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richten. Es ist also eine Zunahme dieses Ver brechens um 919 Proc. constatirt! Beim Schwur gerichte in Chemnitz bezieht sich diesmal fast die Hälfte aller zur Verhandlung kommenden Fälle auf vergehen gegen die Sittlichkeit. — Die Reichsbank hat am 26. d. den Discont für Wechsel von 5'/r auf 5 und den Lombardziusfuß von 6'/r auf 6 Procent herabgesetzt. — Während der „Westfälische Courier" härt, daß Oberbürgermeister vr. Stübel von Dresden, den Man vielfach den conservativen Parteien zuzählte, - vorläufig „Wilder" geblieben ist, hört der „Sächs. Volksfreund" von zuverlässiger Seite, daß derselbe bei den Nationalliberalen einen Platz belegt hat. — Im Werke II. der Mariengrube bei Pflichten- darf wurden am 22. d. die Häuer Valentin Kresse von Ruppersdorf und Louis Volkina von Waltersdorf während der Arbeit durch Bruch-Nieder- gang verschüttet und mußten Beide ersticken. Einem dazugekommenen Hunteschicber gelang es zwar an fänglich, den Kopf des Kresse freizumachen, aber ein zweites herabfallendes Kohlenquantum verhindert die vollständige Rettung und drohte dem Hunte- fchieber selbst mit Gefahr. Beide Männer hinter lassen je 2 Kinder und eine Wittwe. HHohenstein, 27. November. Als im Monat ! Juni d. I der Militärverein „König Albert" in Ernstthal seine Fahne festlich weihte, fiel Herrn Regierungsrath Amtshauptmann v. Hausen die mit im Zuge ersichtliche Fahne des älteren Ernstthaler Militärvereins in der Art auf, daß er über dieselbe Bericht erstattete, worauf die Einsendung derselben nach Dresden befohlen wurde. Es stellte sich nun heraus, daß dieselbe ursprünglich eine preußische Standarte war, und deshalb erfolgte nicht deren Rückgabe, sondern vielmehr deren Ablieferung an das Allerhöchste Kaiserliche Militär-Kommando in Berlin. Das Rüthsel, wie diese preußische Stand arte zur Militärvereinsfahne geworden ist, löst sich einfach damit, oaß ein Ernstthaler Bürger dieselbe s. Z. in Leipzig im Trödel kaufte und sie dem Militärverein seines Ortes schenkte, der sie nun eben zur Fahne gestaltete. Der so fahnenlos gewordene Verein hat nun in diesen Tagen auf gütige Ver wendung des Herrn Amtshauptmann eine neue Fahne von Sr. Majestät unserem Könige geschenkt erhalten, welche in 14 Tagen übergeben und ge- ! weiht werden wird. Man spannt schon jetzt alle Kräfte an, diese Acte in würdigster Weise statlfin- ! den zu lasten. Vermischtes. Ein Opfer der Justiz. Das Schwurgericht in Münster wird in den nächsten Tagen einen Fall ! untersuchen müssen, der ein ungemeines Aufsehen ! uud großes Mitleid für ein unschuldiges Opfer er regen dürfte. Es handelt sich um die Rehabilitation eines Mannes, der wegen Tödtung eines Kindes durch Einflüßen von Schwefelsäure zu zehn Jahren Zuchthaus verurtheilt wurde. Im Jahre 1872 stand der Bahnwärter Harbaum aus Mesum vor dem Schwurgericht in Münster und wurde wegen ge nannten schweren Verbrechens auf Grund vornehm- ' sich der ärztlichen Gutachten zu der vieljährigen Zuchthausstrafe verurtheilt. Es hat neuerdings den Anschein bekommen, als ob Harbaum das Opfer Mangelnder wissenschaftlicher Forschung geworden l ist. Die vor einigen Wochen von dem Medizinal collegium in Münster und dem Obermedizinalcollegium in Berlin abgegebenen Gutachten, veranlaßt durch die Broschüre eines bedeutenden österreichischen Arztes, haben