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setz, der sogenannten Marinevorlage, der Reichstag über den Flottenbestand zu entscheiden haben, dessen das Reich nach der Ueberzeugung der zuständigen Stellen, der Ma rineverwaltung und des Auswärtigen Amtes bedarf. Ueber die Art der Durchführung des Planes, die ein zelnen Raten, soll der Reichstag jahrein jahraus, wie bisher entscheiden. Das heißt also, es wird dem Reichs tage nicht zugemuthet, mit einem Male den auf 7 Jahre berechneten Flottenplan gut zu heißen, so daß er für die gesammte Zeit sich seines Etatsrechts zu begeben hätte. Die Reichsregierung wird vielmehr in jedem einzelnen Jahre die Bewilligung deS für dieses Jahr unentbehr lichen Erfordernisses nachsuchcn. Zur Besetzung der Kiautschou-Bucht wird weiter gemeldet, daß die chinesische Regierung zwar davon Ab stand genommen habe, das gesammte chinesische Süd geschwader nach Norden zusammenzuziehen, daß sie aber die Verstärkung der Forts ins Werk zu setzen beschlossen habe. Die jährlichen vierzehntägigen Uebungen der Land truppen haben in diesen Tagen begonnen, einen beson deren feindseligen Zweck verfolgen diese Uebungen jedoch nicht. Daß China ber allen europäischen Großmächten im Schuldbuche steht, und seine Besorgniß, auch die übrigen Mächte könnten Deutschlands Beispiele folgen, nicht so ganz unbegründet ist, steht jedenfalls fest. Daß die Verstärkungen der Forts aber eine europäische Groß macht abhalten würden, in China Eroberungen zu machen, glaubt man doch wohl auch in Peking selbst nicht. Begreiflicherweise beschäftigt sich auch die japanische Re gierung mit den Vorgängen in der Kiautschou-Bucht an gelegentlich. Die japanischen Vertreter im Auslande haben den Auftrag erhalten, sich über die Entschlüsse der Mächte Gewißheit zu verschaffen. Was die deutschen Geschwader in Ostasien angeht, so bestätigt es sich nicht, daß der Kreuzer 4. Kl. „Kormoran" in den Verband des neu zu formirenden Geschwaders treten wird. Die Kreuzer „Geyer" und „Gefion" werden bis zum 5. December seeklar sein und alsdann ihre Reise nach Ost asien antreten. Oe r errei«Ä-Ungar n. Ueber die tumultuarische Freitagssitzung im österreichischen Abgeordnetenhause, über die wir bereits telegraphisch berichtet haben, liegen heute folgende ausführlichere Berichte vor: Präsident Abrahamowitsch erscheint um 11 Uhr 15 Minuten im Saale, beim Ein tritt mit stürmischen Rufen „Abzug" empfangen. Die ganze Linke erhebt sich, zahlreiche Abgeordnete schreien durcheinander. Nun spielt sich eine Scene ab, welche sich, von der Tribüne gesehen, folgendermaßen darstellt. Socialdemokrat Berner will sich auf den Präsidenten stürzen, es entspinnt sich ein Kampf zwischen ihm und den Dienern. Socialdemokrat Resel springt über die Ministerbank und zerreist die vor dem Präsidenten liegen den Papiere, andere Socialdemokraten eilen Berner zu Hilfe und besetzen die Präsidenten-Tribüne; sie verlangen Genugthuung dafür, daß Resel von einem Diener ge schlagen worden sei. Der Präsident wird zur Flucht gezwungen. Zwischen Socialdemokraten und anderen Abgeordneten entspinnt sich eine Schlägerei; Berner wird hinausgedrängt. Inzwischen erscheint die Polizei, un gefähr 70 Mann stark. Der Polizeicommifsar fordert die die Präsidenten-Tribüne occupirenden Socialdemo kraten auf, die Tribüne zu verlaffen, die Socialdemo kraten leisten Widerstand, werden aber nacheinander von der Polizei mit Gewalt aus dem Saale geführt. Dir Polizei bildet um die Präsidenten-Tribüne einen Eordon. Alles dies spielt sich ab, bevor die Sitzung formell eröffnet war. Als der Präsident die Sitzung eröffnen will, sangen die Socialdemokraten laut zu protestiren an. Die übrigen Parteien appläudiren. Plötzlich setzen die Socialdemokraten über die Ministerbänke hinweg und