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ZllMbnM TagMgtt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beitrüge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nüchster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis betrügt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und dis Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pi., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 279. Sonnabend, den 3. December 1881. "Waldenburg, 2. December 1881. Die Verlängerung des kleinen Belage rungszustandes in Berlin. Der Reichskanzler hat dem Reichstage den Rechen schaftsbericht über die Verlängerung des kleinen Belagerungszustandes in Berlin zugehen lassen. Demselben entnehmen wir Folgendes: Die Anordnungen rechtfertigen sich durch die Erwägung, daß die den betreffenden Gebietstheilen durch die socialdemokratischen Bestrebungen drohende Gefahr für die öffentliche Sicherheit auch jetzt keineswegs als beseitigt zu erachten ist In zwischen haben auch tue letzten Neichstagswahlen einen neuen Beweis dafür geliefert, daß die Orga nisation der Partei durch die ergriffenen Maßregeln keineswegs wirksam durchbrochen ist. Die Verhand lungen in dem unlängst vor dein Reichsgericht zu Ende geführten Hochverrathsprozeß haben ferner ersehen lassen, daß die hauptsächlich von dem Aus lande ausgehenden agitatorischen Bestrebungen der extremen Partei in Deutschland bereits erheblichen Anklang gefunden haben. Die Beschlüsse des social revolutionären Londoner Congreffes sind keineswegs nur theoretischer Natur geblieben, sondern ihre Aus führung wird bereits vorbereitet. Es werden Vor lesungen über die Anfertigung und Anwendung von Explosionsstoffen veranstaltet, Berathungen wegen Beschaffung größerer zu Agitationszwecken bestimmter Geldmittel gepflogen und zahlreiche Emissäre, ins besondere auch nach Deutschland ausgesendel, und zwar behufs Bildung geheimer Zirkel und Begehung rwn Gewaltthaten bei sich darbietender günstiger Gelegenheit. In einer vor kurzer Zeit abgehalte nen gemeinsamen Sitzung des Londoner Propagan distenclubs und des Congreß-Executiv-Comilös wurde mit Befriedigung constalirt, daß die Bildung revo lutionärer Clubs und die Verbreitung von Flug schriften überall erhebliche Fortschritte mache, daß bedeutende Geldmittel zur Verfügung stehen und ein großer Vorrath von Explosivstoffen bereits vorhan den sei. Neuerdings hat auch der bekannte Agitator Hasselmann wieder Verbindungen mit Europa an geknüpft, Gelder nach London geschickt und vorge- fchlagen, hierfür Höllenmaschinen zu beschaffen. Die auf dem internationalen Congreß zu Chur gefaßten Resolutionen der sogenannten gemäßigten Partei, in welchen beispielsweise den russischen revo lutionären Socialisten die vollste Sympathie des Congreffes ausgedrückt wird und die wiederholte Hinweisung auf die Revolution als legitimes Kampf mittel gegen die bestehende Staats- und Gesellschafts ordnung enthalten ist, beweisen die nahe Verwandt schaft der Most'schen und der Bebel-Liebknecht'schen Richtung. Die Rückwirkung dieser allgemeinen Entwickelung der Bewegung auf die Hauptagitations-Centren trat besonders noch in Berlin und Umgegend zu Tage. Die Berliner Socialdemokratie ist noch immer in der in den früheren Begründungen geschilderten Weise fest orgauistrt, und hat sich ihre Beziehungen zu der Parteileitung fortwährend zu erhalten verstanden, wie hinsichtlich der Anhänger der extremen Partei in Nr. 12 der Freiheit ausdrücklich bezeugt wird. Mag auch zeitweise ein gewisser Mangel an befähig ten leitenden Kräften in Berlin selbst sich fühlbar machen, so