zur Evidenz ergeben, daß die alten Fachmänner ! Ameisensäure mit Schwefelsäure verwechselt haben. Die Kindesleiche hatte bis zur Beerdigung in einem Raume gestanden, der Ameisennester barg. Die t Thierchen waren in Massen in den Mund der Leiche gelaufen und hatten dort durch Entleerung der Ameisensäure jene schwarzen Fleckchen erzeugt, welche die beiden früheren Gutachten auf Schwefelsäure schließen ließen. In dem Munde der ausgegrabenen t Leiche befanden sich noch Ameisenkörper — der Angeklagte selber hatte auf die entlastende Even- i iualität hingewiesen und dennoch jener Schluß! I In eingeweihlen Cirkeln, besonders unter den Medizinern, herrscht begreiflicherweise große Auf regung. Natürlich wurde Harbaum, der nun schon ! Jahre im Zuchthause schmachten mußte, infolge diinisteriellen Erlasses sofort aus der Gefangenschaft entlassen. Eine Wahrsagung als Ehestifterin. In Berlin Hürde in der L.-Kirche ein Brautpaar getraut, wel ches seltsamer Weise durch den Orakelspruch einer k Kartenlegerin an das Ziel seiner Wünsche gelangt l In der L.-Straße wohnt die reiche, lebenslustige l Wit we R. Sie besitzt ein einziges Kind, eine hübsche, "ebenswürdige Tochter von 19 Jahren, die ihr Herz ^dem jungen Arzte geschenkt, dessen kleines, von den Eltern hinterlassenes Vermögen das Studium auf gezehrt hat. Leider fehlte es dem jungen Doctor noch immer an der gewünschten Praxis, und aus diesem Grunde verweigerte die Mama ihre Zustim mung zu diesem Herzensbunde. Da kam der Doctor durch einen Zufall hinter die kleine Schwäche seiner Schwiegermutter in sxv, sich von Zeit zu Zeit von einer berühmten Kartenlegerin die Zukunft enthüllen zu lasten und baute darauf seinen Plan, die Zu stimmung zu der sehnlichst erwünschten Heirath zu erlangen. Als eines Tages die alte, etwas corpu- lente Dame die Kunst der Sibylle wieder in An spruch nahm, sagte ihr diese unter anderem: „Sie werden in nächster Zeit von einem Krankheitsfalle heimgesucht werden, der sich häufig wiederholen wird; nur rechtzeitige Hülfe kann sie von einem plötzlichen Tode retten!" Da nun kurze Zeit darauf die alte Dame wirklich eine starke Indigestion bekam, von welcher sie der verliebte Doctor durch energische Mittel in kurzer Zeit curirte, so überlegte sie sich, daß ein Schwiegersohn als Arzt, den man immer zur Hand habe, für sie etwas außerordentlich Schätz bares sei, und — heute sind die beiden Liebenden ein glückliches Paar. Allerlei. Einen großen Schatz hat ein Acker bürger in Calbe seit ca. 30 Jahren in seinem Hause gehabt, ohne davon eine Ahnung zu haben. Derselbe hatte einen alten eichenen Kleiderschrank auf irgend einer Auction erstanden, den er dieser Tage zerschlug; hierbei entdeckte er zu seiner nicht geringen Ueber- raschung ein geheimes Fach, welches mit Goldstücken angefüllt war, die angeblich einen Werth von circa 12,000 Mk. repräsentiren. — Von der Strafkammer am kgl. Landgericht München ist der Weißbier- brauer Christoph in Neuhausen zu 6 Monaten Gefängniß verurtheilt worden, weil er zur „Ver- schönerung"seines Gebräues Schwefelsäure verwandte. Nach Aussage eines früheren Braumeisters bei Christoph wurden unter 5 Hectoliter, Weißbier '/« Liter Schwefelsäure gemischt. Das macht auf den Liter Bier etwa 0,1 bis 0,2 Gramm Schwefelsäure, was auf die Dauer den besten Magen ruiniren kann. — In Basel wurden auf Befehl der Staats