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England. Verursacht schon die irische Frage der englischen Regierung große Sorgen, so kommt dazu, daß auch in Schottland die Pächter immer unzufriedener werde». Mehr als 40,000 Farmer aus allen Thei len Schottlands haben jüngst in Aberdeen ein Mee ting zur Besprechung der schottischen Bodenreform frage abgehalten. Es wurden sieben Beschlüsse gefaßt, welche eine allgemeine Herabsetzung der Pachtzins, Entschädigung für Verbesserungen, die Abschaffung der Gesetze in Bezug auf Hypotheken, Primogenitur und Fideicommiffe, sowie anders Reformen im Interesse der Guts- pächterclasse fordern. Schließlich wurde ein Pächter bund für Schottland gebildet und beschlossen, der Regierung eine Denkschrift zu überreichen, worin dieselbe ersucht wird, in der nächsten Parlaments session eine Lösung der schottischen Bodenreformfrage zu versuchen. Auch die von den LancashirerFabrikanten eifrigst betriebene Agitation für die Abschaffung der Baumwollzölle in Indien erregt ernste Besorgniß, weil die Regierung dem Project geneigt zu sein scheint. Es verlautet, daß an die Stelle der Baum- wollzölle in Indien eine Einkommensteuer treten soll. Die Abschaffung des Baumwollzolles und die Ein führung einer Einkommensteuer würde aber in In dien die größte Unzufriedenheit erregen, die ange sichts der Bedrohlichkeit der russischen Bestrebungen in Cenlralasien und angesichts der irischen Wirren für England die ernsteste Gefahr in sich bergen würde. Amerika. Die letzten Zeugenaussagen im Proceß Guiteau haben die unbedingte Zurechnungsfähigkeit des Ver brechers ergeben, und daß er Wahnsinn nur heu chelt. Schon vor 4 Jahren hat er einem Spieß gesellen erklärt, daß er das Beispiel Edwin Booths nachahmen und einen großen Mann tödten wolle. Die Erregung des Publikums nimmt unter diesen Umständen wieder zu und man befürchtet den Aus bruch offener Feindseligkeit gegen den Schuft. Aus dem Muldenthale. — In Glauchau wurde am Mittwoch in einem am Schloßplatz gelegenen Hause aus einem im Dachgeschoß stehenden Kleiderschrank ein Frauen- paleto! gestohlen. Der Dieb sollte sich aber nicht lange feines Raubes erfreuen, denn schon am näch sten Tage gelang es der Polizei, denselben in der Person der schon mehrfach bestraften ledigen K. von Glauchau zu ermitteln und festzunehmen, auch den gestohlenen Paletot, welcher bereits bei einer Tröd lerin verkauft war, herbei zu schaffen. Den Be stohlenen trifft insoweit kein großer Verlust, als die Diebin noch im Besitze des größten Theiles des erlösten Geldes war. — Nach einer Bekanntmachung der kgl. Amts hauptmannschaft zu Glauchau ist in Oberlungwitz die Rotzkrankheit ausgebrochen. — Am 14. d. Nachmittag entleibte sich in Zwickau die zum Besuch bei ihrem Bruder dort anwesende Ehefrau eines Privatiers aus Stützengrün, Ida H., durch Erhängen. Dieselbe hatte getrennt von ihrem Ehemanne gelebt und soll Schwermuth die Ursache des Selbstmordes sein. Die Verstorbene war 42 Jahre alt und Mutter eines Kindes. — Sofort nach dem Bekanntwerden der Theater katastrophe in Wien hat die Behörde in Zwickau Erörterungen veranlaßt, ob und welche Vervoll ständigungen der Sicherheitsmaßregeln gegen Feuers gefahr im dortigen Stadttheater infolge der neue sten Erfahrungen zu treffen sind, und ist vorläufig eine Verstärkung