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Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- schetnende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Eolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 1V Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Sonntag, de» 31. Juli 174. 1881. Die Grundsteuer auf den 2. diesjährigen Termin ist den 1. August dieses Jahres zu bezahlen. Stadtsteuer-Einnahme Waldenburg, am 29 Juli 1881 Verpachtung. Im Gasthof zur Weintraube in Altstadtwaldenburg findet Freitag, den 5. August d. I., früh 9 Uhr die anderweit öffentliche Verpachtung der vormals Berger'schen Feld- und Wiesenparzellen Nr. 77b, 78, 79 und 80 des Flurbuchs für Altstadt waldenburg an 1 Acker 4'/s UM. oder 56,- Ar auf sechs Jahre, vom 1. October 1881 bis dahin 1887 unter den im vorbenannten Termine bekannt zu machen den Bedingungen um das Meistgebot statt und werden Pachtliebhaber hierzu eingeladen. Fürstliche Rentverwaltung zu Waldenburg, den 29. Juli 1881. Dietrick. *Waldenburg, 30. Juli 1881. Unser parlamentarisches Parteiwesen. Vor Kurzem ist eine politische Broschüre: „Der extreme Liberalismus" von einem Siebziger, wie sich der Verfasser nennt, erschienen, der wir folgende in vielem zutreffende Ausführungen über unseren Parlamentarismus entnehmen: „Woran krankt unser verfassungsmäßiger Staats körper, die Volksvertretung im Reichstage, die leider gegenwärtig in einer Weise zerklüftet ist, daß es der Regierung schwer wird, auch die beste Absicht, die gewiß nichts als das Wohl und das Gedeihen des Reichs bezweckt, zum Ziel zu führen, daß sie bei allen ihren Anträgen durch den Willen der oft ganz dem Zufall anheimgegebenen Majoritäten lahm ge legt wird? Sie krankt an der unglücklichen Zusam mensetzung des fraglichen Staatskörpers, des Reichs tags, aus den fremdartigsten und widersprechendsten Elementen, dem Resultat der directen unbeschränkten Volkswahlen. Wie diese zustande kommen, wissen wir alle. Daß sie nicht den Willen der wirklichen Mehrzahl des Volkes, noch weniger den seiner Sache bewußten Willen der rechtlich Mündigen im Volke zum Ausdruck haben, wissen wir ebenfalls. Und was ist die Ursache dieser unglücklichen Zusammen setzung? Nicht zum kleinsten Theil das unbeschränkte directe Wahlrecht, welches eine Masse von Individuen an die Wahlurne ruft, die politisch betrachtet mehr nicht als unmündige Kinder, und daher der Spielball in den Händen der politischen Intriganten sind, welche nur selbstsüchtige Zwecke verfolgen, denen bas Wohl des Ganzen nicht am Herzen liegt, nach den Worten Schillers im Demetrius: Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn! Verstand ist stets bei Wen'gen nur gewesen. Bekümmert sich ums Ganze wer nichts hat? Hat der Bettler eine Freiheit, eine Wahl? Er muß den Mächtigen, der ihn bezahlt, Um Brod und Stiefel seine Stimm' verkaufen. Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen. Der Staat muß untergehn früh oder spät, Wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet. Die Schuld der verhängnißvollen Parteistellung im Reichstage ist wohl großenlheils in dem Prinzip zu suchen, welches den numerischen Mehrheiten zu viel Gewicht bei den Wahlen giebt, indem bei dem allgemeinen Wahlrecht die Entscheidung den Massen anheimsällt, daher die Parteien im Vortheil bleiben, welche in der Lage sind, die Massen aufzubieten uud an die Urne zu treiben. Der Grund liegt aber doch auch noch in etwas anderem. Wir lieben Deutschen sind gewohnt, auch darin unseren westlichen Nachbarn nachzuahmen, daß wir meinen, ein Volksabgeordneter könne seine Pflicht nur durch Oppositionmachen erfüllen; er dürfe sich vor seinen Wählern nicht sehen lassen, wenn er bei der verflossenen Session nicht auch einmal der Regierung ein Bein gestellt habe. Da will jeder, auch wenn er ein noch so schwaches Licht ist, klüger sein als Bismarck und die Minister, jeder will regieren, nicht berathen. Darum ist es so schwer für den Reichskanzler, Stand zu halten, ohne eine festdisziplinirte Partei hinter sich zu haben, jetzt dop pelt schwer, wo ihm die geschloffene Front der , Klerikalen gegenübersteht, vie ihren Generalen j (Windthorst u. s. w.) wie ein Regiment Soldaten ' aufs Commando folgt, und als es jedesmal zu be- I fürchten ist, daß die Socialisten, die Fortschrittler, . die Secessionisten sammt Polen, Franko-Elsaß- ! Lothringern (Protestlern), Parttkularisten und son- > stigen Reichsfeinden, ja selbst nicht wenigen der Nationalliberalen, denen ihre Freiheitsideen über den festen Bestand des neugeschaffenen großen Vater landes gehen, im Bunde mit obengenannten „Geistern, die nur verneinen," seine Gegner als fliegendes Hülfscorps secundiren und seiner schon erschütterten Schlachtordnung in die Flanke fallen. Allerdings sieht es dermalen in Frankreich nicht besser aus als bei uns, weil dort auch jeder, wenn er einmal Minister ist, eben deßhalb und nur deß halb, die Popularität bei seiner eigenen Partei ver wirkt hat. Können es ja doch auch bei