerinnung Concordia einen Be schluß, wonach die Bäckermeister von allen abgeschlossenen Mehlkäufen mit Angaben deS gemachten Preises dem Jnnungsorgan „Concordia" sofort Mittheilung zu machen haben; allwöchentlich werden dann diese Preisnotirungen veröffentlicht, welche den Bäckermeistern als Unterlage bei den Mehlkäufen dienen. Gleichzeitig wurde an die Staatsregierung eine Petition abgcsandt, in der um baldmöglichste Wiederherstellung der öffentlichen Preis notirungen gebeten wird. Die seit dem 1. Juli er. zu Recht bestehende Con- fectionsordnung des Bundesraths hat bereits insofern zu Unzuträglichkeiten geführt, als die polizeilichen Feuilleton. Odle Kache. Roman von Rudolf Menger. (Fortsetzung.) „Wenn's sein muß, Dir eine Geschichte erzählen", entgegnete Jschar kaltblütig, „doch glaub' ich nicht, daß sie Dir gefallen wird." Und er erzählte ausführlich, was ihm Stephan Czaroswil in seiner eigenen Schenke zugefügt hatte, und holte zum Schluß das Papier her vor, das in des Grasen Pelz vergessen war und gegen Isaak als vernichtendes Document gebraucht wer den konnte. „Falsch", rief dieser, wurde aber vor Schreck ganz fahl im Gesicht. „Wer will beweisen, daß auf diesem Lappen die Wahrheit steht?" „Es wird bewiesen sein, wenn die Rebellen sich in Deinem Hause befinden. Wer weiß, wen des Seilers Tochter am liebsten hat." Isaak fühlte schon den Strick um den Hals und seine Kniee zitterten. Die Angst raubte ihm fast die Besinnung; er sah sich in Jschars Gewalt, von dem er eine sehr bestimmte Vorstellung hatte, daß sein Schweigen an ein wenig großmüthiges Verlangen geknüpft sein werde. Selbst wenn der Graf nach Isaaks Behausung kam und dort entdeckt wurde, konnte bisher ein Einverständniß höchstens vermuthet werden, denn in der Schenke, die Jedem für sein Geld offen stand, konnte eben ein Jeder ein Obdach finden, wie die russischen Offiziere auch aus dem Umstande, daß die Gräfin seit einigen Tagen ein gekehrt war, keinen Argwohn geschöpft hatten. Aber mit dem Fetzen des unglückseligen Briefes war Alles verrathen, und mehr als das, es war zugleich bewiesen." „Was erschrickst Du denn so?" fuhr Jschar fort. „Glaubst wohl, ich werde Sündengeld nehmen von den Ruffen, auch für Dich? Aber das ist unrecht gevacht, wenigstens vorläufig." Executivbeamten die Grenzen zwischen dem Klein- und Großbetrieb nicht innezuhalten vermögen. So sind in Berlin am letzten Sonnabend in vielen Detailgeschäften die Arbeitsstuben durch Schutzleute geschloffen worden. Die Geschädigten wollen gerichtliche Entscheidung nach suchen. Die Verordnung besagt nämlich ausdrücklich, daß die in ihr enthaltenen Bestimmungen nur für den Groß- betrieb, nicht aber auch für das Detailgeschäft oder den Hausbetrieb maßgebend sind. Frankreich. In Paris wird allseitig der Niedergang des Na tionalfestes sestzestellt. Einige Blätter schreiben ihn der Enttäuschung zu, welche die dritte Republik dem Volke bereitet habe. Es wird die Abschaffung des Festes oder dessen Verlegung auf einen anderen Jahrestag, etwa den 22. September, an dem die Republik ausgerufen wurde, vorgeschlagen. Eine unterhaltliche Kritik der Polizeimaß regeln zum Schutze Faure's lieferte eine Mann, der bei Faure's Rückkehr von Longchamps in den elysäischen Feldern durch den Schwarm der Geheimpolizisten und die vierfache Reihe der Schutzleute und das Kürassier geleit hindurch an den Wagen des Präsidenten sprang und Faure eine Bittschrift überreichen konnte; der Mann ließ sich nach diesem Kraftstück ruhig verhaften, er ist ein harmloser armer Teufel, es konnte aber auch anders sein. Eine lobenswerthe Neuerung war die Speisung aller Armen in den Herbergen für Obdachlose und den Erholungshäusern für arme Wöchnerinnen. Während der Truppenschau erkrankten infolge der großen Hitze 200 Soldaten und Zuschauer und mußten in Kranken wagen nach Paris befördert werden. England. Es scheint, als ob die anläßlich des Regierungsjubi läums der Königin mit den Premierministern der ver schiedenen Colonien eingeleiteten