dringen auf das Präsidium ein. Berner entreißt dem Präsidenten die Glocke und insultirt ihn. Die Tschechen dringen nach. Berner wird von den Tschechen fürchter lich geprügelt und zur Thür hinausgeworfen. Die Socialdemokraten besetzen 10 Mann stark das Präsidium. Neue Versuche, sie zum Verlaffen desselben zu bewegen, scheitern. Daszynski wirft die Präfidentenmappe in den Saal. Plötzlich marschiren Polizisten ein und besetzen die Ministerbänke, und nun wird ein Socialdemokrat nach dem andern gewaltsam entfernt. Tosender Lärm. Die deutsche Linke protestirt stürmisch. Pfuirufe und Lärmen sondergleichen. Abg. Kronawetter erhielt von einem Polizisten einen Schlag und sinkt ohnmächtig zu sammen. Er muß hinausgefllhrt werden. Ein Theil der Socialdemokraten erscheint bald wieder, andere werden auf die Straße geworfen, ohne Rock und ohne Hut. Aus der Galerie schwenken Damen und Herren Tücher nach der deutschen Opposition hin. Diese erwidert leb haft. Die Galerie wird geräumt. Die Polizei hielt inzwischen die Ministerbänke blockirt. Die Sitzung wird auf geraume Zeit suspendirt. Der Lärm dauert fort. Um ^/»1 Uhr erscheint der Präsident. Stürmische Pfui rufe. Er spricht, Niemand versteht ihn. Wolf ist aus geschlossen. Der Ordner Lang will es mittheilen, wird aber von den Deutschen zurückgewiesen. Die Volkspartei und die Fortschrittspartei nehmen Wolf in die Mitte. Der Obercommiffar fordert Wolf auf, den Saal zu verlaffen. Wolf weigert sich. Die Polizei schreitet ein und Wolf wird abgeführt. Der Präsident erscheint wieder. Rufe: „Pfui, Schurke!" „Gauner!" „Alter Verbrecher!" Daszynski wird ausgeschloffen. Es wieder holt sich derselbe Vorgang wie bei Wolf. Schönerer schlägt, während die ganze Linke tobt, auf sein Pult. Dröhnend:r Lärm. Schönerer wird ausgeschloffen. Bei seiner Abführung durch die Polizei ertönen Hochrufe links, Tücher werden geschwenkt. Schönerer erwidert mit Winken. Schönerers Pult wird zertrümmert. Es folgt, immer mit Polizeigewalt, die Ausschließung von noch weiteren 8 Abgeordneten. Dann wird um 2 Uhr die Sitzung geschloffen. Die Erregung ist beispiellos. In Folge der Vorgänge im Abgeordnetenhause sanden am Freitag Mittag vor der Universität Studenten- demonstrationen statt, die von einem starken Polizeiauf gebot unterdrückt wurden. Mehrere Studenten wurden verhaftet. Für den Abend befürchtete man Demon strationen seitens der Arbeiter. Aralien. Der italienische Ministerrath beschloß die Errichtung einer Colonialarmee, die zu einem Drittel aus Weißen bestehen wird. Alle Soldaten, bis auf dir Offiziere, die von der Armee gestellt werden, werden Freiwillige sein. Gngiund. Wiederholt ist schon davon die Rede gewesen, der englische Premierminister Lord Salisbury werde die Vertretung der auswärtigen Politik abgeben. An gegriffen wird er wegen seiner auswärtigen Politik auch gerade genug, so daß ihm die Lust daran wohl vergehen könnte. Neuerdings hat Sir Harcourt in einer politischen Rede die Schwächen der Salisburyschen äußeren Politik einer ganz außerordentlich strengen Kritik unterzogen. Die Nachrichten aus Indien lauten von Tag zu Tag beunruhigender. Mehrere der Hauptstämme haben den Unterwerfungsvorschlag General Lockhardts mit Herausforderungen beantwortet. Griechenland. In Athen benimmt sich die Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Delyannis gegen die Regierungs vertreter nach wie vor höchst herausfordernd. Delyannis, welchem Griechenland den Staatsbankerott, sowie die kriegerischen Verwickelungen mit der Pforte einzig und allein zu danken hat, versucht sich jetzt zum Richter über diejenigen aufzuspielen, denen gegenwärtig die Verant wortung für die Leitung des Staates obliegt. Ob es dem gewiegten Diplomaten gelingen wird, den Sturz des Cabinets Zaimis herbeizuführen, bleibt