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wurden sofort zurückgestellt, um der Wahlprüfungs- Commission überwiesen zu werden, und diejenigen Wahlen, bei denen das Resultat nur eine geringe Majorität der Stimmen ergeben, wurden vorläufig von der Beralhung zurückgestellt, und sollen erst später, sobald die Zahl der Wahlprüfungen sich verringert und die Zeit eine eingehendere Unter suchung gestattet, zur Berathung gelangen. Auf diese Weise ist es den Abtheilungen möglich gewor den, gegen 100 Wahlen für gültig zu erklären, und da die Wahlprüfungen morgen fortgesetzt werden sollen, so hofft man bis zum Donnerstag bereits die Mehrzahl der Wahlen geprüft zu haben und sie für gültig erklären zu können. Durch die Blätter geht die Nachricht, daß augen blicklich zwischen den drei liberalen Gruppen: der Fortschrittspartei, den Secessionisten und den Nationalliberalen Verhandlungen behufs Begrün dung einer „großen liberalen Partei" gepflogen werden, und daß Aussicht vorhanden sei, das diese > neue „große liberale Partei" nicht bloß zu Stande j käme, sondern auch schon bei der am Donnerstag beginnenden Debatte über den Etat sich in einfluß reicher Weise bemerkbar machen werde. Diese Auf fassung ist eine vollkommen irrthümliche. Aller dings finden augenblicklich zwischen den Führern der genannten drei liberalen Gruppen Verhandlun gen statt, welche sehr discret gehalten werden. An diesen Verhandlungen nehmen Seitens der National liberalen die Abgg. Or. Buhl, v. Benda und v. Bennigsen, Seitens der Secessionisten die Abgg. Frhr. v. Stauffenberg, Rickert und v. Forckenbeck und Seitens der Fortschrittspartei die Abgg. Richter (Hagen), vr. Hänel und v. Saucken-Tarputschen Theil; aber diese Verhandlungen bezwecken nicht die Gründung einer „großen liberalen Partei", sondern sie beabsichtigen eine Verständigung zwischen den drei liberalen Gruppen dahin zu Stande zu bringen, daß sie alle drei gemeinsam vorgehen in denjenigen Fällen in denen liberale Prinzipien und liberale Errungenschaften in Gefahr gerathen; im Uebrigen soll jede der drei liberalen Gruppen ihre Selbst ständigkeit behalten und es ihrem Ermessen anheim gegeben werden, selbstständig in allen politischen rc. Fragen auftreten zu können. Wo liberale Prinzi pien und liberale Errungenschaften jetzt bei uns in Frage kommen sollen, ist für uns unerfindlich, wenn man nicht eben darunter die Theorien und Prinzi pien der Manchesterpartei verstehen will. In die sem Sinne wäre dann also diese neue Vereinigung, deren Gründung in sichere Aussicht steht, nur eine Partei gegen die Wirthschafts- und Socialpolitik des Fürsten Reichskanzlers. Sollten dazu die Mitglieder der nationalliberalen Partei sich ohne Weiteres ver bindlich machen? Uns scheint Herr Eugen Richter dürfte es schwer werden, in dieser Beziehung alle Herren von der nationalliberalen Partei unter einen Hut zu bringen. In einem Artikel der „Grenzboten" wird die parlamentarische Lage folgendermaßen darge stellt: „Wir stellen uns den Verlauf der Dinge etwa folgendermaßen vor. Die Regierung wird der Volksvertretung des Reiches vorerst nur den Etat des Reichshaushaltes zur Berathung vorlegen, vielleicht auch den Gesetzentwurf über den Bau des Reichstagspalastes. Dann wird man den Reichstag vertagen und den preußischen Landtag einberufen und demselben den kirchenpolitischen Ausgleich in Form von concreten Gesetzentwürfen