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ZWlmMi Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und dis Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Sonntag, den 25. December 2S8. 1881. Wie HMW Weth«M Hörst du der Glocken festliches Geläute Ertöne» durch die stille, heil'ge Nacht, Verklingen hinter Bergen, Wald und Weide? Wozu ruft uns der eh'rne Mund: Erwacht! Gar bald sieht man sie eilen durch die Gassen, Den frommen Hirten gleich nach Bethlehem, Und weiter wälzen hin sich dunkle Massen, Gleich einer Wallfahrt nach Jerusalem. Zum weiterhellten Gotteshause wallen Sie frohen Herzens durch die stille Nacht, Zu der Erbauungsstätte heit'gen Hallen, Da Christkind Heil und Frieden uns gebracht. Und himmlisch hehre, heil'ge Weihnachtsklänge Begrüßen schon so früh die gläub'ge Schaar; Ein Engel Gottes ziehet durch die Menge, Verkündend, was geschah, einst wunderbar. Und aus der Höhe ruft mit Gabriels Munde Weissagend einst des heil'gen Sehers Wort: Gekommen ist die weihevolle Stunde, Da uns erschien der Friedensfürst und Hort. O daß in alle Häuser, Schloß und Hütte Uno in die Herzen Christkind zöge ein, Mit seinem Weihnachtssegen uns beschütte, Erfreu' mit reichen Gaben Groß und Klcin! Und wo ein Kranker seufzt in diesen Tagen, Auch da laß deinen Engel ungesehn Den Balsam träufeln hin auf Schmerz und Plagen, Laß Lankvoll ihn zur Krippe Jesu gehn! Wenn einst die letzten Weibnachtsglocken klingen B-i allem Erdenleid und tiefem Weh, Dann wollen wir noch einmal jubelnd singen: Dem heil'gen Gott sei Ehre in der Höh'! — Friedrich Händel. "Waldenburg, 24. Dezember 1881. Zum Weihnachtsfest! Mit der deutschen Cultur ist der Weihnachtsbaum bis in die fernsten Gegenden der Welt gewandert, selbst fremde Nationen haben die schöne Sitte ange nommen. Allüberall ist Weihnachten ein Fest der Freude, und das schöne Testament des Heilands, fein Ruf zur Nächstenliebe, vereint mit seinem Worte: „Lasset die Kindlcin zu mir kommen!" wird von der Christenheit am heiligen Abend durch Gaben und Akte der Wohlthätigkeit erfüllt. Durch sinnige Gaben und heilige Mythe sind alle Gebräuche ver schönt, die fromme Sitte zieht ein in das Herz der Jugend und die Ellern gedenken der eigenen schönen Kinderzeit. Gerade in unserer Zeit erscheint das Weihnachtssest verklärt als einer jener Nuhepunkte im arbeitsvollen Leben, denn kaum jemals war der Kampf um das Dasein mühseliger, die Aufregung des Tages heftiger, der politische Streit schärfer, und die Sorge schwerer. Darum ist aber die Freude nicht aus der Welt geschwunden, und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft läßt nicht zu Schanden werden, wenn wir redlich arbeiten für uns selbst, für die Familie und das Gemeinwohl. Eine bessere Zeit beginnt, seitdem man erkannt, vaß nicht der Egoismus ein Evangelium, daß nicht die Gewinnsucht das irdische Glück ist, sondern daß Zufriedenheit nur erblüht, wenn Selbstsucht und Sonderinteressen zurücktrelen im Staate, unseren Mitmenschen, unserer Familie gegenüber. Fiankreich legt zu Weihnachten seinen Greisen und Matronen über 80 Jahre eine feste Rente von 6—800 Francs für das Jahr auf den Weihnachts tisch; in Deutschland gedachten der Kaiser und Fürst Bismarck der arbeitenden Klasse eine Besserung ihrer Lage zu bescheeren. Mögen auch die Stimmen da für oder dawider ertönen, kommen wird die Zeit, in welcher dieses Testament des greisen Herrschers erfüllt, jener Ruhm der Fürsten unter Zustimmung der ganzen Ration auf's Neue ertönen wird, daß sie nicht nur Könige der Reichen, sondern auch der Armen sind. Und unser Reichstag wird ebenfalls für alle Maßnahmen gern einlreten, welche nach seiner innersten Ueberzeugung zum wahren Wohle und zur Hebung der arbeitenden Klaffe und damit zur Bekämpfung unglückseliger Schwärmereien dienen, deren Durchführung die ganze Kultur, den Staal und die Gesellschaft bedroht. Nach einer aufregenden Wahlzeit erscheint uns in festlicher Ruhezeit der ernste politische und sociale Kamps nicht als aussichtslos oder unversöhnlich. Jahrtausende verfließen, das große Meer der Zeit zeigt Ebbe und Fluth. Noch ist die heutige Aera unmöglich, von der es heißt, es werde ein Hirt und eine Heerde sein, noch können wir nicht erfassen, daß cinst alle Menschen Brüder fein werden, daß über den Parteien das allgemeine Glück thront. Aber Vieles ist geschehen in jüngster Zeit, was unser Herz mit Hoffnung erfüllen muß und jenen Heil- fpruch, Geben ist seliger denn Nehmen, der in der heiligen Weihnachtszeit erfüllt wird, als Mahnwort einec