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"Waldenburg, 1- Juli 1897. In Oesterreich kündigt sich eine Arbeitseinstellung der deutschen Gemeinden an. Eine ganze Anzahl deutscher Gemeinden hat in den letzten Tagen erklärt, daß sie die Steuereinhebung in dem ihnen übertragenen Wirkungs kreise nicht mehr besorgen werde. In Hunderten von anderen Gemeinden werden gleiche Beschlüsse vorbereitet. Es ist dies eine Antwort auf den jüngsten Erlaß des Ministerpräsidenten Grafen Badeni, der, nachdem der Reichsrath aufgelöst worden, eine scharfe Ueberwachung aller Versammlungen durch die politischen Behörden an ordnet. Gegen diese Maßregelung ergreifen die deutschen Gemeinden die Waffe, daß sie die Erhebung der Steuern, die ihnen im „übertragenen Wirkungskreise" auf Grund von Verordnungen und nicht von Gesetzen obliegt, ab- lchnen. In Sachsen ist durch Gesetz bestimmt, daß die Gemeinden die Steuern für den Staat (gegen eine Ent schädigung) zu erheben haben; in Oesterreich aber ist man nicht so vorsichtig gewesen. Dort besteht der „übertragene Wirkungskreis" der Gemeinden in der Verpflichtung, für die Zwecke der öffentlichen Verwaltung auf Grund der allgemeinen Gesetze und innerhalb derselben auf Grund der Landesgesetze mitzuwirken. Nach dem Wortlaute dieser gesetzlichen Bestimmung haben die Gemeinden eine Verpflichtung zur Mitwirkung im übertragenen Wirkungs kreise nur dann zu erfüllen, wenn entweder Reichs- oder Landesgesetze dies bestimmen. Die Gemeinden werden jedoch nicht nur auf Grund von Gesetzen, sondern auch auf Grund von Verordnungen bei der Besorgung der Geschäfte des übertragenen Wirkungskreises in Anspruch genommen, und die Landesvertrctungen einzelner Länder, namentlich von Böhmen und Niederösterreich, sind für eine Beschränkung der Inanspruchnahme der Gemeinden ,ur Mitwirkung für die Zwecke der öffentlichen Verwal tung auf Grund von bloßen Verordnungen eingetreten. Das Verwaltungsgericht hat auch mehrfach eine Ver pflichtung der Gemeinden zur Mitwirkung im übertrage nen Wirkungskreise dort nicht anerkannt, wo nur Ver- ordnungen, nicht aber Gesetze diese Mitwirkung bestimmen und festsetzen. Eine der schwersten Belastungen der Gemeinden im übertragenen Wirkungskreise besteht nun in der ihnen auferlegten unentgeltlichen Erhebung der direkten Steuern, wozu sie nicht gesetzlich verpflichtet sind. Vielen Ge meinden, die gegen die unentgeltliche Erhebung der dirccten Steuern Vorstellungen erhoben oder diese Er hebung verweigert haben, werden von den landessürstlichen Behörden Vergütungen g-währt, und b« Verwaltungs- gerichtshof hat in wiederholten Fallen schon entschieden, „daß dermalen weder ein Reuhs- noch -m LandeSgesetz bestehe, welches die Gemeinden mit der Emhebung der Steuern betraue und diese Einhebung als zum über tragenen Wirkungskreise gehörig erkläre." Eme weitere schwere Belastung der Gemeinden besteht m der ihnen bisher auferlegten Zustellung der Erlöste und Erledigun gen der politischen Behörden; auch dafür besteht keme gesetzliche Verpflichtung der Gemeinden; ebenso ist die bisher beanspruchte Mitwirkung der Gemeinde bei den Einberufungen der Reserve und Ersatzreserve des Heeres und bei der Weiterführung der Verzeichnisse der dauernd Beurlaubten im Gesetze nicht vorgeschrieben; dies haben nach vem Gesetze vom 11. April 1889 die zuständigen Militärbehörden zu besorgen. Der Gemeindevorsteher hat nur die Pflicht, die erhaltene Kundmachung über Tage der Astentirung öffentlich anzuschlagen; die Ausstellung der schriftlichen Vorladung an jeden einzelnen Stellungs Pflichtigen und die Zustellung derselben, wie bisher üblich, ist in den Wehrvorschristen nicht vorgeschrieben. Die Erhebung der Militärtaxe ist nach Z 10 des Gesetzes durch jene Organe zu besorgen, denen die Erhebung der directen Steuern obliegt. Es besteht somit auch hinsicht lich der Erhebung der Militärtaxe