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Schönburger Tageblatt .W 100. Sonntag, den 2. Mai 1897 Filialen: in AUstadtwaldenburg bei Herr Kaufmann Otto Förster; in Kausunz-- bei Herrn Fr. Janaschek; in Langenchur^ darf bei Herrn H. Stiegler; in Penig bei Frau Kaufmann Max Härtig, Leipzigerstr. 163; in Rochsburg bei Herrn Paul Zehl; in Wallenburg bei Herrn Ernst Rösche; in Ziegelheim bei Herrn Eduard Kirsten. - ' — Amtsblatt für den StadtraLH zu Maldenburg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstern-Gaüuberg, und in den Ortschaften oer nachstehenden Standesamtsbezirke: ^Nftadt-Waldenburg, Bräunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen- l ^La-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Neichenbach, Nemse, Nochsburg, Nußoorf, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage Und «Litz Ss««. »ns Feittage«. -UMH. Sß L F « WMMM WMenburaer Anmaer. Lsftrate pro Zeile 10 Pf., Auges. 20 Pf- Exrrditton: Waldenburg, Overgsfse SSI-l. Witteruugsbertcht, ausgenommen am 1. Mai, nachm. 4 Uhr. Äarsmeterstaud 756 ww. reducrrt auf den Meeresspiegel. Tyermometerstanv -f- 15" ü. (Morgens 8 Uhr -s- 16».; Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 64"/o. Thav-UUlt > 8,s Grad. Windrichtung: Südwest. Daher Witterungsausfichteu für den 2. Mai: Meist halbhciter, kurze Schauer nicht ausgeschlossen. 'Waldenburg, 1. Mai 1897. Während sonst überall die Hoffnung ausgesprochen wurde, der griechisch-türkische Krieg möchte so bald wie möglich sein Ende erreichen, hat in London die genau entgegengesetzte Anschauung bestanden. Die englische Re gierung hat moralisch und auch finanziell die Griechen unterstützt, daran besteht trotz aller Ableugnungen auch nicht der leiseste Zweifel, sie hatte, wie schon früher bei den armenischen Unruhen, keinen dringenderen Wunsch, als einen langandauernden Wirrwarr herbeizuführen, um während desselben selbst im Trüben fischen zu können. Die englischen Pläne gelten der dauernden Befestigung der britischen Herrschaft in Egypten, auf Konstantinopel kann man an der Themse ja doch nicht reflectiren, und der rücksichtslosen Ausbreitung englischer Macht in den reichen Gebieten von Süd-Afrika. Die Speculation der klugen Herren in Eondon ist aber wieder einmal fehlge- schlagen, der Wirrwarr ist nicht so groß geworden, als daß die interessirten Großmächte nicht auch anderen Dingen hätten ihr Augenmerk zuwenden können, und Lord Salisbury hat erfahren, daß er bei einem jähen Angriff auf die Selbständigkeit der Boern-Republiken in Süd-Afrika einem energischen Protest von Rußland, Frankreich und von Seiten des deutschen Reiches begeg nen würde. Der Streich ist davurch für diesmal un möglich geworden, aber man darf darum nicht glauben, daß er für imm:r aufgegeben sei. Di« britische Zähig keit hat schon ganz andere Dinge durchzuführen unter nommen, und der notorische Goldreichthum der streitigen Gebiete lohnt schon einige krä'tige Anstrengungen. Die Königin Victoria von England feiert demnächst ein hohes Jubiläumsfest, das in eine Zeit fällt, wo ihre Regierung keinen einzigen aufrichtigen Freund in Europa hat, wo die Antipathie gegen den englischen Landheiß- hungcr und die daraus erwachsenden Jntriguen größer ist, denn je. Wenn die Königin nicht in der britischen Politik eine recht passive Rolle spielt, so hätte cs leicht geschehen können, daß man im Auslanve auf eine Theil- nahme an der Feier durch die Entsendung von Kriegs schiffen verzichtet hätte. Denn es ist doch widersinnig, einem Staate Ehren zu erweisen, der aus egoistischen Rücksichten nicht« Anderes und nichts Bessere« zu thun weiß, al» immer neue Schwierigkeiten in Europa hervor- zurufen. Was Frankreich im Geheimen denkt und hofft, weiß Jeder; aber Frankreich ist wenigstens ehrlich, wäh rend das Volk der Briten auch seine verwerflichsten Ab- sichten noch mit einem Nechtsschleier zu verhüllen liebt. Da« Schauspiel ist mehr