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von Fabrikbesitzern — namentlich in Rhein land und Westfalen sich entschieden gewei gert haben, die in dem Formular aufgestell ten Fragen zu beantworten, und da hierfür kein gesetzlicher Zwang und keine Strafgewalt be stand, so war es den Verwaltungsbehörden ganz unmöglich, die betreffenden Personen zur Beantwor tung des Formulars zu zwingen, so daß eine nicht unerhebliche Anzahl von Formularen unbeantwortet zurückgelangt sind. Mau wird sich entsinnen, daß im Reichstage bei Berathung des Gesetzentwurfs über die Berufsstatistik von liberaler Seite die Be stimmungen über die Strafe für unrichtige Angaben rc. scharf bekämpft und als überflüssig bezeichnet wurden. Die Erfahrungen bei dieser Unfallstatistik sind der deutlichste Beweis für die Nothwendigkeit der Beibehaltung des Strafparagraphen. Uebrigens dürfte es wohl angezeigt sein, bei dieser Gelegen heit darauf hinzuweisen, daß bei vielen außer- preußischm deutschen Staaten für die gewöhnlichen statistischen Aufnahmen der „Volkszählung" gesetz liche Bestimmungen bestehen, nach denen derjenige mit Strafe bedroht wird, welcher bei der Volkszäh lung falsche Angaben macht, oder sich weigert, über haupt die gestellten Fragen zu beantworten. Die „S. Pr." theilt mit, daß der Bischof von Spen-r, Ov. Josef Ehrler, vor einiger Zeit seinen bischöflichen Genoffen Friedensanweisungen aus Rom mitgebrachl Hai. Die betreffende Aeußerung des Papstes soll ungefähr dahin gegangen sein, daß der baierische Epifiopat jede Opposition gegen das Shstem Lutz in Zukunft zu vermeiden habe; „es wäre gut, wenn die katholische Kirche überall in der gleichen Lage wäre wie in Baiern." Die „Neue Würzburger Zeitung" bestätigt eine Nachricht, welche in mehr oder minder verhüllten Andeutungen der Presse schon einige Tage behan delt worden. Danach hat ein Mitglied katari schen Abgeordnetenkammer, ein Hauptagitalor der ultramontanen Partei in Würzburg, sich als Cas sirer des dortigen Frauenvereins der Unter schlagung von angeblich 16,000 Mk. schuldig ge macht und ist deshalb in Untersuchung gezogen wer den. Der betreffende Herr ist von München abgereist, und so darf man wohl hoffen, daß nach der Seite der Landesvertretung hin die Sachs durch rasche MandatSniederlegung erledigt wird. Die unter schlagene Summe soll durch Dritte mittlerweile ersetzt sein. Nach den Beilagen zum Staatsbudget pro 1882/83 beabsichtigt die hessische Regierung für die Kinder impfung die allgemeine und ausschließliche Ver wendung achter Kuhlymphe einzuführen, um die Schutzpockenimpfung von den ihr zur Zeit noch an haftenden Gefahren der Ueberimpfung ekelhafter Menschenkrankheiten zu befreien. Da eine Methode entdeckt ist, wodurch dem vergänglichen Kälberimpf stoff eine gröbere Haltbarkeit zu geben ist, wird das Londesimpfinstitut den Kälberimpfstoff für die ge- sammte öffentliche Impfung des Landes liefern und einem höheren Medicinalbeamten die Oberleitung des Instituts übertragen werden. Oesterreich. Der Kaiser kaufte auf seine Kosten den Bau platz des Ringtheaters, um dort nach vollendeter Demolirung ein Schulgebäude und eine Sühnkapelle zu errichten. Ein im Wiener Gemeinderath verlesener Proto- kollauszugergiebt die die Ringthealer Direction geradezu vernichtende Anklage, daß es viermaliger Revisionen und Commissionsentsendungen bedurft hat, damit die vorgeschriebenen Sicherheilsmaßregeln getroffen würden, daß aber trotzdem