zur Verhand lung und Beschlußfassung zugehen lassen. Hierbei wird sich zeigen, ob die Regierung im Stande sein wird, mit ihren Zugeständnissen das Centrum zu frieden zu stellen und zu gewinnen, und wie weit. Wird eine Verständigung erzielt, so wird der Kanz ler den Versuch machen, mit Hülfe des Centrums und der Conservativen seine socialpolitischen Pläne in Gesetze zu verwandeln. Wirv keine erreicht, so wird ein Stillstand in der deutschen Gesetzgebung, soweit sie Hauptfragen angeht, eintreten, und der erste geeignete Moment wird benutzt werden, den Reichstag aufzulösen und noch einmal an die Na tion zu appelliren. Für diesen Fall sollten die Conservativen sich besser organisiren und unter einander zu verständigen suchen. Man nehme sich an den Fortschrittlern ein Beispiel. Mehr Disci- plin, mehr Hingebung, mehr Elfer, zu rechter Zeit beginnen, und der nächste Wahlkampf wird bessere Resultate zeigen als der letzte." Die Socialisten, welche am Donnerstag voll zählig im Plenum des Reichstags erscheinen werden, werden in den nächsten Tagen ihren mehrerwähnten Antrag aus Aufhebung des Socialistengesetzes for- muliren. Die aus 11 Mitgliedern bis jetzt beste hende Fraction hofft bei den süddeutschen Demokraten und der Fortschrittspartei genügende Unterstützung für die Einbringung ihres Antrages zu finden. O-sterreich. Unter der Intervention des Grafen Bylandt und Grafen Crennevills hat am 21. d. der neuernannte Minister des Aeußern, Graf Kalnocky, den Eid in die Hände Seiner Majestät abgelegt. Spanien. Die Deputirtenkammer genehmigte den Gesetzent wurf, betreffend den Bau einer Eisenbahn von Huesca nach Caufranc, mit einer Subvention von 60,000 Pesetas per Icm. Die Kosten für den Bau des Tunnels durch die Pyrenäen werden auf 13 Millionen Pesetas geschätzt, wovon Frankreich und Spanien je die Hälfte bezahlen werden. England. Das Hofjournal meldet die Verlobung des Prin zen Leopold, jüngsten Sohnes der Königin mit der Prinzessin Helene von Waldeck, Schwester der Prin zessin Wilhelm von Würtemberg und der Königin der Niederlande. Aus dem Muldenthale. *Waldenburg, 23. November. Die Wasserleitung hierselbst ist nunmehr dem öffentlichen Gebrauche übergeben worden. Die Länge des Hauptrohrstran ges beider Quellen incl. des Stadtnetzes und der Hydrantenstränge beträgt 5445,s Meter, die lichte Weite der Rohre variirt zwischen 65 und 150 Millimeter. Atts dem Sachsenlande. — Ihre Majestät die Königin ist nunmehr in die Reconvalescenz eingetreten und der befriedigende Gesundheitszustand macht bereits weitere Bulletins überflüssig. — Landtag. Die 1. Kammer genehmigte in ihrer Sitzung vom 22. d. einstimmig, gleich der 2. Kammer, den Gesetzentwurf wegen provisorischer Forterhebung der Steuern und Abgaben im Jahre 1882. Bei Schlußberathung des Etats der allge meinen Staatsbedürfniffs (Ref. Abg. v. Ferber) spricht Abg. v. Schönberg-Mockritz bez. Verwaltung und Vermehrung der Kunstsammlungen den Wunsch aus, daß die lediglich in Rücksicht der gegenwärtig financiell wenig günstigen Lage des Landes be schlossene Reduction der Position von 56,000 Mk. auf 40,000 Mk. nur als eine vorübergehende Ent schließung zu betrachten sein dürfe und verwendet sich in jeder Hinsicht für unsere oer Kunst und Wissenschaft dienenden Staaissammlungen aufs Wärmste. Herr Staatsminister Or. v. Gerber dankt dem Vorredner für das hohe Interesse, das derselbe diesen