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MMßnM TmMM Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und albenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. SO Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 277. Donnerstag, den 1. December 1881. *Waldenburg, 30. November 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Se. Maj. der Kaiser befindet sich schon seit ei nigen Tagen wohler. Die letzten Nächte hat der Kaiser ohne Morphium gut geschlafen. Schon wäh rend des Aufenthalts in Baden-Baden hatte der hohe Herr einen derartigen Anfall, der wohl auf die Anstrengungen und Strapazen, denen sich der Kaiser im Monat September unterzogen halte, als nächstliegende Ursache zurückzuführen ist. Wie sich von selbst versteht, wurde auf die Pflege des Hohen Patienten die höchste Sorgfalt verwandt, so daß bis vor wenigen Tagen ein Arzt und ein Flügel-Adju tant während der Nacht immer in der Nähe des Hohen Patienten waren. Von dem parlamentarischen Diner beim Reichskanzler Fürsten Bismarck nahmen der „Berliner Börsenzeilung" zufolge einzelne Abgeord nete den Eindruck mit fort, als wäre von der Un befangenheit, die früher im Kanzlerpalais vorherrschte, jetzt wenig mehr zu spüren. Den Kanzler genire das Ueberwiegen des Ullramontanismus; er könne sich nicht behaglich fühlen, wenn rechts von ihm Bennigsen und links von ihm der Matador des Centrums, von Franckenstein, sitzt. Mit wem von Beiden soll er ganz vertrauensvoll reden? Mit Bennigsen, der zurückhaltender geworden ist, that er's früher; Franckenstein wird ihn nie erwärmen können. Die alte Ungezwungenheit habe einer Ge- nirtheit Platz gemacht, die keinen rechten Humor aufkoinmen lasse. Den Plaudereien fehlte die Ur sprünglichkeit, sogar der rechte Fortgang. „Zwei Mal ging ein Engel durchs Zimmer," erzählt ein Abgeordneter; zwei Mal stockte die Unterhaltung ganz. Der Kanzler sieht sich in seinem Bemühen, die Gesellschaft in Stimmung zu bringen, von An deren zu wenig unterstützt, und die Anderen würden oft genug mitreden, wenn sie nicht allerhand Ein wendungen hätten, mit denen sie zurückhalten, weil sie Gäste sind. Der „Verein deutscher Studenten in Breslau" hatte an den Reichskanzler Fürsten Bismarck die folgende Adresse gerichtet: „Von begeisterter Freude über die kaiserliche Botschaft an den Reichstag erfüllt, bitten zweihundert in Breslau versammelte deutsche Studenten Euer Durchlaucht ehrfurchtsvoll, Seiner Majestät dem Kaiser als Zeichen des Wiederhalls, den die Allerhöchsten Worte bei der deutschen Jugend gefunden haben, die Versicherung ihrer innigsten Liebe und unwandelbaren Treue zu Füßen zu legen. Mögen die heutigen politischen Parteien in engher zigem, selbstsüchtigem Hader ihre Pflicht gegen unser deutsches Volk vergessen — in unserem Herzen sind die Worte unseres Kaisers — ein heiliges Vermächt- »iß — unauslöschlich eingegraben: Die deutsche Jugend wird es erfüllen. In ehrfurchtsvoller Ver ehrung Euer Durchlaucht gehorsam ergebener Verein deutscher Studenten." Die alsbald eingelaufene Antwort lautet: „Ihr Schreiben habe ich Ihrem Wunsche gemäß Sr. Majestät dem Kaiser vorgelegt und freue mich, Ihnen den Ausdruck der hohen Be friedigung zu übermitteln, mit welcher Seine Maje stät von dieser Kundgebung der in der Breslauer Studentenschaft gepflegten Treue und Vaterlands liebe Kenntniß genommen haben. Ich bitte Sie, dies Ihren Herren Kommilitonen mitzutheilen. v. Bismarck." Die „N. A. Z." erklärt, daß Prinz