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Lösung auch von Aufgaben möglich machen, denen die Staatsgewalt allein in gleichem Umfange nicht gewachsen sein würde. Immerhin aber wird auch auf diesem Wege das Ziel nicht ohne die Aufwen dung erheblicher Mittel zu erreichen sein. Auch die weitere Durchführung der in den letzten Jahren be gonnenen Steuerreform weist auf die Eröffnung er giebiger Einnahmequellen durch indirecte Reichs steuern hin, um die Regierungen in den Stand zu setzen, dafür drückende directe Landessteuern abzu schaffen und die Gemeinden von Armen- und Schul lasten, von Zuschlägen zu Grund- und Personal steuern und von anderen drückenden directen Ab gaben zu entlasten. Der sicherste Weg hierzu liegt nach den in benachbarten Ländern gemachten Er fahrungen in der Einführung des Tabakmonopols, über welche Wir die Entscheidung der gesetzgebenden Körper des Reichs herbeizusühren beabsichtigen. Hierdurch und demnächst durch Wiederholung früherer Anträge auf stärkere Besteuerung der Getränke sollen nicht financielle Uebecschüsse erstrebt werden, sondern die Umwandlung der bestehenden directen Staats- und Gemeindelasten in wenig drückenden indirecte Reichssteuern. Diese Bestrebungen sind nicht nur von fiscalischen, sondern auch von reak tionären Hintergedanken frei, ihre Wirkung auf poliiischem Gebiete wird allein die sein, daß Wir kommenden Generationen das neu entstandene Reich gefestigt durch gemeinsame und ergiebige Finanzen hinterlassen. Die Vorbedingung für weitere Beschlußnahmeu über die erwähnten socialen und politischen Refor men besteht in der Herstellung einer zuverlässigen Berufsstatistik der Bevölkerung des Reichs, für welche bisher genügendes und sicheres Material nicht vorliegt. Soweit letzteres im Verwaltungswege beschafft werden kann, wird es in Kurzem gesam melt sein, vollständige Unterlagen aber werden nur durch gesetzliche Anordnung, deren Entwurf dem Reichstage zugehen wird, zu gewinnen sein. Wenn danach auf dem Gebiete der inneren Reichs einrichtungen weitgreifende und schwierige Aufgaben bevorstehen, deren Lösung in der kurzen Frist einer Session nicht zu bewältigen ist, zu deren Anregung Wir Uns aber vor Gott und Menschen, ohne Rück sicht auf den unmittelbaren Erfolg derselben, ver pflichtet halten, so macht es Uns um so mehr Freude, Uns über die Lage Unserer auswärtigen Politik mit völliger Befriedigung aussprechen zu können. Wenn es in den letzten 10 Jahren, im Widerspruch mit manchen Vorhersagungen und Befürchtungen, gelungen ist, Deutschland die Segnungen des Frie dens zu .erhalten, so haben Wir doch in keinem dieser Jahre mit dem gleichen Vertrauen auf die Fortdauer dieser Wohlthat in die Zukunft geblickt, wie in dem gegenwärtigen. Die Begegnungen, welche Wir in Gastein mit dem Kaiser von Oesterreich und König von Ungarn, in Danzig mit dem Kaiser von Rußland hatten, waren der Ausdruck der engen persönlichen und politischen Beziehungen, welche Uns mit den Uns so nahe befreundeten Monarchen und Deutschland mit den beiden mächtigen Nachbarreichen verbinden. Diese von gegenseitigem Vertrauen ge tragenen Beziehungen bilden eine zuverlässige Bürg schaft für die Fortdauer des Friedens, auf weiche die Politik der drei Kaiserhöfe in voller Ueberein stimmung gerichtet ist. Darauf, daß diese gemein same Friedenspolitik eine erfolgreiche