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Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Bonner Kaisertage erreichen am heutigen Sonnabend ihr Ende, der Kaiser reist zum Besuch seiner Mutter nach Kronberg und von dort nach der Wart burg weiter. Der Monarch hat sich sehr anerkennend über die Haltung des Bonner Publikums ausgesprochen; er sei hocherfreut über die vielen Beweise der Anhäng lichkeit. Und diese Anhänglichkeit läßt sich begreifen, wenn man liest, wie der Kaiser sich in der rheinischen Universitätsstadt gegeben hat. Am Donnerstag Abend hatte Se. Majestät einer Einladung zu dem Antritts- commerS der Bonner Studentenschaft Folge geleistet. Er trug schwarzen Gehrock, über der Brust das schwarz weiß-schwarze Burschenband, auf dem Haupt den weißen Stürmer, den er lustig als Antwort auf die Grüße des Publikums schwenkte. Ihm folgte der Kronprinz in der Uniform des 1. Garderegiments. Die Einholung des Kaisers erfolgte unter den üblichen studentischen Formen durch die Chargirten, Tusch, Waffenklirren, Hurrahrufe. Der Kaiser ließ verkünden, daß er selbst das Präsidium übernehme. Brausender Jubel, Tücher- schwenken. Der Monarch eröffnete den Commers mit einem Salamander auf dessen feucht-fröhlichen Verlauf und commandirte dann mit tönender Stimme das erste Allgemeine: „Sind wir vereint zur guten Stunde." Sodann hielt Generaloberst v. Los als alter Burschen schafter eine Ansprache an den Kaiser. Letzterer dankte für freundlichen Gruß und Willkommen, um fortzufahren: „Meine Herren, ich hoffe und erwarte von der jungen Generation, daß sie mich in den Stand setzen wird, unser deutsches Vaterland in seiner festen Begrenzung, im Gefüge der germanischen Rasse zu erhalten. Nie mandem zu Liebe, Niemandem zu Leide. Wenn aber je uns Jemand zu nahe treten sollte, dann werde ich an Sie appelliren, und ich erwarte, daß Sie mich nicht fitzen lassen." Am Schluß seiner Rede stellte der Mo narch Frhrn. v. Los als leuchtendes Vorbild hin. Dieser Trinkspruch wurde mit der höchsten Begeisterung ausge nommen. Hierauf commandirte der Kaiser das Se mesterreiben, bei dem zunächst das jüngste Semester sich erhebt, um einen Toast auf das, was ihm am Herzen liegt, auszubringen. Es folgte ein Hoch auf den Kronprinzen, der Folgendes erwiderte: „Ich danke meinem Vater, daß er mich in eine so freundliche, liebenswürdige Gesellschaft gebracht hat. Ich hoffe, daß wir gute Commilitonen werden, und daß die Beziehun gen zwischen mir und dem Bonner S. C. die denkbar freundlichsten werden. In diesem Sinne trinke ich auf den Bonner S. C." Der Kaiser führte das Präsidium nach allen Regeln des Comments und zeigte durch seine Geschäftskenntniß, daß er seine Studentenzeit nicht ver gessen hat. Unter der allgemeinen großen Begeisterung litt der Durst der Festtheilnehmer nicht. Der hohe Präside unterhielt sich viel mit den aktiven jungen Borussen. Ebenso suchte der Kronprinz bald seine Corpsbrüder auf. Als um Mitternacht das fünfte All gemeine: „Der Mai ist gekommen" erscholl, hatte der Kaiser das Präsidium noch in den Händen und ließ klirrend den Schläger bei Abschluß der Strophen auf schlagen. Am Freitag Morgen hörte der Kaiser Lieder vorträge des Bonner Männergesangvereins, worauf er sich Pläne der Rheinischen Landesausstellung vorlegen ließ. Um 10 Uhr wurde der Kronprinz in feierlicher Weise in das Corps Borussia ausgenommen. Der erste Chargirte v. Alvensleben verlas die Statuten und hielt eine kurze Ansprache. Der Kronprinz versprach die Befolgung der Statuten mittels Handschlag. Dann wurde ihm als Beweis seiner Zugehörigkeit zum Corps die farbige Mütze überreicht. Nachdem der Kronprinz Fuchs der Borussen geworden war, galt sein erster Be