keine gesetzliche Ver pflichtung der Gemeinden, ebensowenig für die Mahnung und Aufzeichnung der Zahlungssäumigen, was einen ge waltigen Arbeitsapparat erfordert. Ebenso wurden die Gemeinden in Gewerbe-Angelegenheiten weit über das Maß der gesetzlichen Bestimmungen in Anspruch ge nommen. Dies sind aus der großen Anzahl von Ge schäften des übertragenen Wirkungskreises der Gemeinden nur die wichtigsten. Es scheint nun, daß viele deutsche Gemeinden versuchen werden, den Grundsatz durchzu führen, daß eine Verpflichtung, für die Zwecke der öffent lichen Verwaltung mitzuwirken, nur in jenen Fällen be stehe, wenn dies durch Reichs- oder Landesgesetze be stimmt ist, daß sie aber in den Fällen, wo dies lediglich nur durch Verordnungen bestimmt ist, sich ablehnend ver halten werden. Der „übertragene Wirkungskreis" könnte also dem Grafen Badeni viel zu schaffen geben. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser verblieb am Mittwoch in Kiel bis 10 Uhr an Bord der „Hohenzollern" und begab sich darauf zur kaiserlichen Werft, um den Neubau des Kreuzers „Ersatz Leipzig" zu besichtigen. Eine Stunde später ging der Kaiser an Bord des „Meteor", welcher um 12 Uhr Segel setzte und nach dem Start für die Seeregatta des kaiserlichen Nachtklubs und des Norddeutschen Regatta vereins fuhr. Die Kaiserin befand sich ebenfalls auf dem „Meteor". Der Großherzog von Weimar trifft heute Donners tag Mittag, von Schwerin kommend, zum Besuch des Fürsten Bismarck in Friedrichsruh ein. Wie ist der Kaiser mit Herrn von Miquel so vertraut geworden? Selten hat ein Herrscher einen Bürger in solchem Maße gefeiert, selten ihm eine Hul digung dargebracht, wie Kaiser Wilhelm dem Oberbürger meister von Frankfurt im Dezember 1889. Wilhelm II. hat erklärt, nächst den Hohenzollern habe Frankfurt seine Blüthe Herrn Miquel zu verdanken, und der Kai ser trank nicht nur auf das Wohl der alten Reichsstadt, sondern auch auf Herrn Miquel persönlich. Dieses Er- eigniß mußte einiges Aussehen erregen, denn m denjeni gen Kreisen, denen man einen besonderen Einfluß auf den Kaiser zuzuschreiben gewohnt war, genoß Herr Mi quel nicht entfernt gleiches Ansehen. Der Kaiser hatte aber, schon ehe er nach Frankfurt kam, den Oberbürger meister der Stadt in sein Herz eingeschlosten. Der „Reichsbote" sagt: Herr Miquel war dem Monarchen von einflußreicher Seite empfohlen worden. Graf Wal- dersee und Miquel hatten im Herrenhause enge Fühlung gewonnen. Sie fanden sich besonders in kirchlichen Fragen zusammen. Die Idee, deren Verwirklichung die berühmt gewordene Waldersee-Versammlung von 1887 galt, hatte an Miquel einen kräftigen Vertreter. Es mochten noch andere Berührungspunkte vorhanden sein. Mag dem sein, wie ihm wolle. Herr Miquel wurde beim Kaiser durch Graf Waldersee eingeführt, und wenige Tage darauf redete der Monarch den Empfohlenen beim Kriegsminister mit den Worten an: „Sie sind mein Mann." Und in Frankfurt feierte er ihn sodann in der angegebenen Weise; ein halbes Jahr später war Mi Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage Nach Sonn- mrd Festtagen. Annahme von Inseraten für die «achster- sHeinende Nsmmrr bis Mittags 12 Uhr. »er «honn-mrutSprei« beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SS Pf. Sin,eine Nr«. 5 P - ».gerate pro Zeile 10 Pf., Linges. 20 Pf. txpedition: Waldenbmg, Odergafse 291 u«d Wat-endurger AnMer. Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herr - Hausmann Otto Förster; in Kausungeu bei Herrn Fr. Janafchek; in Langenchurs. dort bei Herrn H. Stiegler; in Penig b iHerrn Wilhelm Dahler, Cigarrengeschäft, an der Brücke, in Rochsburg bei Herrn Paul Zehl; in Walkenburg bei Herrn Ernst Rösche; in Ziegelheim bei Herrn Eduard Kirsten Amtsblatt für den Stadtrath zu Maldenburg. g . verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenfteiu-Callnberg, und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: MtttadtMaldenburg, Bräunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach ^aufun^ lenLa-Ni-.dnnl.ain Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsmtz l. E., Nerchenbach, Neinfe, Rochsburg, Nußdorf, y ' Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. Freitag, den 2. Juli 1897 ür den 2. Gewitterneigung. Witterunasbericht, ausgenommen am 1. Juli, nachm. 