sein möge, dürfen Wir um so sicherer bauen, als auch Unsere Beziehungen zu allen anderen Mächten die freund lichsten sind. Der Glaube an die friedliebende Zuverlässigkeit der deutschen Politik hat bei allen Völkern einen Beistand gewonnen, den zu stärken und zu rechtfertigen Wir als Unsere vornehmste Pflicht gegen Gott und gegen das deutsche Vater land betrachten. Urkundlich unter Unserer höchsteigenhändigen Un terschrift und beigedrucktem kaiserlichen Jnsiegel. Gegeben Berlin, 17. November 1881. Wilhelm. Fürst Bismarck. *Waldeuburg, 19. November 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Ueber das Unwohlsein Sr. Mas. des Kaisers, welcher das Aufgeben der Betheiligung an der Er öffnung des Reichstags zur Folge hatte, hörte man, daß Se. Majestät bereits seit einigen Tagen sich sehr indisponirt gefühlt hat und daß wiederholt plötzliche Ohnmächten sich bei dem Hohen Herrn gezeigt haben sollen. Kaiser Wilhelm hat seiner Enkelin, der Kron prinzessin von Schweden, als nachträgliches Geschenk zur Vermählungsfeier zwei prächtige, isabellenfarbige Pferde zugehen lasten. Die edlen Thiere sind für 21,000 Mark angekauft und vor einigen Tagen über Lübeck nach Stockholm verschifft worden. Die „N. A. Z." erklärt, daß alle Nachrichten von bestandenen Differenzen zwischen dem Kaiser und Bismarck aus der Luft gegriffen seien. Der Kaiser habe mit Bismarck die angesichts des auf fälligen Wahlergebnisses einzunehmende Stellung erwogen. Diese Erwägung habe den Kaiser zu dem Entschlusse geführt, die Opposition aufzufordern, sich auch positiv an der Leitung der Geschäfte zu be theiligen. Es werde sich dabei zeigen, ob das Wahl ergebniß der Ausdruck einer bestimmten Abneigung des Volkes gegen die Socialreform ist. Be steht eine solche Abneigung, so dürfen weitere Schritte auf diesem Gebiete unterbleiben. Die geiche Erwägung findet bei der Zoll- und Steuergesetzgebung statt. Der Kaiser habe im Grunde kein eigentliches gehobenes Interesse in der Frage von Schutzzoll und Freihandel, von directen oder indirecten Steuern. Wenn die Mehrheit der Bevölkerung vorziehe, die unabweisbaren Staats lasten direct aufzubringen, so werden für die näch sten Bedarfsfälle Steigerung der Einkommen-, Clas sen- und Gewerbesteuern ebensogut wie die Besteue rung des Tabaks mit oder ohne Monopol in Vor schlag gebracht werden können und wenn die Be völkerung durch ihre Wähler zu erkennen giebt, daß sie dauernd überzeugt ist, bei dem Freihandelssystem von 1865—77 besser gestanden zu haben, wie unter dem heutigen Schutze inländischer Productionen, so wird der Kaiser und seine Regierung jedes Maß von Handelsfreiheit ebenso gut ertragen können wie die Nation. Wie aus Baden-Baden gemeldet wird, hält der beim Großherzoge eingetretene fieber lose Zu stand an. Die neueste Nummer der „Prov.-Corr." schließt ihre Betrachtungen über die Reichstagser öffnung mit folgenden Worten: „Es wird sich nun darum handeln, ob sich in dem neuen Reichs tage eine Mehrheit findet, welche bereit ist, die weitgreifenden schwierigen Aufgaben, deren Anre gung der Kaiser für seine Herrscherpflicht hielt, mit dem Kanzler in Angriff zu nehmen, oder ob dieser und zu gleich wohl der Kaiser auf dieses letzte schöne Ideal seines Lebens verzichten soll." Am 18. und 19. d. fanden im Reichstag Bespre chungen der einzelnen Fraclionen über die Präsi dentenwahl