die Noth-Oelbe- leuchtung unterblieb. Professor Benedikt erklärt in einer Zuschrift an die „N. Fr. Pr.", daß, wenn im Ringtheater dte Drahtcourtine Herabgelaffen worden wäre, die Oel- lampen gebrannt hätten und wenn selbst keine Panik geherrscht hätte, dennoch ein starker Procentsatz des Publikums umgekommen wäre. Der wahre Würgengel war der Rauch und dessen Folgen: Be täubung und Erstickung. Deshalb seien ausgiebige Abzugsschläuche zu den höchsten Punkten der Bühne und des Zuschauerraumes dringend nothwendig. Ohne diese werde bei jedem Theaterbrands ein Theil des Publikums erstickt. Für die Hinterbliebenen aus Anlaß des Theaterbrandes sind bis jetzt 830,492 Gulden ein geflossen. Frankreich. In Paris erscheint nunmehr auch ein antise mitisches Wochenblatt. Dasselbe nennt sich „I^iUi-ckm!" und wird von Herrn Panchioni redigirt. Dieses Blatt, „Organ zum Schutze der Gesellschaft", stellt sich die Aufgabe, auf die Auf hebung der Dekrete der Nationalversammlung vom 27. September und 13. November 1791 hinzu wirken, welche den Israeliten in Frankreich die freie Ausübung aller bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte eingeräumt haben. Ein Vergleich der Kriegsflotten von Frank reich zu England giebt folgende interessante Daten. Augenblicklich besitzt Frankreich 61, Großbritannien nur 58 Panzerschiffe, während England zwischen der Stärke der beiderseitigen Flotten noch dasselbe wie im Jahre 1793 wäre, wo England bei viel gerin gerem Kolonialbesitz den 78 französischen Linien schiffen 115 eigeni entgegenzustellen vermochte. Unter den 58 britischen Panzerschiffen befinden sich 20 veralteter Construction, von denen 14 zur eigentli chen Schlachtflotte und 6 zur Küstenvertheidigunz gezählt werden. An wirklich brauchbaren Panzer schiffen besitzt England 38, nämlich 33 Schlachtschiffe neuerer Bauart, von denen 12 in Dienst gestellt sind, und 5 Küsten-Wachtschiffe. Frankreich verfügt gegenwärtig ebenfalls über 38 wirklich brauchbare Panzerschiffe neuerer Construction, worunter sich 32 Schlachtschiffe und 6 Küstenwachtschiffe befinden, und besitzt außerdem 23 Panzerschiffe veralteter Bauart,von denen 18 zur Schlachtflotte und 5 zur Küstenver- iheidigung bestimmt sind. Von den Schlacht schiffen neuerer Construction sind allerdings in England nur eins, in Frankreich dagegen acht der vorstehend angegebenen Zahl noch im Bau begriffen und hierin, sowie in der größeren Zahl der in Dienst gestellten Schtffe — in England 26 in Frankreich nur 10 Panzerschiffe — be steht gegenwärtig nur allein noch die maritime Ueberlegenheit des einst unbestritten alle Meere be herrschenden, den Flotten der ganzen Welt gewachsenen briüschen Reiches. Auch die britischen Admirale Sic R. S. Robinson und Sir Hay haben öffent lich erklärt,, daß sie die britische Flotte dsr fran zösischen nicht mehr gewachsen hielten, insbesondere wegen dec artilleristischen Ueberlegenheit der fran zösischen Panzerschiffe. So verfügt z. B. Frankreich über 6, England nur über 1 mit 80 Tons-Ge- schützen bewaffnete Panzerschiffe neuerer Construc tion, auch sind in den Kriegshäfsn Frankreichs viel bessere Einrichtungen getroffen als in England, um die schnelle Ausrüstung und Bemannung der Flotte im Falle einer allgemeinen Indienststellung sicher zu stellen. Egypten. In Suez ist eine MUitäremeute ausgebrochen mit feindlichen Absichten auch gegen das italienische Consulat, wegen der irrigen Annahme, daß ein Italiener