der Feuerwehrmannschaften ein getreten. — In den Parkanlagen zu Zwickau wurden am 16. d. früh zwei Wild-Enten beobachtet, welche von Norden kommend ihren Flug nach Süden fortsetzten. Danach ist baldige Kälte zu erwarten. — In der Nachtschicht vom 15. zum 16. d. M. ist beim Maschinenschachte von Ebert's Erben in Bockwa der Steiger Johann Gottlieb Grimm, in Wendischrottmannsdorf wohnhaft, tödtlich verunglückt, indem er beim Ausfahren aus dem Fördergestell in den Schacht stürzte. Aus dew Sachsenlande. — Nachdem die in Schlesien ausgebrochene Rinderpest der sächsischen Landesgrenze näher gekom men ist, findet sich das Ministerium des Innern veranlaßt, auf § 4 des Reichsgesetzes vom 7. April 1869, Maßregeln gegen die Rinderpest betreffend, der folgendermaßen lautet: „Jeder, der zuverlässige Kunde davon erlangt, daß ein Stück Vieh an der Rinderpest krank oder gefallen ist, oder daß auch nur der Verdacht einer solchen Krankheit vorliegt, hat ohne Verzug der Ortspolizeibehörde Anzeige davon zu erstatten. Die Unterlassung schleu nigster Anzeige hat für den Viehbesitzer selbst, wel cher sich dieselbe zu Schulden kommen läßt, jeden falls den Verlust des Anspruches auf Entschädigung für die ihm gefallenen oder getödteten Thiers zur Folge", sowie darauf besonders aufmerksam zu machen, daß Zuwiderhandlungen, sowie Beihilfen und Vorschubleistungen zu solchen nach H 8 des sächsischen Gesetzes vom 30. April 1868 mit Ge- fängnißstrafen bis zur Dauer eines Jahres zu ahnden sind. — Die Königliche Kreishauptmannschaft zu Dres den als Landespolizeibehörde hat dem Kaufmann Max Kaiser aus Tarnowitz, zuletzt in Dresden, wel cher bereits von der Königl. Polizeidirection zu Dresden nach § 3 des Freizügigkeits-Gesetzes aus der Stadt Dresden ausgewiesen worden ist, auf Grund von § 22 des Reichsgesetzes vom 21. Oc tober 1878 gegen die gemeingefährlichen Bestrebun gen der Socialdemokratie, den Aufenthalt innerhalb des übrigen Theiles des Regierungsbezirks Dresden untersagt. Diese Anordnung tritt mit dem 17. d. M. in Kraft, an welchem Tage Kayser seine ihm zuerkannte Gefängnißstrafe verbüßt hat. — Auf Grund des Socialistengesetzes sind dieser Tags in Leipzig der Schuhmachergeselle August Franz Schmidt aus Leipzig, der Markthelfer Karl Hermann Schuster aus Plotha, der Schneidergeselle Franz Mahlmeister aus Kissingen und der Buchbindergeselle Karl Ludwig Grimm aus Waiblingen ausgewiesen worden. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 15. December abends 8 Uhr. In der 17. Sitzung des deutschen Reichstages, welche am Donnerstag, den 15. d., abends 8 Uhr begann und gegen 12^/e Uhr nachts ihr Ende er reichte, wurde die Debatte über den Antrag Hänel und Genossen, betreffend dis letzten Reichstags wahlen, fortgesetzt. Nach einigen Ausführungen des Abg. v. Komierowski wendet sich der würtem- bergische Abg. Frhr. v. Wöllwarth gegen das Trei ben der Linken, welches nur darauf hinauslaufe, den Reichskanzler zu verdächtigen. Unter solchen Verhältnissen sei die Ehre, Mitglied des deutschen Reichstages zu sein, sehr gering. Nach ihm ergriff der Abg. v. Bennigsen das Wort, um sich gegen die Ausführungen des Herrn Ministers v. Putt- kamer in der Tagessitzung auszusprechen, wurde je doch von letzterem sehr energisch und gründlich wider legt. Nachdem sodann noch der