such der Universität, und zwar deren Fechtboden, wo er die ersten Fechtübuugen an einem als Uebungsobject dargestellten Männerkopf unter Leitung des Universitäts- Fechtmeisters vornahm. Der Prinz sah etwas blaß von dem ausgedehnten Commerse der vergangenen Nacht aus. Abends war offizielle Kneipe bei den Borussen, wozu der Kaiser als Alter Herr und der Kronprinz als Fuchs erschien. Die Kneipe verlief wieder sehr animirt. Vom CommerS am Donnerstag sei noch Folgendes nachgetragen: Bei dem Semesterreiben hatte irgend ein Corpsbursch bei Erwähnung des Kronprinzen ein keckes „der Fuchs" in den Saal gerufen. Tas Wort fand jubelnden Beifall, am meisten vielleicht beim Kaiser selbst, der seinem Sohn auf die Schulter klopfte und von ganzem Herzen lachte. Tas 77. Semester trank mit dem Wunsche, „daß unsere Onkels endlich einsehen möchten, daß der Mittellandkanal gebaut werden muß." Ter Kaiser lehnte sich hell auflachend hierbei hinten über. Großherzog Friedrich von Baden empfing am Freitag zu seinem 60jährigen Militärjubiläum die Glückwünsche des Kaisers und der deutschen Bundes fürsten, sowie der Regimenter, die mit dem greisen Fürsten in Fühlung stehen. Ueberbringer der Glück wünsche des Kaisers war General v. Plessen, der Commandant des Hauptquartiers. Generaloberst v. Hahnke mußte sich auf ärztlichen Rath versagen, an seinem Jubiläumstage persönlich Glückwünsche entgegenzunehmen. Der Kaiser verlieh ihm die Brillanten zum Schwarzen Adlerorden. Der frühere langjährige Reichstagspräsident Wirkl. Geh. Rath vr. v. Levetzow ist vom Kaiser durch die Verleihung der Brillanten zum Rothen Adlerorden I. Kl. mit Eichenlaub ausgezeichnet worden. Zum Zolltarif wird der Münchener „Allg. Ztg." halbamtlich aus Berlin gemeldet, man neige in Poli tischen Kreisen der Annahme zu, daß der Bundesrath, wenn er wie gewöhnlich nach den Sommerferien im October wieder zu seinen Berathungen zusammentritt, den Zolltarif in etwa vier Wochen werde erledigen können, so daß der Reichstag ihn beim Zusammentritt im November bereits fertig gestellt erhalte. Nach den „Hamb. Nachr." hat sich neuerdings in maßgebenden Regierungskreisen eine Meinungsänderung vollzogen in sofern, als diejenigen Stellen, welche früher für die Aufstellung von Minimal- und Maximal-Zollsätzen für landwirthschaftliche Erzeugnisse eingetreten waren, diesen Standpunkt verlaffen und auch den Einheitszoll als ausreichend anerkannt haben. Oesterreich-Ungarn. Die österreichische Regierung hat ihren Kanalplan bereits ausgearbeitet und auch schon dem Reichsrath unterbreitet. Die Vorlage betrifft die Herstellung des Donau-Oder-Kanals, des Donau-Moldau-KanalS, sowie die Regulirung der Elbe und der Moldau. Die Vor arbeiten sollen bis 1904, der Bau bis 1924 vollendet sein. Für den Bedarf bis 1912 wird ein Kredit von 250 Millionen Gulden durch Begebung einer vierpro- centigen Anleihe eröffnet. Frankreich. Frankreich hat wieder einmal seine Spionageaffäre, ohne die es einmal nicht leben kann. Vier Angestellte einer privaten großen Gcschützfabrik in Commentry bei Montheyon sind unter dem Verdachte, einem Deutschen, Namens Joanowitsch, für Rechnung der Firma Krupp Zeichnungen ausgeliefert zu haben, verhaftet worden. Viel Wahres wird an der Sache nicht sein; möglicher weise beschränkt sie sich ganz und gar auf eine kleine Gehässigkeit gegen die Firma Krupp, der man es jen seits der Vogesen natürlich nicht vergessen kann, daß sie die französische Waffenindustrie fast vollständig voin Weltmarkt verdrängt hat. Rußland. Das russische Kaiserpaar wird Ende Juli Eng land besuchen. Zu dieser Zeit wird König Eduard, wie ein Londoner Blatt mittheilt, zum Besuche der Aus stellung in Glasgow weilen und dort von dem