Slaats- instituten entgegenbringt und spricht die Hoffnung aus, daß die Regierung, sobald irgendwie es die Verhältnisse möglich machen, die früheren höheren Postulats für die Sammlungen für Kunst- und Wissenschaft von den Ständen wieder erbitten dürfe. Schließlich wurden die sämmtlichen von der Staats- rezierung postulirten Zuschüsse und zwar die Königl. Civilliste und die Schatullenbedürfnisse für Ihre Maj. die Königin mit zusammen 2,940,000 Mk., die Apanagen mit 320,414 Mk., die Zuschüsse für die zum Königlichen Hausfideicommiß gehörigen Sammlungen mit 221,317 Mk. (einschließlich 19,840 Mk. transitorisch), die auf den Staatskassen ruhenden Jahresrenien mit 405,971 Mk., die Landtagskosten (in Rücksicht auf die durch Beschluß beider Kammern veränderte Salarirung des ständischen Archivars und des Redacteurs der Landtagsmittheilungen er folgte Abminderung der postulirten Summe um 650 Mk. mit nunmehr 126,400 Mk., das steno graphische Institut mit 29,100 Mk., den Aufwand in allgemeinen Regierungs- und Verwaltungsange legenheiten mit 103,000 Mk., Gesammtministerium und Staatsrath mit 26,840 Mk., Kabinetskanzlei mit 7350 Mk., Ordenskanzlei mit 4500 Mk., Haupt staatsarchiv mit 46,260 Mk., Oberrechnungskammer mit 72,100 Mk. und für das Gesetz- und Ver ordnungsblatt mit 10,000 Mk. einstimmig genehmigt. — Die zweite Kammer beschloß auf Antrag der Referenten Abgeordneten Daeberitz-Nischwitz und Ullrich-Werdau den Pensions-Etat für Militär-In valide und deren Angehörigen aus der Zeit vor dem Kriege 1870/71 nach der Vorlage gemeinjährig zu genehmigen. Die Pensionen beziffern sich für Officiere, Aerzte und Beamte auf 5437 Mk., für deren Wittwen und Kinder 780 Mk., in Summa auf 45,352 Mk. Die Wahl des Abg. Beeg im 8. ländlichen Wahlkreise wurde als giltig vollzogen aner kannt, eine Beschwerde-Anzeige hierüber feiten des Revierförsters Schneider in Reichenau der Kgl. Staatsregierung zur Kenntnißnahme überwiesen. In einem ländlichen Wahlkreise hatte man nämlich — ein offenes Bierglas als Wahlurne benutzt und in Döbra war einem Wähler, der einen Zettel für einen Wenden hatte abgeben wollen, derselbe mit den Worten aus der Hand gerissen worden: „Sie werden doch nicht für einen Wenden stimmen!" — Der Vorstand des Demokratischen Vereins für Sachsen richtet an die Zweite Kammer im Land tage eine Petition, den theilweisen Wegfall des Zu schlags zur Einkommensteuer und beziehentlich dieser selbst betreffend, inhaltlich deren die Vorstellung ge macht wird, daß die Steuerermäßigung nicht in gleichem Verhältniß allen Steuerclassen zu Theil werden, sondern in erster Linie zur Entlastung der durch die vermehrten indirecten Steuern vorzugs weise belasteten unteren Classen benutzt werden möge, ungefähr in der Weise, daß a) die Classen 1 —3 (über 300 Mark bis 600 Mark Einkommen) von jeder Einkommensteuer, d) die Classen 4—15 (über 600 Mark bis 3300 Mark Einkommen) von jedem Zuschläge, e) die Classen 16—21 (über 3300 Mark bis 7200 Mark Einkommen) von der Hälfte des zeitherigen Zuschlages befreit werden, dagegen ä) die Classe 22 und die höheren Classen den Zu schlag in der zeitherigen Weise fortzahlen. — Gegen den Landtagsabg. Bebel ist auf Grund des 8 131 des Reichsstrafgesetzbuches eine Anklage erhoben worden, da er in seinem Leipziger Wahl aufrufe in starken Ausdrücken charakierisirt hat. Auch soll eine ganze Reihe anderer Wahlaufrufe der