anwaltschaft in den Lagerhäusern 100,000 Liter aus Deutschland eingeführten Kunstweins mit Beschlag belegt und gegen die erreichbaren Schuldigen Straf antrag gestellt. — Auf dem Rathhausthurm in Berlin soll ein sehr vortreffliches großes Fernrohr aufgestellt werden. Ein politischer Witzbold meinte dabei, das geschähe wohl, damit die im Rathhause sitzenden Fortschrittler eine bessere Aussicht gewönnen. — Ueber Berlin und Umgegend entlud sich in der Nacht zum Donnerstag ein heftiges, von Schloßen fall und Regen begleitetes Gewitter. — Der in Essen wegen dreifachen Lustmordes zum Tode ver- urtheilte Besenbinder Wilhelm Schiff Hal seine früheren Geständnisse vor dem Staatsanwalt voll ständig bestätigt und in vollem Maße eingestanden, die Elise Riemenschneider, die Lisette Schälken und die Minna Poll getödlet zu haben. — Im Zucht hause von Diez (Nassau) befindet sich ein Sträfling, der, wie es scheint, dem Or. Tanner nacheifern will. Es sind jetzt schon 9 Tage her, daß der Betreffende keine Nahrung zu sich genommen hat, allein, um seinen Trotz zu offenbaren, nun Wasser nimmt er zuweilen an. Dabei zeigt er nicht die geringsten Schwächezustände, sondern arbeitet nach wie vor das bestimmte tägliche Pensum. — Der Scharfrichter Brand aus Pfaffroda hat nuu doch am Sonnabend in Darmstadt seines schrecklichen Amies gewaltet. Früh '/«8 Uhr köpfte er den Raubmörder Welt mann aus Groß-Rohrheim. Der Delinquent war die ganze Nacht über guter Dinge und foppte sogar die Justiz, indem er den Platz bezeichnete, wo er in seinem Garten den 8000 Mark betragenden Raub in Sicherheit gebracht haben wollte. Alsbald angestellte Nachforschungen ergaben aber, daß der Mensch gelogen hatte. Kurz nach 6 Uhr trank er noch einen Schoppen Rothwein; allein als er den verhängnißvollen Gang antreten sollte, verließ ihn der Mulh; er verlor das Bewußtsein, so daß ihn 4 Gendarmen förmlich auf das Schaffst tragen mußten. Das Fallbeil machte mit gewohnter Rasch heit der peinlichen Scene ein grausiges Ende. — Auf Station Mochbern ist am 26. d. um 3 Uhr 51 Minuten nachmittags der Berliner Tagesexpreß zug, der um 4 Uhr nachmittags in Breslau ein treffen sollte, beim Passiren der englischen Weiche entgleist. Die Maschine, der Tender, der Post- und die Packwagen stürzten um. Außer einigen Contusionen, welche der begleitende Postsekrelär erlitten Hal, sind keine gefährlichen Verletzungen vorgekommen. Erziehungswesen nnd Gesund heitspflege. (Erscheint jeden Dienstag.) Erziehliche Briefe. Vierte Folge erster Brief. Die Geschichte eines Thalers. , (Fortsetzung.) Jedermann spöttelte diese Schwächen, Jede machte über den „närrischen Kerl" seine Scherze, aber — wie es leider fast immer geschieht — nur hinter dem Rücken des Betheiligten. Das ist offenbar ein Unglück für den sittlichen Fortschritt, daß es so We nige giebt, die Mannes genug sind, offenbar und ohne Menschensurcht sür ihre Worte und Ansichten einzustehen. Man will die Eitelkeit schonen, man will sich keine Feinde machen, und darum heuchelt man Freundschaft. Hinter dem Rücken Anderer die Schwächen derselben — oft einseitig, ungerecht, hart und lieblos — beurtheilend, versteckt man sich feige hinter eine freundlich lachende Maske, sobald man sich Jenen gegenüber sieht. Aber eine Hand wäscht die andere. Je dümmer und charakterloser die Menschen sind, desto eitler sind sie, desto