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Slhönbnrger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SV Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Dienstag, den 15. November 1881. Bekanntmachung. Seilen des hiesigen Stadtraths werden bis auf Weiteres auch solchen gewerblichen Arbeitern, welche das 21. Lebensjahr überschritten haben, auf An suchen Arbeitsbücher gebührenfrei ausgestellt werden. Der Stadtrath. Waldenburg, den 7. November 1881. ' In Vertretung: Limmer, Stadtrath. "Waldenburg, 14. November 1881. Zur Frage der Gewerbekammerrr. Die „D. V. C." brachte vor einigen Tagen den nachstehenden Artikel, dem wir des allgemeinen In teresses wegen hier eine Stelle geben: Einen ver gleichsweise unscheinbaren, aber keineswegs unwich tigen Ring in der Kette, welche das internationale Manchesterthum um unser öffentliches Leben gelegt hat, bildet die einseitige Vertretung des Handels (und zwar fast ausschließlich des Großhandels) in den Handelskammern. Schon zu verschiedenen Malen ist darauf hingewiesen worden, daß die Vertretung der Jnvustrie in diesen Körperschaften aus mancher lei Gründen eins durchaus ungenügende ist, und auch da, wo sie an und für sich vielleicht ausreichend wäre, doch nicht so zu Worte kommt, wie sie es wohl beanspruchen dürfte; ebenso haben wir schon mehrfach hervorgehoben, daß es allerdings gemein same Handels- und Gewerbe-Interessen giebt und daß nichts im Wege stehen würde, in solchen Fällen das gemeinsame Interesse auch gemeinsam wahrzu nehmen, daß aber auch zahlreiche Verhältnisse ob walten, in denen die beiderseitigen Interessen ein ander widerstreiten und es unmöglich zweckmäßig sein kann, auch für diese Fälle die Fiction der Ge meinsamkeit aufrechtzuerhalten. Das Kleingewerbe ist vollends, von den baierischen, sächsischen und hanseatischen Gewerbekammern abgesehen (in denen wieder die Interessen der Großindustrie nicht genü gend zum Ausdruck kommen), völlig unvertrelen, und ist, wenn es sich hierüber beschwerte, in unseren parlamentarischen Körperschaften stets auf feine „Innungen" verwiesen morden. Der ganze gegen wärtige Zustand der Jnteressen-Vertretung vom Handel und Gewerbe ist ein ungesunder, und er wird nicht erquicklicher dadurch, daß auch die äußere Organisation der Handelskammern nach keiner Seile hin den an sie zu stellenden Anforderungen ent spricht. Gutem Vernehmen nach werden gegenwärtig in Regierungskreisen wieder Berathungen über diese Angelegenheit gepflogen, und wir glauben, die Groß industrie sollte einen solchen Anlaß nicht vorübergehen lassen. Zwar sollen die erwähnten Berathungen hauptsächlich den sog. „Handwerkerkammern" gelten, aber da es noch zweifelhaft ist, ob man nicht die Frage der Handwerkerkammern durch die in dem Jnnungsgesetze vorgesehenen „Innungs-Ausschüsse" als erledigt betrachten oder es doch in diesem Be- treff für erforderlich halten wird, erst die Resultate des Innungs-Gesetzes abzuwarten, und da immer hin das Bedürsniß nach Gewerbekammern auch von mancherlei nichtkieingewerblichen Gesichtspunkten aus in letzter Zeit vielfach hervorgelreten ist, so sollte die Großindustrie immerhin die Gelegenheit ergreifen, um ihre bezüglichen Interessen wahrzunehmen. Unseres Erachtens kann es kaum zweifelhaft sein, welches die Stellung der Großindustrie zu dieser Frage sein muß. — Ueberall da, wo eine erhebliche industrielle Entwickelung stattgefunden hat, sind unseresErachtenS be sondere,Gewerbekammern'erforderlich,die nachBedürf- niß in einenConnexmit bestehenden oder neuzuschaffen den Handelskammern gebracht werden können. Be sonders wichtigen Jnvustriezweigen wäre in den Handelskammern eine Specialvertretung von bestimm ter Minimalstärke zuzuweisen. Wo gewisse Indu striezweige ganz oder theilweise kleingewerblich betrie ben werden, da ist auch hierauf Rücksicht zu nehmen, und cs erscheint nicht ausgeschloffen, daß überhaupt die Einrichtung mancher Gewerbekammern eine solche sein könnte um denselben die Vertretung sowohl der handwerklichen als der großindustriellen Interessen zuweisen zu können. In der Regel aber würden die Gewerbekammern nur den Großbetrieb repräsen- tiren. Es erscheint denkbar, daß eine besondere Vertretung der Industrie-Arbeiter hergestellt und in organische Verbindung mit der Gewerbekammer ge bracht werden könnte; jedenfalls würden die socialen Verhältnisse mit zu den Aufgaben derselben gehören und wäre hierauf schon bei der Organisation Rück sicht zu nehmen. Mit dem Handel aber würde die Gewerbckammer an und für sich nichts zu thun haben, und solchen Personen, deren Interessen zwie spältig sind, würde es unbenommen sein, dieselben auch zwiespältig zur Geltung zu bringen. Beständen einmal allenthalben solche Gswerbe- kammern, so würde es nicht ferner möglich sein, daß widerwillige Kaufleute sogar in ganz indust riellen Bezirken die Industriellen selbst kaum