Abg. Eugen Rich ter in seiner bekannten Weise gegen Regierung, Landräthe und Conservative gepoltert, hielt der Abg. Stöcker eine meisterhafte, die unlautere fort schrittliche Wahlagitation sehr eingehend schildernde Rede. Ein Schlußantrag wurde wiederholt abge lehnt und es sprachen ferner die Abgg. Westphal und Mommsen, sowie der Staalsminister v. Putt- kamer. In dem dann folgenden Schlußwort des Abg. Or. Virchow wird derselbe wiederholt ausfallend gegen den Abgeordneten Stöcker und den Minister v. Puttkamer, so daß der Präsident seine Ausdrucks weise mehrfach rügen muß. In einer persönlichen Bemerkung erklärte der Abg. Frhr. v. Minnigerode in Folge einer seitens des Abg. Virchow hierzu gegebenen Veranlassung: „Die von der Fortschritts partei erstrebte Parlaments-Herrschaft ist der Tod der Monarchie!" Nachdem der Abg. Or. Virchow den seiner Partei gemachten Vorwurf abzuwenden gesucht hatte, bemerkte der Abg. Frhr. von Min nigerode: „Meine Autorität steht gegen die Auto rität des Abg. Virchow!" Als in dieser unbequemen Situation Richter (Hagen) in einer ihm nicht zustehenden persönlichen Bemerkung den für die Fortschrittspartei überaus ungünstigen Schlußeindruck verwischen wollte, wurde er vom Präsidenten nieder geklingelt. Der Antrag wurde schließlich einstimmig ange nommen und die Sitzung nachts 12^- Uhr ge schlossen. Sitzung vom 16. December. Dis am Freitag, den 16. d., stattgehabte 18. Sitzung des deutschen Reichstages bot ein ruhigeres Bild als die letzte Nachtsitzung dar. Auf der Tages- Ordnung stand zunächst der mündliche Bericht der Commission für den Reichshaushalts-Etat über die derselben zur Vorberathung überwiesenen Etats- Positionen für die Verwaltung des Reichsheeres. Die Commission hatte beantragt, die Positionen für Unteroffizierschule in Neu-Breisach und für die Palastkaserne in Trier zu streichen, und der Ref. Abg. Frhr. v. Maltzahn-Gültz hatte diesen Antrag zu befürworten. Während Abg. Staatsminister v. Goßler für die letztere Position eingetreten, der Kriegsminister v. Kameke die Bewilligung der For derung für die Unteroffizier-Schule in Neu-Breisach empfohlen und der Abg. v. Treitschke in warmen Worten vom politischen Gesichtspunkte aus sich in gleichem Sinne ausgesprochen, die Abgg. v. Herme« (Parchim), vr. Röe und v. Benda dagegen für den Comissionsantrag das Wort ergriffen hatten, schilderte Abg. Graf Moltke, wie nothwendig es sei, in Elsaß-Lothringen gerade die Jugend zu gewin nen zu suchen, gleichzeitig die politische Seite der Angelegenheit betonend. Aber nur die Mitglieder der deutsch-conservativen Fraction erhoben sich bei der Abstimmung für die Forderung der Regierung; vor der Abstimmung hatte noch der Abg. v. Büchte- mann für die Streichung der Position gesprochen. Es folgte der Bericht der Budgetcommission über der selben zur Vorberathung überwiesene Theile des Etats der Reichs-Post- und Telegraphen-Verwal tung und des Etats der Reichsdruckerei. Ander Debatte betheiligten sich außer dem Referenten die Abgg. vr. Lingens, Stötzel, Sonnemann und Büchte- mann, sowie der Staatssecretär des Reichspostamts Or. Stephan und einige Bundesrathscomissare. Auch der Abg. v. Benda findet noch zu einigen Aus lassungen über die Position für die Postgebäude in Erfurt Gelegenheit. Die Position für ein Postge bäude in Lübeck