Kaiser von Rußland und wahrscheinlich auch von der Kaiserin begleitet sein. Die „Berl. N. N." bemerken dazu, daß Rußland unter maßgebender Einwirkung des Finanz ministers Witte besondere Anstrengungen macht, um in Glasgow möglichst gut vertreten zu sein. Herr Witte hofft dadurch das Interesse des englischen Capitals für industrielle Unternehmungen an Rußland anzuregcn. Ästen. Die jährlichen Ausgaben Chinas übersteigen mit 101 Millionen Taels die Einnahmen um rund 13 Millionen. Das ist für die baldige Zahlung der Kriegsentschädigung ein betrübender Ausblick. In Japan steht es mit den Finanzen noch schlechter. Dort haben mehr als 20 Banken plötzlich die Zahlung einstellen müssen, so daß eiue allgemeine finanzielle Panik herrscht. Hätte Japan mehr Geld zur Verfügung, so daß es an die Führung eines Krieges denken könnte, dann dürfte sich Rußland auf Korea nicht so mausig machen. Tie verbündeten Truppen in China hatten sich zu dem Entschluß aufgerafft, nun endlich einmal kurzen Prozeß zu machen und die schlimmste Widersacherin der Friedensarbeit, die Kaiserin-Wittwe, ohne Feder lesen gefangen zu nehmen. Das wäre in der That das einzig Richtige; leider hat sich diesem Schritt die Diplomatie widersetzt, so daß die alte Jntriguantin ihre Quertreibereien fortsetzen wird. Was die Gesandten in Peking eigentlich treiben, ist aus der Ferne schwer frstzustellen, da positive und definitive Ergebnisse ihrer Bemühungen nicht zu Tage treten. Schon seit Wochen wird berichtet, daß die Diplomaten die Entscheidungs frage erörterten. Ta sie aber aus dem Stadium der Erörterungen garnicht herauskommen, so weiß man nicht, ob man diese mißliche Thatsache auf die Lauheit der Verhandlungen oder auf die Schwierigkeiten zurückführen soll, die sich einer Verständigung entgegenstellen. Rußland und Frankreich setzen vereint ihre Be mühungen fort, auf eigene Faust die Friedensver handlungen mit China zu Stande zu bringen, die Mächte zu entschädigen und so schnell wie möglich die Abberufung der fremden Truppen aus China herbei zuführen. Frankreich befindet sich dabei lediglich im Schlepptau Rußlands. Dieses aber sucht die Erledigung der Friedensfrage aus dem sehr begreiflichen Grunde zu beschleunigen, um möglichst schnell wieder freie Hand in Ostasien zu gewinnen und die Mandschurei in die Tasche zu stecken. Rußland will mit Hilfe Amerikas eine Ricsenanleihe aufnehmen, die Forderungen sämmt- licher Mächte begleichen und diese dann aus China hinauscomplimentiren. So leicht, wie man sichs in Petersburg vorstellt, ist die Sache aber nicht. Uebers Ohr hauen läßt sich keine der Mächte, vor allem Deutsch land nicht, in wie verlockender Gestalt Rußland seine Anerbietungen auch immer kleiden mag. Afrika. Dem englischen Heere bereitet die immer furchtbarer um sich greifende Pferdekrankheit große Pein. Die Truppen in und bei Pretoria hatten einen Verlust an Pferden, bis zu 75»/g, viel bester ergeht es den anderen Truppentheilen aber auch nicht. Ohne Kavallerie ver mögen die Engländer gegen die Buren aber nichts aus zurichten. Das weiß Lord Kitchener am besten; daher sein erneuter Versuch, mit den Buren in Friedensver handlungen einzutreten. Nachdem der Präsident deS Caplandes, Milner, Südafrika verlassen, wird auch von dem Chef der Polizeitruppen General Baden-Powell gemeldet, daß dieser nach England zurückzukehren im Begriff stehe. Alle den Buren besonders unsympathischen Persönlichkeiten scheinen danach in die Heimat ab- berufen zu werden, nur um die Buren zur Annahme von Friedensbedingungen geneigt zu machen. Aus Se« MulSeuthale. ^Waldenburg, 27. April. In der gestrigen ge meinschaftlichen Sitzung der hiesigen städtischen Collegien wurde über die Verlängerung