statt. Es hat den Anschein, als ob bei derselben zwei große Lager sich gegenüberstehen werden. Die Linke, welche ja siegreich aus den Wahlen hervorgegangen sein will, a.rbeitet darauf hin, das maßgebende Präsidium in ihre Hand zu bekommen, während die bisherige Majorität des al ten Reichstags, das Cenlrum und die Rechte ihre alte Stellung vertheidigen wird; demgemäß hört man auf der Linken die Candidatur des Frhrn. v. Stauffenberg nennen, während dieser gegen über der Name des Abg. v. Levetzow genannt wird. Als Candidat der Gruppe der Rechten für die Stelle des ersten Vicepräsidenten wird der Abg. Frhr. zu Frankenstein genannt. Von derselben Seile würde für das Amt des zweiten Vicepräsiden ten ein Mitglied der Linken in Aussicht genommen werden und zwar wird der Name des Abg. Or. Hänel genannt, von dem man erwartet, daß er diesmal die Wahl nicht ablehnen werde. Bei den großen Lücken, welche das Centrum namentlich unter seinen süddeutschen Mitgliedern noch aufweist, er scheint der Ausfall der Wahl augenblicklich noch sehr zweifelhaft; jedenfalls wird die Majorität, welche erzielt wird, auf beiden Seiten eine ganz winzige sein. Der Gesetz-Entwurf betreffend den Beitrag des Reichs zu den Kosten des Anschlusses der freien und Hansestadt Hamburg an das deutsche Zollgebiet ermächtigt den Reichskanzler, der Stadt Hamburg zu den Kosten der Bauten, Anlagen rc., welche durch den Zollanschluß Hamburgs und die mit demselben verbundenen Umgestaltung der beste henden Handels- und Verkehrsanlagen veranlaßt werden, aus der Reichskasse einen Beitrag in Höhe der Hälfte des Hamburgischerseits für die bezeichne ten Zwecke festzustellenden Kostenbedarfs, jedoch höch stens in Höhe von 40,000,000 Mark zu leisten. Die Socialdemokraten haben, trotzdem sie in den allgemeinen Wahlen kein einziges Mandat er langen konnten, in den Stichwahlen die Zahl von 13 Sitzen errungen. Sie zählen jetzt drei Abgeord nete mehr, wie im letzten Reichstage, sind aber doch nicht, wie befürchtet wurde, stark genug, um eine eigene Fraction bilden zu können. Herabgemin dert wird die Bedeutung ihrer Gewinne durch die Thatsache, daß die Gesammtzahl der für sie abge gebenen Stimmen erheblich zmückging und daß sie ihre Siege in den Stichwahlen nur mit Hülfe anderer Parteien, wie in Breslau, Mainz, Offen bach, Hanau, erringen konnten. Gewählt wurden Socialdemokraten in den beiden Breslauer Wahl kreisen, in Hamburg II., Solingen, Hanau Offen bach, Nürnberg, Mainz, Greiz, Freiberg, Mittweida, Zwickau, ^Chemnitz. Es ist zum ersten Male der Fall eingetreten, das ein Socialdemokrat doppelt gewählt wurde; Liebknecht in Mainz und Offen bach. Liebknecht hat sich für die Annahme des Mandats für Mainz entschieden und seine Partei der Gefahr einer Nachwahl in Offenbach ausgesetzt. Ein anderer gewählt-r Socialdemokrat, Dietz in Hamburg, hat das Mandat aus unbekannten Grün den abgelehnt und es wird daher nochmals eine Wahl in Hamburg stattfinden müssen. Frankreich. Das neue Minsterium Gambetta trägt schon jetzt einen Namen, nämlich: Das Ministerium der Jungen! In seiner Zusammensetzung überwiegen in der That die „Jungen." Neue Elemente, neue Männer kommen damit zur Regierung; Männer von jugendlicher Energie, Willen und Talent, die durch keine Antecedenlien und frühere Verpflichtun gen gehindert sind, und die sonach mit einem Pro gramm