erregten Zeit uns näher rückt. Uns ward das große Geschenk des einigen Vater landes zu Theil, uns ward der Frieden, der Sieg der Humanität, gleiches Recht und gleiche Pflicht, gleiche Treue dem Kaiser, gleiche Liebe dem großen Vaterlande, gleiche Achtung der Menschenwürde zum Erbgut der Nachkommen, und ihnen mögen wir in weihevoller Stunde zurufen: Was Ihr ererbt von Euren Vätern habt, ererbt es, um es zu besitzen! Uns ward die Macht gegeben, als einiges Volk zur höheren Bildung, zu größerer Freiheit empor zustreben; uns wurde durch Kaiserliche Botschaft der Trost, daß niemals der F jede gesicherter war als jetzt. Und so sei uns das Weihnachtsfest eine kurze aber willkommene Rast ohne Verbitterung, ein Tag der Freude und Versöhnung, an welchem wir, wenn auch noch in weiter Ferne, aber gläubig hören, gleich einer Botschaft der Zukunft aus lichten Höhen, jenen herrlichen Sang der Engel: „Ehre sei Gott in der Höhe! — Friede auf Erden! — Und den Menschen ein Wohlgefallen! "Waldenburg, 24. December 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die letzte Plenar-Sitzung des Bundesraths vor Weihnachten hat am 22. d. M. abends 7 Uhr statt gefunden. Auf der Tagesordnung stand u. A. die Wahl von Mitgliedern des Bundesraths zu der Reichstags-Gebäude-Commission und mündliche Be richte der respectiven Ausschüsse über die beiden Vorlagen, betreffend die Zulassung fremder Schiffe zur Küstenfrachtfahrt zwischen deutschen Häfen und die Verlängerung der Besugniß zur Notenausgabe der Danziger Privat-Aclienbank. In Berliner politischen Kreisen circulirt das Ge rücht, daß der zur Leitung des Auswärtigen Amtes nach Berlin berufene ehemilige Gesandte Graf Hatz feld die Absicht hege, um die Entbindung von seinen jetzigen Funktionen zu bitten. Der Redacteur des „Berliner Tageblatt" vr. Arthur Levysohn wurde am 23. d. wegen Belei- digung des Hofprediger vr. Stöcker zu einer Geldbuße von 500 Mark verurtheilt. Eine größere Anzahl Berliner Zeitungsreporter, welche der An geklagte zum Beweise dafür geladen hatte, daß der Hofprediger Stöcker die liberale Presse angegriffen ha'e, konnte ihm mit ihren Aussagen von der Strafe nicht befreien. Die Zahl der Zollcuriosa, zu welchen die Hand habung des Zolltarifs in den letzten Wochen An laß gegeben, mehrt sich noch fortwährend. Von einem neuen allerliebsten Jnterpretalionsstückchen meldet die „Hamb. Börs.-Halle". Von China wer den mancherlei Essenzen, Fruchtsäfte und Liqueurs in Gläsern eingesührt, die mit einem ganz dünnen Seidenstoffe überzogen sind, auf welchem sich chine sische Buchstaben und Figuren gedruckt befinden. Die Zollbehörde hat neuerdings ihr Augenmerk auch auf diese Umhüllungen gerichtet und fordert jetzt Verzollung dieser Essenzen rc. nach dem Bruttoge wicht (incl. Glas) als „Seiden-Atlas"! Wenn das so weiter geht, wird man bald nicht mehr wissen, unter welche Kategorie ein Steuerobject fällt, und dem Handel muß dadurch beträchtlicher Schaden zu- gefügl werden. Im Geiste der Gesetzgebung haben solche Ungeheuerlichkeiten sicherlich nicht gelegen. Das Verhalten dec Oppositionspartei im Reichs tage hat die Gerüchte vermehrt von einer bevorste henden Auflösung des Reichstages. Die „Süd deutsche Zeitung" äußert die Meinung, daß der Reichskanzler wohl nicht so sehr seinen Vortheil verkennen sollte, um zu einer solchen Maßregel zu greifen. „Wenn dieser Reichstag, oder vielmehr seine Mehrheitsparteien, so fortmachen, wie in dem verwichenen Monat, dann wird Fürst Bismarck in dem hoffentlich von ihm noch erlebten Jahre 1884 mit sicherem Erfolge der wieder zur Besinnung ge langten Nation die Wahlfrage stellen können. Sce- nen, wie diejenigen des 15. December, discreditiren selbst bei einem so oppositionell angelegten Volke, wie dem deutschen, jeoe Opposition." In Grüneberg in Schlesien ist bei der voll zogenen Neuwahl von Mitgliedern der Grüneberger Handelskammer der größte dortige Industrielle, Be sitzer einer Fabrik von halbwollenen Waaren, welcher Mitunterzeichner des Protestes gegen den bekannten Handelskammerbericht war, in die Handelskammer gewählt worden. Oesterreich. Director Jauner hat sich am 23. d., da ein Gerücht circulirte, daß er von Wien abgereist sei, zum Untersuchungsrichter begeben und freiwillig das Gelöbniß geleistet, daß er ohne polizeiliche Geneh migung Wien nicht verlassen werde. Der Kaiser besichtigte am 23. d. das Theater an der Wien, durchschritt sämmtliche Theaterräume, beaugenscheinigte die bereits getroffenen Vorsichts maßregeln und nahm den Bericht des Theaterdirec-