4 Uhr. c, r. Barometerstand 760 nun. reducirt aus den Meeresspiegel. Thermometerstaud -j- 27" 0. (Morgens 8 Uhr 4- 23^ Feuchtigkeitsgehalt der Luft n Lambrechts Polymeter 47°/°. Thaupuutt > 16 Grad. Windrichtung: Nordwest. quel Minister. Schon im Februar 1891 verbreitete sich das Gerücht, daß der Finanzminister Or. Miquel das preußische Ministerpräsidium übernehmen solle. In einzelnen Blättern wurde gleichzeitig behauptet, Herr Miquel werde mit der allgemeinen Stellvertretung des Herrn von Caprivi im Reiche betraut werden und eine ähnliche Stellung wie früher Graf Otto zu Stollberg- Wernigerode erhalten. Als den Nachfolger des Staatssekretärs im Reichsamt des Innern und Stellvertreter des Reichskanzlers in den inneren Angelegenheiten, Herrn v. Bötticher, bezeichnet die „Kreuz-Ztg." den bisherigen Staatssekretär des Reichsschatzamts Grafen Posadowsky. Das von dem scheidenden Herrn v. Bötticher verwaltete Vicepräsidium des preußischen Staatsministeriums wird bekanntlich Herr v. Miquel übernehmen. Ein Nachfolger für den Grafen Posadowsky scheint noch nicht gefunden zu sein, der sür das Reichsschatzamt in Aussicht genommene badisch, Finanzminister Ör. Buchenberger hat ablehnend geant wortet. Der Kreuzztg. zufolge hätten auch die Herren Regierungspräsident in Düffeldorf, Frhr. v. Rhein baben, der Präsident der Central-Genossenschastskaffe Frhr. v. Hucne und der Unterstaatssekretär Schraut in Straßburg Aussicht, in dieses Reichsamt berufen zu werden. Einer der genannten drei Herren wird jeden falls Nachfolger des Grafen Posadowsky werden. Ueber Rücktrittsabsichten des Reichskanzlers weiß das citirte Blatt nichts zu melden. Herr v. Bötticher soll an der letzten Sitzung des preußischen Staatsministeriums nicht mehr theilgenommen haben, dagegen hat er dem „Reichsanzeiger" zufolge noch die am 28. v. M. «bgehaltene Sitzung des Bundes- ratheS geleitet. Zu dem Besuch des Fürsten Hohenlohe und deS Herrn v. Bülow beim Altreichskanzler Fürsten Bismarck bemerkt die „Post": In dem Besuche wird nicht nur ein Act der Höflichkeit, sondern ein Beweis dafür zu erblicken sein, daß für die auswärtige Politik Deutsch lands die Traditionen aus der Zeit des ersten Reichs kanzlers bestimmend sein und bleiben sollen. In diesem Sinne erscheint der Besuch des Fürsten Hohenlohe al» ein gutes Omen für den mit den Personaloeränderungen an den obersten Stellen im Reiche und in Preußen ein geleiteten neuesten Kurs. Wie das „Volk" zu melden weiß, weigere sich der Fürst Hohenlohe, die Ernennung deS Herrn v. Pod- bielSky zum Staatssekretär des Reichspostamts zu unter zeichnen. Der Reichskanzler hat genehmigt, daß der Zinsfuß von Lombarddarlehen auf Schuldverschreibungen deS Reichs oder eines Bundesstaats um ein halbes Proccnt erhöht wird. Durch diese Beseitigung deS bisherigen Vorzugssatzes ist die im Interesse der Landwirthschaft wiederholt geforderte lombardmäßige Gleichstellung der landwirthschaftlichen Pfandbriefe mit den Reichs- und Staatspapieren hergestellt worden. Major v. Wißmann wird die projectirte Reise durch Sibirien vorläufig nicht ausführen, dafür di^ nordischen Länder bereisen. In der württembergischen Kammer brachte die Regie rung den Entwurf einer Revision der Verfassung nebst einer Abänderung des Wahlgesetzes ein, sowie einen Entwurf, die Abgeordnetenwahlen nach Kreisen und nach dem Proportionalwahlsystem vorzunehmen. Der Alldeutsche Verband veröffentlicht a- Deutschen in der Ostmark und im Reiche folgen-e Ec-