mehr füh len sie sich zu den Schmeichlern hingezogen und geben aus Dankbarkeit die Schmeicheleien wieder zurück. Nur im Affecte, durch die verletzte Eitelkeit, durch etwa erfahrene Kränkungen hingerissen, zeigen sie ihr wahres Antlitz, das aber dann, durch Haß und Wuth entstellt, jede bessernde Wirkung verfehlt. Darum erfährt selten Jemand, wie über ihn ge dacht und gesprochen wird, und darum bleiben die Menschen in ihren Schrullen und Fehlern stecken. O, Allah ist groß, aber die Verblendung der Men schen ist noch viel größer. Ob mangelhafte Erziehung oder Naturanlage Schuld daran gewesen ist, daß jener Herr, der einen weit verbreiteten Typus der Gesellschaft würdig repräsentirte, „es so herrlich weil gebracht", das kann ich natürlich nicht wissen. Nur das weiß ich, daß ich von ihm befreit wurde und, in schneller Aufeinanderfolge durch Hunderte von Händen gehend, endlich nach Landsberg a. d. Warthe gelangte. Von einem wohlhabenden Brauereibesitzer wurde ich da selbst für neu gefertigte Thüren und Fenster einem Schreinermeister übergeben. Kaum befand ich mich in dessen Wohnstube auf dem Tische, da lächelten drei bekannte Gesichter mich an, als wollten sie sa gen: Sieh, alter Freund, hier findest Du uns nach vielen Jahren vereinigt, unter so veränderten Verhältnissen findest Du uns wieder. Damals, als Du vor zwanzig Jahren noch in dem alten Strumpfe und später in der Werkstätte Dich befandest, da warst Du Zeuge unserer Sorgen, unserer Freuden und Schmerzen. Jetzt ist das Alles längst über wunden. Die hoch ausschäumende Fluth der Jugend leidenschaften hat sich für immer beruhigt, keine stürmischen Wünsche und Pläne reißen uns mehr fort, keine bange Sorgen ängstigen mehr das Herz der nun bejahrten Mutter. Gesund, glücklich und zufrieden in uns selbst, genießen wir die wohlerwor benen Früchte unserer Arbeit, freuen wir uns in Dankbarkeit der Erfüllung unserer Wünsche und sehen dem Alter und dem Ende mit Ruhe entgegen. In unseren bescheidenen Verhältnissen sind wir rei cher, als mancher Millionär. Wer waren nun diese drei Personen. Es ist nicht schwer zu errathen. Die Frau des Kutschers von dem bewußten Rittergut, sodann ihr Sohn, den sie damals schmerzlich bewegt in die Fremde entließ und — Julie, die jüngere Tochter jenes Meisters, bei dem dieser Sohn einstmals als Geselle im Hause war. Aber wie ist es denn mit dem Versprechen geworden, welches die beiden Schwestern sich abgenommen hatten? Sie haben es treulich gehalten, und erst nachdem die ältere Schwester sich verheitrahet und nachdem der schmucke Jüngling, der Juliens Bild treu im Herzen bewahrt hatte, besuchs weise bei seinem ehemaligen Prinzipale eingesprochen war, wurde die stumme Sprache der beiden jungen Leute sehr bald verständlich. Und wo zweifelnde Schüchternheit zum entscheidenden Schritte es etwa nicht kommen ließ, da half die Intervention der älteren Schwester nach, wie es ja in ähnlichen Fällen wohl zuweilen geschehen soll. Der Vater gab nicht allein seinen Segen, sondern auch ein hüosches Sümmchen zum Beginne eines eigenen Geschäftes. (Fortsetzung folgt.) Schöffengerichtssitzunge« beim Königlichen Amtsgericht Waldenburg am 2. December 1881. 1. Vormittags 9 Uhr in Strafsachen gegen Carl Preuß, Cigarrenmacher in Waldenburg wegen Ueberlretung und Vergehen gegen H 360,11, 113, 185 und 196 des Reichs-Straf- Gesetz-Buchs.