ist diese Erscheinung einerseits doch nur eine vorübergehende, und andrerseits bei der Dis- ciplin, an welche die Parteigenossen nach langjähri ger Uebung gewöhnt sind, doch auch nur von unter geordneter Bedeutung. Aus der Thalsache, daß bei den letzten Neichs tagswahlen bedeutend weniger Stimmen für social demokratische Kandidaten abgegeben sind, als im Jahre 1878, darf auf einen dauernden Rückgang der Partei in Berlin nicht geschlossen werden, weil sich ein großer Theil der Anhänger von Most der aus London gegebenen Weisung getreu, der Wahl enthalten hat. Im Gegentheil beweist die außer ordentliche Rührigkeit, mit welcher die Vorbereitungen zur Wahl und insbesondere zu den engeren Wahlen von der Socialdemokratie getroffen worden sind, und die trotz aller Beschränkungen erzielten Resultate in den Wahlkreisen, daß an ein Zurückgehen der Be wegung vor der Hand nicht zu denken ist. Die im Auslande erscheinenden deutschen Partei- blätter und Flugschriften des aufreizendsten Inhalts werden nach wie vor in Berlin eingefuhrt. Auf die verschiedenste Art und Weise, z. B. durch Ver packung in Kinderspielzeug, in unverdächtige Zeitun gen u. s. w. versucht man, denselben ungehinderten Eingang zu verschaffen. Größere Quantitäten dieser Druckschriften wurden insbesondere in der ersten Hälfte dieses Jahres in Berlin mit Beschlag belegt. Ein Theil der Exemplare des auf Grund des So- cialistengesetzes verbotenen Flugblattes Nsujahrsgruß erwies sich als in Berlin gedruckt. Es werden jetzt wie früher Geldsammlungen zur Förderung der Parteibestrebungen theils im Ge heimen von Hand zu Hand, theils öffentlich unter dem Vorwande der mannigfachsten unverdächtigen Zwecke veranstaltet. Wiederholt mußte zur Auf lösung öffentlicher Versammlungen wegen der in demselben zu Tage tretenden unter den § 1 des Socialistengesetzes fallenden socialdemokratischen Be strebungen geschritten werden, und zwar betrafen diese Auflösungen mehrfach Versammlungen anderer Parteien, in welche Socialdemokraten sich eindräng ten, um ihre Grundsätze zu entwickeln und ihren eigenen Candidaten zu proklamiren. Ein Einschreiten gegen Vereine und Kassen auf Grund der 1 unb 3 des Socialistengesetzes hat sich zwar in dem verflossenen Jahre nicht als er forderlich erwiesen, dagegen hat bezüglich einer erst in diesem Jahre gegründeten hiesigen Hülfs-Kranken- Unterstützungskasse, deren Mitglieder und Vorstand zum größten Theil der socialdemokratischen Partei angehören, eine besondere Controls angeordnet wer den müssen. Auch in der letzten Periode des Ausnahmezu standes sind Aufenthaltsversagungen nicht zu ver meiden gewesen. Trotzdem haben, wie in zweifel loser Weise festgestellt ist, zur Besprechung wichtiger Privatangelegenheit nach wie vor Zusammenkünfte der Parteileiter innerhalb und außerhalb Berlins in zahlreichen Fällen stattgefunden. Bei dieser Sachlage und bei der aus derselben sich ergebenden Fortdauer der Gefahr für die öffentliche Sicherheit konnte auf die fernere Anwendung aller zulässigen Mittel der Abwehr und der Sicherung für Berlin und seine Umgebung, insbesondere auf den wiederholten Erlaß der im § 28 des Socialistsn- gesetzes vorgesehenen Anordnungen nicht verzichtet werden. Das Geltungsgebiet hat sich in seiner bis herigen Ausdehnug als zweckmäßig abgegrenzt er wiese». "Waldenburg, 2. December 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die nationalliberale Fraction des Reichs tages hat sich am Mittwoch constituirt und in ihren Vorstand gewählt: Die Herren von Bennigsen, von Benda, Stephani, Hobrecht, Büsing, Or. Buhl und vr. Blum. Von mehreren Blättiern