der öffentlichen elektrischen Leitung nach Altstadtwaldenburg Beschluß gefaßt. Der Vorsitzende Herr Bürgermeister Kretschmer gab zunächst den in dieser Sache ergangenen Beschluß des Bauaus schusses und des Ausschusses für das Elektricitätswerk, sowie die Kostenanschläge über das Project bekannt. Nach längerer Debatte erklärten sich die Collegien unter der Voraussetzung einer genügenden Betheiligung ein stimmig dem Projecte geneigt und wurden die vom Aus schuß für das Elektricitätswerk aufgestellten Bedingungen mit einigen Abänderungen genehmigt. Punkt 2 erhielt folgenden Zusatz: Wenn der Angeschloffene Strom zu Lichtzwecken mit entnimmt, hat er für Strom zu Kraft zwecken nur 40 Pf. pro Kilowattstunde zu bezahlen. Punkt 3 erhält den Zusatz: Doch darf der für Ab nahme von Strom zu zahlende Betrag nicht unter 25 Mark für die Installation jährlich ausmachcn. Weiter wurde beschlossen, die durch Abgang des Hilfsarbeiters Eppler frei werdende Copistenstelle mit einem Gehalt von 600 Mk. auszuschreiben. * — Die „Altenburger Landesztg." macht folgendes bekannt: „Am 21. Februar d. I. ist uns auf einer Postkarte aus Oberarnsdorf eine Anzeige, betr. die Geburt eines „strammen Jungen" mit der Unterschrift „R. Hüttig und Frau" übersandt worden, die von un befugter Seite, also nicht von Herrn Hüttig, herstammt. Wer uns den unbekannten Absender dieser Karte so nachweift, daß wir ihn der Staatsanwaltschaft zur Ein leitung eines Strafverfahrens anzeigen können, erhält von uns eine Belohnung von 20 Mark. Die Karte liegt zur Einsicht und Vergleichung der Handschrift bei Herrn Eduard Kirsten in Ziegelheim aus." * — Eine vollständige Sonnenfinsterniß ist am 18. Mai d. I. zu erwarten. Tie Naturerscheinung wird diesmal zum Theil in Südafrika, ferner in Indien, Polynesien, Australien und im Indischen Ozean sichtbar sein. Die höchste Dauer der „Totalität" beträgt mehr als 6i/z Minuten. * — Graf Waldersee hat die sächsischen Chinatruppen besonders belobt. Wie aus Grimma berichtet wird, hat Graf Waldersee nach einer dort vorliegenden Kriegs- ministerial-Vcrordnung an den König Albert berichtet, daß sich die dem Expeditionscorps angehörenden säch sischen Truppen durch ihre hervorragenden Leistungen und ihren frischen soldatischen Geist seine wärmste An erkennung erworben haben. * — Für den Pfingstverkehr trifft die Staatsbahn verwaltung bereits ihre Vorbereitungen, indem sie alle zu Personentransporten hergcrichteten Güterwagen sammelt und nach den Werkstättenbahnhöfen bringen läßt, um sie dort einer gründlichen Reinigung und Lüftung zu unter ziehen. * — Der deutschnationale Handlungsgehilfenverband, Gau Königreich Sachsen, hatte das König!. Ministerium des Innern um Ausführungsanweisungen zum Laden schlußgesetz gebeten. Das Ministerium benachrichtigte darauf die Antragsteller, daß nach der ihm gewordenen Mittheilung der Erlaß von solchen Ausführungsbe- stimmungen seitens des Bundesrathes in Vorbereitung sei. Ziegelheim, 27. April. Der hiesige König!. Sächs. Militärverein begeht am 23. Juni sein 25jähriges Fahnenjubiläum laut Programm in folgender Weise: Sonnabend, den 22. Juni, abends ^9 Uhr Zapfen streich, Sonntag, den 23. Juni, stütz 5 Uhr Reveille. Vormittag 11 bis 1 Uhr Empfang der Vereine, wäh renddem Unterhaltungsmusik. Nachmittags 2 Uhr Stellen der Vereine zum Festzug in der Reihenfolge der eingegangenen Anmeldungen. Festaktus. 1. Er öffnungsgesang durch den Gesang-Verein. 2. Begrüßung. 3. Festrede von Herrn Pastor Redlich. 4. Danksagung. 5. Allgemeiner Schlußgesang mit Musikbegleitung. Hierauf Concert und Ball in Oehmigs und Webers Gasthof. Montag, den 24. Juni, nachmittags r/,4 Uhr Concert, von 5 Uhr an Festtafel und nach dieser Ball.