zu Worte kommen lassen, und daß eine einseitige Jn- teressen-Vsrtretung sich als eine beiderseitige oder gar allgemeine ausgiebt. Schon die moralische Kräftigung aber, welche für die Vertretung gewerb licher Interessen hinaus zu schöpfen wäre, ist nicht zu unterschätzen. Daß im übrigen die deutsche In dustrie sich ihrer Vertretung zu bedienen wissen würde, bezweifeln wir nicht. "Waldenburg, 14. November 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Fürst Bismarck ist am Sonnabend von Varzin aus in Berlin eingetroffen. Der Reichskanzler hatte bereits am Sonntage einen längeren Vortrag bei Kaiser Wilhelm. Es heißt, daß Se. Majestät der Kaiser in Person den neuen Reichstag eröffnen wird, da ihm die erfreulicherweise wiederhergestellte Gesundheit dies gestattet. Das Befinden des Großherzogs von Baden war am 13. d. befriedigend, sein Bewußsein klar. In der Nacht zum 13. d. trafen der deutsche Kron prinz und die schwedische Kronprinzessin in Baden- Baden ein. Fürst Bismarck soll nach der „Frankf. Ztg." einem ehemaligen conservativen Abgeordn sn beim Diner in Varzin mitgethLilt haben, daß er eventuell den Statthalter von Elsaß-Lothringen, den General feldmarschall Freih. v. Manteuffel, als seinen Nach folger in Aussicht genommen habe, dem es wohl ge lingen werde, mit einer conservatio-clericaleu Mehr heit zu regieren. Tiefer kann sich die Fortschrittspartei, die immer über den „Gang nach Canossa" schreit, vor den Ultramontanen nicht mehr beugen, wie dies in Dortmund geschehen ist. Dort hat der Fouschritts- Candidat Lenzmann dem ultramontanen Comitö gegenüber die schriftliche Erklärung abgegeben: „Ich bin kein Freund des Culturkampfes, welcher nach meinem Dafürhalten von Bismarck, wenn auch nicht erfunden, so doch bedeutend aufgebauscht ist, um den Freiheitsdrang des demokratisch gesinnten Bürger thums in einer anderen Arena als in der des politischen Kampfes zu beschäftigen" rc. rc. Lenz mann ist denn auch mit Hilfe der Ultramontanen glücklich gegen Berger (üb.) gewählt worden. Generalfeldmarschall Graf Moltke, Abgeordneter für Memel-Heydekrug, soll bis zur Wahl des Prä sidiums als Alterspräsident im Reichstage fungiren. Nach dem Etat für das auswärtige Amt wird das deutsche Reich im nächsten Jahre im Auslands vertreten sein durch 27 Gesandtschaften, die einen Geldaufwand von 2,343,600 Mark erfordern, durch 12 Generalconsulate, 37 Consulate und 5 Viceconsu- late, für welche zusammen 267,000 M. verausgabt werden. Bebel ist nunmehr auch in Berlin, wo er am Sonnabend zur Stichwahl gegen den Fortschritts candidaten, den Rechtsanwalt und Dichter Träger stand, unterlegen. Der Kampf war heiß, das Zünglein schwankte lange hin und her, zuletzt siegte Träger mit nur 51 Stimmen (19030 : 18979) über Bebel. Ebenso siegte der Fortschrittler Klotz mit nur 569 Stimmen (17946 : 17377) über den Socialdemokraten Hasenclever. Hasenclever, der übrigens in. Altona unterlegen ist, hat nur ein Mandat, das in Breslau, erhalten. Bebel hingegen welcher abgesehen von etlichen 30 Wahlkreisen, wo feine Anhänger für ihn ohne Aussicht auf Erfolg und blos als Zählcandidaten stimmten, in einer An zahl größerer Städte, z. B. Köln, Königsberg, München, nicht zur Stichwahl gebracht hat und der da, wo er zur Stichwahl kam (Dresden, Leipzig und Berlin) überall unterlegen ist, wäre also damit aus dem Reichstag ausgeschieden. Eins Hoffnung, wenn auch nur eine schwache, winkt ihm noch aus dem Großherzogthum Hessen, wo Liebknecht in 2 Kreisen: Mainz und Offenbach-Dilburg gewählt wurde. Inzwischen sind diese beiden socialdemokra tischen Wahlen solche Zangengeburten, daß es höchst zweifelhaft ist, ob bei einer Nachwahl abermals ein Socialdemokrat siegt. Man ist zunächst gespannt, in welchem Wahlkreise Liebknecht annimmt, da er die Annahme jedem der beiden Wahlkreise in Aus sicht gestellt hat. Stichwahlen: In Hof wurde der Fortschrittler Papellier gegen Schauß (lib. Gruppe), und in Würzburg Köhl (Volkspartei) gewählt. Im sechsten Berliner Wahlkreise ist der Fortschrittler Klotz mit 17,946 gegen Hasenclever (Socialist) mit 17,377, nnd im vierten Berliner Wahlkreis der Fortschritt ler Träger mit 19,030 gegen Bebel mit 18,979 Stimmen durchgekommen. In Bromberg wurde Hempel (Fortschritt) und in Minden Hofprediger Stöcker mit 2000 Stimmen Majorität gewählt. In Rastenburg hat Behrend (Fortschritt), in Halle Meyer (Sec.), in Brieg Hoenika (Sec.), in Braunschweig Schrader (Sec.), in Löbau Graf zu Dohna-Finkcn- stein (cons), in Guhrau v. Kessel (cons.), in Kaisers lautern Janson (nat.-lib.), in Gotha Barth (Sec.) gesiegt. Selten ist der deutschen Armee von seilen eines auswärtigen Generals ein so rückhaltloses Lob zu Theil geworden wie von Sir Frederik Roberts, der als Militürvertreter Englands jüngst die Herbst manöver in Hannover und Schleswig-Holstein mit machte. Die deutsche Armee ist ihm die vollendetste