abzuwarten; hoffentlich geschieht es nicht, denn die gegenwärtige Re gierung kann mit Recht die Anerkennung beanspruchen, daß sie sich in die gegebenen Verhältnisse schickt und sich mit dem Erreichbaren begnügt. Alle Proteste der grie chischen Kammer gegen die Bestimmungen des Friedens- Vertrages rc. sind ja doch nur leere Phrasen, denen es an jeder Bedeutung gebricht. Türkei. In Albanien ist in verschiedenen Bezirken der Helle Aufruhr ausgebrochen; erfanden bereits mehrere blutige Zusammenstöße statt, welche auf beiden Seiten zahlreiche Opfer forderten. Nach Privatmeldungen soll der Sultan nunmehr bereit ein, die Autonomie Kretas anzuerkennen, wenn er den Gouverneur ernennen dürfe, die Insel durch türkische Truppen besetzt bleibe und die türkische Flagge beibehalten werde. Prinz Franz Joseph von Battenberg wird weiter als künftiger Gouverneur bezeichnet. Aus Vöm MuLds;MMle * Walde«burg, 27. November. Für das diesjährige vom Gesangverein hier in Aussicht genommene Armen- concert hat wiederum Herr Cantor Uhlig durch rastlose Bemühungen einen größeren Chor zusammengestellt. Derselbe besteht außer den Mitgliedern des Gesangvereins aus freiwilligen Sängern, einer Anzahl Damen und Knaben. In Rücksicht auf den edlen Zweck hat Fräu lein Helene Krause sich bereit finden lassen, die Zuhörer schaft durch eine Concertarie und einige Lieder zu er freuen. Als Neuheit aus der bis jetzt nicht umfang reichen Frauenchorliteratur gelangen die „Schwalbenlieder" von Burgstaller, einem intelligenten Wiener Componisten, zur Aufführung. Die Männerchörr werden theils mit, theilS ohne Begleitung vorgetragen und bestehen aus einer Hymne von Neithardt, „Friedrich Rothbarth" von PodbertSky, „Mondaufgang" von Pache und einigen Volksliedern. Für gemischten Chor sind Lieder von Hiller, Abt und Menage vorgesehen. Den Einleitungs satz bildet die Ouvertüre zu „Jphigenia in Aulls" von Gluck. Aus dem abwechsclungSreichen Programm ist zu ersehen, daß das „Armenconcert" wieder einen genuß reichen Abend verspricht. Möge daher, sowie auch schon um des edlen Zweckes willen, daß Unternehmen des Gesangvereins und seines unermüdlichen Leiters durch recht zahlreichen Besuch gebührend gewürdigt werden. * — Der heutige Vormittag brachte uns anhaltendes Schneegestöber; leider hat der herrschende Wind an vielen Stellen den Schnee völlig verweht, so daß an eine Schlittenbahn noch nicht zu denken ist. Den vielen Ge schäftsleuten, welche in Woll- und Pelzwaaren Handel treiben, kommt natürlich das Winterwetter sehr gelegen. * — Aus Grund der in unserer Gegend verbreiteten Ge ¬ rüchte, nach denen der aus Eichlaide stammende flüchtig« Mörder FraaS mehrfach in hiesiger Gegend gesehen worden sein soll — wir hatten von diesen Gerüchten in unseren Nummern 251 und 262 Notiz genommen —, sowie aus Grund anderweiter Gerüchte, nach denen FraaS am 29. Oktober den Dienstknecht Becker in der Nähe von Göpfersdorf im Altenburgischen und am 11. d. die verehel. Flämig in Eichlaide auf dem Wege von dort nach Schlagwitz angefallen haben soll, in eingehendster Weise angestellten Erörterungen und Nachsuchungen ist, wie uns von maßgebender Seite versichert wird, festge stellt worden, daß es sich in allen diesen Fällen um grundlose Gerüchte handelt, daß ein weiterer Anhalt, als daß die Mutter des Fraas in Eichlaide wohnt, für die Anwesenheit des Genannten in hiesiger Gegend nicht vorliegt und daß insbesondere Fraas, seitdem er flüchtig ist, von Personen, die ihn wirklich kennen, in der Um gegend von Waldenburg nicht gesehen worden ist. Be züglich des Falles in Grünfeld, der in unserer Nummer 251 erwähnt wurde, ist der Beschuldigte nachträglich zur Haft gebracht worden. Der zweite Fall, welcher sich in der Nähe des Waldenburger Schlosses ereignet hatte, stellt sich nach