Edmund Radziwill, Der Vikar von Osterode, Verwandter des Kaisers und polnisches Mitglied des Centrums, als Candidat des fürstbischöflichen Stuhles von Bres lau für die preußische Regierung angenehm sei. Von den bis jetzt definitiv gewählten Abgeordne ten sind etwa 30 noch nicht eingetreten, welche theils wegen Krankheit, theils wegen geschäftlicher Hindernisse von dem Präsidium beurlaubt sind. In den nächsten Tagen steht die Publikation eurer Ernennung bevor, die nicht verfehlen wird, großes Aufsehen zu machen: An Stelle des General-Feld- marschalls Grafen v. Moltke ist der General L1g, suito und derzeitige Chef des Generalstabes des 10. Armeecorps, Graf v. Waldersee, zum Chef des Generalstabes der Armee ernannt worden. Graf Moltke tritt zwar nicht formell in den Ruhe stand, sondern bleibt gewissermaßen wie eine über wachende obere Instanz in seinen zahlreichen Stel lungen, die eigentliche Leitung der Generalstabs geschäfte selber übernimmt Graf Waldersee aber selbstständig. Es wird durch dieses Arrangement einem speciellen Wunsche des Feldmarschalls Grafen Moltke entsprochen. Graf Waldersee hat vor seiner Versetzung nach Hannover demselben lange Zeit als Abtheilungschef im großen Generalstabe zur Seite gestanden, namentlich auch hervorragenden Antheil an der Abfassung des publizirten Generalstabs- Werkes über den letzten französischen Krieg genom men. Seit langen Jahren bezeichnete ihn die An sicht aller Militärs als designirten Nachfolger unse res großen Strategen Moltke und Ueberraschung wird diese Ernennung daher nicht erregen. Daß sie nunmehr erfolgt, ist nur eine Folge der Nothwen digkeit, den Grafen Moltke bei seinem hohen Alter von dem ganzen Detail der Geschäfte möglichst zu entbürden. Ueber die sociale Reform, wie sie der Kaiser und Fürst Bismarck im Sinne haben, sprechen sich die Wiener liberalen Blätter sehr sympathisch aus. Bemerkenswerth ist, was die „Neue Freie Presse" darüber sagt. Es heißt dort: „In der social-politi- fchen Reform steckt ein großartiger Gedanke, sie entstammt einer Initiative, welcher die Liberalen sich nicht eigensinnig verschließen sollten, schon deshalb nicht, damit auch der Schein von ihnen abgestreift werde, als ob sie nicht geneigt wären, jedes Mittel, welches die Wohlfahrt der unteren Volksschichten zu heben geeignet sein könnte, zu prüfen und zuadop- tiren. Wenn Fürst Bismarck dafür gewonnen wer den könnte, die Einführung des Tabaksmonopols und die Steuer-Reform bleiben zu lassen, was ver schlüge es den Liberalen, mit ihm wenigstens den ernsthaften Versuch jener socialpolitischen Reform zu wagen, die ja doch nun einmal einem tiefen Be dürfnisse der Zeit entspricht. Wo die Interessen der gesammten Gesellschaft in Frage stehen und Prob leme von universeller Tragweite zur Lösung drängen, da muß die Parteidoctrin schweigen oder wenigstens sich bescheiden." Frankreich. Als Botschafter Frankreichs kommt nach Ber lin der Baron de Courcel, 1835 geboren; der selbe hat in Heidelberg studirt und erwarb dort den Titel eines Doktors der Rechte. Er war bis jekt der Direktor der politischen Abtheilung im Ministe rium des Aeußeren und gilt als ein warmer An hänger des Friedens. „Le Siöcle" bestätigt, der Kultusminister bereite einen Gesetzentwurf vor, der die Beziehungen des Staats zur Kirche regele, das Concordat mr orga nischen Basis des Artikel nehme und die Erklärung von 1692 Gesetzen und Dekreten seit 1802 besei tige, welche die Privilegien der Kirche