und einer Politik des Fortschritts vorwärts marschiren können, ohne dabei einer Vergangenheit untreu zu werden, welche eben für sie gar nicht existirt. Aus Tunis wird gemeldet: General Sausier ist am 13. d. in M. Djelma auf halbem Wege nach Gaffa eingetroffen. Da von Seiten der Vorhut gemeldet war, daß Insurgenten in großer Zahl sich nach Süden zu flüchteten, so wurde Kavalerie unter dem General Bonie zu deren Verfolgung ab gesandt. Dieselbe holte die Aufständischen ein, hieb viele derselben nieder und nahm ihnen Alles ab, was sie mit sich führten, insbesondere zahlreiche Heerden. Türkei. In Folge von Verhandlungen mit englischen De- legirten über die Einwanderungsfrage hat die Pforte den deutschen, russischen und rumänischen Israeliten die Einwanderung in die Türkei, mit Ausnahme Palästinas, unter der Bedingung gestattet, daß sie die türkische Unterthanenschaft annehmen. Aus dem Muldenthale. * Waldenburg, 19. November. Gestern Nach mittag wurde der Dienstknecht Heinrich Mittag aus Remse, 21 Jahr alt und im Dienste bei Herrn Gutsbesitzer Zscherpe in Oberwinkel, beim Putzen der Pferde von einem derselbeu dermaßen an den Kopf geschlagen, daß er alsbald seinen Geist auf gab. Irgendwelche Verschuldung hierzu trifft sonst Niemand. * — Einer unserer ältesten Einwohner, Herr Christian Friedrich Diesch, ehemals Fleischermeister hier, ist gestern Nachmittag hier gestorben. Er halte ein Alter von 94 Jahren erreicht; in den letzten Jahren war er leider blind. *— Nächsten Dienstag wird Herr Or. Gustav Heppe aus Lindenau-Leipzig im hiesigen Gewerbe verein einen Vortrag „über diejenigen Stoffe, welche am häufigsten Veranlassung zu Vergiftungen geben können" halten. Wir verfehlen nicht, auf diesen Vortrag ganz besonders aufmerksam zu machen, indem Herr Or. Heppe ein Chemiker von Ruf und Leiter eines bedeutenden chemischen Labo ratoriums ist. Man darf darnach sicher sein, ein ohnehin interessantes Thema möglichst praktisch und allgemein verständlich behandelt zu sehen. — Nach einer Erklärung im „Zwickauer Tgbl." nimmt der neugewählte Reichstagsabgeordnete Wil helm Stolle in Gesau das auf ihn gefallene Man dat an. Aus dem Dachsenlunde. — Landtag. Eine ziemlich lebhafte Debatte ent wickelte sich am 17. d. bei der Schlußberathung des Gesetzentwurfs wegen provisorischer Forterhebung der Steuern und Abgaben und der Zuschüsse zur Unterhaltung der Gesandtschaften. Zur erstgenann ten Vorlage ergriff Abg. Möbius das Wort, um das amtliche Gebühren einiger Bezirkssteuereinnahmen insbesondere der zu Chemnitz in nichts weniger als schmeichelhafter Weise zu schildern und auf die Un statthaftigkeit der vielen Strafverfügungen hinzu weisen, welche über die kleinen Grundbesitzer nament lich des Erzgebirges wegen angeblich zu geringer Deklaration ihres Einkommens verhängt wurden, selbst in solchen Fällen, in welchen die Differenz zwischen Deklaration und Einschätzung nur einen Betrag von 50—100 Mk. betrug. Unter den Kleingrundbesitzern des platten Landes, welche, wie es vorgekommen, sogar ortschaftsweise, nur nach ihren Pachtverträgenen declarirten in dem guten Glauben, die Einschätzungscommission werde das Uebrige schon nachtragen, sei über die getroffenen Maßnahmen nicht geringe Erbitterung hervorgerufen worden, welche sie bestimmten, überhaupt gar nicht mehr zu deklariren; ja diese Unzufriedenheit fand