Unterhandlungen behufs engeren Anschlusses der Colonien an das Mutter land doch zu einem gewissen Resultate führen werden. Die Mehrzahl der Colonien ist zu engerem Anschluß be reit; alle jedoch nicht, z. B. Indien! Türke». Wenn sich die neuesten Meldungen bestätigen, dann hat der Sultan Abdul Hamid H. seinen Ministern den Befehl ertheilt, die Friedensbedingungen der eu ropäischen Mächte anzuerkennen und die bezüglichen Verhandlungen mit den Botschaftern unverweilt zum Ab schluß zu bringen. Freilich wäre dieser Befehl noch keineswegs gleichbedeutend mit seiner Ausführung, so daß auch im günstigsten Falle noch eine ganz geraume Zeit vergehen wird, bis die Friedenspräliminarien wirk lich werden unterzeichnet werden. Während der deutsche Kaiser nur die ernstesten Vorstellungen an den Sultan gerichtet hat, sich dem Willen der Mächte zu fügen, hat der Kaiser von Rußland mit sofortigen Repressivmaß regeln in Klein-Asien gedroht, wenn Thessalien nicht binnen kürzester Frist geräumt werde. Weiter verlautet, vaß ein gemeinsamer Beschluß der Mächte vorliegt, wenn die Pforte nicht unverweilt einlenkt, ein Ultimatum an dieselbe zu richten, in welchem sie aufgefordert wird, binnen wenigen Stunden ein bestimmtes Datum anzu geben, an welchem sie Thessalien räumen werde. Von „Bleibt zu denken, was nachläufig", stöhnte Isaak. „Ich will Rache an dem Grafen, Rache an dem Andern, der eine Faust hat wie Goliath, das ist mein Recht. Oder ist es das nicht, wenn er mich zusammengeschnürt hat wie ein Pack Lumpen und mir mein Schnupftuch in den Mund steckte, daß mir übel ward, straf' ihn Gott! Als ich frei ward, lies ich zum nächsten russischen Posten, ich lief nicht, ich flog und machte Anzeige. Da setzten sie mich auf die unvernünftige Kreatur, die ich nicht mit den Absätzen berühren durfte, und sie schlug aus hinten und vorn, daß ich mir vorkam wie ein Gummiball, der auf die Spitzen der Fichten fliegen sollte. Dazu lachten die Soldaten und nannten mich Hundeblut; mögen sie verdammt sein in Ewigkeit! Aber sie waren verant wortlich dafür, daß ich glücklich herkäme, und so kam ich her, ohne mir das Genick zu brechen. Die Rebellen sind' ich und hier, das weiß ich; sind sie schon hier, gut, sind sie es noch nicht, so kommen sie, aber da ich das Mädchen, die Jska, sah, so weiß ich, daß sie schon reif sind, gefangen zu werden. Brauch, ich dazu das Stück Papier, das Dich in Angst setzt? Ich brauch' es nicht." „Gewiß nicht", unterbrach ihn Isaak. Was soll Dir an meinem Verderben liegen?" „Liegt mir auch nicht", bekräftigte Jschar und nahm dazu eine würdevolle Miene an. „Aber es gefällt mir nicht mehr in dem verruchten Nest, wo sie mein armes Vaterleben gehängt haben. Es sind lauter Spitzbuben und Meuchelmörder dort, und Jska's Vater, der immer so dumm thut, ist der ärgste Schuft. Da sie mich ge sehen hat, bin ich in meinem Hause meines Lebens nicht sicher, wenn der Graf und der Andere gefangen werden. Ich will gar nicht mehr zurück. Meine Mutter mag's verkaufen und bis dahin sich einen Knecht nehmen, der die Arbeit thut. Sie ist so blos noch halb am Leben, seit uns das Unglück traf. Ich will nach Krakau, Isaak, und einen ehrlichen Handel ansangen. Ueber's Jahr bin ich eingerichtet und über's Jahr kann das Mädchen heiraten, wie heißt sie doch? — die Kathinka. Sie ge- dem Inhalt der Antwort sollen die weiteren Maßnahmen abhängig gemacht werden, über welche zwischen den Ka binetten bereits volle Einigkeit besteht. Die Entsendung eines Geschwaders in den Bosporus würde zweifelsohne dann sofort erfolgen. Daß sich der Sultan gegen alle diese Vorstellungen und Drohungen nicht einfach ablehnend verhalten kann, liegt auf der Hand. Der Sultan ließ jedoch ausdrücklich erklären, daß wenn er auch der Ge walt weiche und auf Thessalien verzichte, er doch die Verantwortung für diesen Schritt, der sehr ernste und unabsehbare Folgen haben könnte, den Mächten überlasten müsse. In Wiener diplomatischen Kreisen ist man über zeugt, daß der Sultan, starken