vergrößerten. England. Das englische Parlament wird am 19. Ja nuar zusammentrete». Die Lage in Irland hat sich seit den letzten Tagen so verschlimmert, daß vielleicht ein be schleunigter Zusammentritt des Parlaments der Re gierung erwünscht wäre. Von Tag zu Tag mehren sich die Berichte von Irland, daß die „Friedensbot schaft," wenn dieselbe nicht gerade als Fehlschlag bezeichnet werden kann, sich jedenfalls bis jetzt noch nicht als erfolgreich erwiesen hat. Es war, wie die „Times" mit Befriedigung anerkennt, eine zeitweilige Aenderung zum Besseren, gleich nach der Unter drückung der Landliga und der Eröffnung der Thätigkeit der Landcommission eingetreten. Die Schreckensherrschaft, welche länger als ein Jahr sich geltend gemacht, war allem Anscheine nach zu Ende. Nichts, was seitdem geschehen, hat die wesentlichen Elemente der Situation verändert. Die gegenwär tigen Gefahren kommen von einer anderen Richtung. Obgleich eine sehr große Anzahl von Pächtern sich an den Landgerichtshof gewendet hat oder vorbe reitende Schritte thut, ihr Recht zu suchen, bezahlen die Ausstehenden nicht, wie man gehofft hatte, ihren Pachtzins, noch treffen sie ein friedliches Ueberein- kommcn mit ihrem Gutsherrn, und es ist nur zu klar, daß nach einer kurzen Periode des Zauderns ein bedeutender Theil des Volkes sich entschlossen hat, an der Politik des „No (keinen Pacht) Manifestes festzuhalten. Mil diesem Entschlusse ist der Terrorismus gegen Pächter und andere Ein wohner, sich der Liga gegen die Regierung und gegen die Gutsherren anzuschließen, wieder aufge taucht, woraus sich die Vermehrung von Verbrechen und Gewaltthätigkeiten, sowie der Terrorismus gegen diejenigen sowohl, welche ihren Pachtzins zu ent richten, sowie gegen die, welche solchen in Empfang zu nehmen wagen, erklärt. Trotz des durch die Verhaftung der Leiter und Führer der Landliga und die Beurtheilung der Zwecke derselben gegen diese gefährliche Oganisation geführten Schlages ist die lokale Maschinerie des Systems immer noch mächtig genug, den Kampf gegen die Rechte der Landeigenthümer und dem gerichtlichen Ausgleichungs verfahren, sowie den außerordentlichen Maßregeln der Executive zum Trotze fortzusetzen. Die täglich berichteten Grausamkeiten, Verbrechen und Gesetz losigkeiten, von denen die verschiedenen Correspon- denten ein erschreckendes Bild entrollen, lassen sich meistens alle auf das „No reut" Manifest zurück führen. Italien. Um den mit der häufigen Beschlußunfähig keit der Kammer nothwendigerweise verbundenen Uebelständen zu begegnen, soll ein Antrag auf Ver fassungsänderung in der Richtung gestellt weiden, daß die Anzahl der Deputirten von 500 auf 300 herabgesetzt werde, jeder Deputirte eme Entlohnung von 500 Lire erhalte und das Mandat eines Ab geordneten, der dreimal ungerechtfertigter Weise den Sitzungen nicht beiwohnte, als erloschen erklärt werde. Dänemark. DerReichstag ist am 29Novb.wiederzusammen getreten. Die Bugetvorlage weist 49,886,000 Kronen Einnahmen und 52,501,000 Kronen Aus gabe auf. Aus dem Sachfenlande. — Landtag. Die erste Kammer hat in ihrer Montags-Sitzung auf Bericht der ersten Deputation (Ref. Oberlandesgerichtsrath Degner) den Gesetzent wurf wegen Vollziehung des Arrestes in unbeweg liches Vermögen mit den im Bericht enthaltenen redactionellen Modifikationen einstimmig angenom men. Der Gesetzentwurf bezweckt, durch Eintragung einer Forderung im Grundbuche die Vollziehung des Arrestes in unbewegliches Vermögen so zu bewirken,