Socialisten auf diesem Paragraph hin unter Anklage gestellt sein, (tz 131 lautet: Wer erdichtete oder entstellte Thatsachen, wissend, daß sie erdichtet oder entstellt sind, öffentlich behauptet oder verbreitet, um dadurch Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrigkeit verächtlich zu machen, wird mit Geld strafe bis zu 600 Mk. oder mit Gefängniß bis zu 2 Jahren bestraft.) — Daß ein Ehepaar an ein und demselben Tage, sogar innerhalb ein und derselben Stunde vom Tode ereilt wird, möchte wohl äußerst selten vor kommen; dieser Fall hat sich am Donnerstag in Hoyerswerda ereignet. Von den Seifensieder Leh- mann'schen Eheleuten verschied Frau Lehmann früh gegen 4'/4 Uhr in Folge einer Krankheit, an der sie schon Jahre lange litt; kaum eine Viertelstunde später ereilte der Tod ihren bisher rüstigen Gatten, wahrscheinlich in Folge eines Schlaganfalls. Der Tag des Begräbnisses ist der 44. Jahrestag ihrer Verehel chung. — Am 19. d. stürzte beim Bau im Hofe zum „Sächsischen Hof" in Mittweida der Zimmermann Schröder vom Dache eines zwei Stock hohen Hinter gebäudes in den Hof herab und mußte mittelst Krankenbahre nach Lauenhaln in seine Wohnung gebracht werden, woselbst er infolge der erhaltenen inneren Verletzungen einige Stunden später ver starb. Schröder, 39 I. alt, halte schon 8 Mal, darunter 3 Mal in diesem Jahre, das gleiche Un glück, von Bauten herabgustürzen. — Auf „Vereinsglück" bei Oelsuitz ist am 21. d. dem Bergarbeiter August Flechsig beim Hunte stoßen der Kopf derart zerquetscht worden, daß der Tod augenblicklich erfolgte. Sitzung des Gewerbevereins. *Waldcnburg, 23. November. In gestriger Sitzung des hiesigen Gewerbevereins begrüßte der Vorsitzende Herr Wirthschaftsdireclor vr. Lamprecht zunächst 2 Gäste und theilte sodann mit, daß die Lebens versicherungsgesellschaft „Victoria" in Berlin den Entwurf eines Vertrages eingesandt habe, nach welchem Mitgliedern des Gewerbevereins besondere Vortheile bei Versicherungen eingeräumt werden sollen. Die Angelegenheit soll jedoch zunächst tm Ausschüsse zur Spruche gebracht werden. Weiter theilte der Herr Vorsitzende mit, daß die nächste Sitzung nicht über 14 Tage, sondern vereits Sonn abend über 8 Tage stattfinde, ferner, daß der hie sige Stadtrath auf die Eingabe des Vereins gegen Hausbettelei, in welcher Ersterer gebeten wurde, die Angelegenheiten besagten Vereins in die Hand zu nehmen und den Beitritt obligatorisch zu machen, sich bereit erklärt hat, die Sache zu übernehmen, im Falle daß eine von der Amtshauptmannschaft Glauchau geplante größere Vereinigung nicht zu Stande kommen sollte. Bevor diese Angelegenheit nicht zur Erledigung gekommen sei, werde auch von der Abhaltung einer Generalversammlung des Ver eins gegen Hausbettelei abgesehen. Hierauf erhielt der vereidete Gerichtschemiker aus Leipzig, Herr vr. G. Heppe, das Wort zu seinem Vortrage über die Stoffe, die am häufigsten Veranlassung zu Vergiftungen geben können. Der Herr Vortragende führte etwa Folgendes aus: Die Gifte werden eingetheilt nach ihrer Abstam mung in mineralische oder anorganische und in orga nische, d. h. in solche, welche durch den thierischen oder pflanzlichen Organismus oder durch Kunst (Chemie) hervorgebracht werden. Indessen giebt es noch Gifte, die nicht klar gestellt sind, wie das Wuthgift der Hunde. Andere Körper wieder wirken giftig auf das Leben ein, das sind die mikroskopisch