als unerfreulich, und der Um stand, daß die Königin Victoria zur Zeit desselben ein Jubiläum feiert, macht es nicht bester. Da« deutsche Reich ist zuerst und am entschiedensten gegen die englischen Gelüste auf da« Boernland aufge- treten, welche nicht nur die Freiheit dieses kraftvollen Volksstamme« unter grobem Treubruch unterdrückt, son dern auch unsere deutschen, dort erworbenen Rechte ver nichtet hätte. Was man für den Friedensbruch eines Jameson in England selbst an Tadel gehabt hat, da« war doch gleich Null, es muß also außerhalb Englands für das internationale Recht eingrtretcn werden, wenn dirS innerhalb Englands keinen Schutz mehr findet, so bald britischer Egoismus in Betracht kommt. Wäre die Sache nicht so verwerflich, so müßte man Ein« bewun dern: die Einmüthigkeit der Engländer, wenn es sich um die Erlangung materieller Vortheile handelt. Alle Poli- tischen Parteien sind gleicher Ansicht, und keine hat ein Wort des Tadels, wenn auch die denkbar schlechtesten Mittel zur Anwendung gelangen. Der Hauptgroll der Briten gilt heute noch Deutsch land, vielleicht weniger, weil wir entschieden gegen bri tisches Unrecht aufgetreten sind, als deshalb, weil man erkannt hat, daß die Zeit unwiderruflich vorbei ist, in welcher man glaubte, Deutschland sei nur zu dem Zwecke auf den Schlachtfeldern in Frankreich geeint, um für Vetter England Handlanger-Dienste zu verrichten. Diese Erkenntniß hat John Bull, der schon den Mund bis zum Ohre aufreißt, wenn einmal ein deutscher Prinz eine englische Prinzessin heiratet, gewaltig verdrossen, und nun, wo der ncust geplante Trick gegen das Boern land gescheitert ist, beginnt das Geschimpfe gegen Deutsch land von Neuem. Gegen Russen und Franzosen, die doch in dieser Sache genau dieselben Anschauungen hegen, wie wir, verhält man sich recht reseroirt, blos den Deutschen glaubt man es immer noch bieten zu können. Die englische Königin ist politisch eine passive Person, sie ist deS deutschen Kaisers Großmutter, von einer osfi- ciellen Nichttheilnahme Deutschlands an ihrem Jubiläum kann also nicht wohl die Rede sein. Lägen die Dinge anders, e« möchte in diesem Punkte doch noch Einiges zu überlegen bleiben. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser besuchte Donnerstag Nachmittag in Schlitz die Ottoburg. Am Sonntag gedenkt der Monarch in Potsdam wieder einzutreffen. Ucber den Besuch de« Kaiser« Franz Joseph in Petersburg bringt die „Köln. Ztg." eine vielbemerkte Auslastung, der wir Folgendes entnehmen: Monarchen besuche werden gewöhnlich von sanften Höflichkeitsphrasen begleitet. Sogar das Jubelgetöse, das der Besuch des Zaren in Paris erweckte, ist lange verklungen; die täuschen den Papierblumen, welche die welken Bäume auf den Boulevards zierten und die man gleich nach dem Feste Herunterriß, sind ein Symbol für die bunten Hoffnungen, die ebenfalls bald nachher von den nüchternen Thatsachen gepflückt wurden und keine Frucht brachten. Nach der Zarenreise wußte man nicht mehr, als man vorher wußte: daß Frankreich mit der ganzen Inbrunst eines Ver lassenen und Vereinsamten nach der Freundeshand griff, die aus dem Norden sich ihm cntgegenstrcckte. Eine ge wisse Ueberraschung hat dagegen die Aufnahme gebracht, die der Kaiser von Oesterreich bei seinem Gegenbesuche in Rußland gefunden hat. Den Kaiser begleiteten warme ruffenfreundliche Artikel der österreichischen Presse, ihre herzlichen Worte fanden in Rußland einen lauten Wider hall. Man scheint in leitenden Kreisen das Gefühl zu haben, al« wenn die Höflichkeitsphrase diesmal ernster zu nehmen sei, als gewöhnlich. Wenn zwischen Rußland und Deutschland einmal ernstere Reibungen entstehen sollten, so ist, da Rußland und Deutschland auf keinem Gebiete unmittelbare Nebenbuhler sind, mit großer Wahr scheinlichkeit anzunehmen, daß dieser unselige Zustand nur durch Zerwürfnisse zwischen Rußland und Deutschland« Verbündeten, Oesterreich-Ungarn, heraufbeschworen