uns sogar Kollegen der Minister, wenn sie aus dem Ministerium ausgetreten sind, nicht verwinden, sofort die Spitze ihrer parlamentarischen Waffen gegen ihre früheren Kampfgenossen zu kehren, und ihr Müthhen einmal wieder so recht im Opposilionsmachen zu kühlen. Beispiele brauche ich nicht anzuführen, sie liegen aus neuer und neuester Zeit uns vor Augen, die Reden klingen uns noch in den Ohren. Ganz richtig sagte Völk, dem als „Bismarcksknecht" in Berlin von seinen Parteigenossen die Thüre gewiesen wurde, im Frühjahr 1880 aus Anlaß seines Abgeordneten- Jubiläums in Augsburg: „Daß ich in Kleinigkeiten nicht mit denjenigen gehe, welche es Jahr aus, Jahr ein darauf absehen, den Kanzler zu ärgern, daß ich Anträgen nicht zu stimme, denen man es unsieht, daß sie nur einge bracht sind, um am Kanzler Nörgeleien zu üben und ihm das Leben sauer zu machen, wird man begreiflich und nicht mehr als billig finden. Ich rede dem Kanzler nie zu liebe und habe nie Anstand genommen, wenn ich mit ihm zusammengekommen bin, freimüthig und offen ihm meine Meinung auch dann zu sagen, wenn sie der seinigen, wie er sie gerade kund gab, entgegengesetzt war." Dieser Standpunkt unserer Reichsgesetzer-Facloren, diese Zerklüftung unseres Parteiwesens, diese Ver quickung echt deutschen Geistes mit welschen Elemen ten, Vorurtheilen und Schlagwörtern machen mir bange für den festen Bestand unseres neu gegründe ten Reiches, denn sie umnachten unseren politischen Himmel, sie trüben das freudige Nationalgefühl und geben dem bösen Feind, genannt Partikularismus, Gelegenheit, in dieser politischen Nacht sein Unkraut unter den Weizen zu säen. Möge es bald besser werden!" *Waldenburg, 30. Juli 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser hat an vr. Heinrich Schliemann, der ihm vor einiger Zeit ein Exemplar seines großen Werkes „Ilios, Land und Stadt der Trojaner" überreichen ließ, folgendes Antwortschreiben gerichtet: „Die Erforschung des alten Troja, welche Sie sich seit Jahren zur Aufgabe gestellt haben, hat Mich von Anfang an lebhaft interessirt. Ich bin den Fortschritten und Ergebnissen Ihres Unternehmens aufmerksam gefolgt und begrüße es mit besonderer Freude, daß es Ihrem Eifer und Ihrer Energie gelungen ist, auf dem eingeschlagenen Wege so glück liche Resultate zu erreichen. Ihre kühnen Forschungen haben im Laufe weniger Jahre die archäologische Wissenschaft erheblich bereichert und ein neues bis her unbekanntes Gebiet frühester Kultur erschlossen. Mit großer Befriedigung habe Ich daher das Mir eingereichte, von Ihnen verfaßte Werk „Ilios, Land und Stadt der Trojaner", welches eine getreue Schilderung Ihrer Ausgrabungen und der dabei zu Tage geförderten werthvollen Schätze enthält, ent gegengenommen, und sage Ihnen für die Mir er wiesene Aufmerksamkeit Meinen besten Dank. Ich hoffe, daß Ich im Herbst nach Meiner Rückkehr nach Berlin Zeit gewinnen werde, die interessante Samm lung der trojanischen Alterthümer, welche Sie in so uneigennütziger Weise dem deutschen Volke gewidmet haben, persönlich in Augenschein zu nehmen. Bad Gastein, den 20. Juli 1881. Wilhelm." Der Reichskanzler wird, wie verlautet, am nächsten Mittwoch den 3. August seine Kur in Kis- singen beendigen und sich von dort wahrscheinlich nach Gastein begeben. Der „Reichsanzeiger" publicict das am 20. Juli in Gastein vollzogene Gesetz, betreffend die Bezeich nung des Raumgehaltes der Schankgefäße. Dies Reichsgesetz tritt mit dem 1. Januar 1884 in Kraft, läßt also den Gast- und Schankwirthen ge nügend Zeit zum Uebergang in das neue Verhältniß. Fürst Bismarck hat dem Bundesrathe die That- sache angezeigt, daß im Jahre 1880 nicht weniger als 11,454 junge, demnächst kriegsdienstpflichtig werdende Männer ausgewandert sind, und daß im laufenden Jahre weit mehr als 20,000 solcher dem Kriegsdienste verloren gehen — abge sehen davon, daß damit zugleich die arbeitskräftige Bevölkerung auswandert und die Schwächlinge und Arbeitsunfähigen in verhältnißmäßig größerem Maß stabe zurückbleiben. Das Hauptauswanderungsland Deutschlands ist Preußen; Bayern mit einem Neuntel der Bevölkerungszahl des Reiches liefert nur ein Zwanzigstel der Auswanderung. Für die Zunahme der Auswanderung nach Amerika hatte die fortschrittliche „Berliner Zeitung" die wirthschaftlichen Verhältnisse verantwort lich gemacht, und dann weiter geäußert, an der Auswanderung seien nur die niedrigen Löhne schuld, bei denen die Leute sich nicht satt essen können. Dazu bemerkt die „Norddeutsche Allgem. Zeitung": „Wenn es nun einen erwiesenen Satz in wirth schaftlichen Dingen giebt, so ist es der, daß bei einem nationalen Zollsystem die Löhne steigen, während bei der Ausbeutung des schwächeren Landes durch den Freihandel mit einem capitalmächtiaeren Jndustrielande die Löhne tief sinken müssen. Die Wirkungen des verkehrten Freihandelssystems, unter dem Deutschland zwölf Jahre lang ruinirt worden ist, lassen sich aber doch selbst in einem Zeiträume l von 1'/- Jahren, in welchem wir wieder zu einer