Mittheilung der kgl. Amts hauptmannschaft Glauchau als harmloser dar, als man nach jener Notiz vermuthen konnte. Zur Beruhigung der Bevölkerung hat übrigens die kgl. Amtshauptmann- schast bis auf Weiteres eine Verschärfung des Polizei dienstes für die Umgebung von Waldenburg angeordnct. *— Am 15. d. sollte die verehelichte G. aus Ober winkel in der Nähe von Remse räuberisch überfallen worden sein, und war diesem Gerücht um so eher Glau ben zu schenken, als die G. den Anfall selbst öffentlich erzählt hatte. Dem energischen Vorgehen der Gendar merie gelang es jedoch, bald Licht in die Sache zu bringen, da die G., nur um zu renommiren, den Anfall fingirt hat. Eine exemplarische Strafe dürfte hier wohl angebracht sein. — Herr Polizeirath Or. Hübel in Dresden tritt am 1. Januar 1898 als Regierungsrath in die Kreishaupt- mannschast Zwickau ein. — Bei der Hochfluth am 31. Juli ist das Mulden bett an der Stadtgemeinde Zwickau-Crossen so stark versandet worden, daß es seitdem ausgebaggert und daS östliche Ufer erhöht werden muß. — Der Stadtrath zu Penig macht bekannt, daß Versammlungen, in denen Vorträge über Religion ge halten oder religiöse Fragen besprochen werden, der Po lizeibehörde schriftlich anzumelden sind, auch der polizei lichen Ucberwachung unterliegen. Dies gelte auch für die im VolkSmunde mit dem Namen „spiritistische Ver sammlungen" bezeichneten Zusammenkünfte, die übrigens nicht nur auf das kirchliche Leben der Gemeinde, sondern auch, wie nach gemachten Wahrnehmungen nicht mehr zu bezweifeln sei, auf dieGemüthsversassung der Theilnehmer einen höchst nachtheiligen Einfluß ausüben, vor deren Besuch deshalb die genannte Behörde auf das Eindringlichste warnt. — Einen nachahmenswerthen Beschluß hat der Schul vorstand zu Rochsburg in seiner letzten Sitzung auf Antrag der dortigen Lehrer gefaßt. Nach demselben steht den Lehrern das Recht zu, beim Auftreten ansteckender Krankheiten im Orte durch einen Arzt, — falls die be treffenden Eltern einen solchen nicht selbst zu Rathe zie hen, — die Art der Erkrankung feststellen zu lasten, damit die betreffenden Schüler rechtzeitig vom Unterrichte fern gehalten und so die Ansteckung und Weitervcrbrei« tung durch die Schule verhindert werden kann. Die Kosten trägt die Schulkaffe. Aus dem SachsenLuude — Se. Majestät der König nahm am Freitag Vor mittag im Residenzschloß die Vorträge der Herren StaatSminister und Hofdepartementschess entgegen und kehrte später in die Villa Strehlen zurück. — Am Freitag früh 8 Uhr fuhren in einem gestellten Extrazug die Mitglieder beider Kammern unter Führung der Herren Minister v. Metzsch und v. Watzdorf in die vom Hochwasser geschädigten Gegenden. Auch der Herr KricgSminister v. d. Planitz und viele der Herren Näthe de« Ministerium« des Innern, des Finanzministeriums und der Generaldirection der Staatsbahnen betheiligten sich hierbei. In Deuben wurde der Zug verlaffen und die Strecke bis Hainsberg zu Fuß zurückgelegt. Hierbei hatte man noch Gelegenheit, die argen Verwüstungen, welche das Hochwasser angerichtet hatte, zu beobachten, wenngleich auch schon Massen von Schutt und Geröll wieder aus dem Weißeritzbett entfernt waren. Von Hainsberg ging die Fahrt mit der Sckundärbahn bi« nach Kipsdorf. Unterwegs wurde mehrfach auSgestiegen und die am meisten geschädigten Theile des Weißeritz- thaleS besichtigt. Große Anerkennung herrschte allgemein darüber, daß die Wiederherstellungsarbeiten, insbesondere bei Schmiedeberg, weit vorwärts geschritten waren. In Kipsdorf, wo man '/»12 Uhr eintraf, vereinigte sich die über 100 Personen zählende Gesellschaft zu einem Früh stück, daS Herr Minister v. Metzsch persönlich den Theil nehmern angeboten hatte. Auch die socialdemokratischen Abgeordneten, die sich an der Fahrt betheiligten, ließen