wurde jüngst gemeldet, daß jeder socialdemokratische Abgeordnete für die Dauer der Reichstagsverhandlungen täglich 4 Mk. Diäten erhalte und daß somit - die Parteikaffe trotz des Socialistengesetzes noch existiren und auch so gestellt sein müsse, daß auch die erwählten l3 Abg. mit Diäten unterstützt werden könnten. Hier zu bemerkt die Frkf. Pr.: Daß eine socialdemokr. Parteikasse besteht, Hai wohl überhaupt Niemand ernstlich bezweifeln können, der die großartigen Wahlagitationen dieser Partei, welche sich ohne Geldmittel nicht bewerkstelligen lassen, verfolgt hat. Man Übersicht indessen, daß doch eine ganz wesent liche Aenderung ves fraglichen Diätensatzes einge treten ist. Denn vor Erlaß des Socialistengesetzes, zur Blüthezeit der Socialdemokcatie, erhielt jeder Abgeordnete täglich 9 Mk. Diäten; war er aber schon als Parteibeamter mit mindestens 100 Mk. Monatsgehalt besoldet, so erhielt er 6 Mk. und falls er in Berlin wohnhaft war 3 Mk. per Tag. Auf dem im August 1876 zu Gotha gehaltenen Socialisten-Congreß kam diese Angelegenheit zur Sprache und es wurde daselbst der Antrag auf Herabsetzung der 9 Mk. Diäten gestellt, die u. A. von Dreesbach bemäkelt wurden; doch wurden durch Majoritätsbeschluß die alten Sätze beibehalten, nach dem namentlich Bebel dafür eingetreten war und als „alter Parlamentarier" auseinandergssetzt hatte, daß man nach Maßgabe der Auslagen, die man in Berlin habe, von den 9 Mk. nichts erübrige. Da mals hatte aber die Socialdemokralie 68 besoldete Agitatoren, welche ganz Deutschland bereisten, auf den Beinen und 23 politische Blätter nebst einem belletristischen Organ („Die neue Welt"). Daß diese gewaltigen Mittel immerhin stark reduzirt sind, dafür dürfte u. A. gerade der beregte, um über die Hälfte geschmälerte Diälensatz einen Beleg liefern. Frankreich. Der militärischen Ausbildung der Schul jugend wird andauernd große Aufmerksamkeit ge schenkt, und auch financielle Opfer werden nicht ge scheut. Jede Woche werden aus den Slaatswerk- stätten 2000 Gewehre an Gymnasien und Militär- schulcn abgegeben, um mit ihnen die Schülerbataillone auszurüsten und auszuüben. Auch Paul Bert hat versprochen, sich mit der militärischen Jugender ziehung eifrigst anzunehmen, und da auch Gambetta sich für diese Angelegenheiten sehr interessiren soll, so ist wohl nicht zu bezweifeln, daß sie balo in Fluß kommen wird. Auch für uns Deutsche werden die hierbald zu gewinnenden Erfahrungen von nicht zu unterschätzender Bedeutung sein. Die französische Kammer bewilligte am 1. d. mit 400 gegen 52 Stimmen die Kredite für Tunis. Die äußerste Linke enthielt sich der Abstimmung. Im Laufe der Debatten erklärte Gambetta, der Vertrag von Bardo existire und kein Protest könne ihn ungültig machen. Der Vertrag gestatte, die M'ßbräuche in der Verwaltung des B.y's zu unter drücken, alle Nationen hätten ein Interesse daran, dieselben unterdrückt zu sehen. Der Einrichtung gemischter Gerichtshöfe sei er nicht entgegen, die Annexion müsse er als gefährlich ablehnsn. Tie Wiederaufgabe von Tunis würde Frankreichs An sehen schaden, und eine schwere Verantwortung nach sich ziehen. Frankreich könne, wenn es, ohne auf Abenteuer auszugehen, eine auswärtige Politik haben wolle, Tunis nichtaufgeben,Tunis werde für die afrika nische Kolonie ein wachsamer und nothwendiger Pförtner sein. Die militärische Occupation dürfe nicht bis zur Grenze von Tripolis gehen, denn es sei nicht gut, die Pforte zum unmittelbaren Nach bar zu haben. Der Vertrag von Bardo sei ratifi- zirt und es sei ein Gesetz, dessen Bestimmungen ausgeführt werden mußten. Die Regierung werde