wird, entgegen den Beschlüssen der Budget-Commission, nach kurzer Debatte bewilligt; im übrigen genehmigt das Haus die Comissions- Anträge. Es folgt die Berathung des der Budget-Commis- ' sion überwiesenen Theils des Reichshaushalts-EtatS: Zölle und Verbrauchssteuern. Nach einer aus führlicheren Begründung des Referenten, Abg. v. Wedell-Malchow, legt in längerer Rede der Abg. Leuschner es klar, welch großen Nutzen das Schutz zoll-System uns gebracht und wie unter dem Schutzzoll die Löhne gestiegen sind. Er giebt zahlreiche stati stische Daten und beweist durch dieselben, daß die entgegenstehenden Behauptungen der Fortschritts partei der Wahrheit entbehren und angesichts dieser Ziffern in nichts zerfallen müssen. Abg. Oi. Bam berger nimmt die Freihandelspolitik in Schutz und tritt den Ausführungen des Vorredners entgegen, wird aber vom Bundesrathstisch aus, und zwar vom Director im Reichsschatzamt Burchard, auf das Hinfällige seiner Deductionen aufmerksam gemacht und gründlich wiederlegt. Ferner wendet sich der Staatssecretär des Innern v. Boetticher gegen den Abg. Bamberger wegen seiner Ausführungen be züglich der Rescripte des preußischen Handelsministers an die Handelskammern von Grüneberg und Danzig. Redner schildert genau die wahrheitswidrigen Be richte der genannten Handelskammern und betrachtet es als Pflicht des vorgesetzten Ministers, derartigen, mit der Wahrheit in Widerspruch stehenden Be richten ein Ziel zu setzen. In vorzüglicher Weise ^ritt darauf der Abgeordnete Schröder (Lippstadt) dem Abg. Bamberger entgegen, erklärend, daß er dem Abgeordneten Leuschner dann doch noch mehr glaubte, als dem Abg. Bamberger, da ersterer seit 25 Jahren theoretisch und praktisch mit dieser Frage in Verbindung stehe. Hier tritt Vertagung ein. Nächste Sitzung Sonnabend 12 Uhr. Tages ordnung: Präsidentenwahl und Rest der heutigen Tagesordnung rc. Schluß 5^/s Uhr. Vermischtes. Allerlei. Betreffs der bereits mehrfach erwähnten Scheinto dt-Geschichte aus Rauschwitz bei Glogau wird jetzt aus letztgenannter Stadt geschrieben, daß die ganze Geschichte vom Anfang bis zum Ende völlig erlogen ist. Da muß doch gleich — ! — Einer Depeschs des apost. Vikars Msgr. Puginier in Hong- Kong an den Director des Seminars der fremden Missionen in Paris zu Folge sind durch den über China im Nov. hereingebrochenenTeifun 200Kirchen, 34 Pfarr- und Schulhäuser, 2000 Christenhäuser zerstört, 60,000 Christen obdachlos geworden. — Augenblicklich blüht in London eine Schwindelei, die ihrer Neuheit Halbermöglicherweise auch Deutsch land heimsuchen könnte, vor welcher daher bei Zeiten gewarnt wird. Respectable Privatleute er halten von einer Londoner Firma je ein Original- loos ohne jede Bemerkung. Nach ca. 3 Wochen geht Jedem der Auserwählten eine gedruckte Verloosungs- liste zu, die ihm anzeigt, daß seine Nummer ein schönes, nach neuestem Geschmack eingerahmtes Oel- gemälde (welches einen Werth von 160 bis 200 Mk. habe) gemacht habe. Das betreffende Bild steht gegen Bezahlung des Looses, 20 Mk., zur Verfügung. So plump diese Falle ist, so fallen doch viel Unerfahrene, die für wenig Geld möglichst viel haben wollen, 'rein. Der Werth der Bilder übersteigt nicht 50 Pf. bis 1 Mk., und rechnet man für den Rahmen noch ca. 2 Mk. hinzu, so sieht man, daß das Geschäft ein lohnendes ist.