würde, die ja am Balkan bei ungeschickter und hastiger Politik auf einander stoßen könnten. Die russische wie die öster reichische Regierung hat nun aber gezeigt, daß ihre fried lichen Grundsätze hinsichtlich dieser Frage thatsächlich die Richtschnur ihrer Politik sind. Jetzt ist die Uebercin- stimmung der friedlichen Gesinnungen vor den Monarchen beider Länder feierlichst bekräftigt worden, und Deutsch land, dessen Politik sich genau in denselben Bahnen be wegt, kann nur mit froher Genugthuung zusehen, daß zwei Herrscher, unter deren Zwist Deutschland unter Um ständen in eine sehr schwierige Lage brächte, sich herz lich die Hand schütteln. Der commandirende Admiral v. Knorr ist in Wil helmshaven zur Besichtigung der neuen Haubitzcnbatterie eingetroffen. Die von Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Schweden- Norwegen und Belgien entsandten Delegirten zur inter nationalen Postconfcrenz sind in New-Aork einge troffen. Von hier wird die Reise nach Washington fort gesetzt. Schon früher hat der preußische Untcrrichtsminister darauf hingewiesen, daß die Auswahl der einzuführenden Schulbücher allein nach dem pädagogischen Werth derselben, ohne Rücksicht auf finanzielle Vortheile, dir Verleger oder Verfasser aus ihrem Gewinn für wohl- thätige Zwecke bestimmen, zu treffen ist. Um unzulässigen Agitationen für die Verbreitung von Schulbüchern vor- zubeugcn, wird der Minister ferner kein Buch für den Unterrichtsgebrauch genehmigen, wenn Verfasser. oder Ver leger Leitern oder Lehrern von Schulen zu Anträgen auf Einführung deS Buches in ihren Schulen durch Gewäh- rung finanzieller Vortheile an Lehrervereine oder an Stiftungen zu Gunsten von Lehrern oder deren Hinter bliebenen Anregung geben. Zur Berathung der Handwerkervorlage wird vom 16—18. Mai in Berlin ein deutscher Gewerbekammertag abgehalten werden. .'Für Königsberg Pr. wurde der Reichsanwalt Haase als socialdemokratischer Reichstagskandidat aufgestellt. Die Londoner große Kammerdebatte über Transvaal hat den Beweis erbracht, daß, wenn ein Krieg zwischen Transvaal und England entsteht, letzteres die Schuld davon trägt. Infolge der Enthüllungen über den deutsch-russischen RückversichcrungSvertrag, so schreiben die „Hamb. Nachr.", erkalteten die Beziehungen zwischen Frankreich und Rußland, während Rußland mit Oesterreich und Deutschland intimer wurde, zum Aerger der Engländer, die nur augenscheinlich ein Bündniß mit Frankreich abzu schließen trachten. Zur reichSgcsetzlichen Regelung der Leichenschau meldet die „Post", daß sich die wesentlichsten Schwierigkeiten für ein derartiges Gesetz im Betreff der Kosten ergeben, die für die ländlichen Gemeinden daraus erwachsen wür den. Es ist bisher gedacht, daß die Hinterbliebenen die Kosten aufzubringen haben und daß bei vorliegendem Un- vermögen die Armenvrrwaltung einspringt. Ob sich darau« aber nicht eine zu große Belastung namentlich auf dem flachen Lande ergiebt, ist z. B. noch nicht zu übersehen. Um hierüber Klarheit zu schaffen, sind von den außer- preußischen Bundesstaaten, in denen eine obligatorische Leichenschau schon heute besteht, Gutachten erbeten worden, dir nunmehr fast vollständig vorliegen und bearbeitet werden können. Aber auch in Bezug auf andere Punkte ist ein abschließendes Urtheil über dir Gestaltung deS Entwurfs noch nicht möglich, so z. B. darüber, ob für die amtliche Leichenschau ausschließlich Acrzte bestellt wer den sollen, an denen es in vielen ländlichen Gegenden doch fehlt. Für den kommenden Sommer find in dieser Angelegenheit weitere kommissarische Berathungen in Aus sicht genommen. Ueber da» Schicksal der Militärstrafproccßreform wird erst nach der Rückkehr deS Kaisers nach Berlin, die am 2. Mai erfolgt, rine endgültige Entscheidung ge troffen werden im Anschluß an einen Jmmediatvortrag, den der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe dem Mo^arch-u halten wird.