an der Ermordung eines egyptischen Soldaten Theil genommen hätte. Die italienische Regierung wurde um energische Vorkehrungen telegraphisch angegangen. Suez ist jetzt ruhig. Amerika. Der Präsident Arthur hat Howe zum Staats sekretär des Postwesens ernannt, der Senat hat die Ernennung bestätigt. Aus dem Muldenthale. *Waldenburg, 22. December. Mit dem heutigen Tage beginnen die Tage sich wieder zu verlängern, mit gestern hat der Winter seinen Anfang genommen und es scheint auch, als wallte sich das Wetter be sinnen und der Jahreszeit angemessener auftreten. Während gestern Abend Regen und Wind herrschte, stellte sich im Laufe der Nacht Schneefall ein und heute Morgen bedeckte Flur und Au eine leichte Schneedecke. Der Wind hat sich mehr nach nord westlicher Richtung gedreht, woraus mau wohl den baldigen Eintritt von Kälte erwarten darf. Und so können wir hoffen, daß sich noch recht hübsches Feiertagswetter mit Schneegestöber einstellt. Aus dem Sachsenlaude. — Se. Maj. der König hat der österreichischen Gesandtschaft in Dresden 3000 Mark für die in Wien durch die Ringlheater-Katastrophe Beschädigten zu stellen lassen. — Das kgl. Ministerium des Innern hat, der von dem Herrn Minister des Innern in der Sitzung der II. Kammer vom 15. d. M. ertheilten Zusi cherung gemäß, die Kreishauptmannschaften durch Verordnung vom 16. d. M. angewiesen, die Otrs- behörden aller derjenigen Orte, an welchen sich Theater, Gebäude für Schaustellungen oder Auffüh rungen von Kunstreitern, Concert- und Tanzsäle, sowie sonstige, zeitweilig zur Aufnahme einer grö ßeren Ansammlung von Menschen benutzte Räume befinden, zu einer sorgfältigen Untersuchung aller derartigen Gebäude und Räume in Bezug auf Feuersicherheit, auf die Möglichkeit schneller und gefahrloser Entleerung der Versammlungsräume, wie auch auf Bereitschaft und Leistungsfähigkeit der Löschanstalten zu veranlassen. — Landtag. Bei der am 21. d. stattgefunde nen Sitzung genehmigte die 2. Kammer (Ref. Künstel) sämmtliche für das Departement der Fi nanzen in den Staatshaushalt eingestellte Postulate. Der Gesammtzuschußbedarf ist mit 5,390,150 Mk. Jahresbetrag pro 1882/83 veranschlagt. Eine sehr langwierige Debatte rief die Beschwerde der Berg arbeiter Seifert und Wolf aus Niederplanitz und Georgi aus Zwickau über ihre plötzliche Entlassung aus der Arbeit hervor (Ref. Hildebrand). Abg. Liebknecht tadelt die Regierung, daß, trotzdem der selben seit mehr als 15 Jahren ausreichendes Ma terial zur Verfügung gestanden, noch nichts geschehen sei, um die in der Vorlage gekennzeichneten Miß stände zu beseitigen. Ec hält es für absolut noth wendig, daß man bei der Enquste über das Knapp schaftswesen auch solche Bergarbeiter heranzieht, welche unmittelbar benachtheiligt seien. Gegen diese willkürliche Entlassung müsse der Arbeiter geschützt werden. Wenn das praktische Christenthum etwas mehr ist als bloss Phrase, so finde sich hier die beste Gelegenheit, es zu üben. Nach wiederholter Beschuldigung der Regierung über ihre Saumseligkeit beantragt Abgeordneter Liebknecht zu dem Deputa tionsantrage, welcher lautet: „die Petition, soweit sie sich auf den Erlaß einer Novelle zum Berggesetz bezieht, der Regierung zur Kenntnißnahme zu über weisen", noch hinzuzusetzen: „und die Königl. Re gierung zu ersuchen, noch im Laufe der Session dem Landtage geeignete Gesetzvorschläge zur Reform des Knappschaflswesens zu unterbreiten". Für so traurige Zustände