Einflüssen weichend, weiteren Widerstand leisten werde. In diesem Falle würden Rußland, England und Oesterreich die zu ergreifenden Zwangsmaßregeln ausführen. Rußland würde den Bosporus, England die Dardanellen blokiren und Oester reich die Eifenbahn nach Saloniki in Beschlag nehmen. Ämerika. Nach den bisherigen Meldungen mußte es scheinen, daß die Annexion Hawais durch die Vereinigten Staaten von Nordamerika einen ernsten Conflict zwi schen diesen Staaten und Japan zur Folge haben werde. So ernst scheint die Sache nun nicht zu sein, wenigstens erklärte der japanische Gesandte in Washington, seine Regierung habe allerdings der Annexion Hawais durch Amerika ernste Bedenken entgegenzustellen; daß Japan jedoch beabsichtige, mit Waffengewalt gegen die Ver letzung der Unabhängigkeit der Insel vorzugehen, sei un begründet. Die gereizte Stimmung Japans sei haupt sächlich durch den Zolltarif, welcher den Handel Japans erheblich schädige, erhöht worden. Wie es danach scheint, hat man sich in Tokio entschlossen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, weil man sich nicht der Ein sicht verschließen kann, daß ein Krieg mit Amerika doch mit zu ungleich vertheilten Kräften geführt werden müßte, und daß das japanische Heer noch Ruhe braucht, um sich von dem chinesischen Kriege völlig zu erholen. Von einer Einmischung der Vereinigten Staaten in die cubanischen Angelegenheiten hat neuerdings nichts mehr verlautet; demnach hat Amerika ganz un zweifelhaft fortgesetzt einen Druck auf Spanien ausge- übt, denn nur so ist es zu erklären, daß General Wep ler die im Gesängniß von Aerinidad gefangen gehaltenen politischen Gefangenen, die sich bekanntlich zumeist auS Angehörigen der nordamerikanischen Union rekrutiren, plötzlich freigelasten hat. Aus dem Muldenr Huie *Waldeuburg, 16. Juli. Herr Amtsgerichtsrath Bamberg befindet sich bis zum 15. August o. auf Urlaub und wird während dieser Zeit durch Herrn Assessor Or. Temmrich vertreten. *— Mit heute haben sowohl beim Fürstlich Schön- burgischen Seminar hier wie bei der Bürgerschule die großen Ferien begonnen; im ersteren Falle dauern sie bis zum 15. August, im letzteren bis zum 8. August. *— Der Westlich-Sächsische Grenzturngau, zu dem auch Waldenburg gehört, sendet 400 Freiübungsturner, bezw. 29 Gerätheriegen zu je 10 Turnern, davon allein fällt mir, Isaak, und nach Jahr und Tag wird sie mir noch bester gefallen; was giebst Du zur Morgengabe?" Isaak wagte nicht mehr, dem frechen Freier mit Hohn zu antworten, und sagte nur: „Was soll Dir das Kind? Sie ist ja noch ein Kind!" „Ruf' sie herein", rief Jschar. „Als meine Mutter so alt war, wie sie über's Jahr sein wird, schrie ich schon aus ihrem Schooß, daß mein Vater selig seine Freude hatte. Rus' sie herein, sag' ich, daß Du selbst siehst, wie groß sie ist. Es wär' eine Schande, wenn sie noch länger warten sollte." Er zog wieder das Papier aus der Tasche, und Isaak bekam von Neuem eine unbeschreibliche Angst. Er schlotterte zur Küchenthür und rief die Kathinka. „Sieh' Dir den Mann an", sagte er zu dem ahnungs losen Kinde; „wie gefällt er Dir?" Kathinka starrte mit ihren Gazellenaugen nach Jschar hin, aber ihr Mund öffnete sich nicht, um ihr Urtheil zu verkünden. „Wirst Du reden?" schrie ihr Vater. „Was soll ich reden?" entgegnete sie. „Der Mann ist schon ganz hübsch, aber er gefällt mir nicht. Mir gefällt nur Einer, und das ist seine Gnaden, der Herr Major." „Gott der Gerechte, wo denkst Du hin", jammerte Isaak, „was soll seine Gnaden, der Herr Major von Adlerheim? Du sollst nicht sagen, wer der schönste Mann ist, sondern ob Dir der gefallen kann, der am Tisch da sitzt, Herr Jschar, der mit den Kosaken geritten kam . . ." „Oh!" sagte Kathinka, „geritten?" „Ist er gelaufen, ist er gefahren, ist er geflogen?" rief Isaak, voll Eifer; „zu Pferde kam er, ich frage zum dritten Mal, wie gefällt er Dir?" „Gar nicht", entgegnete das Mädchen mit edler Offen heit, „wenn ich es durchaus sagen soll, gar nicht." (Fortsetzung folgt.)