mache er die Staatsregierung, der sie bekannt waren, verantwortlich und erwarte, daß sein Antrag von der Majorität der Kammer unter stützt werde. Dies geschieht auch. Hierauf treten die Abgg. Streit, vr. Stephani, Starke und Grahl, welche den Antrag mitunterstützt hatten, in die De batte ein, indem sie für eine möglichst schnelle gesetz liche Regelung des Knappschaftswesens pluidiren, insbesondere für eine Abtrennung der Krankenkassen von den Jnvalidenpensionskassen und Stellung der letzteren unter staatliche Controle. Abg. Starke be fürwortet (übereinstimmend mit Or. Stephani) bezügliche Gesetzesvorschläge, wenn es in dieser Session wirklich unthunlich erscheine, wenigstens in der nächsten Landtags-Periode einzubringen und stellt einen dementsprechenden Unter-Antrag, statt der Worte: „im Laufe dieser Session" die Worte: „im Laufe des nächsten Landtags" zu setzen. Abg. Be bel bleibt bei dem Anträge Liebknecht stehen. Wenn die massenhaften Vorlagen rind Beschwerden die Negierung nicht vermocht haben, sie aus ihrer Le thargie aufzurütteln, so muß unsererseits aufs Ener gischeste vorgegangen werden. Wenn man über Ausnahmegeietze und neue Steuervorlagen schnelle Beschlüsse fassen kann, so müsse man dies auch in anderer Beziehung können. Wenn Abg. Streit auf die Reichsgesetzvorlagen Hinweise, so sei er überzeugt, daß dieser Reichst>g in seiner dermaligen Zusam mensetzung nie eine sociale Reformgesetzgebung zu sammenbringe. Er kenne eine Reihe von Fällen, in denen Arbeitgeber ihre älteren Arbeiter entließen, um die Knappschaftskasse zu entlasten. Abg. Acker mann verkennt nicht, daß viele Uebelstände vorhan den und es Pflicht der Gesetzgebung sei, auf deren Beseitigung hinzuwirken. Die Frage, daß der Arbeiter im Entlastungsfalle für die eingezahlten Beiträge entschädigt werde, sei nicht so ohne Wei teres von der Hand zu weisen. Sollte aber ange strebt werden, daß auf dem Wege gesetzlicher Be stimmung alle Gründe der Entlastung fixirt werden, so könne er dem in keiner Weise beistimmen, denn dadurch würde das Wesen des freien Vertrags ver loren gehen. Eins Vereinigung aller sächsischen Knappschastskassen in Eine, wie es von einer Seite befürwortet wurde, scheint ihm praktisch völlig un durchführbar. Staaisminister v. Nostitz-Wallwitz: Wenn Abg. Liebknecht ihn des Vorwurfs zeihe, er habe Versprechen gemacht und nicht gehalten, so weise er dies mit Energie zurück. Alle Vorschläge der socialdemokratischen Abgeordneten laufen daraus hinaus, die Knappschaftskassen zu concentriren. Die nothwendigen statistischen Erörterungen seien im Gange. Da es an jedem brauchbaren Material fehlt, so liegt es auf der Hand, daß die Frage nicht in so kurzer Zeit zu erledigen ist. Bei einer allge meinen Kasse müßten die Beiträge wesentlich erhöht und trotzdem die Pensionen vermindert werden, weil bei den jetzigen Kassen einerseits Massen-Unglücks fälle nicht in Betracht gezogen sind und es anderseits, wenn ein Werk erschöpft ist, an der nachhaltigen Leistungsfähigkeit fehlt, Pensionen auf längere Zeit hinaus zu bezahlen. Dann aber müsse für eine staatlich garantirte Versicherungskasse ein bedeutender Reservefonds bereit gehalten werden. Ehe man zu solchem Entschlusse komme, bedarf es gründlicher Erwägungen. Abg. Liebknecht möge seine Vorschläge einreichen, wenn sie gut sind, dürfte er überzeugt sein, daß den Minister der Umstand, weil sie etwa von der socialdemokratischen Partei ausgehen, nicht